Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Hendiadyoin

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Das Hendiadyoin [ˌhɛnˌdiaˌdy'ɔʏn] (Plural die Hendiadyoin; griechisch ἓν διὰ δυοῖν hen dia dyoin „eins durch zwei“, selten auch Hendiadys) bezeichnet in der Rhetorik und Linguistik eine Stilfigur, die einen komplexen Begriff mittels zweier semantisch ungleichwertiger Ausdrücke beschreibt, die in der Regel durch die Konjunktion „und“ verbunden werden.

Beschreibung

Das Hendiadyoin ist im Regelfall ein feststehender Ausdruck, also eine Paar- oder Zwillingsformel. Hendiadyoin-Konstruktionen können nach unterschiedlichen Mustern gebildet sein:

  • als phraseologische Verbindung zweier annähernd gleichbedeutender Begriffe (wie bei „Grund und Boden“, „nie und nimmer“)
  • als phraseologische Verbindung zweier ähnlicher Begriffe, die beide zusammen einen gemeinsamen (neuen) Begriff bezeichnen (beispielsweise „Feuer und Flamme“ = begeistert)
  • als beiordnende Verbindung zweier Substantive, die zusammen einen einzigen Gegenstand bezeichnen (wie „Haus und Hof“ = das ganze Anwesen).

Dabei ist in manchen Fällen eines der beiden Wörter allein heute ungebräuchlich (semantisch verdunkelt): (frank [und frei], rank [und schlank], klipp [und klar]).

Häufig wird das Hendiadyoin mit einer Alliteration gebildet: Die Paarwörter beginnen mit dem gleichen Graphem (Buchstaben) oder Phonem (Laut).

Die Verknüpfung der beiden Bestandteile kann tendenziell als attributiv beschrieben werden.[1] Das bedeutet, die Verbindung besitzt in der Tendenz den Charakter einer erläuternden und verdeutlichenden, teils auch sinnverändernden Beiordnung. In Abgrenzung zur Tautologie bilden beim Hendiadyoin normalerweise erst beide Wortbestandteile zusammen die eigentliche Bedeutung des Ausdrucks (beispielsweise „Hab und Gut“ für „Besitz“). Bei der Tautologie besitzen dagegen die beiden Wortbestandteile auch schon für sich allein genommen die gleiche Bedeutung wie der gesamte Ausdruck, der als Ganzes nur eine rhetorische Verstärkungsfunktion erfüllt (zum Beispiel „Art und Weise“). Dies wäre ein Spezialfall der Synonymik, also eine Verbindung semantisch gleichwertiger Ausdrücke. Ein attributiver Gebrauch (also ein Hendiadyoin) liegt aber auch dann vor, wenn einer der Wortbestandteile die Gesamtbedeutung des Ausdrucks bereits allein in sich trägt und der zweite nur verstärkend hinzutritt (zum Beispiel „klipp und klar“, was nichts anderes als völlig klar bedeutet, oder „geschniegelt und gestriegelt“, da auch „geschniegelt“ allein bereits in der übertragenen Bedeutung von „herausgeputzt“ benutzt werden kann).

Allerdings ist die Abgrenzung zur Tautologie häufig schwierig, da auch unvollständige Synonyme aneinandergereiht werden und klangliche, rhetorische oder stilistische Kriterien für die Prägung einer begrifflichen Reihung oft die größere Rolle spielen, sodass Wortbedeutungsgesichtspunkte in den Hintergrund treten können oder semantische Unstimmigkeiten in Kauf genommen werden. Bei ursprünglich sondersprachlichen Wendungen sind die Bestandteile oft auch nur im Rückgriff auf historische oder fachsprachliche Verhältnisse des Entstehungskontextes in ihrem Sinngehalt exakt zu unterscheiden und wirken für den heutigen Verwender wie Synonyme. Daher haben Hendiadyoin mitunter auch stark tautologischen Charakter. Besonders in der Rechtssprache fassen hendiadyoinische Paarformeln häufig zwei eng verwandte, aber dennoch historisch oder formal zu unterscheidende Begriffe zu einem Topos zusammen.

Beispiele

  • in Bausch und Bogen (aus dem Papiermacherhandwerk; Gesamtbedeutung „insgesamt, vollständig“)
  • unter Dach und Fach (aus dem Zimmermannshandwerk; Gesamtbedeutung „erledigt“)
  • mit Fug und Recht (Gesamtbedeutung „mit voller Berechtigung“)
  • Feuer und Flamme (Gesamtbedeutung „begeistert“)
  • frank und frei (Gesamtbedeutung „unverblümt“)
  • geschniegelt und gestriegelt (aus der Pferdepflege: „schniegeln“ heißt die Mähne mit Löckchen versehen; Gesamtbedeutung „herausgeputzt“)
  • gesund und munter (Gesamtbedeutung „körperlich und geistig fit“)
  • Hab und Gut (Gesamtbedeutung „sämtlicher Besitz/Eigentum“)
  • Haus und Hof (Wohn- und Wirtschaftseigentum; Gesamtbedeutung „Existenzgrundlage“)
  • Hinz und Kunz (Gesamtbedeutung „jedermann“; Bezug auf Heinrich und Konrad als verbreitete Vornamen)
  • kreuz und quer (Gesamtbedeutung „durcheinander“)
  • Kind und Kegel (ursprünglich rechtssprachliche Sammelbezeichnung ehelicher und nichtehelicher Abkömmlinge = „sämtliche Nachkommenschaft“)
  • klipp und klar (Gesamtbedeutung „eindeutig“)
  • Lug und Trug (Gesamtbedeutung „bösartige Täuschung“)
  • Mord und Totschlag (Gesamtbedeutung „Gewaltexzess“)
  • Rat und Tat (rechtssprachliche Paarformel „auxilium et consilium“, die Pflicht des Lehnsmannes zur tätigen und ideellen Unterstützung des Lehnsherrn beschreibend; Gesamtbedeutung „jegliche Form der Unterstützung“)
  • recht und billig (rechtssprachliche Paarformel „iuste et aeque“, dem allgemeinen Gesetz und der Billigkeit – Einzelfallgerechtigkeit – entsprechend; Gesamtbedeutung „richtig und angemessen“)
  • Recht und Ordnung (Gesamtbedeutung „gesetzmäßige Ordnung“)
  • mit Schimpf und Schande (Gesamtbedeutung „unehrenhaft“)
  • Treu und Glauben (rechtssprachliche Paarformel, Gesamtbedeutung „gewissenhaft und ohne böse Absichten“)
  • Tür und Tor (Gesamtbedeutung „alle Zugänge“)

Tautologisch oder schwer von Tautologien zu unterscheiden sind:

  • Art und Weise (Tautologie, streng genommen ist die Art einer Sache, die Weise einem Geschehen zugeordnet, die hier aber austauschbar sind)
  • einzig und allein (Quasi-Tautologie, streng genommen begrifflich unterscheidbar)
  • Gelaufe und Gerenne (Tautologie)
  • Grund und Boden (tautologisch wirkender Rechtsausdruck; Gesamtsbedeutung „Grundstück“)
  • Hilfe und Beistand (rechtssprachliche Paarformel, im Ergebnis tautologisch)
  • nie und nimmer (Quasi-Tautologie, Gesamtbedeutung „zu keiner Zeit“, weder bisher noch in Zukunft)
  • Ort und Stelle (scheinbare Tautologie, Gesamtbedeutung „genaue Stelle am gegebenen Ort“ oder auch „direkt vor Ort“)
  • voll und ganz (tautologischer Pleonasmus)

„Hendiatris“

Den Spezialfall einer feststehenden Formel aus drei Sprachelementen bezeichnet die englische Sprachwissenschaft als hendiatris („eins durch dreimal“). Der Ausdruck ist im Deutschen allerdings eher ungebräuchlich, man verwendet hier in der Regel den allgemeineren Begriff Drillingsformel.

Beispiele:

  • Wein, Weib und Gesang
  • heimlich, still und leise
  • Jubel, Trubel, Heiterkeit
  • Pleiten, Pech und Pannen
  • Friede, Freude, Eierkuchen
  • Nepper, Schlepper, Bauernfänger

„Hendiatetris“, „Hendiatetrakis“

Der Spezialfall einer feststehenden Formel aus vier Sprachelementen wird in der romanischen Sprachwissenschaft als hendiatetris [ˌhɛnˌdia'tɛˌtris] oder hendiatetrakis [ˌhɛnˌdiaˌtɛ'traˌkis] (griechisch ἓν διὰ τετράκις hen dia tetrákis „eins durch viermal“) bezeichnet.[2] Auch dieser Ausdruck ist im Deutschen ungebräuchlich, zumal es in der deutschen Umgangssprache dafür kaum Beispiele gibt. Ein geläufiges Beispiel für eine hendiatetrische Vierlingsformel wäre „frisch, fromm, fröhlich, frei“ (mit der Gesamtbedeutung „unbefangen“).

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Hendiadyoin – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Hadumod Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft. Kröner Verlag, Stuttgart 2002, S. 275, ISBN 3-520-45203-0
  2. Marc Girard verweist im Zusammenhang mit der Gruppierung acclamer, éclater, crier, jouer auf die Bezeichnung „hendiatetris“. In: Les Psaumes redécouverts: de la structure au sense. Bellarmin 1997, Bd. 1, S. 768.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Hendiadyoin aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.