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Hazara

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Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Ethnie Hazara; zu weiteren Bedeutungen siehe Hazara (Begriffsklärung).
Hazara in Afghanistan

Die Hazara (persisch هزاره Hazāra; auch Hasara oder – veraltet – Hesoren) sind eine Ethnie in Afghanistan und umliegenden Regionen, deren Hauptsiedlungsgebiet sich in der zentralafghanischen Region Hazāradschāt (هزارجات) oder Hazāristān (هزار‌ستان) im Bamiyan-Tal befindet. Weitere Hazara leben in Pakistan. Sie sind, nach den Paschtunen und Tadschiken, die drittgrößte offiziell anerkannte ethnische Gruppe Afghanistans und ihre Zahl beträgt je nach Schätzung fünf bis zehn Millionen. Die Hazara sind persischsprachig und gehören, anders als die sunnitische Mehrheit des Landes, überwiegend der schiitischen Konfession an. In Hazāradschāt sprechen sie einen persischen Dialekt, der als Hazaragi bezeichnet wird.[1]

Siedlungsgebiete

Ethnische Karte von Afghanistan, das Hazara-Gebiet ist dunkelgrün

Die Hauptsiedlungsgebiete der Hazara sind die afghanischen Provinzen Bamiyan, Daikondi (ehemals nördlichster Bezirk von Oruzgan), Ghazni, Logar, Wardak und Kabul sowie weiteren Städte außerhalb des Hazaradschat. Ein weiterer Siedlungsschwerpunkt ist die pakistanische Region Hazara.

Zudem leben circa 1,567 Mio. von ihnen im Iran (1993, geschätzt) und circa 956.000 in Pakistan, wo sie im Hazara Town, New Hazara Town, Hazara Colony und Mari Abad in Quetta die Mehrheit der Bevölkerung bilden. Die Ansiedlung der Hazaras in Pakistan begann bereits aufgrund des Völkermords durch Abdur Rahman Khan, so dass sich viele Hazaras in Pakistan inzwischen häufig als Pakistaner und nicht als Afghanen sehen. Dennoch lernen die Hazaras ganz überwiegend Hazaragi als Muttersprache, wobei der dortige Dialekt des Hazaragi viele Wörter aus dem pakistanischen Urdu, dem Englischen und dem Paschtunischen enthält, sich in der Aussprache deutlich dem Urdu angenähert hat und als Quettagi bezeichnet wird. Zudem leben besonders viele (30.000) Hazaras in Australien. In Europa leben auffällig viele Hazaras in Skandinavien und Wien. In Deutschland hingegen leben relativ wenig Hazaras, wobei ihr Anteil unter den seit 2015 ankommenden Flüchtlingen allerdings hoch ist.

Herkunft und Abstammung

Hinsichtlich der Abstammung der Hazara gibt es verschiedene Ansichten. Das Wort hazāra wird mit dem persischen Wort für „Tausend“ in Verbindung gebracht und ist die persische Entsprechung des mongolischen myangat (мянгат), „Tausendschaft“, als Bezeichnung für die Tausendschaft der Mongolenarmee unter Dschingis Khan.[1] Zumindest eine teilweise (turko-)mongolische Abstammung ist, auch aufgrund des „mongolischen“ Erscheinungsbilds der meisten Hazara, in der Fachwelt unstrittig; diese wird auch durch genetische Untersuchungen am Y-Chromosom größtenteils bestätigt.[2] Jedoch wurde die Bezeichnung Hazara im Laufe der Geschichte für viele, heterogene Gruppierungen verwendet. In der Fachliteratur kristallisiert sich deshalb anscheinend der Konsens heraus, dass es sich bei den Hazara um ein Mischvolk handelt, das sich im Zuge der tschagatai-mongolischen Penetration in Chorasan aus turk- und mongolischsprachigen Gruppen und ihrer Vermischung mit der einheimischen, iranischsprachigen Bevölkerung gebildet hat.[1]

Die früheste bekannte schriftliche Erwähnung des Wortes Hazara findet sich Anfang des 16. Jahrhunderts im Baburnama, der Autobiografie Baburs.[1]

Sprache

Die Hazara sind nach den Tadschiken die zweitgrößte persischsprachige Gruppe des Landes. In ländlichen Gebieten, vor allem im nach ihnen benannten Hazāradschāt,[3] sprechen sie einen eigentümlichen und kennzeichnenden persischen Dialekt mit vielen türkischen und mongolischen Wörtern, der als Hazaragi bezeichnet wird.[1] In städtischen Gemeinden, wie etwa in Kabul oder Herat, sprechen die Hazara weitgehend Dari, einen lokalen Dialekt des Standardpersischen. Dem Anschein nach hat sich das Persische erst seit dem 18. Jahrhundert bei den Hazara vollends durchgesetzt.[1]

Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts haben in der Nähe Herats noch eine Handvoll Hazara die alte Sprache Moghol gesprochen, ein weitgehend unverfälschtes Mongolisch, das ansonsten überall verschwunden war und möglicherweise heute ausgestorben ist.[4] Ohne dass es sich in der Schreibweise bemerkbar macht, tritt bei der Phonologie neben dem stimmlosen alveolaren Plosiv vereinzelt auch der stimmlose retroflexe Plosiv (z. B. موتر moʈaɾ) auf. Charakteristische Wortendungen sind "ai" und "o". So wird beispielsweise aus „bača“ (Dari für „Junge“) „bačai“ (Hazaragi für „Junge“).

Religion

Die Hazara gehören mehrheitlich der imamitischen Richtung des schiitischen Islam an. Bis heute bilden die Hazara eine isolierte und bedeutende schiitische Gemeinde im traditionell sunnitischen Zentralasien.

Politische Situation und Diskriminierung

Besudi-Stammesführer (1879)

Die Hazara wurden nach dem Fall der schiitischen Safawiden und der Gründung des modernen Afghanistan, wo sie sowohl eine ethnische als auch eine konfessionelle Minderheit darstellen, immer wieder Opfer von Diskriminierung, besonders durch die paschtunische Elite.[5] Nach der gewaltsamen Vereinnahmung des Hazaradschat verübte Abdur Rahman Khan in den 1890er Jahren einen Völkermord an den Hazara und Tausende von ihnen wurden versklavt.[6][1]

Im afghanischen Bürgerkrieg bildete sich die Hizb-i Wahdat („Partei der Einheit“) als schiitische politisch-militante Gruppierung heraus, die von den Hazara dominiert wurde. Ihr geistiger und ideologischer Vater, Abdul Ali Mazari, wurde 1995 bei Kämpfen gegen die Taliban gefangengenommen und ermordet oder starb bei einer Schießerei.[7] Im Verlauf des Krieges kam es wiederholt zu Übergriffen an der Hazara-Zivilbevölkerung. So wurden 1993 bei den Angriffen der Dschamiat-i Islāmi unter Ahmad Schah Massoud sowie der Ittihād-i Islāmi unter Abdul Rasul Sayyaf auf Stellungen der Hizb-i Wahdat in Kabul erstmals auch gezielt Angehörige der dortigen Hazara-Bevölkerung getötet. Die schlimmsten Übergriffe stellten die Massaker dar, die die Taliban 1997 bei der Rückeroberung Mazār-i Scharifs[8] sowie 2001 nach der Wiedereinnahme des Hazaradschats verübten.[9] Vorausgegangen waren allerdings Massenexekutionen von Taliban durch Hazara-Truppen nach deren misslungenem Angriff auf Mazār-i Scharif im Jahr 1996.

2006 geriet der indische Film Kabul Express des paschtunischen Regisseurs Kabir Khan im Zusammenhang mit der Diskriminierung der Hazara in die Kritik; ihm wurden rassistische Beleidigungen gegenüber den Hazara vorgeworfen.[10] Literarisch wurde die Diskriminierung der Hazara auch im Bestsellerroman Drachenläufer des Autors Khaled Hosseini thematisiert.[11]

Seit dem Sturz des Taliban-Regimes gilt Hazaradschat bis heute (2015) als vergleichsweise sichere Region, in der Anschläge und der Anbau von Schlafmohn zur Opiumherstellung kaum verbreitet sind. Bewegen Hazaras sich außerhalb des Hazaradschats, müssen sie insbesondere aufgrund ihrer äußerlich erkennbaren ethnischen und konfessionellen Zugehörigkeit aber weiterhin damit rechnen, Opfer von gezielten Terroranschlägen zu werden. Dies gilt insbesondere für Anschläge durch die Taliban, zunehmend aber auch für solche der radikalislamistischen terroristischen Organisation Islamischer Staat.[12]

Es hat sehr große Fortschritte in der Schulbildung – auch von Mädchen – gegeben, die teilweise sogar als Bildungswunder bezeichnet werden.[13] Lediglich aufgrund einer regional anknüpfenden Quotenregelung der afghanischen Regierung, welche sich zu Lasten der diskriminierten Minderheit der Hazara auswirkt, hat sich der Anteil der Hazara in der Studentenschaft verringert. Frauen haben bei den Hazara mehr Freiheiten als bei anderen Volksgruppen Afghanistans.[6] Die Hazara Habiba Sarabi ist als Gouverneurin der Provinz Bamiyan landesweit die einzige Frau in diesem Amt. Eine weitere bekannte Hazara ist die Ärztin und Politikerin Sima Samar.

In Quetta werden die Hazara insbesondere durch die radikalislamistische terroristische Organisation der Lashkar-e-Jhangvi verfolgt.[14] Beispielsweise wurden am 4. Oktober 2011 bei einem Überfall auf einem vorwiegend mit Hazara besetzten Bus in Quetta 15 Menschen getötet. Zwölf davon waren Angehörige der Hazara. In der Folge demonstrierten 400 Angehörige vor dem behandelnden Krankenhaus gegen Diskriminierung ihres Volkes und beschuldigten die pakistanische Regierung, nicht für ihren Schutz zu sorgen.[15] Allein zwischen 2008 und Mitte 2014 wurden mehr als 500 Hazaras getötet.[16] Am 23. Juli 2016 ereignete sich eine durch einen Selbstmordattentäter verursachte Explosion inmitten eines Demonstrationszuges der Hazara auf dem Deh Mazang-Platz in Kabul. Die Demonstration richtete sich gegen die Trassenführung einer neuen Hochspannungsleitung, die nach Ansicht der Demonstranten das Siedlungsgebiet der Hazara nicht mitversorgte. Bei dem Bombenanschlag kamen etwa 80 Menschen zu Tode und 230 wurden verletzt. Zum Anschlag bekannte sich der sogenannte „Islamische Staat“. Die Taliban verurteilten ihn.[17]

Musik

Die Musik der Hazara beruht auf Gesang, der nur gelegentlich von der Langhalslaute dambura (ähnlich der zentralasiatischen dombra) begleitet wird. Die Maultrommel tschang spielen ausschließlich Frauen. Die Gesangsstile werden nach den Geschlechtern kategorisiert: Frauen singen Wiegenlieder und Männer Liebeslieder. Daido ist eine spezielle Form des Ghasel und wird ohne instrumentrale Begleitung gesungen. Die wichtigsten Gelegenheiten, um Musik aufzuführen, sind Hochzeiten und islamische Feiertage.

Küche

In der Küche der Hazara gibt es einige spezielle Speisen wie Quruti (Brotscheiben in Yoghurtsoße), Nan-buta (dickes Fladenbrot), Bosragh (für Festtage gebackene Kekse) und Pirki (mit Spinat oder Kartoffeln gefüllte Teigtaschen).[18]

Tourismus

Vor dem Bürgerkrieg und der sowjetischen Invasion besuchten jährlich bis zu 100.000 Touristen das Hazaradschat, um die Buddha-Statuen von Bamiyan zu sehen, welche vor ihrer Zerstörung die größte Touristenattraktion Afghanistans darstellten. Seit einigen Jahren wird unter anderem durch Spenden des Aga Khan mit hohem finanziellen Aufwand versucht, den Tourismus in der Region wieder zu beleben. So werden neben Volksfesten diverse Sportwettbewerbe ausgetragen und es wurden größere und individualistischere Hotelanlagen errichtet.

Bekannte Hazaras

Weblinks

 Commons: Hazaras – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 A. Khazeni/A. Monsutti/Ch.M. Kieffer, HAZĀRA, in Encyclopaedia Iranica, online ed. 2009
  2. T. Zerjal u. a.: The Genetic Legacy of the Mongols. In: American journal of human genetics(AJHG). Chicago 72. S. 717–721. PMC 1180246 (freier Volltext)
  3. Franz Schurmann: Mongols of Afghanistan: An Ethnography of the Moghôls and Related Peoples of Afghanistan. (Central Asiatic Studies 4) Mouton, Den Haag 1962, S. 17
  4. Michael Weiers: Moghol. In: Juha Janhunen (Hrsg.): The Mongolic Languages. Routledge Language Family Series 5. Routledge, London 2003, S. 248
  5. Afghanistan: Nothilfe unter extremen Bedingungen Focus Online, Januar 2009
  6. 6,0 6,1 National Geographic: Die Hazara, Februar 2009
  7. Biography: Abdul Ali Mazari. Afghanistan Online
  8. Ahmed Rashid: Taliban: Islam, Oil and the New Great Game in Central Asia. I.B. Tauris, London 2002, ISBN 1-86064-830-4, S. 77, 83, 139
  9. Human Rights Watch: Massacres of Hazaras in Afghanistan
  10. Archivlink (Memento vom 29. September 2007 im Internet Archive)
  11. http://www.dradio.de/dlf/sendungen/buechermarkt/256991/
  12. http://www.cbsnews.com/news/isis-reportedly-kidnaps-30-hazara-shiites-in-afghanistan-zabul-province/
  13. http://www.faz.net/aktuell/politik/afghanische-geschichten/jaghori-bildungsbuerger-11131773.html
  14. https://www.hrw.org/report/2014/06/29/we-are-walking-dead/killings-shia-hazara-balochistan-pakistan
  15. Extremisten erschießen Busfahrgäste. In: Frankfurter Rundschau. 4. Oktober 2011, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  16. https://www.hrw.org/report/2014/06/29/we-are-walking-dead/killings-shia-hazara-balochistan-pakistan
  17. Kabul explosion: Islamic State 'admits attack on Hazara protest'. BBC News, 23. Juli 2016, abgerufen am 23. Juli 2016 (english).
  18. Hazaragi Foods. hazaragifoods.blogspot.de, 13. August 2010
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Hazara aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.