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Dramaturgie

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Der Begriff Dramaturgie (von griechisch dramaturgein „ein Drama verfassen“) hat heute mehrere Bedeutungen. Ursprünglich bezieht er sich auf die Komposition von Dramen.

Allgemein

Nach Gottfried Fischborn lässt sich der Begriff auf alle prozessualen und strukturierten Tätigkeiten, kommunikativen Akte (die Sprechakte eingeschlossen), Geschehnisfolgen und Vorgänge im gesellschaftlichen wie im individuellen Leben der Menschen beziehen, in der Sphäre der symbolischen Repräsentation wie in der des Alltags, in der Realität wie in den Künsten. Unabdingbar für die Anwendbarkeit des Begriffes seien raum-zeitliche Strukturiertheit (Gestalt) und Kommunikativität – völlig unstrukturierte Abläufe oder solche ohne kommunikative Intention bzw. Wirkung haben auch keine Dramaturgie.[1]

Demnach käme den folgenden Produkten und Aktivitäten eine „Dramaturgie-Qualität“ zu:

  • literarisch fixierten Texten, insbesondere Dramen und Drehbüchern
  • der Aufführung eines Dramas im Theater oder in anderen Medien
  • dem gesamten Komplex der (nach Richard Schechner) öffentlichen Aufführungsaktivitäten (public performance activities) also außer Theater freies Spiel, Spiel nach Regeln, Sportveranstaltungen, theatral ausgestaltete Rituale, Performances und politische Shows.[2]
  • dem gesamten Bereich der symbolisch besetzten Kommunikation, Repräsentation und Reflexität
  • weiteren sozialen, anthropologischen und individualpsychologischen Phänomenen, sofern sie, nach Zeit und Raum strukturiert, ereignishaft ablaufen.[3]

Theater

Dramaturgie bezeichnet auch den Arbeitsbereich des Dramaturgen am Theater oder beim Film. Der Bereich der Dramaturgie im heutigen Theaterbetrieb umfasst mehrere Aufgaben, die je nach Theater unterschiedlich gewichtet werden. Wesentliche Punkte sind

  • Lektüre und Auswahl von geeigneten Werken für den Spielplan
  • Autorenförderung, Zusammenarbeit mit Komponisten
  • Suche nach Regisseuren, Bühnenbildnern etc.
  • Bearbeitung und Übersetzung von Dramentexten; im Musiktheater Einrichtung von Opern oder Libretti (Strichfassung = Festlegung von Kürzungen)
  • Erschließung von Hintergrundwissen und -material für das Regieteam und die Darsteller
  • Betreuung der Probenarbeit (im Rahmen der Produktionsdramaturgie)
  • Redaktion des Programmheftes und anderer Publikationen
  • Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
  • Einführungsveranstaltungen, Publikumsgespräche
  • Durchführen einer Dramaturgiesitzung

Neben diesen spezifischen Aufgaben sind Dramaturgen meist in Entscheidungsprozesse der Theaterleitung auf vielen Gebieten eingebunden, auf der anderen Seite in vielen Fragen auch Ansprechpartner für die Mitglieder des Ensembles.

Film

Siehe hierzu Hauptartikel: Filmdramaturgie

Im Bereich der Film- und Fernsehproduktion werden dramaturgische Kenntnisse vor allem bei der Entwicklung neuer Drehbücher benötigt.

Zur Aufgabe fest angestellter Dramaturgen gehört die Suche nach neuen Stoffen sowie die Betreuung der in Entwicklung befindlichen Drehbücher. Allerdings sind ausgewiesene Dramaturgen in der Branche im deutschsprachigen Raum eher selten. Es gibt nur wenige in Produktionsfirmen fest angestellte Dramaturgen oder Head of Developments. Meist wird die Drehbuchentwicklung von Produzenten und Producern betrieben, die dafür aber nicht immer ausreichend ausgebildet sind.

Freie Dramaturgen firmieren in Deutschland oft auch unter der Berufsbezeichnung „Script Consultant“. Die Aufgabe des Script Consultants besteht darin, eine vorliegende Drehbuchfassung zu analysieren und sich mit allen relevanten Aspekten eines Filmprojekts wie z. B. Figuren, Thema und Struktur detailliert und ausführlich auseinanderzusetzen und dabei Stärken und Schwächen aufzuzeigen. Die Ergebnisse dieser Analyse werden meistens schriftlich festgehalten, vor allem aber wird in einem konstruktiven Gespräch mit dem Autor, dem Produzenten und manchmal dem Regisseur nach Lösungsansätzen gesucht.

Dramaturgien als Schriften

Als Dramaturgie werden auch Anleitungen zum Verfassen oder zum Verständnis von dramatischen Texten verstanden. Als klassische Texte gelten etwa die Poetik (um 335 v. Chr.) von Aristoteles, Gotthold Ephraim Lessings Hamburgische Dramaturgie (1767–69), Passagen aus Georg Wilhelm Friedrich Hegels Vorlesungen über die Ästhetik (1835–38) oder Bertolt Brechts Kleines Organon für das Theater (1946).

Geschichte

Die Forderung nach einer Dramaturgie im Theater formulierte erstmals Johann Elias Schlegel. Gotthold Ephraim Lessing übte das Amt als Dramaturg am Hamburger Nationaltheater aus und benannte seine Tätigkeitsfelder auch erstmals in der Hamburgischen Dramaturgie. Er betonte dabei die Beschäftigung mit dramatischer Literatur und ästhetischen Theorien, den Entwurf eines aktuell bezogenen Spielplans und die Reflexion über das Theater an sich. In gewissem Sinn kann man auch Goethe und Schiller als Dramaturgen bezeichnen; wie Lessing schrieben beide Dramentexte, entwickelten aber auch programmatische Überlegungen über das Theater. Erste Dramaturgen waren neben Lessing Joseph Schreyvogel, Ludwig Tieck, Karl Immermann, später Heinrich Laube und Otto Brahm.

Im Zuge der Entwicklung der Regie diversifizierten sich die oben aufgeführten Aufgaben des Dramaturgen seit Beginn des 20. Jahrhunderts immer weiter. Mit Brechts Arbeit am Berliner Ensemble wurde die produktionsbezogene Arbeit des Dramaturgen eingeführt, die schließlich nach 1968 allgemein Einzug an deutschen Theatern hielt. Gleichzeitig fand eine Verwissenschaftlichung des Berufs statt; Aufgabe des Dramaturgen ist dabei, wissenschaftliche Erkenntnisse aus verschiedenen Disziplinen für den schöpferischen Prozess der Entstehung von Theater zugänglich und nutzbar zu machen. Auch in diesem Sinn gewann die Aufgabe der Produktionsbetreuung an Bedeutung.

Das Berufsbild ist von zunehmender Komplexität gekennzeichnet, was besonders im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und dem auch für Theater immer wichtiger werdenden Marketing in letzter Zeit zur Ausgliederung klassischer Arbeitsfelder des Dramaturgen und Kooperation mit spezialisierten Dienstleistern (z.B. an PR-, Script- oder Casting- Agenturen) geführt hat.

Am Theater führt der Trend weg vom Ensembletheater mit einem großen Repertoire hin zu Event-betonten Theaterformen (im Musiktheater z.B. das Stagione-Prinzip, allgemein gesprochen die immer zahlreicher werdenden Festivals) dazu, dass Dramaturgie im engeren Sinn an Bedeutung verliert.

Im Gegensatz dazu nimmt die Nachfrage und Bedeutung von Dramaturgen beim Film und Computerspiel stetig zu. Dies liegt in der wachsenden Professionalisierung und Differenzierung des Produktionsprozesses begründet.

Literatur

Allgemein

Theatertext

  • Gustav Freytag: Die Technik des Dramas. 1863 (Digitalisat)
  • Peter Roessler, Konstantin Kaiser (Hrsg.): Dramaturgie der Demokratie. Theaterkonzeptionen des österreichischen Exils, Wien: promedia 1989. ISBN 3-900 478-24-4
  • Manfred Pfister: Das Drama. Theorie und Analyse, München 2001 (11. Auflage). ISBN 3-8252-0580-0

Drehbuch

  • Peter Rabenalt: Filmdramaturgie. Vista 1999; Überarbeitete Neuausgabe im Alexander Verlag, Berlin|Köln, 2011, ISBN 978-3-89581-243-9
  • Richard Blank, Drehbuch. Alles auf Anfang – Abschied von der klassischen Dramaturgie, Alexander Verlag, Berlin|Köln, 2011, ISBN 978-3-89581-241-5
  • Jean-Claude Carrière/Pascal Bonitzer, "Drehbuchschreiben und Geschichtenerzählen", Alexander Verlag, Berlin|Köln, 2011, ISBN 978-3-89581-244-6
  • Robert McKee: STORY. Die Prinzipien des Drehbuchschreibens. 2000, ISBN 3-89581-045-2
  • Linda Seger: Von der Figur zum Charakter. Alexander Verlag, Berlin|Köln 1999, ISBN 3-89581-034-7
  • Michaela Krützen: Dramaturgie des Films. Wie Hollywood erzählt. Frankfurt am Main: Fischer, 2004 ISBN 3-596-16021-9
  • Frank Sagawe: Drehbuchkonzepte im Vergleich. Eine Untersuchung von Handbüchern zur Drehbuchschulung, Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller, 2007. ISBN 978-3-8364-0613-0
  • Jürgen Mohring: Dramaturgie made in Hollywood - oder: Wie werden Erfolgsfilme gemacht?. 2007, ISBN 978-3-8334-8499-5
  • Kerstin Stutterheim, Silke Kaiser: Handbuch der Filmdramaturgie. Frankfurt am Main, Peter Lang, 2009. ISBN 978-3-631-57239-9
  • Gunther Eschke, Rudolf Bohne: Bleiben Sie dran! Dramaturgie von TV Serien, Konstanz: UVK, 2010. ISBN 978-3-86764-176-0
  • Jens Eder: Dramaturgie des populären Films. Drehbuchpraxis und Filmtheorie. 3. Aufl. Hamburg, Münster: Lit, 2009. Online unter http://edocs.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2009/11984/

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. vgl. Theatralität - Dramaturgie - Dramatisierung" in: Gottfried Fischborn: Politische Kultur und Theatralität, Peter Lang: Frankfurt am Main 2012, S. 16
  2. vgl. Richard Schechner: Approaches to Theory/Criticism, The Drama Review 4/1966
  3. siehe Fischborn, a. a. O., S. 17

Weblinks

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Dramaturgie aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.