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Julius Guttmann

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Julius Guttmann

Julius Guttmann (geboren als Yitzchak Guttmann; geb. 15. April 1880 in Hildesheim; gest. 19. Mai 1950 in Jerusalem) war ein deutscher Rabbiner und Religionsphilosoph.

Leben

Julius Guttmann war der Sohn des Rabbiners Jakob Guttmann (1845–1919) und der Beate geborene Simonson (* 1858) aus Kopenhagen. Sein Vater war in den Jahren 1874–92 in Hildesheim Oberrabbiner. In dieser Zeit hatte Hildesheim noch eine große jüdische Gemeinde. Der Vater veröffentlichte auch Traktate über philosophische Themen. 1880 zog die Familie nach Breslau.

Julius Guttmann erhielt seine Grundausbildung am Rabbiner-Seminar in Breslau und an der Universität von Breslau. Er war Dozent in Breslau von 1910 bis 1919, und Dozent an der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums (dem Seminar der jüdischen Reformbewegung) in Berlin von 1919 bis 1934. 1934 wurde er als Professor für Jüdische Philosophie an die Hebräische Universität Jerusalem berufen. Auf dieser Professur blieb er bis zu seinem Tod.

Die Philosophie des Judentums

Guttmann ist am meisten durch seine Philosophie des Judentums (Reinhardt-Verlag, 1933) bekannt geworden. Übersetzungen liegen auf hebräisch, spanisch, englisch, japanisch, etc. vor. Roth sieht in diesem Werk „das letzte Produkt der jüdisch-deutschen ‚Wissenschaft des Judentums‘“. Während diese Bewegung durch die Shoa untergegangen ist, lebt der Geist von Guttmanns Werk in den Werken von Gershom Scholem und Harry Austryn Wolfson (1887−1974) und vielen anderen weiter.

Die Originalausgabe von Philosophie des Judentums endet mit Hermann Cohen, welcher Guttmanns eigene Philosophie stark beeinflusst hat. Die spätere hebräische Ausgabe beinhaltet auch Franz Rosenzweig. Es ist auch bemerkenswert, dass Guttmanns Werk wichtige Denker der Kabbala ausschließt, was seine Einstellung zur jüdischen Philosophie charakterisiert (Werblowsky 1964).

U. a. folgende Persönlichkeiten werden in Die Philosophie des Judentums abgehandelt: Chiwi al-Balkhi, Saadia ben Joseph, Isaak Israeli, Solomon ibn Gabirol, Bachja ibn Pakuda, Jehuda ha-Levi, Abraham ibn Daud, Maimonides, Levi ben Gerson, Chasdaj Crescas, Moses Mendelssohn, Spinoza, Salomon Formstecher, Samuel Hirsch, Nachman Krochmal, Salomon Ludwig Steinheim, Moritz Lazarus, Hermann Cohen, Franz Rosenzweig.

Lehre

Religionsphilosophie

Guttmann vertritt die These, Philosophie sei Religionsphilosophie [1] . So sagt Guttmann: Die jüdische Philosophie „ist Religionsphilosophie in dem spezifischen Sinne, der durch die Eigenart der monotheistischen Offenbarungsreligion gegeben ist, die sich durch die Energie ihres Wahrheitsanspruches wie durch die Tiefe ihres geistigen Gehaltes der Philosophie als eine eigene Macht gegenüberstellen“ [2]
Laut Meyer gibt es für Guttmann im jüdischen Denken eine autonome Theologie: die Mischne Torah des Maimonides. Die häretische philosophische Spekulation über Gegenstände der Religion formte sich nach Meyer jedoch zu einer Religionsphilosophie. Guttmann meine laut Meyer als frommer Jude, dass der „Sinn des Religiösen allein nicht zum Besitz echter religiöser Wahrheit führen könne [3] . Guttmann bemerkt, dass dies keine Wahrheit objektiven Wissens, aber eine persönliche innere Gewissheit sei. Diese Gewissheit jedoch sei darum nicht weniger verlässlich. Guttmann stellt weiter fest, dass die Religion als „eine eigene Provinz im Gemüte“ zu betrachten sei. Damit spricht Guttmann dem Sinn des Religiösen, der Unmittelbarkeit des Empfindens im religiösen Leben einen autonomen Wirklichkeitscharakter zu. Guttmann verwendete auch eine Methode aus der Phänomenologie von Edmund Husserl, mit der er beschreibend „a priori Elemente und Strukturen sichtbar werden lassen konnte, die als ursprüngliche Gegebenes im menschlichen Bewusstsein präsent sind“. [4] Dadurch kann Guttmann in seinem Werk Philosophie des Judentums den Prozess analysieren, durch den Generationen jüdischer Philosophen die jüdische Religion als etwas Vorgegebenes deuten und manchmal auch rechtfertigen wollen. Es war Guttmann deshalb möglich, selbst der Innerlichkeit des religiösen Bewusstseins eine rationalistische Erklärung zu geben, weil es nicht um die religiösen Ideen als solche ging. Es ging vielmehr um den philosophischen Ausdruck und um die philosophische Formulierung der grundlegenden Prinzipien von Religion.

Historiographie

Guttmann schreibt der jüdischen Philosophie und ihrer Historiographie eine wichtige Rolle zu [5] und vertritt eine historisch-chronologische Einteilung der jüdischen Philosophiegeschichte nach philosophischen Schulen. So kategorisiert bzw. beschreibt er jüdische Philosophie nach historischen philosophischen Schulen, von Aristoteles über Neuplatonismus bis zum Existenzialismus in einer linearen historischen Linie der Abfolge. Grund dafür sei der „Diasporacharakter der jüdischen Gemeinschaft“. Er nimmt eine Einteilung nach Strömungen [6] vor und meint, dass es immer eine Verbindung zur Tradition der jüdischen Philosophie geben wird. Er ist sich sicher, dass selbst moderne Philosophen die Gedankenströme der philosophischen Tradition weiterführen werden. Die jüdische Philosophie würde ihre Wurzeln zur Vergangenheit nicht verlieren. Er bemerkt, dass jüdische Existenz heute sich sehr gewandelt hat und dass diese Form der Wandlung die jüdische Philosophie vor völlig neue Probleme stellt. Er meint, „dass die Philosophie unserer Generation das ist, was sie einmal war“. Aber heute könne man aus ihrer gegenwärtigen, vieldeutigen Lage nicht wissen, welchen Weg diese einschlagen werden. Welchen Weg sie auch immer nehmen möge es „wird immer eine Verbindung geben zur Tradition der jüdischen Philosophie“. Er vergleicht die Naturwissenschaften mit der Philosophiegeschichte und stellt fest, dass es bei den Naturwissenschaften einen Fortschritt und einen fortlaufenden Wandel gegeben habe. Im Gegensatz dazu, sei die Geschichte der Philosophie sehr mit Krisen und Kontroversen behaftet, wo die neuen Ideen ständig mit dem Denken vergangener Zeiten konfrontiert werden. Er bemerkt weiter, dass auch innerhalb der modernen Philosophie die Auswirkungen der wichtigsten Lehren vergangener Generationen bemerkt werden. Auch die „sogenannten Revolutionäre der Philosophie“ würden nach Guttmann, bewusst oder unbewusst die Gedanken der philosophischen Tradition weiterbetreiben. Diese alten Gedanken würden jetzt besser verstanden werden und es könnten nun neue Schlussfolgerungen gezogen werden. Ungeachtet aller Auseinandersetzungen, würde „die Philosophie die ihr eigene Kontinuität“ bewahren. Als Beispiel hierfür nennt Guttman die Entwicklung der jüdischen Philosophie, „die ihre Verknüpfung mit der Vergangenheit beibehält, trotz der Kluft, die das Mittelalter von der Neuzeit trennt“. Guttmann bemerkt, dass es die gleichen Probleme seien, die sowohl im Mittelalter als auch in der Neuzeit angesprochen werden. Die moderne jüdische Philosophie habe aus den Lösungen [7] der großen Philosophen wie Maimonides oder von Juda Ha-Levi gelernt. Diese Anknüpfung mit vergangenen Philosophen sei selbst in der modernen jüdischen Philosophie zu sehen, ungeachtet aller Unterschiede.

Werke (Auswahl)

  • Kants Begriff der objektiven Erkenntnis, 1911
  • Die Juden und das Wirtschaftsleben, 1913 (Besprechung von Sombarts Werk)
  • Religion und Wissenschaft im mittelalterlichen und modernen Denken, 1922
  • Mitherausgeber von 7 Bd. Schriften von Moses Mendelssohn, 1928-1938
  • Die Philosophie des Judentums, 1933

Literatur

  • Leon Roth: Is there a Jewish Philosophy? Rethinking Fundamentals. Littman Library of Jewish Civilization, London, 1962/1999
  • R. J. Zwi Werblowsky: Philosophies of Judaism. The History of Jewish Philosophy from Biblical Times to Franz Rosenzweig. New York, 1964
  • Fritz Bamberger, Julius Guttmann, philosopher of Judaism, London, 1960

Einzelnachweise

  1. Andreas B. Kilcher, Zum Begriff der jüdischen Philosophie. In: Kilcher, Andreas B. / Fraisse, Otfried (Hgg.): Metzler Lexikon jüdischer Philosophen. Stuttgart / Weimar 2003, Einleitung, S. XI.
  2. Julius Guttmann: Die Philosophie des Judentums. Berlin 1933, S. 9.
  3. Thomas Meyer: Vom Ende der Emanzipation – Jüdische Philosophie und Theologie nach 1933. Göttingen 2008, S. 78.
  4. Vgl. Esther Seidel: Julius Guttmanns Philosophie des Judentums - eine Standortbestimmung. In: dies.(Hg.), Die Philosophie des Judentums von Julius Guttmann. Berlin 2000, S. 408
  5. Vgl. Esther Seidel: Julius Guttmanns Philosophie des Judentums - eine Standortbestimmung. In: dies.(Hg.), Die Philosophie des Judentums von Julius Guttmann. Berlin 2000, S. 411.
  6. Vgl. Esther Seidel: Julius Guttmanns Philosophie des Judentums - eine Standortbestimmung. In: dies.(Hg.), Die Philosophie des Judentums von Julius Guttmann. Berlin 2000, S. 409
  7. Vgl. Esther Seidel: Julius Guttmanns Philosophie des Judentums - eine Standortbestimmung. In: dies.(Hg.): Die Philosophie des Judentums von Julius Guttmann. Berlin 2000, S. 411.

Weblinks

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