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Schwarzafrikaner

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Kinder im südafrikanischen Namibia, das als deutsche Kolonie von 1884 bis 1915 „Deutsch-Südwestafrika“ hieß

Die Bezeichnungen Schwarzafrikaner und schwarzafrikanisch entstanden zur Zeit des europäischen Kolonialismus zur Abgrenzung von Menschen aus dem so genannten „Schwarzafrika“ südlich der Sahara gegenüber Bewohnern des Orients und den hellhäutigeren Bevölkerungen Nordafrikas, beispielsweise den Berbern.[1][2][3] Auch die frühe Völkerkunde (Ethnologie) übernahm die Bezeichnung Schwarzafrikaner zur überregionalen Unterscheidung von Völkern in Kulturarealen oder größeren Kulturräumen; in der modernen Wissenschaft wird die Bezeichnung eher vermieden. Auch allgemeinsprachlich besteht die (internationale) Tendenz zur Bevorzugung der Fremd- und EigenbezeichnungSchwarze“ (englisch black people) sowie geographisch „Subsahara-Afrika(Sub-Saharan Africa).

In der Sprache der Kolonialisatoren wurde im Gegensatz zum schwarzen Teil Afrikas der nördliche Teil Weißafrika genannt und als „zivilisierter“ hervorgehoben, auch aufgrund seiner Geschichte als Grenzgebiet des Abendlandes (vergleiche die römische Provinz Africa, sowie Eurozentrismus). Der Versuch, zwischen den so genannten „Mohren“ im weißen und den „Negern“ im schwarzen Afrika zu unterscheiden, konnte allerdings nicht schlüssig durchgehalten werden. Als gedachte „Verbindungsrasse“ zwischen den Menschen der zwei Afrikas wurde der „Sudan-Neger“ als eigene Rasse konstruiert; diese überkommene Bezeichnung wurde im letzten Jahrhundert in den Massenmedien für die schwarze, nicht-arabische Bevölkerung des Südsudans verwendet und fand sich 2004 noch in deutschsprachigen Schulbüchern.[4][5]

Begriffsgeschichte nach Frantz Fanon

Der französische Vordenker einer Entkolonialisierung Frantz Fanon schreibt 1961 zu den Bedeutungen des Wortes Schwarzafrika und Schwarzafrikaner: „Man teilt Afrika in einen weißen und einen schwarzen Teil. Die Ersatzbezeichnungen: Afrika südlich der Sahara, können diesen latenten Rassismus nicht verschleiern.“ Mit dieser „dem eurozentristischen Weltbild entspringenden Vorstellung“ werde vermittelt, das weiße Afrika habe die Tradition einer „tausendjährigen Kultur“, sei mehr oder weniger „mediterran“, würde Europa widerspiegeln und habe teil an der abendländischen Kultur. Dem werde ein schwarzes Afrika gegenübergestellt, das als „träge, brutal und unzivilisiert – eine wilde Gegend“ dargestellt werde:[3]

„Der schwarze Mensch erscheint aus der Perspektive des Weißen als minderwertig, aber umgekehrt ist der Weiße mit seinen »Errungenschaften« Zivilisation, Kultur, kurz Intellekt, nachahmenswert.“

Fanon spricht weiter davon, „dass der schwarze Mensch in eine neurotische Situation geworfen wird, wenn er in einer weißen Gesellschaft lebt, die deren Überlegenheit gegenüber der schwarzen Bevölkerung proklamiert“.[6] Fanon kritisiert, dass die „schwarze Person“ eine „weiße Maske“ tragen müsse, um in einer kolonialisierten Welt ernst genommen zu werden.[7][6]

Gegen derartige abwertende Fremdbezeichnungen (Ethnophaulismen) stellen sich antikolonialistisch-revolutionäre Konzepte von „Afrikanität“ mit starker Betonung afrikanischer Identität und Stärken – eine Variante der Verarbeitung des kolonialen Traumas, wie etwa die Négritude-Bewegung des senegalesischen Politikers Léopold Sédar Senghor (1906–2001), die gleichermaßen für „schwarzes Selbstbewusstsein“ und „Distanzierung zur weißen Gesellschaft“ eintritt.

Subsahara-Afrika: Land der „Anderen“

Das abwertende Bild von den Schwarzafrikanern in den Subsahara-Gebieten gründete nicht allein auf den Auswirkungen des europäischen Kolonialismus, sondern darüber hinaus auch auf dem europäischen Handel mit Sklaven aus den Gebieten. Dortige Bewohner waren gleichzeitig Objekte des Menschenhandels in die arabisch-islamischen Länder, zurückreichend bis in die ersten Jahrhunderte der Ausbreitung des Islam. Demgegenüber hatten sich noch die Gefährten des Propheten Mohammed im 7. Jahrhundert stolz zu ihrer afrikanischen Herkunft bekannt.[8] Auch im Europa des 10. Jahrhunderts wurde noch unter dem Herrscher Otto I. der dunkelhäutige Heilige Mauritius verehrt, und das Auftreten der biblischen Heiligen Drei Könige zeigt noch eine Ebenbürtigkeit von Dunkelhäutigen.

Der französische Mittelalterhistoriker Jacques Heers (1924–2013) untersuchte in seiner Geschichte des Sklavenhandels vom 7. bis 16. Jahrhundert, wie die islamische Eroberung von Norden her immer weiter in den afrikanischen Kontinent vorstieß, aber Subsahara-Afrika von der Eroberung ausgeschlossen blieb und nur als heidnisches Reservoir für Sklaven ausgebeutet wurde. Dieses Reservoir war auch das Ziel beim arabischen Vordringen im Osten entlang des Indischen Ozeans, wobei ausschließlich Handelsplätze an der Küste angelaufen wurden, das Innere des Kontinents aber ausgespart blieb und vorwiegend Inseln wie Sansibar und die Komoren zu arabischen Stützpunkten wurden (siehe dazu auch die Swahili-Gesellschaft).

Zur grundsätzlichen Rechtfertigung der Versklavung berief man sich im Islam seit dem 11. Jahrhundert auf das, was Noachs Fluch gegenüber seinem jüngsten Sohn Ham bedeutete, dass er nämlich mit seinen Nachkommen zum Dienen verdammt wäre. Aus dem Islam ging die Berufung auf das Alte Testament mit ähnlicher Wirkung in die europäische Überlieferung über, als der atlantische Sklavenhandel zu rechtfertigen war (siehe dazu auch den Code Noir, ein französisches Gesetzeswerk, das die Sklaverei in den französischen Kolonien reglementierte).[9]

Muslimische Gelehrte wie Avicenna, al-Idrisi oder Ibn Chaldun (1332–1406) waren an der Verbreitung des schlechten Rufs der Schwarzen beteiligt, wobei sie sich ohne eigene Anschauung auf die beim griechischen Geographen und Philosophen Claudius Ptolemäus entfaltete Klimatheorie beriefen (um 150 n. Chr.). Die Hitze sei es, die die Menschen in diesen Gebieten den Einflüssen der Planeten Venus und Mars gleicherweise öffne und ihnen ein glühendes Temperament ohne die Mäßigung durch Selbstkontrolle verleihe.[10] Nach Jacques Heers galten für die Muslime die Schwarzen als die Einzigen, die die Sklaverei akzeptierten, und zwar aufgrund ihrer Stellung auf der menschlichen Rangleiter, wo sie in der Nähe der Tiere eingeordnet waren (siehe auch die Zandsch-Sklaven im Irak). Nie sei im Islam die Sklavenjagd in Subsahara-Afrika in Frage gestellt gewesen, was umso leichter durchzuhalten war, als afrikanische Mittelsmänner zu eigenem Nutzen für Nachschub sorgten (siehe auch Geschichte der Sklaverei in Afrika).[11]

Verwendung der Bezeichnungen und Alternativen

Dass die Hautfarbe zur Selbst- und Fremdbezeichnung dient, ist auch eine Eigenheit von afrikanischen Sprachen. So heißt der Europäer in der Bambarasprache von Mali farajè („Weißhaut“) oder tulobilènin („kleines rotes Ohr“), der Afrikaner jedoch farafin („Schwarzhaut“). In der San-Sprache von Burkina Faso bedeutet seeci „schwarzer Mensch“ für Afrikaner und seefu „weißer Mensch“ für Europäer.[12] In vielen der Bantusprachen Ost-, Süd und Zentralafrikas bedeutet Muzungu „Mensch mit weißer Hautfarbe“ (in Swahili mzungu, in Kikongo mundele) und Mweusi ein „Mensch mit schwarzer Hautfarbe“.

Die Bezeichnung Schwarzafrikaner oder Schwarzafrikanerin wird heute im deutschsprachigen Raum von Behörden, Sachbuchautoren, Journalisten und Politikern bedenkenlos verwendet. Manche dunkelhäutige Menschen afrikanischer Herkunft empfinden dies allerdings teilweise als Stigmatisierung, da sie eine abwertende Nebenbedeutung der Bezeichnung sehen, zusammen mit einer enthaltenen Ausgrenzung im Zusammenhang mit klischeehaften Assoziationen wie Drogenkriminalität und Asylmissbrauch. Andererseits wird die Bezeichnung als wertneutrale Feststellung des offenkundigen äußerlichen Unterschieds in der Hautfarbe angesehen.

Eine Untersuchung in der Stadt Wien hat ergeben, dass Menschen aus Afrika am ehesten mit ihrem Eigennamen, ansonsten als Afrikaner oder als Staatsbürger ihres jeweiligen Landes bezeichnet werden wollen.[13] Alternativ werden aus den USA übernommene Bezeichnungen wie Afroamerikaner (englisch African American) oder die Entsprechung Afrodeutsche verwendet. Dies klärt aber nicht die Frage, wie in Afrika lebende Menschen dunkler Hautfarbe sachlich angemessen zu bezeichnen wären.

Derzeit wiederentdeckt und verwendet wird die allgemeine Bezeichnung Schwarze (englisch black person, black people), gleichermaßen als Eigen- und als Fremdbezeichnung. Zumeist im Englischen wird auch die Bezeichnung people of African heritage („Menschen afrikanischer Herkunft“, wörtlich „afrikanischen Erbes“) verwendet und stellt ebenfalls eine Eigenbezeichnung im Sinne des gemeinsamen kulturellen Erbes dar.

Literatur

  • Marimba Ani: Yurugu. An African-centered Critique of European Cultural Thought and Behavior. Africa World, Trenton 1994, ISBN 0-86543-249-X (englisch).
  • Susan Arndt (Hrsg.): AfrikaBilder. Studien zu Rassismus in Deutschland. Unrast, Münster 2006, ISBN 3-89771-407-8.
  • Susan Arndt, Antje Hornscheidt (Hrsg.): Afrika und die deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. Unrast, Münster 2004, ISBN 3-89771-424-8 (Besprechung in afrikanet.info).
  • Frank Böckelmann: Die Gelben, die Schwarzen und die Weißen. Eichborn, Frankfurt 1999, ISBN 3-8218-4475-2.
  • Erwin Ebermann (Hrsg.): Afrikaner in Wien. Zwischen Mystifizierung und Verteufelung. Lit, Münster 2002, ISBN 3-8258-5712-3 (1. Kapitel als PDF-Datei; 193 kB; 19 Seiten und weitere Leseproben auf afrika-wien.at).
  • Frantz Fanon: Die Verdammten dieser Erde. 6. Auflage. Suhrkamp, Frankfurt 1994, ISBN 3-518-37168-1 (französisch 1961: Les damnés de la terre).
  • Grada Ferreira: Die Kolonisierung des Selbst – der Platz des Schwarzen. In: Hito Steyerl (Hrsg.): Spricht die Subalterne deutsch? Migration und postkoloniale Kritik. 2. Auflage. Unrast, Münster 2012, ISBN 3-89771-425-6, S. 146–165.
  • Tidiane N'Diaye: Der verschleierte Völkermord. Die Geschichte des muslimischen Sklavenhandels in Afrika. Rowohlt, Reinbek 2010, ISBN 978-3-498-04690-3.
  • K. Oguntoye, M. Opitz, D. Schultz (Hrsg.): Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte. 2. Auflage. Orlanda, Berlin 1991, ISBN 3-922166-21-0.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Susan Arndt: Kolonialismus Rassismus und Sprache: Kritische Betrachtungen der deutschen Afrikaterminologie. In: bpb – Bundeszentrale für politische Bildung. 30. Juli 2004, abgerufen am 27. August 2014.
  2. Susan Arndt, Antje Hornscheidt (Hrsg.): Afrika und die deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. Unrast, Münster 2004, S. 204.
  3. 3,0 3,1 Frantz Fanon: Die Verdammten dieser Erde. 6. Auflage. Suhrkamp, Frankfurt 1994, S. ?? (französisch 1961: Les damnés de la terre).
  4. Spiegel-Redaktion: Sudan / Bürgerkrieg: Opfer des Nordens. In: Der Spiegel. Nr. 13, 24. März 1969, abgerufen am 27. August 2014: „Die Sudan-Neger, geführt von ihrer christlich erzogenen Intelligenz, revoltieren gegen einen Staat, dessen arabisierte Moslem-Mehrheit in den Schwarzen des Südens noch immer »unsere Eingeborenen« sieht und den Sudan als arabisches Land versteht.“
  5. Stichworte Mohr, Schwarzafrika, Neger. In: Susan Arndt, Antje Hornscheidt: Afrika und die deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. Unrast, Münster 2004.
  6. 6,0 6,1 Philipp Dorestal: Apostel der Gewalt oder revolutionärer Humanist? Zur Aktualität von Frantz Fanon anlässlich seines 80. Geburtstages. In: ak – analyse & kritik. 19. Juli 2005 (online auf linksnet.de).
  7. Frantz Fanon: Schwarze Haut, weiße Masken. Suhrkamp, Frankfurt 1992, ISBN 3-51837-686-1, S. ??.
  8. Jacques Heers: Les négriers en terres d’islam. La première traite des Noirs VIIe-XVIe siècle. Perrin, Paris 2007, S. 156–157.
  9. Tidiane N’Diaye: Le génocide voilé. Enquête historique. Gallimard, Paris 2008, S. 233–234.
  10. Jacques Heers: Les négriers en terres d’islam. La première traite des Noirs VIIe-XVIe siècle. Perrin, Paris 2007, S. 158–164.
  11. Jacques Heers: Les négriers en terres d’islam. La première traite des Noirs VIIe-XVIe siècle. Perrin, Paris 2007, S. 179. Anmerkung: So haben zum Beispiel in Westafrika die Exporthäfen für den Transatlantikhandel durchweg unter der Kontrolle afrikanischer Souveräne und Sklavenhändler gestanden (Heers, S. 263–264).
  12. Erwin Ebermann (Hrsg.): Afrikaner in Wien. Zwischen Mystifizierung und Verteufelung. Erfahrungen und Analysen. 3. Auflage. Lit, 2007, ISBN 3-825-85712-3, S. 3 (PDF-Datei; 193 kB; 19 Seiten auf afrika-wien.at).
  13. Erwin Ebermann (Hrsg.): Afrikaner in Wien. Zwischen Mystifizierung und Verteufelung. Erfahrungen und Analysen. 3. Auflage. Lit, 2007, ISBN 3-825-85712-3, S. 383.
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