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Benutzer:König Alfons der Viertelvorzwölfte/Die 1002. Nacht

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Die Geschichte aus der 1002. Nacht

Einführung

Da bemerkte Schehrezâd, dass der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die Eintausendundzweite Nacht anbrach, fuhr sie also fort:

Vor langer Zeit lebte im fernen Bagdad ein reicher Müssiggänger aus dem fernen Frankenland, der sich المستشرق nannte. Durch vielerlei Kniffe und Ränke hatte er es geschafft, seine wahre Identität verborgen zu halten, und so kannte niemand seinen richtigen Namen. Das einzige Bild, das von ihm überliefert wurde, zeigte ihn kopflos.

Er liebte es, in vergilbten jahrhundertealten arabischen Schriften zu stöbern, die ausser ihm niemand las. Mit der Zeit konnte er einige Anhänger um sich scharen, die sein hochfahrendes Wesen in Kauf nahmen und sich von seiner vorgeschobenen Gelehrsamkeit beeindrucken liessen. Er war aber nicht nur hochfahrend, sondern von grenzenlosem Neid auf alle erfüllt, die es auf irgendeinem Gebiet zu etwas gebracht hatten. Mit der Zeit wurde er zu einem wahren Meister in der Kunst der Verleumdung und schmeichelte nur in Fällen, wo er seine Haut bedroht sah.

Das Haus der Weisheit

Als nun in Bagdad das "Haus der Weisheit" errichtet wurde, erkannte er diesen Ort sogleich als seine ideale Wirkungsstätte. Die Einrichtung war auf dem Prinzip der Freiwilligkeit aufgebaut. Doch während andere die Schätze ihres Wissens freigebig und uneigennützig weitergaben, verwendete er all seine Energie darauf, Beiträge aus seinem Bereich, an denen er keine Lust zur Mitwirkung hatte, löschen zu lassen und ihm nicht genehme Mitarbeiter hinauszuekeln.

Die Facetten seiner Persönlichkeit machten den Umgang mit المستشرق für die meisten seiner Zeitgenossen zu einer kaum erträglichen Qual. Zwar hatte er sich in unzähligen schlaflosen Nächten die Feinheiten des islamischen Rechts anzueignen bemüht. Abgesehen von juristischen Fragen war er jedoch an keinerlei Religion interessiert. Mehr als das, er wurde von verzehrendem Hass gegen alle erfüllt, die sich zum Islam oder zu einer anderen Schriftreligion bekannten. Unter dem Titel "Die Muslime in Europa" prangte auf seiner persönlichen Korrespondenz eine zweckmässig verfälschte ("rekonstruierte") Version eines turbangeschmückten, schnauzbärtigen, schwertschwingenden türkischen Kriegers, der mit dem Blut unschuldig hingeschlachteter Kinder besudelt war.

Da damals die Truppen des Kalifen ein halbes Weltreich eroberten, traten viele seiner Zeitgenossen zum Islam über. Dies erregte den Zorn von المستشرق, der Konvertiten als ungebildete Terroristen beschimpfte und ihnen so scharfsinnig als möglich zu beweisen suchte, dass sie in arabischer Sprache, Schari'a und Fiqh zur "Null-Ahnung-Fraktion" gehörten und sich keinesfalls mit ihm messen konnten.

Die Kunst der Verleumdung

Wer es in der Kunst der Verleumdung zur Meisterschaft bringen will, muss einige Grundvoraussetzungen erfüllen. Dazu gehört erstens ein ungebrochener Glaube an die eigene Vollkommenheit und Einzigartigkeit. Bei المستشرق ruhte dieser Glaube auf sehr schwachen Füssen. Seine extremen Positionen hatten seinerzeit dazu geführt, dass gegen ihn ein Verbot der öffentlichen Lehrtätigkeit ausgesprochen wurde. So musste er sich mit vereinzelten Publikationen in obskuren Wälzern zufriedengeben, die er als unverzichtbare Mindestlektüre für alle Interessenten auf seinem Gebiet darstellte - zumindest solange sie seine Standpunkte getreulich wiedergaben. Kein Wunder, erstreckte sich sein Hass auf sämtliche öffentlichen Lehrbetriebe.

Zweitens wird wie bei jedem Kunsthandwerk eine Kombination aus unberechenbarer Phantasie und soldatischem Durchhaltewillen benötigt. Im Falle der Verleumdung dient die Verbindung dieser beiden Eigenschaften dem Ziel, potentielle Gegner so lange zu demütigen, bis sie zu reagieren beginnen. المستشرق entwickelte virtuose Fähigkeiten in der Erfindung und Anwendung überraschender Beleidigungen. Ein schüchterner Versuch, den Islam in etwas weniger schwarzen Farben darzustellen, als ihm angemessen erschien, genügte zum Aufbau ewiger Feindschaft. Besonders liebte er es auch, selbst eingeführte Rechtschreiberegeln als wissenschaftlichen Standard festzulegen und tagelang über die Frage zu dozieren, ob man nun Buchārā oder Buchara zu schreiben habe.

Wer sich im Kreise seiner Konkurrenten wiederfand, sah sich beispielsweise mit dem Vorwurf konfrontiert, islamische Verlogenheit, jüdische Zudringlichkeit, konvertitenhaftes Unwissen, persischen Nationalismus, studentisches Gehabe oder plagiatorische Tendenzen an den Tag zu legen. Diese Anwürfe wurden mit eiserner Konsequenz über Wochen und Monate gebetsmühlenartig wiederholt, bis die Angegriffenen ihre anfängliche Lammsgeduld verloren und entnervt zurückzuschlagen begannen. Diesen Moment, den المستشرق stets sehnsüchtig erwartete, nutzte er zur sofortigen Denunziation bei der Abteilung für "Assassinenmeldung". Trotz tatkräftiger Unterstützung durch seinen ehemaligen Schüler und einen weiteren Mitstreiter hatte er damit nicht immer Erfolg. In einigen Fällen gelang es dem Dreierteam, weitere übereifrige Türhüter aufzutreiben, die dann ein zeitlich begrenztes oder unbegrenztes Hausverbot aussprachen. Einige Opfer räumten zuvor freiwillig das Feld.

Der Drang, stets das letzte Wort zu behalten, führt einerseits zu den letzten Feinheiten in der Kunst des Verleumdens, hat aber letzten Endes selbstzerstörerische Wirkung. المستشرق vergass über Jahre und Jahrzehnte kein böses Wort, das ihm seine zahlreichen Opfer zugerufen hatten, wenn ihnen jemals der Geduldsfaden gerissen war. Noch lange nach einem offiziellen Kontaktabbruch verewigte er jeweils am Anschlagbrett des Hauses der Weisheit die Reaktionen seiner Gegner auf Zetteln, auf denen drohend ausgebreitete Hände den Leser vor eigenmächtigen Änderungen warnten.

Peripetie und Epilog

Im Verlauf der Zeit stellte sich heraus, dass المستشرق nicht, wie ursprünglich angenommen, aus dem Frankenland stammte, sondern weiter östlich in einem unwirtlichen Städtchen geboren wurde und während der Kriegswirren auf nie geklärte Weise in den Westen gelangte.

Das Ende von المستشرق ist schnell erzählt. Seine Neid- und Hassausbrüche wurden immer gewalttätiger, sinn- und zielloser, richteten sich immer mehr gegen vermeintliche Konkurrenten aus dem Hause der Weisheit, schliesslich aber nur noch gegen ihn selbst. Er starb einsam und verbittert, vergessen von seinen Bewunderern und Feinden.

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