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Nitroglycerin

Aus Jewiki
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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Für den Lucky-Luke-Comic siehe Nitroglycerin (Comic).
Strukturformel
Struktur von Glycerintrinitrat
Allgemeines
Name Nitroglycerin
Andere Namen
  • Propan-1,2,3-triyltrinitrat (IUPAC)
  • Propan-1,2,3-trioltrinitrat
  • Glyceryltrinitrat
  • Glycerintrinitrat
  • Glyceroltrinitrat
  • Trisalpetersäureglycerinester
  • Trisalpetersäurepropan-1,2,3-triolester
  • „Nobels Sprengöl“
  • NGL
  • Blasting oil
  • Glycerinum trinitricum
  • Trinitroglycerol
Summenformel C3H5N3O9
CAS-Nummer 55-63-0
PubChem 4510
ATC-Code
Kurzbeschreibung

gelbliche, ölige Flüssigkeit[1][2]

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Vasodilatator

Eigenschaften
Molare Masse 227,09 g·mol−1[2]
Aggregatzustand

flüssig

Dichte

1,59 g·cm−3[2]

Schmelzpunkt

13,5 °C (rhombisch, stabil)[2]
2,8 °C (triklin, labil)[2]

Siedepunkt

160 °C (20 hPa)[2]

Dampfdruck

0,25 Pa[2] (20 °C)

Löslichkeit

schlecht in Wasser[2]

Brechungsindex

1,4786 (12 °C)[3]

Sicherheitshinweise
Bitte die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [4]
H- und P-Sätze H: 200​‐​330​‐​310​‐​300​‐​373​‐​411Vorlage:H-Sätze/Wartung/mehr als 5 Sätze
P: 201​‐​202​‐​260​‐​262​‐​264​‐​270Vorlage:P-Sätze/Wartung/mehr als 5 Sätze​‐​271​‐​273​‐​280​‐​281​‐​284​‐​301+310​‐​302+350​‐​304+340 [5]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [6] aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [4]
R- und S-Sätze R: 3​‐​26/27/28​‐​33​‐​51/53
S: (1/2)​‐​33​‐​35​‐​36/37​‐​45​‐​61Vorlage:S-Sätze/Wartung/mehr als 5 Sätze
MAK
  • 0,094 mg·m−3[7]
  • Schweiz: 0,01 ml·m−3 bzw. 0,094 mg·m−3[8]
Toxikologische Daten
Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0

−370,9 kJ/mol[13]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Nitroglycerin, Glycerintrinitrat oder Glyceroltrinitrat, auch Trisalpetersäureglycerinester ist ein Sprengstoff mit der Summenformel C3H5N3O9. Neben der Verwendung als Sprengstoff wird es auch in der Medizin wegen seiner gefäßerweiternden Wirkung eingesetzt.

Name

Die geläufige Bezeichnung Nitroglycerin ist gemäß IUPAC-Nomenklatur irreführend, da das Präfix Nitro- auf eine Kohlenstoff-gebundene NO2-Gruppe hinweist. Im Glycerintrinitrat jedoch ist der Alkylrest über je ein überbrückendes Sauerstoffatom an je ein Stickstoffatom gebunden, weswegen es sich um einen Salpetersäuretriester handelt.

Noch exakter als Glycerintrinitrat wäre demnach die Bezeichnung Glycerintris(nitrat), wobei das Präfix tris darauf hinweist, dass es sich beim Säurerest nicht um ein Kondensat aus drei Molekülen HNO3 handelt, sondern dreimal mit je einem Molekül verestert wurde. Da die Bezeichnung Glycerin lediglich der Trivialname des dreiwertigen Alkohols Propan-1,2,3-triol ist, ist für dessen Salpetersäureester (also das so genannte Nitroglyzerin) die Bezeichnung Propantrioltrinitrat ebenfalls korrekt.

„Glycerol“ ist ebenso ein anderer Name für Glycerin, der die korrekte Endung -ol für einen Alkohol trägt, statt -in, das für Alkine reserviert ist. Zudem schließt es anders als „Propantriol“ auch die Position der Hydroxygruppen mit ein, obgleich man ohne Angabe ohnehin von Glycerin ausgeht, da alle anderen Propantriole instabil sind.

Geschichte

Im Jahre 1847 stellt der Turiner Arzt und Chemiker Ascanio Sobrero erstmals Nitroglycerin her, aus dem Alfred Nobel 1867 Dynamit gewann. 1875 wurde dann von ihm aus Nitroglycerin und Zellulosenitrat (Kollodiumwolle) der bis dahin stärkste gewerbliche Sprengstoff, die Sprenggelatine, hergestellt. Diese Mischung wurde dann kurze Zeit später im härtesten Urgestein beim Bau des Gotthardtunnels in der Schweiz mit ausgezeichnetem Erfolg angewendet. Daraus wurden mit Zuschlagstoffen die schwächeren Gelatine-Dynamite hergestellt. Bei Verwendung des Ammonsalpeters in diesen Mischungen auch schon durch Nobel wurden die Grundlagen für die heute verwendeten Sprengstoffe geschaffen.

Darstellung und Gewinnung

Glycerintrinitrat wird durch die Veresterung der drei Hydroxygruppen von wasserfreiem Glycerin mit einer Mischung aus Salpetersäure und Schwefelsäure, der so genannten Nitriersäure, hergestellt:

Nitroglycerin Synthesis V.1.svg

Man unterscheidet diskontinuierliche und kontinuierliche Herstellungsverfahren. Bei diskontinuierlichen Verfahren wird eine bestimmte Menge Nitriersäure vorgelegt und bei starker Kühlung kleine Mengen Glycerin zugegeben. Aufgrund der Wärmeentwicklung und einer autokatalytischen Zersetzung bei Temperaturen über 30 °C bergen diese Methoden jedoch häufig unkalkulierbare Risiken. Das Auftreten von Nitroglycerindämpfen kann wegen der blutdrucksenkenden Wirkung (s. o.) zum Bewusstseinsverlust führen, was dadurch die Kontrolle über die Temperaturen bei der Herstellung unmöglich und damit eine unkontrollierte Zersetzung wahrscheinlich werden lässt.

Um die Glycerintrinitratmengen in den einzelnen Verarbeitungsstufen so gering wie möglich zu halten und die Produktivität zu erhöhen, wurden daher kontinuierliche Herstellungsverfahren entwickelt. Im einfachsten Fall werden Nitriersäure und Glycerin kontinuierlich in ein gekühltes Rohrsystem gegeben und mischen sich dort aufgrund der laminaren Strömungsverhältnisse. Die modernsten Verfahren benutzen Injektorpumpen, bei denen die durchfließende Nitriersäure einen Unterdruck erzeugt, mit dem das Glycerin angesogen und in dem Säurestrahl verwirbelt wird. Die Reaktionstemperatur liegt bei etwa 70 °C.

Allgemein erfordert die Synthese von Glycerintrinitrat besondere Sorgfalt und Kenntnisse im Umgang mit Gefahrstoffen, es darf daher nur in professionellen Laboratorien oder technischen Produktionsanlagen hergestellt werden.

Eigenschaften

Glycerintrinitrat ist bei Standardbedingungen eine farblose, geruchlose und schlecht wasserlösliche Flüssigkeit. Es hat einen süßlichen Geschmack, und schon die Einnahme einer geringen Menge Glycerintrinitrat (10 mg bzw. 0,15 mg/kg Körpergewicht) führt zu Kopfschmerzen. Der Schmelzpunkt liegt je nach Polymorph bei 2,8 °C oder 13,5 °C. Glycerintrinitrat explodiert bereits bei einem Fallhammerversuch mit einem 2-kg-Fallhammer aus einem Zentimeter Höhe. Die Flüssigkeit wird in extrem kurzer Zeit vollständig in gasförmige Produkte umgewandelt, was zu einer massiven Volumenausdehnung führt.[14]

Zerfallsgleichung (allgemein)

Glycerintrinitrat zerfällt zu Kohlendioxid, Wasser, Stickstoff und Stickstoffmonoxid:

Nitroglycerine Destruction V.1.svg

Verwendung

Sprengstoff

Glycerintrinitrat wird als Sprengstoff verwendet. Wegen der starken Stoß- und Erschütterungsempfindlichkeit ist die Handhabung allerdings eher schwierig. Alfred Nobel gelang es 1867, Glycerintrinitrat in Kieselgur einzulagern. Das entstehende Dynamit war einfacher zu benutzen. Da aber dessen Anteil von 25 Prozent inaktiven Kieselgurs die Sprengkraft reduzierte, stellte ebenfalls Nobel 1875 Sprenggelatine her, eine ideal zerfallende Mischung aus Nitroglycerin und Schießbaumwolle (Zellulosenitrat, Ballistit bzw. Cordit). Später wurde Glycerintrinitrat als Sprengstoffbestandteil wegen seines Gefrierpunkts bei 13,5 °C (stabile, rhombische Modifikation) bzw. 2,8 °C (labile, trikline Form) teilweise durch Nitroglycol (Ethylenglycoldinitrat oder EGDN) ersetzt, das erst bei −22 °C gefriert. Nitroglycol ist allerdings recht flüchtig und daher in warmen Ländern mit nur wenig prozentualem Anteil an Sprengöl im Gesamtsprengstoff nicht zu empfehlen. Glycerintrinitrat ist dagegen heute noch ein wichtiger Bestandteil vieler Treibladungspulver. In geringen Mengen zugesetzt erhöht es die Sprengkraft von Ammonsalpetersprengstoffen.

Medizin

Wegen seiner gefäßerweiternden Wirkung – durch die Freisetzung von Stickstoffmonoxid – wird es unter dem Namen Glyceroltrinitrat als Mittel bei Angina pectoris, Herzinsuffizienz (Nitrolingual Pumpspray) sowie bei Analfissuren (Creme) verwendet. Siehe auch organische Nitrate. Herzinfarkte werden hingegen als „nitroresistent“ bezeichnet, da bei einem Verschluss der Koronararterien die vasodilatative Wirkung des freigesetzten Stickstoffmonoxid keinen therapeutischen Effekt hat.

Neben der Anwendung bei der Angina pectoris kommt es in der Notfallmedizin weiterhin auch bei Linksherzinsuffizienzen und kardial bedingten Lungenödemen zur Anwendung, da es die Herzvorlast herabsetzt. Weitere Anwendungsgebiete sind die Hypertensive Krise und spastische Harnleiter- und Gallenkoliken. Zu beachten ist allerdings, dass es zu lebensgefährlichen Komplikationen kommen kann, wenn das Medikament Sildenafil (Viagra) bis zu 72 Stunden vor der Einnahme des Präparats genommen wurde.[15]

Die Anwendung bei Osteoporose wird zurzeit erforscht. Die tägliche Anwendung einer nitroglycerinhaltigen Salbe erhöhte in einer Studie kanadischer Wissenschaftler die Knochendichte deutlich. Ob sich dadurch das Risiko von Knochenbrüchen verringert, wird jedoch nicht belegt. Die Wirkung wird mit der direkten Hemmung der Osteoklasten durch das freiwerdende Stickoxid erklärt.[16]

Nebenwirkungen

Zu den Nebenwirkungen des Mittels zählen eine Erhöhung des intrakraniellen Drucks, eine mögliche Reflextachykardie sowie Kopfschmerzen, Erröten und ein Hitzegefühl.[15]

Gesundheitshinweis Bitte den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten!

Handelsnamen

Monopräparate

Corangin Nitrospray (D), Deponit (D, A, CH), Glytrin (A), MinitranTM (CH), Minitrans (D), Nitrangin (D), Nitro (D, A), Nitroderm (D, A, CH), Nitro-Dur (A, CH), Nitronal (CH), Nitrolingual (D, A), Perlanganit (D, A, CH), Trinitrin (CH), Trinitrosan (D), Rectogesic (Salbe), diverse Generika (CH).[17][18][19]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 Josef Köhler, Rudolf Meyer, Axel Homburg: Explosivstoffe. 10. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2008, ISBN 978-3-527-32009-7.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 Eintrag zu CAS-Nr. 55-63-0 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 20. Juli 2015 (JavaScript erforderlich).
  3. David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press/Taylor and Francis, Boca Raton, FL, Physical Constants of Organic Compounds, S. 3-510.
  4. 4,0 4,1 Eintrag aus der CLP-Verordnung zu CAS-Nr. 55-63-0 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich).
  5. Eintrag zu Nitroglycerin der Gefahrstoff-Datenbank im „CLAKS“ der Uni-Hamburg
  6. Seit dem 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Gemischen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  7. MAK- und BAT-Werte-Liste 2013.
  8. SUVA: Grenzwerte am Arbeitsplatz 2015 – MAK-Werte, BAT-Werte, Grenzwerte für physikalische Einwirkungen, abgerufen am 2. November 2015.
  9. 9,0 9,1 9,2 9,3 Eintrag zu Nitroglycerin in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM).
  10. Spravochnik po Toksikologii i Gigienicheskim Normativam. S. 180, 1999.
  11. 11,0 11,1 Yakuri to Chiryo. Pharmacology and Therapeutics. Vol. 13, S. 3649, 1985.
  12. Annals of Emergency Medicine. Vol. 23, S. 31, 1994.
  13. David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press/Taylor and Francis, Boca Raton, FL, Standard Thermodynamic Properties of Chemical Substances, S. 5-24.
  14. R. Blume: Berechnung der Gasmenge bei der Explosion von 1 Mol Nitroglycerin.
  15. 15,0 15,1 D. Kühn, J. Luxem, K. Runggaldier: Rettungsdienst. 3. Auflage, Urban & Fischer, München 2004, ISBN 3-437-46191-5.
  16. S. A. Jamal, C. J. Hamilton, R. Eastell, S. R. Cummings: Effect of nitroglycerin ointment on bone density and strength in postmenopausal women: a randomized trial. In: JAMA. Band 305, Nummer 8, Februar 2011, S. 800–807, doi:10.1001/jama.2011.176. PMID 21343579.
  17. Rote Liste online, Stand: September 2009.
  18. AM-Komp. d. Schweiz, Stand: September 2009.
  19. AGES-PharmMed, Stand: September 2009.

Literatur

  • Richard Escales: Nitroglyzerin & Dynamit. SurvivalPress, 1908 Nachdruck 2002, ISBN 3-8311-4362-5.
  • Josef Köhler, Rudolf Meyer: Explosivstoffe. 9. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 1998, ISBN 3-527-28864-3, S. 215 ff.
  • Alfred Stettbacher: Die Schieß- und Sprengstoffe. 2. Auflage. Leipzig 1933.

Weblinks

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