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Sonderpädagogik

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Sonderpädagogik ist in Deutschland ein Teilbereich der Agogik. Sie beschäftigt sich mit Jugendlichen und Kindern, für die ein sogenannter „besonderer (bzw. sonderpädagogischer) Förderbedarf“ festgestellt wurde; der entsprechende Fachbereich für Erwachsene ist die Andragogik, der für Senioren die Geragogik (bzw. Gerontagogik). In der Schweiz wird für die Erwachsenenbildung von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung auch der Ausdruck Sonderagogik verwendet, um sich von der Sonderpädagogik mit Kindern abzugrenzen.

Die Sonderpädagogik begreift sich als Unterstützung und Begleitung von als „besonders zu fördernd“ Eingestuften durch individuelle Hilfen, um ein möglichst großes Maß an schulischer und beruflicher „Eingliederung“ bzw. sogenannter gesellschaftlicher Teilhabe (bzw. Teilnahme) und selbständiger Lebensgestaltung zu erlangen. Ihr Ziel liegt außerdem in der Erforschung und Verbesserung von Maßnahmen für die Betroffenen.

Deutschlandlastige Artikel Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Staaten zu schildern.

Geschichte

Begriff

Historische Stufen zur Entwicklung und Bedeutung des Begriffs Integration bzw. Inklusion
Hauptartikel: Behinderung (Sozialrecht)


Der Wiener Bildungswissenschaftler Gottfried Biewer sieht die Ablösung des Begriffs Heilpädagogik durch Sonderpädagogik als eine Folge des Ausbaus eines gegliederten Sonderschulsystems in den 1960er Jahren. Sonderpädagogik sei damals als Sonderschulpädagogik zu verstehen und mit der Etablierung dieses Faches an den Pädagogischen Hochschulen und den Universitäten verbunden gewesen.[1] Die Ausweitung ihrer Aufgaben auf alle Lebensalter und Lebensbereiche in den 1970er Jahren, die Entstehung einer integrativen Pädagogik und die heutige Forderung nach Inklusion hätten die Legitimität des Begriffs aber in Frage gestellt. Nach der Interpretation der UNESCO hat die Pädagogik vier Entwicklungsstufen durchgemacht: Exklusion, Separation, aus der die Sonderpädagogik hervorging, Integration und Inklusion.[2] Die Übergänge zwischen diesen Entwicklungsstufen sind fließend. Inklusion, deren Befürworter sich vor allem auf die Ambitionen und formulierten (Rechts-) Ansprüche der von Deutschland 2009 ratifizierten UN-Konvention über Rechte von Menschen mit Behinderungen berufen, ist bezüglich ihrer Umsetzung umstritten.

Während Begriffe wie Heilmittel oder heilende Erziehung in pädagogischen Zusammenhängen schon früher verwendet wurden, etablierte sich der Begriff Heilpädagogik Mitte des 19. Jahrhunderts. Die sogenannte Heil- oder Sonderpädagogik wurde bis weit in das 20. Jahrhundert hinein eher als medizinische denn als pädagogische Disziplin betrachtet: Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts setzte sich ein pädagogischer Blickwinkel durch. Im Allgemeinen war anfangs das Verständnis für „Menschen mit Behinderung(en)“ jedoch sehr gering. So sahen Lehrer und Pädagogen es nicht als ihre Aufgabe an, behinderten Menschen durch Schaffung spezieller sonderpädagogischer Einrichtungen zu helfen. Die Gründung erster spezieller Einrichtungen für Kinder „mit Behinderungen“, die meist in großer Armut lebten, wie „Hilfsschulen“, sowie die Entwicklung der theoretischen Grundlagen dafür ist eng mit dem damaligen sogenannten deutschen Hilfsschulverband verbunden.[3] Der unterschiedliche Blickwinkel, Sondereinrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen als (medizinische) Heil- bzw. Therapie-Institutionen statt als Bildungseinrichtungen zu betrachten bzw. die Vermischung dieser beiden Aufgaben, belastet auch die Diskussion über Inklusion und führt immer wieder zu fundamentalen Missverständnissen.

Umsetzung

Hauptartikel Inklusive Pädagogik: Entwicklung


Ab 1945

Nach der Befreiung Deutschlands vom nationalsozialistischen Deutschen Reich trat am 14. April 1948 in Hamburg die „Prüfungsordnung“ zusammen mit der „Ausbildungsordnung für das Lehramt an Hilfsschulen“ in Kraft. Nach Hänsel (2014) haben diese Ordnungen „unverkennbare Übereinstimmungen“ mit dem Entwurf der reichsweiten „Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Hilfsschullehrer“ von 1941.[3]

Nach 1949 restrukturierte sich die Sonderpädagogik unter weitgehend personeller Kontinuität: Noch im gleichen Jahr erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift „Heilpädagogische Blätter“. Auch der während der NS-Zeit in den „nationalsozialistischen Lehrerbund“ eingegliederte „Hilfsschullehrerverband“ gründete sich in diesem Jahr neu (zunächst als „Verband der Hilfsschulen Deutschlands“, ab 1955 als „Verband deutscher Sonderschulen“). Man versuchte im Sinne einer „Stunde Null“ die Sonderpädagogik zu erneuern und an die „Blüte der Heilpädagogik“ der Weimarer Republik anzuschließen. Tatsächlich wurden die zwölf Jahre unter nationalsozialistischer Vergangenheit weitestgehend verdrängt. Mit Gustav Lesemann, dem letzten Verbandsvorsitzenden in der Weimarer Republik, und Josef Spieler, der die Kriegsjahre in der Schweiz verbrachte, hatte man zudem zwei politisch weniger belastete Personen im Verband.[4] Trotz dieses – propagierten – Neuanfangs war es tatsächlich so, dass man „in personeller, gesetzlicher, ideologischer Hinsicht in der Mehrzahl der nach dem Zweiten Weltkrieg neugeschaffenen Bundesländer zunächst an den Vorgaben und Strukturen des Dritten Reiches“ anknüpfte.[5] Schließlich gelang nun auch ein Zusammenschluss der verschiedenen sonderpädagogischen Disziplinen in einen gemeinsamen Ausbildungsgang, der seit 1950 entwickelt wurde und acht Sonderschulformen, zunächst ohne Taubstummen- und Blindenpädagogik, umfasste.[6]

Deutsche Demokratische Republik
„Hilfsschüler“ in Buckau (Juni 1953)

Auch in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) wurde zunächst an die Strukturen der NS-Zeit angeknüpft. Noch ohne gesetzliche Grundlagen nahmen bereits im Oktober 1945 erste „Hilfsschulen“ ihre Arbeit wieder auf. 1946 wurden „Sonderschulen“ legitimiert, die nun als alleinige Schulform „für alle bildungsfähigen, behinderten bzw. beeinträchtigten Kinder“[7] galten. Ebenso wie in den anderen Besatzungszonen wurde die Hilfsschule als „sinnstiftendes als auch konstituierendes Moment“[7] des Sonderschulsystems wahrgenommen. Im Vordergrund in der SBZ stand, wie bereits vorher, die Entlastung der allgemeinbildenden Schulen. Gleichzeitig sollte durch die allgemeine Schulpflicht für behinderte Kinder auch der humanitäre Charakter des neuen Regimes dargestellt werden.[8] Ausgeschlossen waren aber weiterhin Kinder mit „geistiger Behinderung“, die bis zum Ende der DDR nicht in das allgemeine Schulsystem aufgenommen wurden und in separaten „Rehabilitationseinrichtungen“ oder „Anstalten“ untergebracht wurden.[9] Von 1948 bis 1952 gelang es den Sonderschulen in der DDR, sich von der Allgemeinen Pädagogik abzugrenzen. Mit dem Jahr 1952 war dieser Prozess abgeschlossen und das Sonderschulwesen hatte nun eine „unmittelbar gesellschaftsstützende Funktion“ und galt als „Garant für den geplanten sozialistischen Aufbau“.[10] Bis 1957 steigerte sich die Zahl der Sonderschulen in der DDR von 120 auf 626.[10] Die neuen Sonderschulen griffen neben Einflüssen aus der sowjetischen und der kommunistischen Pädagogik zu einem Großteil auch auf die rechtlichen Normen aus der NS-Zeit zurück. So war die „AAoPr“ des deutschen Reichs von 1938 die Vorlage für die die Hilfsschule betreffenden Passagen in den „Richtlinien der deutschen Verwaltung für Volksbildung in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands“ von 1948. Auch wurde aus der NS-Zeit der landesweit gültige Hilfsschullehrplan übernommen, der jedoch inhaltlich keine Parallelen zur nationalsozialistischen Pädagogik aufwies, sondern stark auf heilpädagogischen Bestrebungen der 1920er Jahre aufbaute.[11]

Ab 1980

Seit den 1980er Jahren sind verstärkte Bestrebungen im Gang, das Sonderschulwesen in Deutschland, das Menschen mit Behinderung weitgehend von den Menschen ohne Behinderung isoliert und damit zu ihrer Ausgrenzung aus der Gesellschaft beiträgt, umzustrukturieren. Einen ersten Schritt in diese Richtung stellte in den meisten Bundesländern die Umbenennung von „Sonderschulen“ in „Förderschulen“ dar. Die sonderpädagogische Betreuung in speziellen Einrichtungen für Menschen mit Behinderung soll so weit wie möglich durch einen gemeinsamen Unterricht erfolgen (unter Umständen in sogenannten Integrationsklassen), damit Kinder länger gemeinsam miteinander leben und lernen und so im sozialen und lerntechnischen Bereich profitieren. Bei Kindertagesstätten, Kindergärten usw. bestehen die gleichen Bestrebungen zur Inklusion.

Im Juni 1994 wurde aus der UNESCO-Konferenz Pädagogik für besondere Bedürfnisse: Zugang und Qualität in Salamanca (Spanien) die Salamanca-Erklärung mit der Nennung der „Inklusion“[12] verabschiedet.[13]

Im November 1994 trat ein neuer Satz im Artikel 3 des Deutschen Grundgesetzes in Kraft:

„Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“[14]

Damit wurde der Perspektivenwechsel von der Betrachtung (und Behandlung) „Behinderter“ als „Objekte von Fürsorge“ zu ihrer Wahrnehmung als selbständig handelnde und individuell zu behandelnde Subjekte manifestiert.

Ab 2000

2009 wurde die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verabschiedet mit der Verpflichtung der Unterzeichnerstaaten, ein inclusive education system (engl., dt. inklusives Bildungssystem) zu errichten, in dem der gemeinsame Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderung der Regelfall ist.

„Das Bremer Schulgesetz von 2009 formuliert in § 3 Absatz 4 als erstes Schulgesetz in Deutschland den Auftrag, dass sich alle Schulen zu inklusiven Schulen entwickeln sollen.“[15]

Die zeitgemäße Sonderpädagogik versteht sich nicht mehr als zuständig für eine irgendwie als besonders auszuweisende Klientel, sondern als Kompetenz zu spezifischen Wissens- und Könnensbeständen für krisenhafte Lern- und Entwicklungsprozesse; sie folgt dem Motto: „Die Experten zu den Kindern und nicht die Kinder zu den Experten!“[16]

2014 wurde in Baden-Württemberg ein neues Schulgesetz verabschiedet: Ab dem Schuljahr 2015/2016 entfällt hier (weitgehend) die „Sonderschulpflicht“.[17]

Wissenschaft

Sonderpädagogik ist eine Wissenschaft, die man an einer Universität studieren kann. Sie beschäftigt sich mit der schulischen und außerschulischen Erziehung und Förderung von Menschen mit Behinderung im Sinne einer Hinführung zur Selbständigkeit oder aber der Erhaltung von Fähigkeiten und Funktionen.

Den Titel Sonderpädagoge dürfen führen:


Ausbildung

Die Ausbildung von Sonderpädagogen erfolgt an Universitäten und pädagogischen Hochschulen

  • im Studienfach Diplom-Pädagogik/Erziehungswissenschaft mit Sonderpädagogik als Schwerpunkt im Hauptstudium,
  • mit dem angestrebten Abschluss „Erstes Staatsexamen“ mit dem Berufsziel Sonderschullehrerin/Sonderschullehrer mit je nach Bundesland ein bis zwei sonderpädagogischen Fachrichtungen,
  • Magister Artium (M.A.) mit dem Hauptfach Sonderpädagogik, meist auch in Form von ein oder mehreren Fachrichtungen,
  • Master of Arts (M.A.) oder Master of Education (M.Ed.), mit im Gegensatz zum Magister Artium ggf. einer mit dem Master-Abschluss verbundenen Qualifizierung zum Lehramt an Sonderschulen.

Als Fachrichtungen gibt es derzeit je nach Angebot der Hochschulen:

Dabei verändert sich teilweise die Terminologie der Fachrichtungen, um Paradigmenwechsel im Fach zu signalisieren, der Adressatenkreis bleibt jedoch derselbe.

Zu den zu vermittelnden Kenntnissen gehören Ursachen und Symptome der verschiedenen Behinderungen, spezielle Förderprogramme und Förderdiagnostik sowie spezielle pädagogische Fragestellungen mit Praxisbezug wie etwa Erwachsenenbildung für Menschen mit geistiger Behinderung, die Arbeit mit schwerstbehinderten Menschen, Sprachtherapie, Sexualität, Familiensituation u. a. Aber auch die ethische Positionierung zu gesellschaftspolitischen Fragen wie beispielsweise die Sterilisation geistig behinderter Frauen beispielsweise während der Zeit des Nationalsozialismus, bzw. Fragen der Verhütung bei geistig behinderten Menschen sind Themen der Ausbildung.

Des Weiteren können spezifische Fragestellungen (z. B. Frühförderung bei Kindern mit kognitiver Behinderung, Sprachtherapie etc.) behandelt werden. Aufgrund der fast immer vorliegenden Mehrfachbehinderungen ist das isolierte Studium eines einzigen Faches nicht zu empfehlen. Im Rahmen von integrativen Kindergärten anstelle des Sonderkindergartens (z. B. für Sprachbehinderte) werden Sonderpädagogen nicht mehr nur mit spezifischen Behinderungen konfrontiert. Ähnliche Entwicklungen sind für den Wohn- und Arbeitsbereich festzustellen.

Die Studieninhalte beziehen sich auch auf Kenntnisse aus dem Bereich der Allgemeinen Sonderpädagogik:

  • Ethische Fragen
  • Geschichte der Disziplin und des Klientels
  • Institutionen der Sonderpädagogik
  • Interkulturelle Sonderpädagogik
  • Methoden der Sonderpädagogik
  • Theorien der Sonderpädagogik

Diese Kenntnisse sind notwendige Bedingungen zur Bestimmung eines eigenen Standortes und damit zur Fähigkeit der kritischen Reflexion bestehender Berufspraxis, vor allem der Praktika. Spezielle Förderprogramme oder diagnostische Aufgaben müssen kritisch hinterfragt werden. Gesellschaftsbezogene Aufgaben der Sonderpädagogik (Integration, Ethik, Normalisierung, selbstbestimmtes Leben) lassen sich nur lösen durch Reflexion des jeweiligen Standpunktes (z. B. dialogische versus interaktionistische oder materialistische Heilpädagogik). Lernerfordernis ist hier die Reflexionsfähigkeit.

In ostdeutschen Hochschulen sind die Studieninhalte und Abschlüsse sowie die Arbeitsfelder und Tätigkeiten die gleichen. Dort heißt es teilweise Rehabilitationspädagogik/Integrationspädagogik.

In Schleswig-Holstein gibt es Studiengänge für Lernbehindertenpädagogik und für Förderpädagogik, die in den ersten Semestern gemeinsame Inhalte haben, weil so viele Übereinstimmungen bestehen:

  • Lernbehinderung als pädagogisches Problem vor dem Hintergrund von Entwicklungsverzögerung
  • Sonderpädagogische Qualifikation und Professionalisierung sollen vor allem in folgenden Bereichen angestrebt werden: Lehrerpersönlichkeit, Erziehung, Unterricht, Diagnostik und konzeptgebundene Förderung, Beratung, Teamkompetenz, Zusammenarbeit mit Institutionen
  • Vermittlung von Förderkompetenzen im Bereich des mathematischen Denkens und des Mathematik-Unterrichts
  • Vermittlung von Förderkompetenzen in den Bereichen Sprache und Schriftsprache
  • Vermittlung von Sachverhalten aus Sachfächern unter erschwerten Bedingungen

Berufsfelder

Siehe auch: Sonderschule

Berufsmöglichkeiten ergeben sich für Sonderschullehrer in erster Linie an Schulen für Behinderte (Förderschulen) oder an Schulen mit Integrationsklassen. Diplom-Pädagogen finden in öffentlichen Schulen aus formalrechtlichen Gründen oft keine Anstellung. Sie finden Berufsmöglichkeiten in der Arbeit mit Menschen aller Altersstufen und aller Behinderung (Sozialrecht)en (kognitive Behinderung (geistige Behinderung), Lernbehinderung, Verhaltens-Beeinträchtigung, Sprachbehinderung, Körperbehinderung, Hör- oder Sehbehinderung). Diagnose (Ermittlung von Ort und Umfang sonderpädagogischer Maßnahmen) und Beratung der Betroffenen oder deren Angehörigen sind wesentliche sonderpädagogische Aufgaben.

Für das Kindes- und Jugendalter sind Sonderpädagogen im Bereich der Frühförderung, von Diensten zur Familienentlastung, in integrativen und Sonder- Kindergärten, in der Sonderschulsozialarbeit, in der Freizeitpädagogik und in Heimen tätig.

Für das Erwachsenenalter liegen die Tätigkeitsfelder im Wohnbereich (Heim, betreutes Wohnen), stationäre und ambulante Begleitung, im Arbeitsbereich (Werkstätten, Arbeitsassistenz, Berufsbildungs- und Berufsförderwerke), in der Erwachsenenbildung (speziell Erwachsenenbildung für Menschen mit kognitiver Behinderung) und in sogenannten Familienprojekten.

Die in der Berufspraxis zu bewältigenden Probleme sind so zahlreich wie die Arbeitsfelder. Neben der Anwendung medizinischer, entwicklungspsychologischer und diagnostischer Kenntnisse müssen Sonderpädagogen in der Lage sein, Beziehungen zu Kindern und deren Familien herzustellen. Sonderpädagogik bewegt sich hier im Grenzbereich zur Therapie und erfordert hohe Ethik, Ausgeglichenheit und Liebenkönnen. Die Arbeit mit den Problemen der Familien und den Verhaltensproblemen der Kinder verlangt ein hohes Maß an Selbstreflexion und Beziehungsfähigkeit (im Sinne einer dialogischen Heilpädagogik, die das medizinische Paradigma in der Sonderpädagogik abgelöst hat). Die Forderungen nach Integration behinderter und nichtbehinderter Kinder sollen langfristig zur Arbeit von Sonderpädagogen in fast allen Regeleinrichtungen führen. Die Förderung von integrativen Prozessen, die nicht naturwüchsig verlaufen, wird dabei eine wichtige Rolle spielen, ebenso die Zusammenarbeit mit den Pädagogen ohne sonderpädagogische Qualifikation.

Im Erwachsenenalter werden sich durch das Normalisierungsprinzip neue institutionelle Erfordernisse ergeben. Selbstbestimmtes Leben und die Integration in die „normale“ Lebenswelt sind Ziele, denen die sonderpädagogische Praxis nachkommen muss. Im Wohn- und Arbeitsbereich gibt es bereits Modellprojekte, die zukunftsweisend sind. Sonderpädagogen werden zu Wohn- und Arbeitsassistenten. Rechtliche Kenntnisse zur Ausschöpfung der bestehenden Unterstützungen und der Realisierung von Projekten sind hier unumgänglich. Der Bereich Erwachsenenbildung nimmt zunehmend größeren Stellenwert ein, da er die notwendigen Voraussetzungen für lebenslanges Lernen und Selbständigkeit von Menschen mit Behinderungen im Erwachsenenalter schafft.

Siehe auch

Literatur

  • Heinz Bach u. a. (Hrsg.): Handbuch der Sonderpädagogik. (12 Bände), Berlin 1985–1991
  • Gottfried Biewer: Grundlagen der Heilpädagogik und Inklusiven Pädagogik (2. Aufl.). Klinkhardt (UTB), Bad Heilbrunn 2010. (ISBN 978-3-8252-2985-6)
  • Ulrich Bleidick, Sieglind L. Ellger-Rüttgardt: Behindertenpädagogik – eine Bilanz. Bildungspolitik und Theorieentwicklung von 1950 bis zur Gegenwart. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-17-020532-1
  • Markus Dederich: Behinderung, Medizin, Ethik. Behindertenpädagogische Reflexionen zu Grenzsituationen am Anfang und Ende des Lebens. Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2000
  • Stephan Ellinger, Roland Stein (Hrsg.): Grundstudium Sonderpädagogik. Oberhausen: ATHENA-Verlag, 2. überarb. u. erw. Auflage 2006, ISBN 978-3-89896-267-4
  • Urs Haeberlin: Heilpädagogik als wertgeleitete Wissenschaft – Ein propädeutisches Einführungsbuch in Grundfragen einer Pädagogik für Benachteiligte und Ausgegrenzte. Verlag Paul Haupt, Bern
  • Ingeborg Hedderich / Gottfried Biewer / Judith Hollenweger / Reinhard Markowetz (Hrsg.): Handbuch Inklusion und Sonderpädagogik. Klinkhardt (UTB), Bad Heilbrunn 2016, ISBN 978-3-8252-8643-9
  • U. Hensle, M. Vernooji u. a.: Einführung in die Arbeit mit behinderten Menschen. Bd. 1, Theoretische Grundlagen, Wiebelsheim 2000
  • Jürg Jegge: Dummheit ist lernbar, Erfahrungen mit «Schulversagern». Zytglogge Verlag, Bern 1976, ISBN 3-7296-0058-3
  • E. J. Kiphard: Psychomotorische Entwicklungsförderung. Motopädagogik Bd. 1, Dortmund 1998
  • Emil E. Kobi: Grundfragen der Heilpädagogik – Eine Einführung in heilpädagogisches Denken. 6., bearb. und erg. Aufl. BHP-Verl. Berlin 2004
  • Karl Leitner: „Sehnsucht nach Sicherheit“ – Problemverhalten bei Menschen mit Behinderung, verlag selbstbestimmtes leben, 2007 ISBN 978-3-910095-68-7
  • Andreas Möckel: Geschichte der Heilpädagogik oder: Macht und Ohnmacht der Erziehung. Stuttgart: Klett-Cotta, 2. Auflage 2007, ISBN 978-3-608-94489-1
  • Vera Moser: Konstruktion und Kritik. Sonderpädagogik als Disziplin. Verlag Leske + Budrich. Opladen 2003, ISBN 3-8100-3794-X
  • Günther Opp, Franz Peterander (Hrsg.): Focus Heilpädagogik. Projekt Zukunft. Festschrift für Otto Speck. Reinhardt, München und Basel 1996, ISBN 3-497-01391-9 (Volltext im Format PDF)
  • Eckhard Rohrmann: Mythen und Realitäten des Anders-Seins. Gesellschaftliche Konstruktionen seit der frühen Neuzeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007
  • S. Solarová (Hrsg.): Geschichte der Sonderpädagogik, Stuttgart, Kohlhammer 1983. open access kostenlos zugänglich: pedocs.de
  • Otto Speck: Menschen mit geistiger Behinderung. Ein Lehrbuch zur Erziehung und Bildung. München 2012
  • G. Theunissen, W. Plaute: Handbuch Empowerment und Heilpädagogik. Freiburg 2002
  • Herbert Wagner: Segregation und Stigmatisierung im Bildungssektor. Sonderschüler und Regelschüler im strukturellen Vergleich. Raum und Stigma Bd. 4. FISB-Verlag. Bad Bentheim 1986
    • Bildungsbiographien Lernbehinderter. Eine regionale Längsschnittuntersuchung zu den Bedingungen und Ergebnissen schulischer Sozialisation. Raum und Stigma Bde. 5 u. 6. FISB-Verlag. Bad Bentheim 1997

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gottfried Biewer: Grundlagen der Heilpädagogik und Inklusiven Pädagogik. 2. Aufl., Klinkhardt (UTB), Bad Heilbrunn 2010, S. 27–32. ISBN 978-3-8252-2985-6.
  2. UNESCO (2005): Guidelines for Inclusion. Ensuring Access to Education for All. Paris: UNESCO.
  3. 3,0 3,1 Brigitte Schumann: Neubewertung der sonderpädagogischen Geschichte? Rezension zu Dagmar Hänsel: Sonderschullehrerausbildung im Nationalsozialismus. Bad Heilbrunn 2014. Auf: bildungsklick.de. 8. Dezember 2014, abgerufen am 10. Dezember 2014.
  4. Ellger-Rüttgardt: Geschichte der Sonderpädagogik. Eine Einführung. 2008, S. 293 ff.
  5. Sieglind Ellger Rüttgard: Geschichte der sonderpädagogischen Institutionen. 2006, S. 280.
  6. Dagmar Hänsel: Die NS-Zeit als Gewinn für Hilfsschullehrer. 2006, S. 118 f.
  7. 7,0 7,1 Birgit Werner: Sonderpädagogik im Spannungsfeld zwischen Ideologie und Tradition. S. 18 f.
  8. Birgit Werner: Sonderpädagogik im Spannungsfeld zwischen Ideologie und Tradition. S. 19.
  9. Ellger-Rüttgardt: Geschichte der Sonderpädagogik. Eine Einführung. 2008, S. 321.
  10. 10,0 10,1 Birgit Werner: Sonderpädagogik im Spannungsfeld zwischen Ideologie und Tradition. S. 21.
  11. Birgit Werner: Sonderpädagogik im Spannungsfeld zwischen Ideologie und Tradition. S. 22.
  12. In der deutschen Übersetzung werden durchgängig die englischen Begriffe des Originaldokuments Inclusion bzw. inclusive mit Integration, integrativ usw. übersetzt.
  13. Die Salamanca Erklärung und der Aktionsrahmen zur Pädagogik für besondere Bedürfnisse. In: unesco.at. 29. Dezember 2011 (PDF; 66 KB).
  14. 20 Jahre Grundgesetzergänzung. In: netzwerk-artikel-3.de. 15. November 2014.
  15. Neue Fragen zur Inklusion. (Memento vom 19. Juli 2011 im Internet Archive)
  16. Dieter Katzenbach, Joachim Schroeder: „Ohne Angst verschieden sein können“. Über Inklusion und ihre Machbarkeit. In: inklusion-online.net. Zeitschrift für Inklusion, Ausgabe 1-2007. Abgerufen am 10. Dezember 2014.
  17. Roland Muschel: Inklusion: Landesregierung schafft Sonderschulpflicht ab. In: Badische-zeitung.de. 24. Februar 2015.
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