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Reichspräsident

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Standarte des Reichspräsidenten mit dem Reichsadler
Reichspräsident Friedrich Ebert, 1925

Der Reichspräsident war das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches von 1919 bis 1934 und im Mai 1945. Er wurde vom Volk für sieben Jahre gewählt; eine Wiederwahl war zulässig. Diese Vorschrift kam aber nur bei der erneuten Wahl Hindenburgs zum Tragen.

Der Verfassung zufolge war der Reichspräsident der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, er ernannte und entließ den Reichskanzler, und er konnte den Deutschen Reichstag auflösen und dessen Gesetzgebung ergänzen, solange der Reichstag nicht widersprach. Letzteres geschah in den Jahren 1919–1923 und vor allem ab 1930, als der Reichspräsident mit Notverordnungen die Gesetzgebung des Reichstags ergänzte bzw. fast ersetzte. Aus diesem Grund wird im Rückblick seine Stellung im politischen System oft als zu stark beurteilt (was vielfach mit dem Schlagwort Ersatzkaiser beschrieben wurde). 1949 wurde der Bundespräsident mit ausdrücklicher Berücksichtigung der Weimarer Jahre bewusst mit wenig Macht ausgestattet.

Der Sozialdemokrat Friedrich Ebert wurde in der Reichspräsidentenwahl 1919 von der Weimarer Nationalversammlung gewählt, sein parteiloser Nachfolger Paul von Hindenburg in den beiden Reichspräsidentenwahlen (Wahl 1925 und Wahl 1932). Nach Hindenburgs Tod im Jahre 1934 gingen die Funktionen des Amtes des Reichspräsidenten auf Hitler über, was dieser sich in der Volksabstimmung über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs bestätigen ließ. Hitler nahm überdies die oberste richterliche Entscheidungsgewalt in Anspruch. Testamentarisch bestimmte er vor seinem Suizid Karl Dönitz zum Reichspräsidenten, der dann das Amt antrat und es bis zu seiner Verhaftung drei Wochen lang führte.

Stellung im politischen System

Palais des Reichspräsidenten an der Wilhelmstraße in Berlin in den 1920er Jahren

Im Gegensatz zum Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland hatte der Reichspräsident nicht nur überwiegend repräsentative Aufgaben, sondern konnte durchaus politische Macht ausüben:

  • Er ernannte den Kanzler und auf dessen Vorschlag die Reichsminister (Artikel 53 WRV).
  • Er konnte den Reichstag auflösen, wenn auch nur einmal aus demselben Grund (Art. 25).
  • Durch Verordnungen konnte er im Ausnahmezustand regieren und einige Verfassungsartikel zeitlich begrenzt aufheben (Art. 48, sogenannter Notstandsparagraph) – der Reichspräsident hatte dadurch im Zweifelsfall eine große Machtfülle.
  • Weiterhin war der Reichspräsident Oberbefehlshaber über alle Streitkräfte (Art. 47).

Demgegenüber standen aber auch Möglichkeiten des Reichstags:

  • Die vom Reichspräsidenten ernannten Regierungsmitglieder bedurften des Vertrauens des Reichstages und konnten somit von ihm jederzeit abgewählt werden, auch einzeln (Art. 54).[1] Bei der Reichstagswahl vom 31. Juli 1932 erhielten NSDAP und KPD zusammen über die Hälfte der Reichstagsmandate und konnten jede Regierung zum Rücktritt zwingen. Dies wurde bei der Reichstagswahl vom 6. November 1932 bestätigt.
  • Der Reichstag durfte Verordnungen des Reichspräsidenten außer Kraft setzen (Art. 48).
  • Der Reichstag konnte den Reichspräsidenten stürzen, indem er mit Zweidrittelmehrheit eine Volksabstimmung ansetzte. Wenn das Volk dann aber in der Abstimmung den Reichspräsidenten nicht absetzte, erfolgte die Auflösung des Reichstags (Art. 43 Abs. 2).

In der Realität hatte der Reichspräsident eine starke Stellung und großen Einfluss, auch wegen der faktischen Schwäche des Reichstages, in dem sich teilweise keine konstruktiven Mehrheiten bildeten.

Der Reichspräsident wurde unmittelbar vom Volk für jeweils sieben Jahre gewählt (Art. 43 Abs. 1).

Kritik am System

Reichspräsident Hindenburg bei den Befreiungsfeiern 1930 nach Ende der Rheinlandbesetzung in Koblenz

Zudem gab es bis in die – eigentlich die Republik tragenden – Parteien der so genannten Weimarer Koalition hinein Kräfte, die der parlamentarischen Demokratie skeptisch gegenüber standen. So kamen keine kontinuierlichen Mehrheiten zustande, die eine stabile Reichsregierung hätten tragen können. Wäre dies anders gewesen, hätte der Reichspräsident viel weniger die politische Initiative übernehmen müssen.[2]

In der Weimarer Zeit wurde bis weit in die politische Mitte die Auffassung vertreten, der Präsident habe eher noch zu wenig Macht, um die Schwächen des (damaligen) parlamentarischen Systems auszugleichen.[3] Diese Tendenz gab es auch in anderen Ländern, wo sie häufig zu sehr autoritären Lösungen geführt hat (zum Beispiel in Polen).

Vergleich mit Österreich

Österreich hatte 1929 seine Verfassung nach deutschem Vorbild geändert, sodass der österreichische Bundespräsident formal gesehen mehr oder weniger dieselben Befugnisse erlangte wie der Reichspräsident. Diese Verfassung gilt im Kern heute noch. Trotzdem hat der Bundespräsident aufgrund der stabilen Mehrheiten im Nationalrat in der Praxis, wie sein deutscher Amtskollege, lediglich eine repräsentative Stellung und ist weitgehend ohne Einfluss auf die Politik der vom Nationalrat getragenen Bundesregierung.

Liste der Reichspräsidenten

Reichsgesetzblatt vom 2. August 1934: Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs
Flagge des Reichspräsidenten 1919–1921

Das Deutsche Reich hatte folgende Reichspräsidenten:

Reichspräsidenten des Deutschen Reichs
Nr. Bild Name (Lebensdaten) Partei Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit
1 Friedrich Ebert Friedrich Ebert
(1871–1925)
SPD 11. Februar 1919 28. Februar 1925
(Tod im Amt)
2 Paul von Hindenburg Paul von Hindenburg
(1847–1934)
parteilos 12. Mai 1925 2. August 1934
(Tod im Amt)
3 Adolf Hitler, 1937 Adolf Hitler
(1889–1945)
(„Führer und Reichskanzler
[4])
NSDAP 2. August 1934
(Per Gesetz vom 1. August 1934 übernimmt Reichskanzler Hitler beide Ämter in Personalunion[5])
30. April 1945
(Selbstmord; Wiederaufteilung der Funktionen des Reichspräsidenten und Reichskanzlers[6])
4 Karl Dönitz Karl Dönitz
(1891–1980)
NSDAP 1. Mai 1945
(Amtsübernahme kraft Hitlers letzten Willens)
23. Mai 1945
(Verhaftung; Amt aufgelöst)

1. Friedrich Ebert: Die Nationalversammlung hatte am 10. Februar 1919 ein Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt angenommen und einen Tag darauf nach § 7 dieses Gesetzes Ebert mit absoluter Mehrheit zum Reichspräsidenten gewählt. Er sollte das Amt solange ausüben, bis ein Reichspräsident nach der am 11. August 1919 verabschiedeten neuen Reichsverfassung gewählt werden würde.[7] Seine Amtszeit wurde durch Reichsgesetz vom 27. Oktober 1922 bis zum 30. Juni 1925 verlängert.[8] Da dies der Verfassung widersprach, bedurfte die Verlängerung einer „verfassungsdurchbrechenden“ Zweidrittelmehrheit im Reichstag. Ebert verstarb am 28. Februar 1925 im Amt.

Kommissarische Reichspräsidenten:

1a. Mit dem Tode Eberts galt Artikel 51: Der Reichspräsident wird im Falle seiner Verhinderung zunächst durch den Reichskanzler vertreten. Das war im Februar 1925 Hans Luther. Die weiteren Bestimmungen waren noch nicht konkretisiert: Dauert die Verhinderung voraussichtlich längere Zeit, so ist die Vertretung durch ein Reichsgesetz zu regeln. Das gleiche gilt für den Fall einer vorzeitigen Erledigung der Präsidentschaft bis zur Durchführung der neuen Wahl.
1b. Vom 11. März bis 30. April 1925 übte Walter Simons als Präsident des Reichsgerichts das Reichspräsidentenamt aus. Das hatte der Reichstag am 10. März durch Gesetz beschlossen.[9]

2. Paul von Hindenburg: Hindenburg wurde in der Reichspräsidentenwahl 1925 und dann in der Reichspräsidentenwahl 1932 für jeweils sieben Jahre verfassungsgemäß gewählt. Am 2. August 1934 verstarb auch er im Amt.

3. Adolf Hitler ließ das Amt des Reichspräsidenten nicht neu besetzen, sondern verschmolz es mit dem seinen, wodurch er es formell beseitigte[10] – nicht zuletzt, weil es ihm widerstrebte, in seiner Position als Regierungschef formal von der Prärogative eines Reichspräsidenten abhängig zu sein.[11] Durch eine Volksabstimmung vom 19. August 1934[12] wurde die Vereinigung der Ämter bestätigt. Die Wahlbeteiligung lag, obwohl keine formelle Wahlpflicht bestand, bei über 95 %, und 89,9 % der abgegebenen gültigen Stimmen waren Ja-Stimmen.[13] Hitler verzichtete auf den Titel „Reichspräsident“ und trug fortan die neue, ihm vorbehaltene Amtsbezeichnung Führer,[14] die spätestens 1943 im formellen Verkehr mit dem Ausland sowie in der Anrede ausschließlich verwendet werden sollte.[15]

4. Karl Dönitz, von Hitler testamentarisch zum Reichspräsidenten bestimmt, übernahm nach dessen Tod offiziell am 1. Mai 1945 die Regierungsgewalt und den Oberbefehl über die deutsche Wehrmacht, als Deutschland bereits größtenteils von den Alliierten besetzt war.[16] Mit der Verhaftung der geschäftsführenden Regierung Dönitz durch die Siegermächte am 23. Mai 1945 endete de facto seine Amtszeit.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Bundespräsident (Deutschland) – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Weimarer Verfassung, Dritter Abschnitt im Wortlaut
  2. Vgl. Gerhard Schulz: Zwischen Demokratie und Diktatur: Verfassungspolitik und Reichsreform in der Weimarer Republik, Bd. 2. Deutschland am Vorabend der Großen Krise, Walter de Gruyter, Berlin/New York 1987, ISBN 3-11-002486-1, S. 238–240.
  3. Vgl. Oscar W. Gabriel, Everhard Holtmann: Handbuch Politisches System der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., Oldenbourg, München 2005, ISBN 3-486-27343-4, S. 165.
  4. Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs, 1. August 1934:
    „§ 1. Das Amt des Reichspräsidenten wird mit dem des Reichskanzlers vereinigt. Infolgedessen gehen die bisherigen Befugnisse des Reichspräsidenten auf den Führer und Reichskanzler Adolf Hitler über. Er bestimmt seinen Stellvertreter.“
  5. Klaus Hildebrand, Das Dritte Reich, 2009, S. 17.
  6. Thomas Olechowski, Rechtsgeschichte, 3. Aufl. 2010, S. 219.
  7. Gemäß § 7 des Gesetzes über die vorläufige Reichsgewalt (RGBl. 1919, S. 169) und Art. 180 Satz 2 Verfassung des Deutschen Reichs (RGBl. 1919, S. 1838), jeweils abgerufen am 25. Juni 2013.
  8. Gesetz zur Änderung des Artikel 180 der Reichsverfassung (RGBl. 1922, S. 801), abgerufen am 25. Juni 2013.
  9. Entwurf eines Gesetzes über die Stellvertretung des Reichspräsidenten, abgerufen am 12. September 2009. Antrag vom 7. März, beschlossen vom Reichstag am 10., in Kraft getreten am 11. März 1925.
  10. So Andreas Dietz, Das Primat der Politik in kaiserlicher Armee, Reichswehr, Wehrmacht und Bundeswehr (= Jus Publicum; Bd. 210), Mohr Siebeck, Tübingen 2011, S. 356–357.
  11. Vgl. Ian Kershaw, Führer und Hitlerkult, in: Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß (Hrsg.), Enzyklopädie des Nationalsozialismus, 3., korr. Auflage, Klett-Cotta, Stuttgart 1998, ISBN 3-608-91805-1, S. 22–33, hier S. 28.
  12. Verordnung zur Durchführung der Volksabstimmung über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs (3. August 1934), in: documentArchiv.de
  13. Näher dazu Otmar Jung: Plebiszit und Diktatur: die Volksabstimmungen der Nationalsozialisten (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts; Bd. 13). Mohr, Tübingen 1995, ISBN 3-16-146491-5, S. 64, 68.
  14. Erlaß des Reichskanzlers zum Vollzug des Gesetzes über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs vom 1. August 1934 (2. August 1934), in: documentArchiv.de. Eine Ansicht in Originaltypografie bietet die Österreichische Nationalbibliothek: Reichsgesetzblatt 1934 I, S. 745–763.
  15. Vgl. hierzu Rundschreiben vom 26. Juni 1943 – Rk. 7669 E – an alle Behörden des Reiches (PDF).
  16. Am Abend des 1. Mai 1945 verkündete Großadmiral Dönitz über den Reichssender Hamburg, Hitler sei „gefallen“; an diesem Tag trat er das Amt an der Spitze des NS-Staates an. Vgl. DRA: Hinweisdienst Wort 2005 (25. Todestag Karl Dönitz), Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv, abgerufen am 28. Oktober 2014.

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