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Vitiligo
Klassifikation nach ICD-10 | ||
---|---|---|
L80 | Vitiligo | |
ICD-10 online (WHO-Version 2013) |
Vitiligo (lateinisch vitilīgō ‚Flechte‘, ‚Hautkrankheit‘; med. Leucopathia acquisita, griechisch λευκός ‚weiß‘ πάθος ‚Leiden‘ lat. acquisita ‚erworben‘) oder auch Weißfleckenkrankheit sowie Scheckhaut genannt ist eine chronische, nicht ansteckende Hauterkrankung, die etwa 0,5 bis 2 % der Menschen weltweit[1] betrifft. Typisch sind Pigmentstörungen in Form weißer, pigmentfreier Hautflecken, die sich langsam ausweiten können, aber nicht unbedingt müssen.
Ursachen
Die Ursache ist unbekannt, es werden permanente oder vorübergehende autoimmune Blockierungen bzw. Zerstörung der Melanozyten angenommen. Die Erkrankung tritt oft zusammen mit anderen Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis, Diabetes mellitus Typ 1 oder perniziöser Anämie auf.[2]
Stress könnte als Katalysator eines Vitiligo-Ausbruchs wirken. Dies bedeutet, dass die mit dem Stress einhergehenden Auswirkungen das Immunsystem stören können.[3]
Verlauf
Die Krankheit kann in jedem Alter und auch in anscheinend genetisch nicht vorbelasteten Familien auftreten. Die Vererblichkeitsrate liegt bei ca. 33 %.[1] Statistisch am häufigsten betroffen sind Unterarme, Handgelenke, Hände, Finger, Ellenbogen, Füße und Genitalien. In der Regel sind die gedehnten Hautpartien betroffen, z. B. Ellenbogen. Die unpigmentierten Flächen können sich ausbreiten oder in ihrer Größe konstant bleiben. Spontane Repigmentierungen treten auf.
Behandlung
Bestrahlung mit ultraviolettem Licht
Es werden verschiedene Formen der UV-Therapien eingesetzt, deren Wirksamkeit allerdings nur schwach belegt ist:[4] 311-nm-Schmalspektrum-UVB, UVA-Therapien in Kombination mit lichtsensibilisierenden Präparaten (z. B. Khellin oder Phenylalanin) sowie 308-nm-Excimerlaser. Lasertherapien haben den Vorteil, dass sie punktgenau auf den betroffenen Arealen eingesetzt werden können. Dies setzt jedoch voraus, dass sich die Vitiligo aktuell nicht gerade ausbreitet. Andernfalls sind großflächige Bestrahlungen vorzuziehen. UV-Therapien müssen über mehrere Monate durchgeführt werden. Durchschnittlich sind Therapiezeiten von sechs bis zwölf Monaten zu erwarten, die in Form von vielen kurzen, regelmäßigen Sitzungen durchgeführt werden müssen. Bei einer UV-Bestrahlung sollten keine früheren malignen Hauttumore vorliegen sowie die Patienten mindestens im pubertären Alter sein und keine sonstigen Lichtempfindlichkeiten aufweisen. Wenn nach drei Monaten UV-Bestrahlung noch keine Repigmentierung eingesetzt hat, ist die nunmehr erfolglose Therapieform abzusetzen. Eine „Therapie“ in Form von direkter Sonneneinwirkung ist wegen der hohen Lichtempfindlichkeit der betroffenen Hautpartien zu meiden.
Transplantation
In Spezialfällen können auch autologe Melanozyten (Empfänger und Spender sind identisch) angezüchtet und wiedereingepflanzt werden. Dies erfolgt nach einer Vorbehandlung der Haut durch Abschleifung mit Lasern oder hochtourigen Schleifmaschinen. Besonders im Gesichtsbereich sind die Ergebnisse zufriedenstellend.[5] Vor allem bei stabiler Erkrankung über sechs Monate und kleinen Läsionen kommt eine Gewebe- oder Zelltransplantation infrage.[6]
Farbausgleich
Durch Laserbestrahlung, Einnahme von Tyrosinaseinhibitoren (z. B. Monobenzon[7][8]) oder chirurgische Eingriffe können die verbliebenen Melanozyten zerstört werden, was einen Farbausgleich der Haut zur Folge hat. Dieser Eingriff ist jedoch nur bei Patienten mit großen krankheitsbedingten psychischen Störungen mit Empfehlung eines Psychiaters vorzunehmen, da diese Therapie keinerlei physische Heilung mit sich bringt, sondern durch die absichtliche „Bleichung“ der nicht betroffenen Hautareale die primären Krankheitssymptome sogar fördert.
Medikation
Topische Steroide wurden zur Behandlung verwendet, haben sich jedoch nicht als besonders wirkungsvoll erwiesen. Einen ähnlichen, ebenfalls immunsuppressiven Ansatz verfolgen die neueren Präparate aus der Gruppe der Calcineurin-Antagonisten. Die abschließende Bewertung der Wirksamkeit dieser Präparate steht derzeit noch aus.[4]
Naturheilkunde
Bei den Probanden einer kleinen Studie bewirkte Ginkgo-biloba-Extrakt einige Repigmentierungen,[9] allerdings misst der Cochrane-Report von 2015 dem keine Beweiskraft zu.[4]
Psychotherapie
In einigen Fällen kann die Psychotherapie eine Hilfe bei der Stressbewältigung bieten und trägt damit zur Verminderung der psychosomatischen Begleitprobleme und zur Krankheitsbewältigung bei.
Camouflage
Als Camouflage werden abdeckende Verfahren bezeichnet, bei denen die hellen Herde mit einem Spezial-Make-up abgetönt werden. β-Carotin höherdosiert, in Form von Kapseln, führt zu einer Orangeverfärbung der hellen Hautpartien, so dass der Kontrast zur gesunden Haut geringer erscheint. Es besteht aber auch die Möglichkeit, einen Selbstbräuner zu nutzen.
Prognose
Eine Heilung ist nicht möglich. Körperliche Leistungsfähigkeit und Lebenserwartung sind durch die Erkrankung zwar direkt nicht beeinflusst, durch den fehlenden Pigmentschutz ist die Haut allerdings besonders lichtempfindlich. Lichtinduzierte Hautveränderungen bis hin zu Krebs (z. B. Hautkrebs) kommen vor.[2] Sonnenschutz mit hohem Lichtschutzfaktor ist empfehlenswert, bei großflächigen Arealen sollte Sonnenbestrahlung gemieden werden. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass die natürliche Vitamin-D-Produktion dadurch reduziert wird und entsprechend eine medikamentöse Kompensation erfolgen sollte, um den Folgen eines Vitamin-D-Mangels vorzubeugen. Die psychischen Folgen wie sozialer Rückzug können erheblich sein.
Behinderung
Die Erkrankung wird bei Befall von Gesicht und/oder Händen, je nach Ausdehnung, mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 10 bis 20 bewertet.[10]
Stigmatisierung
In manchen Kulturen ist mit Vitiligo für die betroffenen Personen ein Stigma verbunden. Sie werden teilweise als böse oder verseucht gesehen und deshalb mitunter von den anderen Gruppenmitgliedern gemieden. In Indien wird Vitiligo fälschlicherweise oft mit Lepra in Verbindung gebracht. Vitiligobetroffene werden oft aus Unkenntnis stigmatisiert, da der Bevölkerung nicht bewusst ist, dass Vitiligo weder ansteckend noch ein Zeichen für Siechtum oder Krankheiten wie Krebs ist. Als teilweise psychisch bedingte und damit einer charismatischen Heilung zugängliche Erkrankung ist sie eine mögliche Erklärung für die Heilung eines Aussätzigen im Neuen Testament (z. B. Mk 1,40-45 par.).[11]
Etymologie und Geschichte
Die Etymologie des lateinischen Wortes Vitiligo ist nicht genau bekannt. Möglich ist, dass er sich vom lateinischen Wort vitium ableitet[12] das mit „Fehler“ oder „Defekt“ übersetzt werden kann, im medizinischen Kontext auch als „Fehlbildung“ oder „Fehlfunktion“.[13] Denkbar ist aber auch eine Verbindung zu lateinisch vitellus „Kalb“[14], bezogen auf deren von weißen Flecken durchsetzte Fellfärbung.
Der römische Enzyklopädist und Medizinschriftsteller A. Cornelius Celsus erwähnt in der 1. Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. drei Arten von vitiligo, von denen er zwei als weiß kennzeichnet, eine als schwarz.[15] Die unheilbare weiße Art bezeichneten demzufolge die Griechen als leuke (Λευκἠ).
Literatur
- Constantin E. Orfanos, Claus Garbe: Therapie der Hautkrankheiten. Springer-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-540-41366-9, S. 833–845.
- AWMF-Leitlinie: Empfehlungen zur Phototherapie und Photochemotherapie
- AWMF-Leitlinie: Psychosomatische Dermatologie (Psychodermatologie)
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Jürgen Diehle: Vitiligo und die Schilddrüse. Dissertation. 2004. (PDF; 347 kB)
- ↑ 2,0 2,1 Duale Reihe Dermatologie. 3. Auflage. Hippokrates-Verlag, 1995, ISBN 3-7773-1180-4.
- ↑ Vitiligo - Ursachen Hautlexikon DermanosticHautlexikon - Vitiligo
- ↑ 4,0 4,1 4,2 M. E. Whitton, M. Pinart u. a.: Interventions for vitiligo. In: Cochrane Database of Systematic Reviews. Nummer 2, 2015, Art. Nr. CD003263, doi:10.1002/14651858.CD003263.pub5.
- ↑ Hauttransplantate gegen Weißfleckenkrankheit. In: Der Standard. 11. März 2010.
- ↑ Dr. Anja Braunwarth: Weiße Flecken auf der Haut: Therapie von Vitiligo. In: Medical Tribune. 5. April 2018, abgerufen am 9. Juli 2019.
- ↑ Franz v. Bruchhausen, G. Dannhardt, Siegfried Ebel, August Wilhelm Frahm, Eberhard Hackenthal, Ulrike Holzgrabe: Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis Band 8: Stoffe E-O. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-642-57994-3, S. 1032 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
- ↑ Torsten Schlote, Ulrich Kellner: Unerwünschte Arzneimittelwirkungen in der Augenheilkunde. Thieme, Stuttgart/ New York 2011, ISBN 978-3-13-153241-1, S. 53 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
- ↑ D. Parsad, R. Pandhi, A. Juneja: Effectiveness of oral Ginkgo biloba in treating limited, slowly spreading vitiligo. In: Clinical & Experimental Dermatology. Band 28, Nr. 3, 2003, S. 285–287, PMID 12780716, doi:10.1046/j.1365-2230.2003.01207.x.
- ↑ Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (Teil B, 17.12)
- ↑ Walter Grundmann: Das Evangelium nach Markus, Theol. Handkommentar zum NT. 10. Auflage. Band 2, Berlin 1989, S. 70.
- ↑ So der Eintrag „vitiligo“. In: Karl Ernst Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. Unveränderter Nachdruck der achten verbesserten und vermehrten Auflage, hrsg. von Heinrich Georges. Zweiter Band. Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1913 (erneut: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1998), Sp. 3522.
- ↑ Eintrag „vitium“. In: Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. Zweiter Band. Sp. 3524.
- ↑ Eintrag „vitellus“. In: Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. Zweiter Band. Sp. 3522.
- ↑ Cels. 5,28,19a–c.
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