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Emil Julius Gumbel

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Emil Julius Gumbel

Emil Julius Gumbel (geb. 18. Juli 1891 in München; gest. 10. September 1966 in New York City) war ein deutsch-jüdischer Mathematiker und politischer Publizist.

Leben

Der Sohn eines Münchner Privatbankiers studierte in München Nationalökonomie und promovierte am 28. Juli 1914 zum Dr. oec.publ. mit der Arbeit Über die Interpolation des Bevölkerungszustandes. Wenige Tage später meldete er sich als Kriegsfreiwilliger, doch die reale Erfahrung des Krieges machte ihn bald zum Pazifisten. Unter einem Vorwand ließ sich Gumbel im Frühjahr 1915 vom Kriegsdienst freistellen. Im Herbst 1915 trat er dem pazifistischen Bund Neues Vaterland bei. Bis zum Kriegsende arbeitete er bei den Flugzeugmeisterei in Berlin-Adlershof, danach, unterstützt durch Georg Graf von Arco vom Bund Neues Vaterland, bei Telefunken. Nebenbei betätigte er sich politisch — er war 1917 der USPD beigetreten mit deren Mehrheit er 1920 in die SPD wechselte — vor allem aber als Pazifist auch auf internationaler Ebene. Zu seinem großen Thema wurden die zahlreichen politischen Morde in den Wirren der Nachkriegszeit. In zwei Publikationen wies er die Einäugigkeit der Justiz in der Weimarer Republik nach, die Gewalttäter aus dem linken Lager mit äußerster Strenge, Gewalttäter aus dem rechten Lager aber mit großer Nachsicht behandelte und viele durch die Freikorps begangene Fememorde gänzlich ungesühnt ließ. Als Statistiker ließ er dabei die Zahlen für sich sprechen. Trotzdem erreichten seine Publikationen recht hohe Auflagen und führten sogar zu einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß im Preußischen Landtag.

Obwohl als politischer Aktivist in der mehrheitlich konservativ-monarchistischen Professorenschaft bereits heftig umstritten, wurde Gumbel 1923 in Heidelberg habilitiert. Gumbel war zuerst Privatdozent, dann ab 1930 außerordentlicher Professor für mathematische Statistik an der Universität Heidelberg. Nebenbei hielt er vor allem seine pazifistischen Aktivitäten aufrecht. Als er 1924 auf einer Veranstaltung der Deutschen Friedensgesellschaft zum zehnten Jahrestag des Kriegsausbruchs vom Felde der Unehre sprach, suspendierte ihn die Universität. Die Universität musste die Suspendierung jedoch widerstrebend wieder aufheben, da Gumbel hier und auch später einen gewissen Schutz durch die von der liberalen DDP gestellten badischen Kultusminister genoss. Insbesondere für die mehr und mehr nationalsozialistisch dominierte Studentenschaft war Gumbel ein rotes Tuch. Im Anschluss an seine Ernennung zum außerordentlichen Professor 1930 kam es bei den sogenannten Gumbelkrawallen zu einer Universitätsbesetzung durch nationalsozialistische Studenten und zur polizeilichen Räumung der Universität. Als Gumbel auf einer internen Sitzung der Heidelberger Sozialistischen Studentenschaft in Erinnerung an die Hungertoten des Kohlrübenwinters 1917/18 davon sprach, dass eine Kohlrübe sich besser als Kriegerdenkmal eigne als eine leichtbekleidete Jungfrau, wurde ihm im Sommer 1932 die Lehrberechtigung entzogen. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme ging Gumbel ins französische Exil. Während in Heidelberg seine Wohnung geplündert und seine Schriften verbrannt wurden, engagierte er sich publizistisch gegen den Nationalsozialismus in Deutschland und unterstützte aus Deutschland nachkommende Emigranten. Ihm wurde im August 1933 durch Nennung auf der Ersten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reichs die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. Mit dem Einmarsch der deutschen Truppen musste Gumbel 1940 weiter in die USA emigrieren. In den 50er und 60er Jahren kehrte er zu einigen Gastaufenthalten nach Deutschland zurück.

Gedenktafel für die deutschen und österreichischen Flüchtlinge in Sanary-sur-Mer, unter ihnen Emil Julius Gumbel

Er veröffentlichte in der Kulturzeitschrift Die Weltbühne und war Übersetzer und Herausgeber von Schriften Bertrand Russells. Politisch war er Pazifist, unabhängiger Sozialist und trat für die Weimarer Republik ein. Er zog sich mit seinen Schriften über politische Morde (Fememorde, Attentate) und die antirepublikanische Rolle der Justiz, die Geheimbünde (u. a. Organisation Consul) und Schwarze Reichswehr den Zorn der politischen Reaktion zu.

Als Mathematiker erwarb er sich einen Ruf als Fachmann für Statistik und entwickelte die Extremwerttheorie, die auch beim Bau von Staudämmen Anwendung fand. Nach ihm ist die Gumbel-Verteilung benannt.

Werke (Auswahl)

  • Vier Jahre politischer Mord. Verlag der neuen Gesellschaft, Berlin-Fichtenau 1922 (online).
  • (Hrsg.) Die Denkschrift des Reichsjustizministers über „Vier Jahre politischer Mord“. Malik Verlag, Berlin 1924.
  • Verschwörer. Zur Geschichte und Soziologie der deutschen nationalistischen Geheimbünde 1918 – 1924. Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 1979 - Reprint der Originalausgabe: Verschwörer - Beiträge zur Geschichte und Soziologie der deutschen nationalistischen Geheimbünde seit 1918. Malik Verlag, Wien 1924
  • Vier Jahre politischer Mord – und – Denkschrift des Reichsjustizministers zu „Vier Jahre politischer Mord“. Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 1980 – enthält Reprints der Originalausgaben.
  • Statistics of Extremes. Columbia University Press, New York 1958.
  • Vom Fememord zur Reichskanzlei. Verlag Lambert Schneider, Heidelberg, 1962.

Literatur

  • Arthur D. Brenner: Emil J. Gumbel. Weimar German Pacifist and Professor. Brill, Boston u. a. 2001, ISBN 0-391-04101-0 (Studies in Central European Histories 22).
  • Christian Jansen: Emil Julius Gumbel. Portrait eines Zivilisten. Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 1991, ISBN 3-88423-071-9.
  • Christian Jansen: Die Fremdheit des Weltbürgers im eigenen Land. Leben und Maximen des politisch engagierten Mathematikers Emil Julius Gumbel. In: Eugen Eichhorn, Ernst-Jochen Thiele (Hrsg.): Vorlesungen zum Gedenken an Felix Hausdorff. Heldermann, Berlin 1994, ISBN 3-88538-105-2, S. 213–227 (Berliner Studienreihe zur Mathematik 5).
  • Klemens Wittebur: Die Deutsche Soziologie im Exil. 1933–1945. Eine biographische Kartographie. Lit, Münster u. a. 1991, ISBN 3-88660-737-2, S. 60 f. (Beiträge zur Geschichte der Soziologie 1), (Zugleich: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1989).
  • Eike Wolgast: Die Universität Heidelberg 1386–1986. Springer, Berlin u. a. 1986, ISBN 3-540-16829-X.

Weblinks

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