Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Emser Depesche

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Gedenkstein, der an die Emser Depesche in Bad Ems erinnert

Die Emser Depesche im eigentlichen Sinn ist ein regierungsinternes Telegramm vom 13. Juli 1870. Darin unterrichtete der Diplomat Heinrich Abeken den norddeutschen Bundeskanzler Otto von Bismarck in Berlin über die Vorgänge in Bad Ems. Der Bundeskanzler informierte daraufhin die Presse über die Vorgänge. Diese Pressemitteilung wird zuweilen mit der eigentlichen Depesche verwechselt, weil Bismarck großteils den Wortlaut der Depesche wiederverwendete. Die Pressemitteilung führte zu Empörung in Frankreich und gilt als ein Auslöser des Deutsch-Französischen Krieges.

Im Jahr 1867 war der Norddeutsche Bund gegründet worden, ein Bundesstaat unter preußischer Führung. Frankreich unter seinem Kaiser Napoleon III. sah in dem neuen Staat einen Konkurrenten um die Vorherrschaft in Europa. In dieser Lage kam es zu mehreren diplomatischen Krisen, wie der Thronfolge-Frage in Spanien.

Napoleon III. und seine Regierung lehnten vehement Leopold ab, einen Prinzen aus dem Hause Hohenzollern. Chef dieser Dynastie war der preußische König. Wegen der scharfen Reaktion aus Frankreich verzichtete Leopold auf die Kandidatur. Das reichte der französischen Regierung nicht aus: Ihr Botschafter Vincent Benedetti reiste in den Kurort Bad Ems und sprach dort mehrmals mit König Wilhelm. Der König sollte für alle Zukunft eine erneute Kandidatur von Hohenzollern ausschließen. Höflich verweigerte sich Wilhelm einer solchen Zusage.

Abeken, der Mitarbeiter Bismarcks beim König in Bad Ems, informierte den Bundeskanzler im fernen Berlin darüber. Seine Emser Depesche beinhaltete auch den Wunsch Wilhelms, die Presse über den Kontakt mit dem französischen Botschafter zu informieren. Bismarck stellte in seiner Pressemitteilung den Kontakt als besonders schroff dar. Dies wurde in der französischen Öffentlichkeit als Provokation angesehen, in Deutschland führte sie hingegen zu Begeisterung. Aus der Frage der Thronfolge und diplomatischen Nadelstichen war eine Frage der nationalen Ehre geworden.

Hintergrund

1868 war in Spanien Königin Isabella II. gestürzt worden; der Thron war damit zunächst vakant. Isabella nahm Zuflucht in Frankreich. Von Beginn an gehörte Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen (1835–1905) zu den öffentlich diskutierten Kandidaten für ihre Nachfolge. Juan Prim, Ministerpräsident der Übergangsregierung von Spanien und einer der Anführer des Aufstandes, wandte sich jedoch zunächst an andere Kandidaten. Napoleon III. hintertrieb diese Kandidaturen jedoch, da er Alfonso, den Sohn Isabellas, auf den spanischen Thron bringen wollte. Damit wäre der Thron dem Haus Bourbon erhalten geblieben.

Nachdem bereits im September 1869 informell mit der Familie Hohenzollern-Sigmaringen Kontakt aufgenommen worden war, trug der Sonderbotschafter Salazar y Mazaredo in einer vertraulichen Mission im Februar 1870 Leopold die spanische Krone an. Wie Leopolds Vater, Karl Anton, zuvor angeregt hatte, wandte sich Salazar in dieser Angelegenheit ebenso vertraulich auch an König Wilhelm I. von Preußen, das Oberhaupt des Gesamthauses Hohenzollern, sowie an Otto von Bismarck, den preußischen Ministerpräsidenten. Prinz Leopold erklärte seine Bereitschaft zur Kandidatur am 19. Juni 1870; Wilhelm, der dem Plan nicht zugeneigt war und ihn stets als Leopolds Privatsache angesehen hatte, erhob zwei Tage später in einer Mitteilung keine Einwände. Die Wahlversammlung der spanischen Cortes wurde auf den 20. Juli festgesetzt. Die Thronbesteigung durch einen Hohenzollern hätte für das ebenfalls hohenzollerisch regierte Preußen und damit für den Norddeutschen Bund außenpolitisch vorteilhaft sein können. Dies mag ein Grund dafür gewesen sein, dass Bismarck, der in einer Anweisung an das Preußische Außenamt die Absetzung des Hauses Bourbon als eine friedenssichernde Maßnahme bezeichnet hatte, die Kandidatur Leopolds förderte.

Spätestens am 1. Juli wurde die Kandidatur in Madrid bekannt, am 2. Juli berichtete die französische Presse, und am 3. Juli unterrichtete Prim den französischen Botschafter in Madrid. Kaiser Napoleon III. und sein Kabinett unter Ministerpräsident Ollivier befürchteten in dieser Situation eine außenpolitische Umklammerung und einen deutschen diplomatischen Triumph. Eine besonders wichtige Rolle spielte der Herzog von Gramont, der erst Mitte Mai französischer Außenminister geworden war. Als Diplomat hatte er sich durch eine strikte antipreußische Linie ausgezeichnet, so dass seine Ernennung zu der Vermutung Anlass gab, Kaiser Napoleon wolle von jetzt an die französische Außenpolitik dementsprechend führen.

Es ist schwer verständlich, worauf sich die französische Besorgnis einer „Umklammerung“ durch den einen Hohenzollern in Preußen und den anderen in Spanien gründete. Leopolds Kandidatur war nicht von Preußen angestoßen worden, sondern von dem abgedankten portugiesischen König Ferdinand, dem die spanische Krone zunächst angetragen worden war und der das Angebot unter Hinweis auf seinen Schwiegersohn Leopold abgelehnt hatte.[1] Der Hohenzollernkandidat stammte aus einer fernen und ständig katholischen Nebenlinie des längst protestantischen Hohenzollernhauses. Seine gemeinsamen Vorfahren mit König Wilhelm von Preußen hatten 600 Jahre zuvor gelebt.[2]

Zwar war Leopold gegenüber König Wilhelm auf der Familienebene loyal, was sich daran zeigt, dass Leopold sich bei seinem Vorgehen nach den Entscheidungen König Wilhelms richtete, als er seine Kandidatur beendete (s. u.). Nichts sprach jedoch dafür, dass Leopold als König von Spanien auch politische Loyalität gegenüber Preußen an den Tag legen würde. Eine solche Loyalität wurde wohl nur in Kreisen der französischen Regierung erwartet, während der damalige preußische Ministerpräsident v. Bismarck später[3] durchaus schlüssig ausgeführt hat, dass er seinerzeit nicht einen Augenblick auf eine solche politische Loyalität gehofft habe. Bismarck erwartete von einem Hohenzollern auf dem spanischen Thron vor allem, dass der Einfluss nachlassen werde, den Frankreich vor allem auf die süddeutschen Staaten ausübte.

Die Hohenzollern-Sigmaringen-Linie war mit dem Pariser Hof durchaus freundschaftlich verbunden, was sich daran zeigt, dass Napoleon III. 1866 Leopolds Bruder Karl gegen den Widerstand der Großmächte auf den Thron Rumäniens gebracht und Leopold selbst als König von Griechenland in Aussicht genommen hatte.[4] Auf der familiären Seite stand Prinz Leopold Frankreich näher als den Hohenzollern: Die eine Großmutter war Stéphanie de Beauharnais gewesen, eine Adoptivtochter Napoleons I., die andere Großmutter war Antoinette Murat.[2]

Bei der Beurteilung einer außenpolitischen Krise und ihres Managements sind vorrangig die diplomatischen Usancen der Zeit zu berücksichtigen. Eine besonnene und findige Diplomatie hätte darin bestehen können, dass sich Kaiser Napoleon an König Wilhelm „von Haus zu Haus“ und das Außenministerium an die preußische Staatsregierung gewandt und um Einflussnahme auf Leopold ersucht hätten, seine Entscheidung zu überdenken. Stattdessen suchte Gramont von Anfang an mit scharfen antipreußischen Erklärungen die Öffentlichkeit. Als erstes lancierte er einen entsprechenden Artikel in der offiziösen Zeitung Constitutionnel, der einen Umschwung in die bisher ausgewogene Berichterstattung brachte. Am selben Tag noch teilte er den europäischen Hauptstädten die französische Sicht der Dinge mit. Am 6. Juli verlas er eine von Kaiser Napoleon gutgeheißene und von der Regierung einstimmig gebilligte scharfe Erklärung vor der Chambre législative, wonach Frankreich eine solche Entwicklung nicht hinnehme und, sollte es doch dazu kommen, ohne Zögern seine Pflicht tun werde; eine kaum verschleierte Kriegsdrohung:

« La France ne tolérerait pas l’établissement du prince de Hohenzollern ni d’aucun prince prussien sur le trône espagnol. Pour empêcher cette éventualité, il [le gouvernement] comptait à la fois sur la sagesse du peuple allemand et sur l’amitié du peuple espagnol. S’il en était autrement, fort de votre appui et de celui de la Nation, nous saurions remplir notre devoir sans hésitation et sans faiblesse. »

„Frankreich würde nicht dulden, dass der Prinz von Hohenzollern oder sonst irgendein preußischer Prinz den spanischen Thron besteigt. Um diesen möglichen Fall zu verhindern, zählte die Regierung zugleich auf die Klugheit des deutschen Volkes und auf die Freundschaft des spanischen Volkes. Sollte es jedoch anders kommen, so wüssten wir kraft Ihrer (der Abgeordneten) Unterstützung und derjenigen der Nation ohne Zögern und ohne Schwäche unsere Pflicht zu tun.“

Der französische Historiker Albert Sorel nannte diese Erklärung ein Ultimatum. Ein Ultimatum ist freilich in der Diplomatie der letzte Schritt, nachdem alle anderen friedlichen Mittel versagt haben. Frankreich ging diesen Schritt jedoch gleich am Anfang. Das hatte zwei Folgen: Zusammen mit Protesten gegenüber König Wilhelm, der nun im Sinne seiner Überzeugung Einfluss auf die Familie Hohenzollern-Sigmaringen nahm, und mit direkten Interventionen europäischer Regierungshäuser bei dieser Familie entstand so viel Druck, dass Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen, Leopolds Vater, am 12. Juli im Namen seines Sohnes den Verzicht auf die spanische Königswürde erklärte.

Frankreich hatte sein primäres Ziel erreicht, einen preußischen Prinzen auf dem spanischen Thron zu verhindern. Nun aber griff die zweite, die innenpolitische Folge der Erklärung vom 6. Juli. So wie sie formuliert war, hatte sie beim Corps législatif und der französischen Öffentlichkeit die Erwartung erweckt, der Staat Preußen werde umgehend Frankreich gegenüber Genugtuung leisten. So hatte sich die Regierung selbst unter Druck gesetzt, sich aber zugleich fast gänzlich der noch verbleibenden diplomatischen Mittel beraubt.

Dies war zwar, oberflächlich betrachtet, ein außenpolitischer Erfolg für Frankreich, jedoch kein sehr durchschlagender. In der französischen Öffentlichkeit konnte – vollkommen zu Recht – der Eindruck entstehen, dass der Druck der französischen Regierung zwar auf die Familie von Hohenzollern-Sigmaringen gewirkt hatte; Preußen als der eigentliche Gegenspieler Frankreichs hatte jedoch keine Konzessionen machen müssen. Das Kabinett Ollivier, durch eine Serie unrühmlicher außenpolitischer Niederlagen ohnedies unter Erwartungsdruck der Öffentlichkeit, versuchte deshalb, Wilhelm I. als Oberhaupt des Hauses Hohenzollern und König von Preußen ein eindeutiges Bekenntnis abzuverlangen. Wilhelm I. hielt sich zur Kur in Bad Ems auf, und der französische Botschafter in Preußen, Vincent Benedetti, war ihm dahin nachgereist. Außenminister Gramont, der mit dem Botschafter in ständigem telegraphischen Kontakt stand, beauftragte ihn deshalb, von König Wilhelm I. zu verlangen, dass er die Rücknahme der Kandidatur ausdrücklich billige und dass er auch einschreiten würde, falls die Hohenzollern doch wieder auf die Kandidatur zurückkämen. Er stellte dies als ein natürliches, gerechtfertigtes Ansinnen dar: Der Hohenzollernsche Rückzug sei für Frankreich ja wenig wert, wenn die Hohenzollern sich jederzeit wieder um den spanischen Thron bewerben könnten. Würde sich dagegen Wilhelm I. verpflichten, seine Autorität als Haupt des Gesamthauses Hohenzollern einzusetzen, um dies zu verhindern, so wäre diese Zusicherung für Frankreich von enormem Wert. Dagegen sei es für den König ein Geringes, wenn er den Rückzug tatsächlich billige und keine Hintergedanken hege, diese Zusicherung abzugeben.

Emser Audienz

Emser Audienz

Gramont telegraphierte diese Instruktionen am 12. Juli abends an Benedetti. Dieser war aus Paris bereits über den Rückzug der Hohenzollern informiert, wartete aber darauf, dass Wilhelm I. auch selbst Nachricht von seinen Verwandten aus Sigmaringen erhielt. Sobald diese eintraf, wollte der König ihn empfangen; aufgrund der neuen Forderung wartete Benedetti dies jedoch nicht ab, sondern versuchte sofort am Morgen des 13. Juli eine Audienz zu erhalten. Der König war bereits zu einem morgendlichen Spaziergang aufgebrochen, und Benedetti suchte ihn auf der Kurpromenade auf.

Die nun von Benedetti vorgebrachte neue Forderung lehnte Wilhelm kategorisch ab, da er es nicht verantworten könne, eine Zusage für alle Zukunft zu treffen; vielmehr wollte er sich vorbehalten, sollte die Situation später einmal erneut eintreffen, wie in allen anderen Dingen auch die Umstände in Betracht zu ziehen und erneut zu entscheiden. Davon abgesehen war die Nachricht aus Sigmaringen immer noch nicht eingetroffen. Diese traf erst im Laufe des Tages in Form eines Briefes von Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen ein. König Wilhelm ließ Benedetti durch seinen Adjutanten Fürst Radziwill mitteilen, dass die Nachricht offiziell bestätigt sei. Eine Bitte Benedettis um eine erneute Audienz ließ er zurückweisen mit der Begründung, dass er, soweit es das Garantieversprechen betreffe, sein letztes Wort gesprochen habe.

Emser Depesche nach Berlin

Bismarcks enger Mitarbeiter Heinrich Abeken, der den König in Bad Ems begleitete, notierte noch am selben Tage Wilhelms mündlichen Bericht über die Ereignisse und telegraphierte diesen an den Ministerpräsidenten. Dieser Brief war die eigentliche Emser Depesche. Sie hatte folgenden Wortlaut:

Seine Majestät der König schreibt mir:

Graf Benedetti fing mich auf der Promenade ab, um auf zuletzt sehr zudringliche Art von mir zu verlangen, ich sollte ihn autorisiren, sofort zu telegraphiren, dass ich für alle Zukunft mich verpflichtete, niemals wieder meine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf ihre Candidatur zurückkämen.

Ich wies ihn zuletzt, etwas ernst, zurück, da man à tout jamais dergleichen Engagements nicht nehmen dürfe noch könne.

Natürlich sagte ich ihm, dass ich noch nichts erhalten hätte und da er über Paris und Madrid früher benachrichtigt sei als ich, er wohl einsähe, dass mein Gouvernement wiederum außer Spiel sei.

Seine Majestät hat seitdem ein Schreiben des Fürsten bekommen.

Da Seine Majestät dem Grafen Benedetti gesagt, dass er Nachricht vom Fürsten erwarte, hat Allerhöchstderselbe, mit Rücksicht auf die obige Zumuthung, auf des Grafen Eulenburg und meinen Vortrag, beschlossen, den Grafen Benedetti nicht mehr zu empfangen, sondern ihm nur durch einen Adjutanten sagen zu lassen: dass Seine Majestät jetzt vom Fürsten die Bestätigung der Nachricht erhalten, die Benedetti aus Paris schon gehabt, und dem Botschafter nichts weiter zu sagen habe.

Seine Majestät stellt Eurer Excellenz anheim, ob nicht die neue Forderung Benedettis und ihre Zurückweisung sogleich, sowohl unsern Gesandten, als in der Presse mitgeteilt werden sollte.

Vorgänge in Berlin

Dieses Telegramm erreichte Bismarck am 13. Juli. Er redigierte und kürzte es stark, sodass der Tenor ein gänzlich anderer wurde. Der Text lautete nun:

Nachdem die Nachrichten von der Entsagung des Erbprinzen von Hohenzollern der Kaiserlich Französischen Regierung von der Königlich Spanischen amtlich mitgeteilt worden sind, hat der Französische Botschafter in Ems an S. Maj. den König noch die Forderung gestellt, ihn zu autorisieren, dass er nach Paris telegraphiere, dass S. Maj. der König sich für alle Zukunft verpflichte, niemals wieder seine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf ihre Kandidatur wieder zurückkommen sollten.

Seine Maj. der König hat es darauf abgelehnt, den Franz. Botschafter nochmals zu empfangen, und demselben durch den Adjutanten vom Dienst sagen lassen, dass S. Majestät dem Botschafter nichts weiter mitzuteilen habe.

Aus dieser neuen Darstellung ging nicht mehr hervor, dass Wilhelm eine Unterredung mit dem französischen Botschafter gehabt und ihm seine Ablehnung erläutert hatte; lediglich die französische Forderung und die Verweigerung einer (weiteren) Audienz wurden in knappen Worten berichtet. Durch die knappere Darstellung konnte die Meldung leicht den Eindruck erwecken, Benedetti wäre in Bad Ems in ungebührender Weise aufgetreten und weitere diplomatische Kontakte wären vom König abgelehnt worden.

Bismarck erzählt in seinen Memoiren, das originale Telegramm sei während eines Essens eingetroffen, zu dem er Roon und Moltke geladen hatte. Er habe es seinen beiden Gästen vorgelesen, „deren Niedergeschlagenheit so tief wurde, daß sie Speise und Trank verschmähten“, bis er mit seiner spontanen Kürzung ihre Laune wieder hob.[5] Diese Version wird von dem Historiker Michael Stürmer ins Reich der Fabel verwiesen. Tatsächlich hatte Bismarck bereits am Tag zuvor Schritte eingeleitet, die Frankreich nur noch die Wahl zwischen Krieg und politischer Niederlage ließen.[6]

Vor der Freigabe des Textes an die Presse erkundigte sich Bismarck noch bei General Moltke nach dem Stande der Rüstung. Er wollte wissen, wie viel Zeit zur Vorbereitung eines erfolgreichen Krieges notwendig sei. Moltke hielt den schnellen Ausbruch eines Krieges im Ganzen für vorteilhafter als eine Verschleppung. Bismarck gab der Presse seine Darstellung zur Veröffentlichung frei, die noch am 13. Juli von der regierungsnahen Norddeutschen Allgemeinen Zeitung in einer Sondernummer und am 14. Juli im amtlichen Königlich Preußischen Staats-Anzeiger veröffentlicht wurde.

Französische Reaktion

Die französische Nachrichtenagentur Havas hat in ihrer Übersetzung die Forderung des Botschafters zur bloßen Frage (il a exigé) abgeschwächt und zudem das Wort Adjutant, anstatt es korrekt mit aide de camp, der Bezeichnung für den entsprechend hochgestellten Assistenten eines Staatsoberhauptes, zu übersetzen, wörtlich als adjutant übernommen, womit jedoch im Französischen nur ein niederrangiger Hauptfeldwebel bezeichnet wird.[7][8]

Die französische Öffentlichkeit reagierte auf die Veröffentlichung der Depesche mit der von Bismarck kalkulierten Empörung. Dagegen wurden Benedetti und seine Darstellung angefeindet. In jedem Fall konnte Bismarcks Darstellung den Eindruck erwecken, dass Preußen die Forderung Frankreichs, die der französischen Öffentlichkeit gerecht erscheinen musste, als unverschämt empfand und brüsk zurückgewiesen hatte.

Dennoch ist sicherlich Vorsicht davor angebracht, in Bismarcks Darstellung und insbesondere ihrer Form den einzigen Kriegsauslöser auszumachen, etwa dahingehend, dass Frankreich „nach den damaligen Ehrenvorstellungen“ nicht anders als durch Kriegserklärung hätte antworten können, um sein Gesicht nicht zu verlieren oder dergleichen. Auch ohne Bismarcks Veröffentlichung hätte sich die Frage gestellt, wie die französische Regierung auf die Zurückweisung ihrer Forderung bezüglich eines zukünftigen potenziellen spanischen Thronfolgekandidaten reagieren sollte.

Die Kriegsdrohung stand noch im Raum und war auch ernst gemeint, nicht zuletzt deshalb, weil die Franzosen ihre Erfolgsaussichten im Kriegsfall drastisch falsch einschätzten. Da die französische Öffentlichkeit noch gar nichts von der neuen Forderung wusste, hätte aber auch die Möglichkeit bestanden, diesen Misserfolg in Stille hinzunehmen. Durch Bismarcks Pressemitteilung war dieser Weg versperrt und ebenso die Möglichkeit, die Darstellung noch irgendwie zu schönen.

Am 16. Juli bewilligte die französische Legislative mit nur sechs Gegenstimmen Finanzmittel für einen Krieg. Am 19. Juli 1870 teilte der französische Außenminister dem preußischen Botschafter in Paris mit, dass Frankreich sich als im Kriegszustand befindlich betrachte.

Literatur

  • Wilhelm Langewiesche-Brandt: Bismarck – Briefe, Reden, Erinnerungen, Berichte und Anekdoten. Einundfünfzigstes bis sechzigstes Tausend, Ebenhausen bei München, 1915.
  • Jan Ganschow, Olaf Haselhorst, Maik Ohnezeit (Hrsg.): Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71. Vorgeschichte – Verlauf – Folgen. Ares-Verlag, Graz 2009. ISBN 978-3-902475-69-5.
  • Eberhard Kolb: Der Kriegsausbruch 1870: Politische Entscheidungsprozesse und Verantwortlichkeiten in der Julikrise 1870. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1970.
  • Ludwig Reiners: Bismarck gründet das Reich, C.H. Beck Verlag, München 1957.
  • David Wetzel: A Duel of Giants: Bismarck, Napoleon III, and the Origins of the Franco-Prussian War. University of Wisconsin Press, Madison, Wisc. 2001.
  • Albert Sorel: Histoire diplomatique de la guerre franco-allemande. Paris 1875.
  • Ernst Walder (Hrsg.): Die Emser Depesche, Quellen zur neueren Geschichte 27-29, 2. Auflage, Bern: Lang 1972

Einzelnachweise

  1. Reiners: Bismarck gründet das Reich, 1957, S. 377.
  2. 2,0 2,1 Reiners: Bismarck gründet das Reich, 1957, S. 378.
  3. Otto von Bismarck: Gedanken und Erinnerungen (1905), zweiter Band, 23. Kapitel.
  4. Reiners: Bismarck gründet das Reich, 1957, S. 376.
  5. Otto von Bismarck: Gedanken und Erinnerungen. Band 2. Stuttgart 1898, S. 92.
  6. Michael Stürmer: Das ruhelose Reich. Deutschland 1866–1918. Siedler, Berlin 1994, S. 164.
  7. François Roth: La Guerre De 70, Fayard 1998, ISBN 2-01-279236-7
  8. David Bellos: Is That a Fish in Your Ear?: Translation and the Meaning of Everything, 2011, Seite 315

Weblinks

 Commons: Emser Depesche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Emser Depesche aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.