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Michael Haneke

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Michael Haneke, 2009

Michael Haneke (* 23. März 1942 in München) ist ein österreichischer Filmregisseur und Drehbuchautor. Seine Spielfilme (Die Klavierspielerin, Caché, Das weiße Band, Liebe) wurden vielfach preisgekrönt, unter anderem mit zwei Goldenen Palmen der Filmfestspiele von Cannes, dem Golden Globe Award und dem Europäischen Filmpreis.

Leben

Haneke ist der Sohn des Regisseurs und Schauspielers Fritz Haneke aus Düsseldorf und der österreichischen Burgschauspielerin Beatrix Degenschild. Aufgewachsen ist Michael Haneke in Wiener Neustadt, wo die Familie mütterlicherseits einen landwirtschaftlichen Betrieb unterhielt. Der Kontakt zum Vater blieb spärlich, auch wenn Fritz Haneke später bei einer Theaterinszenierung seines Sohnes mitwirken sollte. Sein Onkel war der internationale Motorradrennfahrer Franz Josef Binder.[1]

Haneke wollte im Alter von siebzehn Jahren die Schule abbrechen und Schauspieler werden. Nach einer misslungenen Aufnahmeprüfung am Wiener Max-Reinhardt-Seminar, wo ihn eigenen Angaben zufolge ein Teil des Lehrpersonals kannte, weil seine Mutter damals am Burgtheater wirkte, setzte er die Schullaufbahn fort und absolvierte die Matura. Obwohl er mit dem Beruf des Konzertpianisten geliebäugelt hatte,[2] studierte er in Wien Philosophie, Psychologie und Theaterwissenschaften. Er schloss das Studium jedoch nicht ab, sondern wechselte zum Fernsehen nach Baden-Baden. Durch seinen Vater hatte Haneke erfahren, dass dort seit zwei Jahren ein TV-Dramaturg für die Fernsehspielabteilung gesucht wurde, und er erhielt diese Stelle. In diesem Rahmen lernte er das Handwerk des Filmemachens und kam in Kontakt mit Personen wie Wolfgang Menge und Ulrike Meinhof, die damals ihr Fernsehspiel Bambule vorbereitete.

Eine enge Beziehung hat Haneke zur klassischen Musik, die er seit seinen Jugendjahren schätzt. Heute noch gibt er an, sein größter Wunsch sei es gewesen, Komponist und Dirigent zu werden. In seinen Filmen wird Musik höchst spärlich eingesetzt. Es widerspreche, wie er erklärt, seinem realistischen Konzept vom Filmemachen, Musik als Begleitung einzusetzen, wo diese nicht in der Szene selbst – etwa aus Quellen wie Radio oder Fernsehgerät – eine Begründung findet.

Haneke, der heute in der Nähe von Wien lebt und seine Filme in Österreich und Frankreich dreht, will mit seinen Filmen weniger unterhalten, als vielmehr den Zuschauer durch Irritation zum Nachdenken bewegen. Seine Universitätsstudien und seine Arbeit als Literatur- und Filmkritiker während jener Zeit legten die Grundsteine einer kritischen Umgangsweise mit dem Medium Film.

An der Wiener Filmakademie lehrt Haneke seit 2002 als Professor für Regie. In seinem regelmäßig zweimal pro Woche abgehaltenen Unterricht versucht er, sein Wissen über filmisches Erzählen an die Studenten weiterzugeben. Den Schwerpunkt setzt Haneke auf Schauspielführung. Grundlegend ist für ihn hierbei die realistische und emotionale Glaubwürdigkeit einer Spielszene.

Haneke ist Vater eines Sohnes (* 1965).[2] Seit 1983 ist er mit der Besitzerin eines Antiquitätengeschäfts im achten Wiener Bezirk verheiratet. Seine Frau bezeichnet er als die schärfste und wichtigste Kritikerin seiner Arbeiten.

Werke

Während seiner Zeit als Redakteur und Fernsehspieldramaturg beim Südwestfunk in Baden-Baden (1967–1971) schrieb Haneke sein erstes Drehbuch mit dem Titel Wochenende, das allerdings nicht verfilmt wurde. In den folgenden Jahren arbeitet er als Theaterregisseur zunächst in Baden-Baden (Debüt mit Ganze Tage in den Bäumen von Marguerite Duras), danach in Darmstadt, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Stuttgart, Hamburg, am Bayerischen Staatsschauspiel in München und am Wiener Burgtheater (Das Abendmahl von Peter Sichrovsky, Bühnenbild Hans Hoffer, Kostüme Annette Beaufays, 18. März 1988).

… und was kommt danach? (After Liverpool) (1973), nach einem Text von James Saunders, war Hanekes erster Fernsehfilm. Weitere Fernsehproduktionen waren Sperrmüll (1976), Drei Wege zum See (1976) nach einem Text von Ingeborg Bachmann, Lemminge (1979), Variation (1983), Wer war Edgar Allan? (1984) nach einem Roman von Peter Rosei (mit Rolf Hoppe und Paulus Manker), Fraulein (1985) mit Angelica Domröse, Nachruf für einen Mörder (1991), Die Rebellion (1992) und Das Schloss (1997, nach Franz Kafka mit Ulrich Mühe). Unklar ist, ob Haneke am Drehbuch des Tatorts Kesseltreiben mitarbeitete oder ein Pseudonym verwendete, im Vor- und Abspann taucht nur der Name Richard Binder auf.[3]

Erst mit dem Wechsel zum Kinofilm bei Der siebente Kontinent hat Haneke eigenen Angaben zufolge seine genuine Filmsprache gefunden. Zunächst als Fernsehspiel für Radio Bremen geplant, wurde sein Drehbuch, das erstmals die für ihn charakteristische Protokoll-Form aufwies, abgelehnt, woraufhin Haneke eine Kinoversion in Angriff nahm.

Seine ersten drei Kinofilme fasst er selbst als Trilogie über die Vergletscherung der Gefühle der Menschen zusammen: In Der siebente Kontinent (1989) begeht eine dreiköpfige Familie Selbstmord, in Benny's Video (1992) filmt der Protagonist, wie er eine Freundin mit einem Bolzenschussgerät tötet, um – wie er es ausdrückt – „zu sehen, wie das ist“, und 71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls (1994) handelt von einem Studenten, der Amok läuft.

1997 folgte Funny Games, 2000 Code: unbekannt. Für seinen siebten Kinofilm Die Klavierspielerin mit Isabelle Huppert und Benoît Magimel in den Hauptrollen, die Verfilmung von Elfriede Jelineks gleichnamigem Roman, wurde Haneke 2001 mit dem Großen Preis der Jury in Cannes geehrt. 2002 drehte er in französischer Sprache das Endzeitdrama Wolfzeit, abermals mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle besetzt.

2005 wurden ihm für Caché während der Internationalen Filmfestspiele von Cannes der FIPRESCI-Preis der internationalen Filmkritik und der Preis der ökumenischen Jury verliehen sowie als Bester Regisseur ausgezeichnet. Ferner wurde Caché 2005 beim Europäischen Filmpreis 2005 fünffach ausgezeichnet, darunter als bester Film und für die beste Regie.

Juliette Binoche, Hauptdarstellerin in „Caché“, sagt über die Arbeit des Filmemachers:

„Für mich sind Hanekes Filme notwendige Filme. Von Zeit zu Zeit sollte man sie sich ansehen. Aber sicher nicht immer.“

Am 27. Jänner 2006 stellte Haneke an der Pariser Oper (Aufführung im Palais Garnier) seine erste Operninszenierung vor: Don Giovanni von Wolfgang Amadeus Mozart (Bühnenbild Christoph Kanter, Kostüme Annette Beaufays, Dirigent Sylvain Cambreling). Haneke ließ das Stück in einem modernen Büro mit Ausblick auf Hochhäuser spielen, Don Giovanni porträtierte er als rücksichtslosen jungen Topmanager.

2007 wurde eine US-amerikanisch-international produzierte Neuverfilmung von Funny Games U.S. vorgestellt, Naomi Watts, Tim Roth und Darius Khondji für die Kamera zählten zu den Mitwirkenden. Haneke stellte seine Erstversion Szene für Szene nach. Er hatte sich vertraglich ausdrücklich die Kriterien „Final Cut“ und „Shot-by-Shot-Remake“ fest zusichern lassen. Nur daher konnte er verhindern, dass von Produzentenseite statt der Musik von John Zorn die von Marilyn Manson durchgedrückt wurde.“[4]

An der Filmakademie Wien entstand 2007, unter der Leitung von Haneke, die Verfilmung eines Theaterstückes von Ferdinand Bruckner, Krankheit der Jugend.

Zwei Jahre später konkurrierte er mit dem Film Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte erneut im Wettbewerb der 62. Internationalen Filmfestspiele von Cannes, die unter der Leitung von Jurypräsidentin Isabelle Huppert standen. Der Film, mit unter anderem Susanne Lothar, Ulrich Tukur und Burghart Klaußner in den Hauptrollen, ist am Vorabend des Ersten Weltkriegs angesiedelt und schildert die mysteriösen Vorfälle in einem norddeutschen Dorf. Seine fünfte Einladung brachte ihm erstmals die Goldene Palme ein.[5] Das weiße Band gewann außerdem den Europäischen Filmpreis in den Kategorien Film, Regie und Drehbuch, den Golden Globe Award in der Kategorie Bester Fremdsprachiger Film sowie den Deutschen Filmpreis in zehn Kategorien.[6]

2012 stellte Haneke den Spielfilm Liebe fertig, dessen Dreharbeiten Anfang des Vorjahres in Paris begonnen hatten.[7] Darin erzählt er von einem alten französischen Musikprofessorenpaar, das durch den Schlaganfall der Frau (dargestellt von Emmanuelle Riva) aus dem seelischen Gleichgewicht geworfen wird. Für den Part des Ehemanns konnte Haneke Jean-Louis Trintignant verpflichten, der nach fast zehn Jahren Abwesenheit vom Kino wieder eine Rolle übernahm. Für Liebe, mit Isabelle Huppert in einer Nebenrolle als Tochter, erhielt Haneke 2012 seine sechste Einladung in den Wettbewerb der 65. Internationalen Filmfestspiele von Cannes und seine zweite Goldene Palme.[8]

Filmografie

Auszeichnungen

Literatur

Leben und Werk
  • Alexander Horwath (Hrsg.): Der siebente Kontinent: Michael Haneke und seine Filme. Europaverl., Wien 1991, (215 Seiten), ISBN 3-203-51130-4
  • Jörg Metelmann: Zur Kritik der Kino-Gewalt: die Filme von Michael Haneke. Wilhelm Fink, München 2003 (298 Seiten), ISBN 3-7705-3825-0
  • Christian Wessely u. a. (Hrsg.): Michael Haneke und seine Filme. Eine Pathologie der Konsumgesellschaft. Schüren, Marburg 2008 (2., erw. und verb. Auflage, 416 Seiten), ISBN 978-3-89472-629-4[9]
  • Catherine Wheatley: Michael Haneke’s cinema : the ethic of the image. Berghahn Books, New York/Oxford 2009, (Film Europa), (234 Seiten), ISBN 978-1-84545-557-6.
  • Michael Haneke. Sonderausgabe von Modern Austrian Literature, 43.2/2010.
  • Fatima Naqvi: Trügerische Vertrautheit – Filme von Michael Haneke. Synema-Verlag, Wien 2010, ISBN 978-3-901644-37-5.
  • Roy Grundmann (Editor): A Companion to Michael Haneke. Wiley-Blackwell, Hoboken 2010, (WBCF - Wiley-Blackwell Companions to Film Directors), (656 Seiten), ISBN 978-1-4051-8800-5.
Interviews und Gespräche
  • Thomas Assheuer: Nahaufnahme: Gespräche mit Michael Haneke. Alexander Verlag, Berlin 2008 (178 Seiten); Aktualisierte Neuauflage mit einem Gespräch zu Das weiße Band, Alexander Verlag, Berlin 2009, (224 Seiten), ISBN 978-3-89581-223-1
  • Gero von Boehm: Michael Haneke. 9. Mai 2008. Interview in: Begegnungen. Menschenbilder aus drei Jahrzehnten. Collection Rolf Heyne, München 2012, ISBN 978-3-89910-443-1, S.592-601

Weblinks

 Commons: Michael Haneke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Datenbanken und Homepage
Rezensionen und Interviews
Essays und Analysen

Einzelnachweise

  1. Franz Josef Binder im Salzburg-Wiki vom 4. Oktober 2010 abgerufen am 19. März 2012
  2. 2,0 2,1 vgl. Michael Haneke. In: Internationales Biographisches Archiv 21/2006 vom 27. Mai 2006 (sp), ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 51/2009 (aufgerufen am 18. Januar 2010 via Munzinger Online)
  3. Tatort „Kesseltreiben“ in der Haneke-Nacht im Bayerischen Fernsehen
  4. Der Tagesspiegel vom 29. Mai 2008, Michael Haneke über Brutalität und Horrorfilme – und wie man damit umgeht
  5. vgl. Cannes: Michael Haneke gewinnt die Goldene Palme bei tt.com, 24. Mai 2009
  6. vgl. Offizielles Twitter-Profil des Deutschen Filmpreises (aufgerufen am 23. April 2010)
  7. Amour bei timeout.com (abgerufen am 22. April 2012).
  8. Livestream via canalplus.fr, 27. Mai 2012 (französisch).
  9. 3. erw. & aktual. Aufl. ebd. 2012 ISBN 9783894727727, 448 S.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Michael Haneke aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.