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Verwöhnender Erziehungstil

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Der Begriff Verwöhnender Erziehungsstil geht auf den Wiener Arzt und Begründer der Individualpsychologie Alfred Adler zurück.[1] Die heutige Tiefenpsychologie verwendet für diese Erziehungseinflüsse den englischen Begriff Overprotection. In der deutschsprachigen Literatur wird meist von einem permissiv-verwöhnenden Erziehungsstil gesprochen.[2]

Erziehungsstil

Ein Erziehungsstil der „Verwöhnung“ und „Verzärtelung“ mit samt seiner Auswirkungen wurde 1904 erstmals von Alfred Adler in bürgerlichen Familien beschrieben. Durch körperliche Mängel, wie auch durch autoritäre, kalte und verwöhnende Erziehung verlören Kinder „leicht die beste Unterstützung ihres geistigen Wachstums, das Vertrauen in die eigene Kraft“.[3]. Adler, der sich gegen jede Form der autoritären Erziehung aussprach, sah die verzärtelnde oder verwöhnende Erziehung im Zusammenhang des vernachlässigenden Erziehungsstils. Sie sei im Sinne von überbeschützender Fürsorge und „Handeln für das Kind“ in Situationen zu verstehen, in denen es um die Selbstständigkeit und Kooperation des Kindes mit Anderen geht. Adler sieht die Gefahr in einer verwöhnenden Erziehung in einem Verlust des Sozialinteresses sowie bei entsprechenden Lebensaufgaben. Es werde vielmehr „an eine imaginäre Welt gewöhnt. [...] Eine verhältnismäßige kurze Zeitstrecke genügt, um das Kind zu verleiten, sich immer im Mittelpunkt des Geschehens zu sehen und alle anderen Situationen und Menschen als feindlich zu empfinden.“[4] Anhaltspunkte für verwöhnende Erziehung waren nach Erwin Wexberg 1922[5]: „Überhäufen mit Zärtlichkeit, überschwängliche Bewunderung für jede Leistung, maßlos auf seine Schönheit und Intelligenz eingebildet zu sein, das Kind all dies merken zu lassen und es zum Mittelpunkt der Familie machen, jeden Wunsch von den Augen ablesen, dem Kind gehorchen und sich von ihm beherrschen und tyrannisieren zu lassen, dem Kind alles abnehmen und ihm gleichzeitig jede Möglichkeit der eigenen Entwicklung zu nehmen“.

Heute wird ein permissiv-verwöhnender Erziehungsstil als in den meisten Bereichen entwicklungsfördernd eingeschätzt, insbesondere in den Bereichen Selbstkonzept, soziale Beziehungen und Arbeitsorientierung. Im Gegensatz zum autoritativen Stil könne jedoch eine erhöhte Neigung zum Substanzmissbrauch sowie Devianz in der Schulzeit auftreten.[2] Mit Helikopter-Eltern und ähnlichen Begriffen werden in einigen Medien verschiedene Aspekte des Verhaltens von Eltern umschrieben, die in ständiger Sorge und mit überhöhten Erwartungen um ihre zum Lebensmittelpunkt gemachten Kinder schwirren, um ihnen alle Steine aus dem Wege räumen zu können.[6] Verwöhnung darf nicht mit emotionaler Zuwendung verwechselt werden, denn diese stärkt das Kind, in dem es ihm den nötigen Beistand und Rückhalt zur tätigen Auseinandersetzung mit den Lebensaufgaben gibt. Die Verwöhnung dagegen schwächt das Kind, weil es an einer aktiven Lebensbewältigung gehindert wird.

Nach Wolfgang Bergmann führe eine Verwöhnung wie auch Vernachlässigung zu einem „Anwachsen der Unkonzentriertheit, der Rücksichtslosigkeiten, des Verlusts sozialer Bindungen der Kinder untereinander. [...] oft bekommen sie dann ärztliche Diagnosen, wie ADHS oder Asperger-Syndrom – Etikettierungen, die aber nicht viel erklären. Kinder brauchen eine sichere Bindung, das setzt sichere Eltern voraus. Viele moderne Eltern sind gehetzt und voller Zukunftsangst, Kinder brauchen aber stabile Eltern, die auch einmal ohne dröhnende Strafstimme, sondern ruhig und selbstverständlich zugewendet, erläutern, was richtig und was falsch ist und darüber auch nicht die geringste Debatte zulassen. Kinder wollen nicht gleichberechtigt sein, Kinder wollen beschützt werden, das fällt vielen modernen Eltern oft schwer.“[7]

Psychoanalytische Betrachtungsweise

Freud betrachtete den Ödipuskonflikt als normales und universelles Stadium des menschlichen Lebens, während sie für Adler das Ergebnis der falschen Erziehung eines verwöhnten Kindes darstellte. Für die Neopsychoanalytikerin Karen Horney ist der Ödipuskomplex eine Art Entwicklung, die bei einem schon vorher verwöhnten Kind eintritt.[8]

Siehe auch

Literatur

  • Alfred Adler: The pattern of life. Cosmopolitan Book Co., New York NY 1930 (Deutsch: Kindererziehung. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-596-26311-5).
  • Heinz L. Ansbacher, Rowena R. Ansbacher (Hrsg.): Alfred Adlers Individualpsychologie. Eine systematische Darstellung seiner Lehre in Auszügen aus seinen Schriften. 3. ergänzte Auflage. Ernst Reinhardt, München u. a. 1982, ISBN 3-497-00979-2.
  • Foster W. Cline, Jim Fay: Parenting with Love and Logic. Teaching Children Responsibility. Pinon Press, Colorado Springs CO 1990, ISBN 0-89109-311-7.
  • Jürg Frick: Die Droge Verwöhnung. Beispiele, Folgen, Alternativen. 3. überarbeitete und ergänzte Auflage. Verlag Huber, Bern u. a. 2005, ISBN 3-456-84171-X.
  • Barbara Oehler: Der Einfluss der verwöhnenden und verzärtelnden Erziehung auf die gesunde und kranke Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit. Eine Untersuchung zur Individualpsychologie. Dissertation Universität Zürich, 1977.
  • Walter Toman: Familienkonstellationen. Ihr Einfluss auf den Menschen. Beck, München 1961, 7. durchgesehene Auflage (= Beck'sche Reihe 112). ebenda 2002, ISBN 3-406-49407-2
  • Albert Wunsch: Die Verwöhnungsfalle. Für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit. München 2000.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Alfred Adler: Der Arzt als Erzieher, Ärztliche Standeszeitung, Bd. 3, Nr. 13-15, 1904
  2. 2,0 2,1 Uwe Sandfuchs, Wolfgang Melzer, Bernd Dühlmeier und Adly Rausch: Handbuch Erziehung, S. 166; online in Google Bücher
  3. Almuth Bruder Bezzel: Geschichte der Individualpsychologie, Vandenhoeck & Ruprecht 1998, S. 21
  4. Gerald Mackenthun: Verständnis und Mitgefühl, Königshausen & Neumann 2000. S. 77; online in Google Bücher
  5. E. Wexberg: Verzogene Kinder, In: Heilen und Bilden. Ein Buch der Erziehungskunst für Ärzte und Psychologen, München 1922
  6. Foster W. Cline und Jim Fay: Parenting with Love and Logic Teaching Children Responsibility. Pinon Press 1990; Wendy Mogel: The Blessings of a Skinned Knee: Using Jewish Teachings to Raise Self-Reliant Children, Scribner, 2008, ISBN 1416593063 (Erstauflage 2001)
  7. „Verwöhnung ist nicht Liebe“, Focus-online vom 12. August 2009
  8. Die Entdeckung des Unbewussten: Geschichte und Entwicklung der dynamischen Psychiatrie von den Anfängen bis zu Janet, Freud, Adler und Jung. Huber Verlag, Bern, Stuttgart, Wien 1973, Neuausgabe: diogenes, Zürich 2005, ISBN 3-257-06503-5
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