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Vermächtnis
Vermächtnis (auch Legat, von lat. legatum) ist ein Begriff des deutschen, österreichischen und schweizerischen Erbrechts. Das Vermächtnis kann vom Erblasser in einem Testament angeordnet oder in einem Erbvertrag vereinbart werden. Während ein Erbe das ganze Vermögen oder einen Teil davon erbt und insoweit Rechtsnachfolger wird, erhält der Vermächtnisnehmer nur einen bestimmten Vermögensgegenstand aus dem Nachlass, ohne dass er gleichzeitig Rechtsnachfolger würde. Eine Ausnahme bildet das sogenannte Vorausvermächtnis, das einem (Mit-)Erben zugewendet wird. Der Vermächtnisnehmer hat somit nicht die Stellung eines Erben, er kann vielmehr von den Erben die Herausgabe des vermachten Vermögensteils verlangen.
Deutsches Recht
Die gesetzlichen Regelungen des Vermächtnisses finden sich im deutschen Recht in den §§ 2147 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).
Rechtsnatur
Das Vermächtnis besteht gemäß § 1939 BGB in der Zuwendung eines Vermögensvorteils aus dem Nachlass an den Bedachten (Vermächtnisnehmer).
Gegenstand eines Vermächtnisses kann die Zuwendung von Vermögenswerten sein, wie Sachen, Geld, Forderungen, Wohnrechten, oder von Handlungen (Tun oder Unterlassen) des Beschwerten, also auch von Dienstleistungen oder dem Erlass einer Forderung.
Allerdings erwirbt beim Vermächtnis der Bedachte den vermachten Vermögensvorteil nicht von selbst (ein solches sogenanntes Vindikationslegat kennt das deutsche Recht nicht). Vielmehr erwirbt der Bedachte nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Verschaffung des Zugewendeten (sogenanntes Damnationslegat), also das Recht, die Erfüllung dieses Anspruchs von dem mit dem Vermächtnis Beschwerten zu fordern (§ 2174 BGB).
Mit dem Vermächtnis beschwert ist derjenige, der nach dem Willen des Erblassers den Anspruch des Vermächtnisnehmers aus dem Nachlass erfüllen soll, also meist der Erbe oder mehrere Erben. Es kann aber auch ein anderer Vermächtnisnehmer seinerseits mit einem Vermächtnis (sogenanntes Untervermächtnis) beschwert werden (§ 2147 BGB).
Dadurch, dass das Vermächtnis nur einen Anspruch begründet, der erst vom Beschwerten erfüllt werden muss, unterscheidet es sich von der Erbeinsetzung, bei der mit dem Tod des Erblassers dessen Vermögen von selbst auf den Erben oder eine Mehrheit von Erben übergeht (sogenannte Gesamtrechtsnachfolge).
Das Vermächtnis ist im Übrigen von der Auflage zu unterscheiden. Die Auflage ist in den §§ 2192 ff. des BGB geregelt. Während das Vermächtnis dem Begünstigten einen eigenen, einklagbaren Anspruch auf Erfüllung einräumt, ist dies bei der Auflage nicht der Fall.
Verfügung und Inhalt
Zur Aussetzung eines Vermächtnisses ist die Benutzung bestimmter Worte im Testament oder im Erbvertrag nicht erforderlich. Nach der in § 2087 BGB enthaltenen Auslegungsregel liegt in der Zuwendung nur einzelner Gegenstände im Zweifel die Anordnung eines Vermächtnisses. Verfügt der Erblasser beispielsweise: Mein Jagdgewehr erhält mein Freund ..., alles andere, was ich besitze, vermache ich meinem Sohn, so ist der Sohn Erbe und der Freund Vermächtnisnehmer. Das bedeutet, dass der Sohn mit dem Tode des Erblassers in alle Vermögenspositionen desselben einrückt, der Freund hingegen einen Anspruch gegen den Sohn als Erben auf Verschaffung des Eigentums am Gewehr und auf Herausgabe desselben hat. In der Praxis ist häufig erst durch Auslegung der Wille des Erblassers ergründbar.
Besondere Formen des Vermächtnisses
Ersatzvermächtnis
Für den Fall, dass der Bedachte bei Eintritt des Erbfalles nicht mehr lebt, kann der Erblasser ein Ersatzvermächtnis anordnen, § 2190 BGB.
Nachvermächtnis
Ein Nachvermächtnis liegt vor, wenn der Erblasser einen Vorvermächtnisnehmer und einen Nachvermächtnisnehmer bestimmt hat. Der Nachvermächtnisnehmer soll dann nach Eintritt eines Ereignisses von dem Vorvermächtnisnehmer den Gegenstand fordern können.
Verschaffungsvermächtnis
Beim Verschaffungsvermächtnis richtet sich die Verfügung des Erblassers auf einen Gegenstand, der nicht zum Nachlass gehört. Der mit dem Vermächtnis Beschwerte muss dann den Gegenstand mit Mitteln des Nachlasses erwerben und dem Vermächtnisnehmer verschaffen. Allerdings ist § 2169 BGB zu beachten, wonach grundsätzlich ein Vermächtnis unwirksam ist, wenn es sich auf einen nicht zum Nachlass gehörenden Gegenstand bezieht. Ein Verschaffungsvermächtnis darf deshalb nur angenommen werden, wenn feststeht, dass der Erblasser trotzdem den Gegenstand zuwenden wollte.
Vorausvermächtnis
Beim Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) wird das Vermächtnis einem (Mit-)Erben selbst zugewendet, d.h. er ist sowohl Erbe als auch Vermächtnisnehmer. Er erhält einen bestimmten Gegenstand aus dem Nachlass ohne Anrechnung auf seinen Erbteil. In der Praxis bereitet es immer wieder Schwierigkeiten, das Vorausvermächtnis von der Teilungsanordnung abzugrenzen. Dabei besteht bei der Teilungsanordnung eine Ausgleichspflicht gegenüber den Miterben, beim Vorausvermächtnis nicht. Missverständnisse entstehen vor allem bei selbstverfassten Testamenten aufgrund der unklaren und widersprüchlichen Formulierungen im BGB: So wird in § 1939 das Vermächtnis als eine Zuwendung „ohne ihn [den Begünstigten] als Erben einzusetzen“ festgelegt, während aus § 2150 folgt, dass auch Vermächtnisse zugunsten Erben möglich sind, dann eben Vorausvermächtnisse.
Im Fall der Verfügung: Mein Aktiendepot erhält mein Sohn A, das übrige Vermögen erhalten meine Söhne A und B zu gleichen Teilen, bleibt unklar, ob der Erblasser den A begünstigen wollte (dann Vorausvermächtnis) oder einen Ausgleich für das Aktiendepot anstrebte (dann Teilungsanordnung). Nach der Rechtsprechung ist das Vorausvermächtnis regelmäßig schon vor der Erbauseinandersetzung zu befriedigen.[1]
Universalvermächtnis
Ein Universalvermächtnis liegt vor, wenn der Erblasser einem Dritten die gesamte Erbschaft mittels Vermächtnis zuwendet und dabei deutlich gemacht hat, dass die Auslegungsregel des § 2087 BGB nicht gelten soll. Hauptartikel: Universalfideikommiss
Abtretung
Da es sich bei dem Vermächtnis um einen schuldrechtlichen Anspruch handelt, unterliegt dieser den allgemeinen Regeln der Abtretung.
Islamisches Recht
Im islamischen Recht, das in den meisten islamischen Ländern zur Anwendung kommt, gibt es die Institution des testamentarischen Vermächtnisses (waṣīya). Dieses Vermächtnis darf ein Drittel des Vermögens (nach Abzug der Bestattungskosten und Schulden) nicht übersteigen, es sei denn, die gesetzlichen Erben, denen bestimmte Pflichtteile (farāʾiḍ) zustehen, stimmen dem zu. Die Frage, ob Vermächtnisse gegenüber gesetzlichen Erben zulässig sind, wird in den verschiedenen islamischen Rechtsschulen unterschiedlich beurteilt. In den meisten islamischen Ländern sind sie heute erlaubt. Während Muslime und Nicht-Muslime nach dem islamischen Recht gegenseitig nicht erbberechtigt sind, ist das Vermächtnis eines Muslims zugunsten eines Nicht-Muslims wirksam.[2] Dies ist ein Ansatzpunkt für individuelle Lösungen bei interreligiösen Ehen.[3] Die Aussetzung eines Vermächtnisses gilt nach der islamischen Normenlehre grundsätzlich als empfehlenswert.[4]
Einzelnachweise
- ↑ OLG Saarbrücken, Urteil vom 12. Juli 2007 – 8 U 515/06.
- ↑ Vgl. Hans-Georg Ebert: "Tendenzen der Rechtsentwicklung" in Werner Ende und Udo Steinbach (Hrsg.): Der Islam in der Gegenwart. 5. aktualisierte und erw. Aufl. C.H.Beck, München, 2005. S. 223.
- ↑ Vgl. Mathias Rohe: Das islamische Recht. Geschichte und Gegenwart. 2. Auflage. München 2009. S. 100.
- ↑ Vgl. z.B. ʿAbd al-Wahhāb al-Baghdādī: Kitāb at-Talqīn fī l-fiqh al-mālikī. Ed. Zakarīyā ʿUmairāt. Dār al-kutub al-ʿilmīya, Beirut, 1999. S. 152.
Weblinks
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