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Robert Koldewey

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Robert Koldewey bei der Untersuchung eines Fundstücks; Selbstauslöser, Babylon 1906

Johannes Gustav Eduard Robert Koldewey (geb. 10. September 1855 in Blankenburg (Harz), Herzogtum Braunschweig; gest. 4. Februar 1925 in Berlin) war Architekt und einer der bedeutendsten deutschen Vertreter der vorderasiatischen Archäologie. Er gilt, unter anderem zusammen mit Wilhelm Dörpfeld, als Begründer der modernen historischen Bauforschung.

Leben

Werdegang

Die Eltern waren der Zollbeamte Hermann Koldewey und seine Frau Doris, geborene Kupfer. Ein Onkel, Carl Koldewey (1837–1908), war Polarforscher und Admiralitätsdirektor in Hamburg. Robert Koldewey besuchte zunächst das Gymnasium in Braunschweig. 1869 zog seine Familie nach Altona, wo er als Tertianer ans Christianeum kam und dort 1875 seine Abiturprüfung ablegte; in den Matrikeln des Christianeums hinterließ er als Berufswunsch: Baufach.[1] Nach einem Studium der Architektur, der Archäologie und der Kunstgeschichte in Berlin, München und Wien, das er ohne Abschluss beendete, nahm er eine Beamtenstelle als Regierungsbauführer bei der Freien und Hansestadt Hamburg an. Aus dieser Zeit sind Kontakte Koldeweys zu Franz Andreas Meyer, dem Onkel des bekannten Altertumsforschers Eduard Meyer, und Alfred Lichtwark, dem ersten Leiter der Hamburger Kunsthalle, bekannt.

Erste Forschungsreisen

Robert Koldewey: Rekonstruktionszeichnung des Olympieions in Agrigent, veröffentlicht 1899
Relief aus farbig glasierten Ziegeln. Detail des Ischtar-Tors, Pergamonmuseum, Berlin

1882 unternahm Koldewey als Mitarbeiter des amerikanischen Ausgräbers Francis Henry Bacon seine erste Forschungsreise an die nördliche Mittelmeerküste nach Assos. Seine Arbeit dort brachte ihm 1885 den Auftrag des Deutschen Archäologischen Instituts ein für Ausgrabungen in Lesbos, dem weitere Unternehmungen, nunmehr auch in Mesopotamien, auf der Suche nach antiken Stätten folgten.

Von Januar bis Juli 1892 und von Oktober 1893 bis Januar 1894 reiste er gemeinsam mit Otto Puchstein nach Unteritalien und Sizilien, wo sie die dortigen Tempel vermaßen und beschrieben. Dabei fertigte Robert Koldewey Ansichten und Schemazeichnungen der Tempel an. 1894 erhielt er für seine Untersuchungen die Ehrenpromotion der Universität Freiburg. 1895 nahm Koldewey eine Stelle als Lehrer an der Baugewerbeschule in Görlitz an, eine Tätigkeit, die ihm – wie aus seinen Briefen an Puchstein hervorgeht – nicht gefiel.[2]

Babylon

Im Winterhalbjahr 1897/98 reiste Koldewey zusammen mit dem Orientalisten Eduard Sachau zu einer Vorexpedition ins Zweistromland, um geeignete Orte für zukünftige Ausgrabungen der am 24. Januar 1898 gegründeten Deutschen Orient-Gesellschaft ausfindig zu machen. Er besuchte dabei u.a. Kal'at Schergât (Aššur), Warka (Uruk), Kujundschik (Ninive) und Senkere (Larsa). Vor allem wegen seiner Argumente, die er durch die Vorlage farbiger Glasurziegel untermauerte, wurde Babylon (Kas'r) als Grabungsort ausgewählt, obwohl ursprünglich Assur im Gespräch gewesen war; Ninive schied aus, da hier bereits die Engländer tätig waren. Die Wirkung, die Koldewey mit den glasierten Reliefbruchstücken vor der Kommission der Museen zu Berlin zu erreichen vermochte, gab auch den Ausschlag für die Finanzierung des aufwändigen Unternehmens durch die Deutsche Orient-Gesellschaft, den Preußischen Staat und Kaiser Wilhelm II.

Am 12. Dezember 1898 brach Koldewey an den Euphrat auf, am 26. März 1899 begannen die Ausgrabungen von Babylon im heutigen Irak. Koldeweys Tätigkeiten am Euphrat, zunächst nur auf fünf Jahre geplant, endeten erst 1917 durch den Einmarsch britischer Truppen in Bagdad im Zuge des Ersten Weltkriegs. In den 18 Jahren leitete er unter anderen ab 1903 auch die Ausgrabungen von Assur, Fara (Schuruppak), Abu Hatab und Uruk, unterbrochen nur durch drei relativ kurze Urlaubsaufenthalte in Deutschland in den Jahren 1904, 1910 und 1915.[3]

Heimkehr

Nach seiner Rückkehr aus dem Zweistromland ließ Koldewey sich in Berlin nieder und arbeitete als Kustos für auswärtige Angelegenheiten der Berliner Museen. 1921 unterstützte er Kollegen bei Ausgrabungen in Arkona auf Rügen, dabei auch Carl Schuchhardt, der später im Jahre 1925 Koldeweys Briefe herausgab. Koldewey starb nach längeren Leiden, die auf die Strapazen seiner Ausgrabungszeit im Orient zurückzuführen waren, mit noch nicht 70 Jahren in Berlin. Auf dem Parkfriedhof Lichterfelde in Steglitz-Zehlendorf befindet sich sein Ehrengrab in Form einer Zikkurrat.[4]

Der Archäologe Carl Schuchhardt urteilte in einem Nachruf auf Koldewey, der im Gnomon erschien: „Die Generation der großen deutschen Ausgräber stirbt aus. Es waren eigenartige und eindrucksvolle Gestalten, von Schliemann über Humann, Conze, Dörpfeld zu Koldewey, denn jeder hatte sich seinen Weg allein gesucht und seine Gangart selbst geschaffen. Robert Koldewey soll unter ihnen in Ehren bleiben!“[5]

Leistungen

Das Ischtar-Tor aus Babylon, im Hintergrund rechts ein Teil der Thronsaalfassade Pergamonmuseum, Berlin

Das Interesse der wissenschaftlichen Erforschung der Altertümer bestand im 19. Jahrhundert zunächst vor allem an den antiken Stätten des Mittelmeerraums und dort zuvörderst an deren Kunstwerken und Artefakten, wie Statuen, Bronzen, Malereien, Münzen oder Keramiken; die Rekonstruktionszeichnungen der Tempel orientierten sich deutlich an den klassizistischen Darstellungen des 18. Jahrhunderts. Koldeweys und Puchsteins zweibändiges Werk: Die griechischen Tempel in Unteritalien und Sicilien wurde zu einem größtenteils heute noch gültigen Standardwerk der wissenschaftlichen Untersuchung der antiken griechischen Stätten in der Magna Graecia.

Die Forschungsreisen waren in der ersten Hälfte des Jahrhunderts durchweg noch privat finanziert gewesen. Sammlungen, wie die des Resident der East India Company in Bagdad, Claudius James Rich, die das British Museum 1825 erwarb, hatten in den 1840er Jahren zu englischen Großgrabungen unter anderem in Nimrud und Ninive geführt. Koldeweys besondere Hinwendung zur Praxis der archäologischen Ausgrabungstätigkeit fand Unterstützung nicht nur durch die Deutsche Orient-Gesellschaft und ihren bekannten Initiator und Mäzen Henri James Simon, sondern auch durch den archäologiebegeisterten Kaiser Wilhelm II., der seit den 1880er Jahren den Vorderen Orient in das Interesse des Deutschen Reiches gestellt hatte.[6] Im Zuge einer ab 1902 auch öffentlich geführten Debatte um die Thesen von Friedrich Delitzsch, der anhand eines Vergleichs des Alten Testaments mit den Keilschriften eine Abhängigkeit der biblischen Schriften von Babylonien konstatiert hatte, fanden Koldeweys bereits ab 1900 nach Berlin gesandte Berichte seiner Ausgrabungen am Euphrat zudem verstärkt Beachtung; unter dem Titel: Das wiedererstehende Babylon. Die bisherigen Ergebnisse der Deutschen Ausgrabungen erlebten sie bis 1925 vier Auflagen.[7]

Robert Koldewey fand die Prozessionsstraße von Babylon mit dem Ischtar-Tor, die Paläste Nebukadnezars und die Fundamente des im Alten Testament und bei Herodot erwähnten Turms zu Babel. Letztere wurden unter seiner Leitung teilweise ausgegraben. Zudem hatte er an den Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft in Zincirli (Sam'al) teilgenommen und in einer Voruntersuchung, gemeinsam mit seinem Assistenten Walter Andrae, die späteren Ausgrabungen in Baalbek vorbereitet. Die von Koldewey in der Nähe der Prozessionsstraße vermuteten Hängenden Gärten der Semiramis (eines der Weltwunder) dürften mit großer Wahrscheinlichkeit nicht dort gelegen haben. Dagegen sprechen Erkenntnisse aus genaueren Auswertungen der antiken Texte und die für eine Bewässerung zu große Entfernung vom Euphrat.

Koldeweys Logistik der Ausgrabung gilt bis heute als vorbildlich. Seine Methodik ergänzte die Sicherung der einzelnen Bruchstücke um die Systematik einer exakten Aufnahme ihrer Fundorte innerhalb der Grabungsschichten und ermöglichte dadurch, Aufschluss über das jeweilige Schicksal der Gebäude und damit auch über die Historie der antiken Stadtanlage von Babylon zu erhalten. Das Interesse der archäologischen Orientforschung an dem historischen Wesen ihrer Bauten in Technik, Funktion und Ästhetik verstärkt zu haben, wird von der Wissenschaft heute Robert Koldewey als Verdienst zuerkannt. Sein Nachlass wird im Vorderasiatischen Museum zu Berlin aufbewahrt und erforscht.

Robert Koldewey im Magazin seines Grabungshauses in Babylon; fotografiert von Gertrude Bell, vor 1917

Zur Persönlichkeit

Koldeweys in Berlin verwahrte Skizzenbücher zeigen ein außerordentliches zeichnerisches Talent, seine Briefe einen begabten Schreiber. Die Briefe offenbaren ebenso wie die Berichte, insbesondere die seines langjährigen Mitarbeiters Andrae, auch einen eigensinnigen Charakter. Koldewey bewies Mut und Geschick nicht nur in seiner Arbeit, sondern auch bei den Verhandlungen in krisenhaften Situationen mit den Scheichs; andererseits zeigte er sich unerbittlich gegenüber Ignoranz. So pflegte er dem Lehrerstammtisch in Görlitz Unsinn über Mesopotamien aufzutischen, zum Beispiel lasse die orientalische Hitze der Sonne die Haut platzen, weshalb die Araber stets Nadel und Faden bei sich führten, um sie wieder zusammenzunähen; zugleich äußerte er sich in seinen Briefen entsetzt darüber, dass man ihm Glauben schenkte.[8] Von Gewährsleuten kolportiert ist eine Anekdote aus Babylon, in der Koldewey einer bibelfesten englischen Touristengruppe ein tiefes Grabungsloch als „Daniels Löwengrube“, ein Grabungsfeld als Thronsaal des „Menetekels“ und einen Schlackenhaufen als „feurigen Ofen“ eröffnete. Von seinen Mitarbeitern deswegen kritisiert, soll er geantwortet haben: „Wieso? Wer glaubt, ist selig! Sollte ich ihnen die Freude nehmen und sie enttäuschen? Das wird bis an ihr Lebensende das Erlebnis für sie bleiben!“[9]

Koldewey blieb unverheiratet und kinderlos. Aus den hinterlassenen Zeugnissen geht hervor, dass er den Wunsch gehabt habe, seine sterblichen Überreste in einer Rekonstruktion des Ischtar–Tors eingemauert zu wissen. Der Freundeskreis ignorierte nach seinem Tode diesen Wunsch und ließ stattdessen das Ehrengrab in Lichterfelde mit einem babylonisch anmutenden kleinen Bauwerk schmücken.[10]

Nachwirken

Grabungsfeld in Babylon, 1975
Ehrengrab, Thuner Platz 2-4, in Berlin-Lichterfelde

Koldewey hatte bereits seit 1899 regelmäßig Funde nach Berlin gesandt, den größten Teil allerdings bei seiner Abreise im Jahre 1917 zurücklassen müssen; mehrjährige Verhandlungen, die zu einer Fundteilung führten, waren gefolgt. Nachdem das von den Briten beförderte und seit 1921 bestehende Königreich Irak die Funde, die der Expedition zuletzt zugesprochen worden waren, freigegeben hatte, kamen 1926/27 insgesamt 536 Kisten aus Babylon in Berlin an, dabei allein 400 mit den von Koldewey gesammelten und aufgenommenen glasierten Ziegelstücken. Walther Andrae, Koldeweys ehemaliger Assistent und nunmehr Direktor des neugegründeten Vorderasiatischen Museums, ließ die Funde auswerten und in eine eigens für die Museumsräume entworfene Rekonstruktion des Bauwerks integrieren. 1930 wurden das Ischtar-Tor, die Prozessionsstraße und die Thronsaalfassade im Pergamonmuseum präsentiert, wo sie den Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs unversehrt überstanden[11] und bis heute zu besichtigen sind.

Zwei Kriege seit den 1980er Jahren im Irak haben allerdings unterdessen eine Begutachtung von Koldeweys 1917 unbeendet hinterlassener Grabungsstätte am Euphrat nahezu unmöglich gemacht; Berichte, beispielsweise der UNESCO, lassen die Annahme zu, dass die Grabungsfelder bereits irreparabel zerstört worden sind.[12]

Auszeichnungen

Koldewey-Gesellschaft

Die Koldewey-Gesellschaft wurde am 25. Juni 1926 in Bamberg, ein Jahr nach Koldeweys Tod, auf den Anstoß durch den Archäologen und Bauforscher Armin von Gerkan als Arbeitsgemeinschaft archäologischer Architekten gegründet und besteht als Vereinigung für baugeschichtliche Forschung bis heute.

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Robert Koldewey: Die antiken Baureste der Insel Lesbos. Reimer, Berlin 1890.
  • Robert Koldewey, Otto Puchstein: Die griechischen Tempel in Unteritalien und Sicilien. Asher, Berlin 1899, 1. Band Text, 2. Band Tafeln.
  • Robert Koldewey: Die Tempel von Babylon und Borsippa: nach den Ausgrabungen durch die Deutsche Orient-Gesellschaft. Leipzig 1911 (Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft in Babylon. Band 1).
  • Robert Koldewey: Das wieder erstehende Babylon. 4. erweiterte Auflage. Leipzig 1925; Neuauflage Beck, München, 1990 ISBN 3-406-31674-3.
  • Carl Schuchhardt: Heitere und ernste Briefe aus einem deutschen Archäologenleben. Robert Koldewey. G. Grote, Berlin 1925.

Literatur

  • Barthel HroudaKoldewey, Robert. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, S. 459 f. (Onlinefassung).
  • Walter Andrae: Babylon. Die versunkene Weltstadt und ihr Ausgräber Robert Koldewey. Berlin 1952.
  • Walter Andrae: Lebenserinnerungen eines Ausgräbers. Berlin, 1961; Neuauflage Stuttgart, 1988
  • Robert Bennett: Koldewey – der Ausgräber Babylons. London, 4. Juni 1995
  • Joachim Marzahn/Kathleen Erdmann: Robert Koldewey – ein Archäologenleben. Berlin, 2005
  • Olaf Matthes: James Simon. Mäzen im Wilhelminischen Zeitalter. Berlin 2000 (Bürgerlichkeit, Wertewandel, Mäzenatentum, Bd. 5); darin auch ein Kapitel über Robert Koldewey
  • Felicitas Noeske: Held von Babylon. Robert Koldewey. In: Christianeum, 60. Jahrgang, Heft 2/2005; S. 26–32
  • Wiedererstehendes Babylon. Eine antike Weltstadt im Blick der Forschung. Berlin, 1991 (Katalog der Ausstellung Wiedererstehendes Babylon, Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz)
  • Eva Strommenger, Wolfram Nagel, Christian Eder: Von Gudea bis Hammurapi. Grundzüge der Kunst und Geschichte in Altvorderasien. Böhlau Verlag, Köln 2005, Kapitel 21: Anhang 1. Koldewey in Babylon. S. 208–214

Anmerkungen

  1. Vgl. Noeske (2005) S. 29
  2. Vgl. Schuchhardt (1925)
  3. Vgl. Wiedererstehendes Babylon (1991)
  4. Parkfriedhof Lichterfelde, mit einem Link auf Fotografien des Grabs; siehe auch dort
  5. Carl Schuchardt: Robert Koldewey †, in: Gnomon 1/1925, S. 54.
  6. Vgl. Wiedererstehendes Babylon (1991), S. 9; S. 19
  7. Vgl. Marzahn/Erdmann (2005)
  8. Vgl. Wiedererstehendes Babylon (1991) S. 22
  9. zit. nach Bennett (1995)
  10. Nach Auskunft von Joachim Marzahn, Kustos Vorderasiatisches Museum zu Berlin und Nachlasspfleger Koldeweys
  11. was fast als Wunder zu bezeichnen ist, haben doch Kriegseinwirkungen beispielsweise das Markttor von Milet im Nebenraum stark beschädigt
  12. Siehe Bericht der UNESCO vom 8. August 2003
  13. Vermischtes in: Zentralblatt der Bauverwaltung, Jg. 30 (1910) Nr. 54, S. 363

Weblinks

 Commons: Robert Koldewey – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
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Dieser Artikel wurde am 3. Juli 2007 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen.
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