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Elfenbeinturm

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Der Elfenbeinturm ist die Metapher eines geistigen Ortes der Abgeschiedenheit und Unberührtheit von der Welt.

Begriffsherkunft

Anrufung Marias als elfenbeinerner Turm auf einem Fresko in der Frauenkapelle in Altenmark (Osterhofen)
Rembrandt van Rijn, „Der Philosoph“ (1633) – Klischeehafte Darstellung eines Innenraums des Elfenbeinturms

Er hat seinen Ursprung als elfenbeinerner Turm im biblischen Hohen Lied 7,5 EU: Dein Hals ist ein Turm von Elfenbein. Da Elfenbein in der christlichen Tradition als Symbol edler Reinheit gilt, ruft man die Jungfrau Maria in der Lauretanischen Litanei auch mit dem Attribut „Du elfenbeinerner Turm“ an.

Das heute übliche Verständnis des Elfenbeinturms als einem immateriellen Ort der Abgeschiedenheit und Unberührtheit, an dem sich vor allem Literaten und Wissenschaftler aufhalten, entstand im Lauf des 19. Jahrhunderts in Europa. Der früheste Beleg findet sich beim französischen Literaturkritiker und Schriftsteller Charles-Augustin Sainte-Beuve etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts, der es mit der Rede vom tour d'ivoire auf eine literaturkritische Beschreibung eines möglichen Autorenstandpunkts absah. Im deutschen Sprachgebrauch tauchte der Elfenbeinturm in dieser Bedeutung zu Beginn des 20. Jahrhunderts erstmals auf. In den 1950er und 1960er Jahren diente er insbesondere als Symbol für die Reformbedürftigkeit der deutschen Universitäten. So stellte etwa der Verband Deutscher Studentenschaften den 6. Deutschen Studententag 1960 unter das programmatische Motto Abschied vom Elfenbeinturm.

Heutiges Begriffsverständnis

Forschung und Produktion von Kunst im Elfenbeinturm bezeichnet einen Intellektuellen, der einzig für seine Aufgabe lebt und sich nicht um die gesellschaftlichen Folgen seiner Tätigkeit kümmert, sondern nur nach wissenschaftlicher und künstlerischer Wahrheit sucht. In dieser Verwendung mischt sich in dem Ausdruck Spott über einen weltabgeschiedenen Gelehrten mit der Bewunderung für einen Menschen, der sich mit all seiner Kraft einer edlen Aufgabe (deshalb Elfenbein) widmet.

Heute überwiegt der negative Beigeschmack des Begriffs. Dieser bezieht sich auf einen akademischen Habitus von Forschern oder Wissenschaftlern, der darin besteht, dass die innerhalb der Disziplinen herrschende extreme Spezialisierung in Bezug auf die nicht-akademische Außenwelt nicht als kommunikatives Problem erkannt werden will.

Mit einfacheren Worten: In vielen Fachgebieten haben Wissenschaftler eine sehr stark spezialisierte Fachsprache entwickelt, die von Nichteingeweihten kaum oder gar nicht verstanden wird; und trotzdem wird diese Fachsprache dann in der Kommunikation mit der Allgemeinheit verwendet, obwohl oder gerade weil man weiß, dass man als Wissenschaftler auf diesem Wege unverstanden bleibt. Vielmehr wird diese Tatsache, dass auch ein überdurchschnittlich gebildeter Bürger das betreffende Fachgebiet nicht verstehen kann, als unvermeidliche – manchmal auch begrüßenswerte – Tatsache hingenommen. Die Suche nach kommunikativen Lösungen, um Verständigungsprobleme zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu überwinden, wird entweder abgelehnt oder entsprechende Vorschläge mit dem Argument „populärwissenschaftliche Darstellung“ als minderwertig abqualifiziert.

Auch die sogenannte Selbstreferenzialität wird mit dem Elfenbeinturm in Verbindung gebracht, also der Versuch, Quellen und Verweise als objektive Untermauerung des Standpunktes zu nennen, die aber letzten Endes direkt oder indirekt aus eigener Feder stammen.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Elfenbeinturm – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Literatur

  • Heiko Eckard: Das Geheimnis des Elfenbeinturms: Geschichten zur Geschichte der Philosophie. 2005
  • Jean Lindemann: Nachrichten aus dem Elfenbeinturm. 52 Essays über die Naturwissenschaften. 1998
  • Jens Radü: Wachhund im Elfenbeinturm: Investigativer Wissenschaftsjournalismus als mögliche Kontrollinstanz des Wissenschaftssystems. 2008
  • In seinem Buch Gegen den Strich beschreibt Joris-Karl Huysmans das Leben eines degenerierten Aristokraten, der sich vor der Gesellschaft in einen selbstgeschaffenen Elfenbeinturm zurückzieht. Das Buch gilt als „Bibel der Dekadenz“
  • In Michael Endes Die unendliche Geschichte ist der Elfenbeinturm der Ort, in dem die Kindliche Kaiserin Phantásiens wohnt
  • Peter Handke: Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms. Aufsatzsammlung, 1972
  • H.W. Franke: Der Elfenbeinturm, 1965
  • Res Jost: Das Märchen vom Elfenbeinernen Turm. In: Lecture Notes in Physics. Band VIII, Springer, Heidelberg 1995, ISBN 3-540-59476-0
  • Erwin Panofsky: In defence of the ivory tower. The Centennial Review Vol. 1, No. 2, 157: Seiten 111–122, englisch
  • Boris Spix: Abschied vom Elfenbeinturm? Politisches Verhalten Studierender 1957–1967, Essen 2008. ISBN 978-3-89861-966-0
  • Verband Deutscher Studentenschaften (Hrsg.): Abschied vom Elfenbeinturm. 6. Deutscher Studententag Berlin 4.-8. April 1960, 2 Bde. (Vorbereitungsreader und Dokumentation), Bonn 1960/61
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