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Gläserne Decke

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Der Begriff Gläserne Decke (engl. glass ceiling) ist eine Metapher für das Phänomen, dass qualifizierte Frauen kaum in die Top-Positionen in Unternehmen oder Organisationen vordringen und spätestens auf der Ebene des mittleren Managements „hängenbleiben“.[1][2] Es wird angenommen, dass Glass-Ceiling-Effekte durch eine Reihe von Hindernissen zustande kommen und verstärkt werden, so etwa Stereotype und Vorurteile hinsichtlich der Eignung von Frauen in Führungspositionen, ein auf Männer abgestimmtes Unternehmensklima sowie mangelnden Zugang zu informellen Netzwerken.[3] Diese Hindernisse sind häufig mit den Organisationsstrukturen untrennbar verwoben und somit schwer erkennbar, daher die Metapher einer unsichtbaren Aufstiegsbarriere, also einer gläsernen Decke.

Seit den 1980er-Jahren sind zu diesem Phänomen international zahlreiche wissenschaftliche Studien erschienen, sowohl von Wirtschaftswissenschaftlern als auch von Soziologen. Im erweiterten Sinne spricht man auch von „gläserner Decke“ im Hinblick auf die eingeschränkten Aufstiegschancen von ethnischen Minderheiten oder bekennenden Homosexuellen.

Definition

Die Gläserne Decke ist nicht allgemein mit Ungleichheit oder Diskriminierung gleichzusetzen. Vier Kriterien müssen erfüllt sein, um schlussfolgern zu können, dass Glass-Ceiling-Effekte vorliegen:

  1. Eine Ungleichheit zwischen den Geschlechtern oder Ethnien kann nicht durch andere arbeitsbezogene Eigenschaften der Beschäftigten erklärt werden.
  2. Die Ungleichheit ist auf höheren Ebenen der Karriereleiter größer als auf unteren.
  3. Die Ungleichheit bezieht sich auf die Aufstiegschancen und nicht bloß auf den Anteil von Frauen oder ethnischen Minderheiten auf höheren Ebenen.
  4. Die Ungleichheit nimmt im Laufe der Karriere zu.[4]

In einer Untersuchung haben David Cotter und seine Kollegen Glass-Ceiling-Effekte für afroamerikanische und auch weiße Frauen vorgefunden, nicht jedoch für männliche Mitglieder ethnischer Minderheiten. Die Gläserne Decke sei demnach ein Phänomen, das nur Frauen betrifft.[4]

Mögliche Gründe

Als Gründe für die Existenz der Gläsernen Decke nennen Studien u. a. die stärkere Förderung männlicher Mitarbeiter durch männliche Vorgesetzte und den weitgehenden Ausschluss von Frauen aus wichtigen beruflichen Netzwerken. Außerdem gehen Personalchefs häufig stillschweigend davon aus, dass Frauen irgendwann eine „Familienpause“ einlegen werden, teilweise ohne die jeweilige Frau dazu befragt zu haben – was allerdings in den meisten Rechtsordnungen unzulässig wäre.

Oft wird die Ansicht vertreten, dass Karriere und Kinder schwer vereinbar sind. In Deutschland beispielsweise besteht vielfach, auch unter Frauen in leitenden Positionen, die Ansicht, dass ab einer bestimmten Hierarchieebene eine klare Entscheidung zwischen Elternschaft und Karriere zu treffen sei. [5] Das wird auch gestützt durch Analyse einer „leaky pipeline“ an Hochschulen, wo beispielsweise 30 % der Studierenden weiblich sind, jedoch nur 10 % derselben Kohorte Professorinnen werden. Konkret wird gefordert, mehr bzw. bessere Kinderbetreuung zu haben, um Frauen die Möglichkeit zu geben, ihre Forschungsergebnisse international zu präsentieren und sich zu vernetzen. Es wird auch die Ansicht vertreten: Je einfacher eine Mutter ihr Kind extern betreuen lassen kann, desto höher ist der Anteil der Chefinnen.[6][7][8][9]

Die Publizistin Heleen Mees beschreibt die Gläserne Decke als „Verschwendung von wertvollem Humankapital“ und betont, dass Karrierehindernisse für gut ausgebildete Frauen in Europa mehr in Unternehmenskultur, geschlechterbezogenen Verzerrungseffekten und Stereotypen begründet seien als in offener Diskriminierung und dass sie mittels gruppendynamischer Vorgänge stattfinde.[10]

Christiane Funken, Professorin am Institut für Soziologie der TU Berlin,[11] hat in mehreren Forschungsprojekten die Aufstiegschancen von Frauen und das Phänomen der Gläsernen Decke untersucht. Im Juni 2005 sagte sie in einem Referat:

Glass ceiling lässt sich als wirkmächtige Karriererestriktion beschreiben, die subtil und kaum messbar den Weg von Frauen in das gehobene Management verhindert. Die Angst vor einer geringeren Durchschnittsproduktivität von Frauen und vor höheren weiblichen Fluktuationsraten konnte jedoch durch zahlreiche nationale und internationale Studien eindeutig widerlegt werden. Stattdessen sorgen Stereotypisierungen und Homogenitätserwartungen bei der Einstellungs- und Beförderungspolitik in den karriererelevanten Netzwerken für Schließungsprozesse gegenüber Frauen.“

Christiane Funken[12]

Als eines der wesentlichen Hindernisse für den Aufstieg von Frauen stellte eine Erhebung von McKinsey vorherrschende Erwartungen heraus, die sich an dem Modell eines Mannes orientieren würden, dessen Frau die Verantwortung für Haushalt und Familie trage. Erwartungen wie die einer uneingeschränkten Mobilität, ständigen Verfügbarkeit und ununterbrochener Berufsbiografie grenzten insbesondere Mütter aus. Es fehlten weibliche Rollenvorbilder und eine Änderung der Kriterien für Beförderungen.[13]

Auch Sozialwissenschaftlerin Hildegard Maria Nickel sieht die Gründe vorwiegend in den innerhalb von Organisationen bestehenden informellen Praktiken und Regeln. Die Managementkultur sehe für Frauen „weder Platz noch Verhaltensmuster“ vor.[14] Hinzu komme, dass Schlüsselqualifikationen, die oft als soft skills („weiche Fähigkeiten“) oder auf den Sexus bezogen als feminine skills („weibliche Fähigkeiten“) bezeichnet werden, zwar auf unterer Führungsebene gefragt seien, auf höheren Hierarchieebenen aber gegenüber männlich zugeschriebenen Eigenschaften wie Durchsetzungsvermögen, Handlungsfähigkeit und Zielstrebigkeit zurückträten.[15]

Carsten Wippermann, Direktor Sozialforschung am Institut Sinus Sociovision, erstellte für das BMFSFJ eine repräsentative Studie Brücken und Barrieren für Frauen zu Führungspositionen, für die 500 Männer und Frauen in Führungspositionen bei privatwirtschaftlichen Unternehmen in Deutschland befragt wurden, anschließend mit 30 Männern narrative Tiefeninterviews durchgeführt wurden sowie Personaldienstleistungsunternehmen („Zeitarbeit“) befragt wurden. Er stellte als Ergebnis eine Unterscheidung in drei Mentalitätsmuster fest, deren Standpunkte zusammen genommen wie ein Sperrriegel wirkten. Der konservative, besonders im gehobenen Management vertretene Typus betrachte dabei die Führungsstufe als inneren Zirkel aus Männern, denen die Partnerin durch den heilen Familienhintergrund den Rücken frei halte, was durch die Präsenz von Frauen gefährdet sei; zudem seien Frauen die Normen und Logiken in Führungsetagen nicht genügend vertraut, so dass sie störend wirkten, und sie seien oft Einzelkämpferinnen und zu sehr am operativen Geschäft verhaftet, wodurch sie zu wenig delegierten. Der zweite, vor allem im mittleren Management vertretene Typus habe eine emanzipierte Grundhaltung, sehe aber für das oberste Management eine gnadenlose Effizienzorientierung und Härte als Voraussetzung an, die für eine Frau unpassend sei und bei ihr zu einem Verlust an Authentizität führe. Der dritte, individualistisch orientierte Typus verweise auf eine ununterbrochene Berufsbiografie ohne familienbedingte Unterbrechungen als Voraussetzung für eine Führungsfunktion und darauf, dass Frauen durch das Nachahmen von Männern Authentizität und Flexibilität einbüßten. Diese Mentalitätsmuster erzeugten zusammen genommen „eine mehrfach gesicherte soziale Schließfunktion mit sehr selektiver Durchlässigkeit“.[16][17][18][19] In einer Untersuchung der Freien Universität Berlin zu persistierenden Gender-Ungleichheiten in Spitzenpositionen trotz Maßnahmen zur Förderung der Gender-Diversität im Management wurden Hyperinklusion und Pfadabhängigkeit als stabilisierende Faktoren nachgewiesen.[20]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Susanne Böing: Grundlagen zur Geschlechts- und Genderproblematik in Unternehmen. Eul Verlag, Lohmar 2009 (Dissertation an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), ISBN 978-3-89936-854-3, S. 214f.
  2. Sandra Beaufaÿs: Führungspositionen in der Wissenschaft. In: Sandra Beaufaÿs, Anita Engels, Heike Kahlert: Einfach Spitze? Neue Geschlechterperspektiven auf Karrieren in der Wissenschaft. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-593-39596-8, S. 91f.
  3. Federal Glass Ceiling Commission: Good for Business: Making Full Use of the Nation's Human Capital. (PDF; 1,0 MB) U.S. Department of Labor, Washington (D.C.) März 1995, S. 26–36.
  4. 4,0 4,1 David A. Cotter, Joan M. Hermsen, Seth Ovadia, Reece Vanneman: The glass ceiling effect. (PDF; 2,6 MB) In: Social Forces. 80, Nr. 2, 2001, S. 655–681. doi:10.1353/sof.2001.0091
  5. „Gespräche mit Frauen in leitenden Positionen“ Webarchiv.org, abgerufen am 8. Oktober 2012 (Memento vom 9. Dezember 2008 im Internet Archive) (PDF; 338 kB)
  6. Frauen nicht gleich, sondern gleichwertig behandeln!, ETH Zürich Präsident Ralph Eichler und Renate Schubert, Delegierte für Chancengleichheit, im Interview zum kürzlich vorgestellten Gender Monitoring, 26. Januar 2011.
  7. Frauenquote ohne Kinderbetreuung sinnlos, Wirtschaftsjunioren Frankfurt, 19. Januar 2011.
  8. BESSERE KINDERBETREUUNG, Brüderle gegen Frauenquote, Frankfurter Rundschau, 23. Januar 2011
  9. Entwicklungsland Schweiz: Frauen belegen nur 12 Prozent aller Kaderpositionen, Aargauer Zeitung, 8. März 2011.
  10. Heleen Mees: Die gläserne Decke durchbrechen. Project Syndicate, 31. Januar 2007, abgerufen am 6. Juni 2010.
  11. http://www.tu-berlin.de/?id=76082
  12. Christiane Funken: Glass ceiling - Fakt oder Fiktion? (PDF) Total-e-quality.de. Archiviert vom Original am 9. Oktober 2007. Abgerufen am 1. Mai 2014.
  13. Michaela Schießl: Aufstieg im Labyrinth. In: SPIEGEL Wissen. Abgerufen am 27. Mai 2008. Erschienen in: SPIEGEL special 1/2008 vom 26. Februar 2008, S. 58.
  14. Pavin Sadigh: Frauen wollen weibliche Karrieren. In: Zeit Online. 7. März 2008, abgerufen am 29. November 2008. S. 2
  15. Pavin Sadigh: Frauen wollen weibliche Karrieren. In: Zeit Online. 7. März 2008, abgerufen am 29. November 2008. S. 3
  16. Frauen in Führungspositionen: “Die Männer sind die Hüter der gläsernen Decke“. Zeit Online, abgerufen am 13. Februar 2010.
  17. Klartext: Warum weibliche Führungskräfte es nicht in den Vorstand schaffen. “Frauen sind eine Irritation”. Hamburger Abendblatt, 6. Februar 2010, abgerufen am 13. Februar 2010.
  18. Carsten Wippermann: Brücken und Barrieren für Frauen zu Führungspositionen. (PDF) Abgerufen am 13. Februar 2010.
  19. Erster Gleichstellungsbericht: Neue Wege – Gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf, Deutscher Bundestag, Drucksache 17/6240, 16. Juni 2011, Abschnitt 5.6.3 Stereotype und Vorurteile als Erlärungsansätze für ungleiche Erwerbslebensläufe von Frauen und Männern, S. 128
  20. P. Erfurt Sandhu: Persistent Homogeneity in Top Management. Organizational path dependence in leadership selection (PDF, 2,9 MB), Dissertation, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Freien Universität Berlin, 2013. Siehe Kapitel VI und VII (S. 167–208) in englischer Sprache, Kurzfassung der Dissertation (in deutscher Sprache) S. 215; Zusammenfassung (in englischer Sprache)
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