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Soziales Verhalten in Japan

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Das soziale Verhalten in Japan von Japanern untereinander einerseits und im Kontakt mit Gaikokujin (外国人, dt. mit Ausländern; kurz, etwas weniger höflich: Gaijin) andererseits unterscheidet sich in vielen Punkten von anderen westlichen, aber auch asiatischen Nachbarländern. Das rührt teilweise daher, dass Japan ein Inselstaat ist und dass er bis zum Beginn der Meiji-Restauration mehr oder weniger isoliert war. Dadurch entwickelten die Japaner ein ausgeprägtes Bewusstsein für ihre Einzigartigkeit. Diese Auffassung fand ihren Ausdruck in den Nihonjinron.[1]

Zwischenmenschliches

Titel und Anrede

Die japanische Sprache ist eine kontextsensitive Sprache. Das Japanische kennt vielfältige sprachliche Mittel, die soziale Stellung und das Verhältnis der Gesprächsteilnehmer zueinander differenziert auszudrücken. Eine Konversation wird in der Regel konsensorientiert und respektvoll geführt. Hierzu bedient man sich des Keigo (敬語, „Höflichkeitssprache“), das auf den konfuzianischen Hierarchievorstellungen basiert. Damit die Kommunikation gelingt, ist es unabdingbar, dass der Sprecher die Höflichkeitssprache abhängig vom Kontext auswählt. Dazu müssen die Sprecher die Sprechrichtung, die soziale Stellung des Gesprächspartners oder einer Person, über die gesprochen wird, und die Gruppenzugehörigkeit erfassen. Mithilfe der Höflichkeitssprache lässt sich beispielsweise zum Ausdruck bringen, dass der Sprecher seine soziale Position geringer erachtet als die seines Gesprächspartners. Ebenso gut kann der Sprecher die entgegengesetzte Richtung wählen und zum Ausdruck bringen, dass er die soziale Position seines Gesprächspartners höher einschätzt als die eigene. Um zum Ausdruck zu bringen, dass man jemanden als höher gestellt betrachtet, verwendet man die Respektsform (Sonkeigo). Um hingegen zum Ausdruck zu bringen, dass man jemanden als höher gestellt betrachtet, indem man sich selbst unterordnet, verwendet man die Bescheidenheitsform (Kenjōgo). In beiden Fällen wird zum Ausdruck gebracht, dass eine andere Person höher gestellt ist, jedoch auf zwei unterschiedliche Weisen: indem die andere Person direkt als höherrangig angesprochen wird oder, indem ich meine Person unterordne. Im Deutschen nachgebildet entspricht dies etwa folgenden Beispiele: „Nur Sie als Chef können das entscheiden“ oder „Ich als Angestellter kann dies keinesfalls entscheiden“. Die Formen unterscheiden sich in der Betrachtungsrichtung. Daneben gibt es eine dritte allgemeine Form, das Teineigo.[2] Keigo ist damit deutlich komplexer als die Unterscheidung zwischen „Du“ und „Sie“ in der Deutschen Sprache und stellt daher eine große Hürde beim Erlernen der gehobenen japanischen Sprache dar. Keigo spielt vor allem im Geschäftsleben eine Rolle. Zudem führt die sprachliche Differenzierung zu einer verwirrenden Vielfalt von Anreden, die im Alltag verwendet werden.

Männer und Frauen werden geschlechtsneutral angesprochen, indem man -san (さん) an den Familiennamen anhängt. Manchmal wird auch der Vorname mit dem Suffix -san benutzt, um Respekt und zugleich Nähe auszudrücken. Auch in einem Gespräch über eine abwesende Person wird -san am häufigsten verwendet. Die Silbe -san drückt Respekt aus, daher benutzt man sie nicht, wenn man von sich selbst oder von Familienangehörigen spricht.

Die Nachsilbe -chan (ちゃん) wird für kleine Mädchen und Niedliches (kawaii) im Allgemeinen (Katzen nekochan, Babys akachan) benutzt und entspricht den deutschen Suffixen „-chen“ oder „-lein“. Oft wird dabei auch der Name gekürzt, so wird Yukiko (幸子) zu Yuki-chan (幸ちゃん). Wenn Frauen niedlich wirken wollen, benutzen sie -chan auch untereinander.

-kun wird für Klassenkameraden, Soldaten in der Einheit und Jungen im Allgemeinen verwendet. Für ältere Jungs als der Sprecher selbst gibt es das respektvollere -senpai, das Schüler und Studenten der höheren Jahrgänge bezeichnet.

-sama ( oder さま) ist die respektvollste Anrede im modernen Japanisch, sieht man mal vom Hofzeremoniell des Tennō ab, wo noch alte Adelstitel im Gebrauch sind. Es wird in der Anrede in Briefen verwendet und gegenüber angesehenen Persönlichkeiten. min’na sama (皆様) ist äquivalent zu „Meine sehr geehrten Damen und Herren“.

Weiterhin sind Suffixe üblich, die eine gesellschaftliche Stellung und Funktion verdeutlichen. Mit Nachname plus sensei (先生, wörtlich „früher geboren“) spricht man Gebildete wie Lehrer, Anwälte, Ärzte, Professoren und Budo-Trainer an; die Anrede ist geschlechtsneutral. Nakamura-sensei kann daher Herr oder Frau Nakamura sein. Die Stellung in einem Unternehmen wird durch ein angehängtes -kachō, -buchō oder -shachō verdeutlicht. Der Austausch von Visitenkarten (名刺) spielt eine große Rolle. Man nimmt die Visitenkarte mit beiden Händen entgegen und liest sie oder betrachtet sie zumindest symbolisch. Viele Visitenkarten haben je eine Seite mit japanischer und „westlicher“ Schrift. Findet ein Gespräch am Tisch statt, wird die Karte links oben vom Empfänger, mit der Schriftseite für ihn lesbar, abgelegt. Keinesfalls steckt man die Visitenkarten in die Hosen- oder Jackentasche, das gilt als respektlos. Zur Aufbewahrung gibt es Etuis, oder man benutzt das Portemonnaie. Auf fremde Visitenkarten soll man, zumindest im Beisein des Gebers, nichts notieren. Gegenwärtig sind Visitenkarten auf der Rückseite häufig mit einem QR-Code versehen, der alle Informationen kodiert enthält und der mithilfe von Mobiltelefonen ausgelesen werden kann.

Es ist auch erlaubt, den Namen auszulassen und nur die Funktion als Anrede zu verwenden, und zum Beispiel einen Lehrer mit sensei anzureden. Hierbei gilt wiederum: Mitarbeiter des eigenen Unternehmens bezeichnet man anderen gegenüber ohne die Höflichkeits-Suffixe. So redet ein Delegationsleiter über den eigenen Unternehmenschef mit 社長の井上 (Shachō no Inoue, „Unternehmenschef Inoue“). Die Stellung in der Hierarchie wird als Attribut vor den Namen gesetzt.

Die Nachsilbe -tachi () bildet dagegen einen Plural. Neben watashitachi (私達, wir) kann man die Nachsilbe auch an andere Personalpronomen und an Namen anhängen. Dann bezeichnet man damit nicht nur eine Person, sondern die ganze Gruppe von Leuten, mit denen die Person normalerweise anzutreffen ist.

Ein großer Unterschied zum Deutschen besteht in der Verwendung der Personalpronomen. Das Japanische besitzt aufgrund der differenzierten Höflichkeitssprache viele Varianten zu den Personalpronomen. Es gibt rund zehn verschiedene Arten, "ich" zu sagen (der eigene Vorname; watakushi/watashi (); boku () und ore () sind nur einige regionsunabhängige Beispiele), abhängig vom Geschlecht, Alter und Gesprächspartner.

Wo im Deutschen immer das Personalpronomen nötig ist, um zu bezeichnen, um wen es geht, wird es im Japanischen eher weggelassen und man erschließt aus dem Kontext, um wen es sich handelt. Die Personalpronomen der dritten Person haben in der japanischen Umgangssprache eine zusätzliche und besondere Bedeutung. Mit kare und kanojo (彼女) wird je nach Kontext oft der Freund oder die Freundin (Partner/Partnerin) bezeichnet. Kareshi (彼氏) bedeutet in der gesprochenen Sprache heute ausschließlich „der Freund“ im Sinne von „Liebhaber“. Ob jemand Single ist, fragt man also mit „kareshi / kanojo ga imasu ka?“ anata (あなた) ist das einzige im aktuellen Japanisch verwendete Wort mit der Bedeutung „du“, das in neutralen Zusammenhängen als „Sie“ gebraucht werden kann z. B.: „Bitte benutzen Sie die Yamanote-Linie bis zur Station Shinjuku und steigen Sie dann …“ Es stammt von einer gleichnamigen Anrede von Frauen für ihre Ehemänner.

Zudem hat sich die Konnotation ursprünglich höflich verwendeter Wörter in der Geschichte der Sprache ins Negative gewandelt. Unhöflich geworden sind beispielsweise:

  • kimi () ursprünglich Bezeichnung für den Tennō (大君 ookimi) in der Edo-Periode, jetzt Ausdruck für „du“ in der Männersprache[3]
  • omae (お前) (ehrenhaftes Gegenüber) früher „Sie“, jetzt „he du!“ (Ausruf, unhöflich) oder im vertrauten Zusammenhang ein einfaches „du“ (ebenfalls Männersprache)[4]
  • kisama (貴様) (Ehrenwerter hochverehrter [Herr]) bedeutet in heutiger Verwendung ironischerweise „du Arschloch“

Verhältnis Eltern-Kinder

Die berühmten drei Affen von Nikkō: nichts (Böses) sehen, nichts (Böses) hören, nichts (Böses) reden

Benimmt sich ein japanisches Kind unartig, tun die Eltern oft so, als hätten sie dies nicht bemerkt. Will das Kind die Aufmerksamkeit seiner Eltern zurückgewinnen, muss es sich erst artig benehmen. Sinnbild für dieses Verhalten sind die berühmten drei Affen von Nikkō:

  • mizaru = nichts (Böses) sehen
  • kikazaru = nichts (Böses) hören
  • iwazaru = nichts (Böses) reden

Hinzu kommt ein starkes Abhängigkeitsverhältnis zwischen Müttern und Kindern, genannt Amae.[5]

Geschenke

Geschenke werden manchmal nicht in der Gegenwart des Schenkenden ausgepackt, um beiden Seiten einen Gesichtsverlust bei Überraschung und Enttäuschung zu ersparen. Ein Geschenk verlangt ein Gegengeschenk, das allerdings – aus logischen Gründen – von geringerem Wert sein sollte. Ausnahmen bilden Dankesgeschenke, hier ist die Gegenleistung ja schon erbracht worden.[6]

Beim Schenken achten Japaner auf folgende Tabus. Nicht angebracht sind:

  • Vier Gegenstände: die Ziffer „vier“ ( shi) ist gleichlautend mit dem Wort „Tod“ ( shi)
  • Weiße Taschentücher weisen auf Trauer hin
  • Weiße Blumen gibt es nur für Beerdigungen
  • Scheren und Messer weisen auf Trennung der Bande hin
  • Gegenstände, die das kaiserliche Wappen enthalten
  • Abbildungen mit Füchsen, die für Hinterhältigkeit stehen
  • Gelbe Taschentücher und ähnliches weisen auf Verrat hin

Bei Geschenken ist die Verpackung oft genau so wichtig wie der Inhalt. Aus diesem Grund haben die Japaner auch die Kunst des Verpackens auf einem hohen Niveau entwickelt. Ein schönes Beispiel hierfür sind japanische Tücher, Furoshiki.

Begrüßung

Händeschütteln ist in Japan unüblich. Stattdessen verlangt die Etikette eine – dem Rang des Gegenüber angemessene – Verbeugung. Beim Verbeugen muss der Rücken gestreckt sein. Der Rangniedere muss der Waagerechten (dem rechten Winkel) näher kommen und länger in der Verbeugung verharren. Junge Japaner werden dem Europäer allerdings möglicherweise das Händeschütteln anbieten. Insbesondere westlichen Ausländern gegenüber gibt es auch die Kombination Verbeugen und gleichzeitig Händeschütteln.
Grundregeln der Verbeugung:

Eine 5°-Verbeugung ist für neutrale Handlungen; eine 15°-Verbeugung ist für die höflichere Handlung; eine 30°-Verbeugung ist für eine Bitte oder tiefste Entschuldigung.

Außerdem ist ein direkter Blickkontakt zu vermeiden, da dieser von Japanern als unhöfliches Starren empfunden wird.

Gefühle

Tiefere Gefühle zeigt man in Japan selten. Vor allem „negative“ wie Zorn, Trauer und Enttäuschung werden traditionell je nach Alter oft nur den Eltern, dem besten Freund/der besten Freundin oder dem Ehepartner offenbart. Für Europäer ungewohnt kann das Lachen eines Gesprächspartners sein, dem man z. B. erregt von widerfahrener Ungerechtigkeit erzählt.

Lächeln kaschiert oft Schmerz und will dem Gegenüber Mitleid und eine gewisse Verpflichtung zur Hilfestellung ersparen.

Hara (, Bauch) – davon leitet sich fälschlicherweise Harakiri[7] ab – ist der Männersprache zugeordnet und kann so viel wie Bauch, Geist oder Seele bedeuten. Frauen verwenden den Begriff Kokoro (, dt. Herz) oder o-naka (お腹, Bauch).

Tatemae (建前, Fassade) ist das Gegenstück zu Honne und bezeichnet die öffentliche Haltung, die gezeigt wird, um die Harmonie zu wahren. Dies bedeutet oft einen Widerspruch zur Wahrheit oder den tatsächlichen Verhältnissen und eine Diskrepanz zwischen Denken und Sprechen. Honne ist das Gegenstück zu Tatemae und bezieht sich auf die wahre Absicht, die man verschweigt, um die Harmonie zu wahren.

Kritik

Auf Kritik reagiert man in Japan noch empfindlicher als in westlichen Ländern. Bei aller Kritik ist zu beachten, dass der Kritisierte sein Gesicht wahren möchte. Kritik wird deshalb eher indirekt vorgebracht:

  • Vorsichtig durch Dritte
  • Ohne Worte (durch Schweigen)
  • Lob mit einer angedeuteten Einschränkung
  • Beim gemeinsamen Trinken
  • Ansprechen der ganzen Gruppe, die dann dem Schwächeren hilft
  • Allgemeine Kritik, ohne konkret zu werden
  • Betonung des erwünschten Resultats

Ja und Nein

Ein „Ja“ (はい hai) kann auch bedeuten, dass man aufmerksam zuhört. Die japanische Etikette verlangt, dass man dem Sprecher durch wiederholtes Ja Aufmerksamkeit zusichert. Allerdings ist ein „Jaja“ (はいはい haihai) verpönt und gilt als unhöflich. Selbst ein hai, so desu („Ja, so ist es“) eines Untergebenen einem Höhergestellten gegenüber muss nicht heißen, dass der Sprecher tatsächlich aus vollem Herzen zustimmt, vielleicht möchte er auch in der Öffentlichkeit den Chef nicht bloßstellen. Unter Gleichgestellten wird auch nur n () oder un (うん) verwendet.

Ein direktes „Nein“ ist verpönt. Auch wenn der japanische Wortschatz das mit dem Wort iie (いいえ, nein) hergibt, wird es äußerst selten gebraucht. Vergleichbar ist es mit dem harschen wegscheuchen von etwas. Es gibt jedoch viele Möglichkeiten ein gültiges „Nein“ auszudrücken ohne es tatsächlich auszusprechen. Zieht das Gegenüber die Luft durch die Zähne ein, deutet das auf Schwierigkeiten hin. Das Gleiche gilt für eine in den Nacken gelegte Hand. chigau (違う, [es ist] anders, Wörterbuchform) oder chigaimasu (違います, [es ist] anders, normalhöfliche Form) kommt dem deutschen „Nein“ am nächsten.

Verhalten bei Mahlzeiten

Japanische Essstäbchen (Hashi ) unterscheiden sich von den chinesischen vor allem darin, dass sie spitz zulaufen und oft kürzer sind. Ein Fauxpas wäre es, die Stäbchen senkrecht in den Reis zu stecken, da eine solche Anordnung den Räucherstäbchen im Reis für Verstorbene vorbehalten ist. Nie reicht man in Japan Speise von Essstäbchen zu Essstäbchen. (Von Stäbchen zu Stäbchen werden nach der üblichen Feuerbestattung die Knochen des/der Verstorbenen bewegt). In Japan wird das Essen oft auf Tellern serviert, von denen sich jeder selbst etwas nimmt. Sind keine zusätzlichen Stäbchen vorhanden, so sollte man seine eigenen umdrehen und die Kehrseite der Stäbchen verwenden (öffentliche Seite).

Ist das Essen beendet, werden die Stäbchen parallel zueinander auf den Teller gelegt oder werden im Restaurant bis auf 2–3 cm zurück in die Papierhülle, deren Ende man umfaltet, damit leicht erkennbar ist, dass die Stäbchen bereits benutzt wurden, gesteckt. Leere Gläser werden von Tischnachbarn schnell wieder nachgeschenkt. Möchte man nichts mehr, so lässt man einen Rest im Glas.

Männer dürfen am Tisch gemäßigt Suppe schlürfen. Niesen und in der Öffentlichkeit mit einem Taschentuch die Nase schnäuzen stößt in Japan gerade so unangenehm auf wie lautstarkes Nasehochziehen in Europa nicht salonfähig ist. Es gilt als mangelnde Körperbeherrschung und gehört zum Abort.

Liebe und Zuneigung in der Öffentlichkeit

Von einigen Ausnahmen abgesehen, ist es unüblich Händchen zu halten, Arm in Arm zu laufen oder ähnliches. Auf Körperkontakt wird im Alltag weitestgehend verzichtet. Jedoch sieht man inzwischen gelegentlich Jugendliche, die sich über diese Regel hinwegsetzen. Küssen in der Öffentlichkeit ist jedoch nach wie vor verpönt und findet nicht statt.

Ausbildung und Berufliches

Japanische Kinder werden schon früh auf Disziplin getrimmt, damit sie eine erfolgreiche Schullaufbahn hinter sich bringen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Berufskarriere ist der Abschluss an einer guten Universität, deren Besuch wiederum eine gute Schulausbildung voraussetzt usw. bis hin zum Kindergarten. Hinter dieser Erziehung stehen meist die Mütter. Der Begriff ist Kyōiku Mama (教育ママ, „Erziehungsmutter“).[8] Es gibt aber auch das Wort Mamagon (ママゴン), das sich zusammensetzt aus Mama und dragon (englisch: Drache).

Kennzeichnend für die japanische Arbeitswelt war bis fast zum Ende des 20. Jahrhunderts das Prinzip der lebenslangen Beschäftigung.[9] Aber auch nach der Asienkrise hat sich die hohe Arbeitsmoral der Japaner erhalten. So verzichten nach wie vor viele Angestellte auf den ihnen zustehenden Jahresurlaub aus Loyalität zum Unternehmen und den Kollegen, die dann die anfallende Arbeit mit erledigen müssten. Auch der Krankenstand ist mit 1 Prozent niedrig (Deutschland 2005: 3,3 Prozent), dafür ist Karōshi (Tod durch Überarbeitung) seit Ende der 1980er Jahre ein Medienthema. Die durchschnittlich geleistete Jahresarbeitszeit lag 2005 pro Kopf in Japan bei 1802 Stunden, in Deutschland hingegen bei 1372 Stunden.[10]

Kollegen nehmen an familiären Ereignissen regen Anteil und schaffen dadurch ein Klima der Geborgenheit. Der Preis für diese Geborgenheit ist allerdings auch ein enorm hoher Gruppenzwang.

Zur Corporate Identity gehört auch die Unternehmenshymne, die oft vor Arbeitsbeginn von der Belegschaft gemeinsam im Freien gesungen wird.

Der Begriff Salaryman leitet sich von dem (nicht existierenden) englischen Wort salary man (von englisch salary = Gehalt, man = Mann) her. Er bezeichnet den Büroangestellten eines guten Unternehmens. Früher war es das Ziel von Oberschülern und Studenten, Salaryman in renommierten Unternehmen zu werden. Das änderte sich, nachdem die lebenslange Beschäftigung schrittweise aufgelöst worden war.

Der japanische Begriff für Unternehmen lautet Kaisha. Diese Kaisha beansprucht mehr vom Privatleben ihrer Mitarbeiter als zum Beispiel ein deutsches Unternehmen. Dazu gehört auch das Nomikai, das gemeinsame Trinken mit Kollegen nach Feierabend. Die Kaisha verlangt mehr von ihren Mitarbeitern, bindet sie aber auch vor allem im Rahmen des Ringi seido mehr in die Entscheidungsprozesse ein.


Sprache

Hauptartikel: Japanische Sprache

Die Formulierung einer Bitte auf Japanisch ist relativ umständlich. Eigentlich kann man eine Bitte nur in einem ganzen Satz formulieren. In diesem Satz wird dann das Verb kudasai (ください) verwendet, das wörtlich „heruntergeben“ bedeutet und die eigene untergeordnete Stellung andeutet. Andere Begriffe, um im Satz eine Bitte auszudrücken, sind dōzo (bitte) oder onegai shimasu (ich habe eine Bitte).

Aus Höflichkeit ist es üblich, eine Bitte nicht direkt abzulehnen. Fängt ein Japaner daher an zu zögern oder auf Probleme hinzuweisen, ist das als „Nein“ zu interpretieren. Am besten trägt man Bitten nur indirekt vor („ich hätte da ein Problem …“), um dem Gegenüber den Gesichtsverlust zu ersparen, der folgen würde, wenn der Gefragte die Bitte wegen der Art der Fragestellung direkt ablehnen müsste.

Beim Bedanken bieten sich mehrere Abstufungen an:

  • dōmo arigatō gozaimasu (どうもありがとうございます)
  • dōmo arigatō (どうもありがとう)
  • arigatō (ありがとう)
  • sumimasen (すみません)

Der japanische Wortschatz besteht aus einem japanischen Grundvokabular (wago), aus Fremdwörtern (gairaigo) und aus Lehnwörtern, die aus unterschiedlichen Sprachen entlehnt wurden. Eine Besonderheit stellen die Lehnwörter aus China (Kango) dar, die ca. die Hälfte des heutigen Wortschatzes ausmachen. Fremdwörter fließen seit dem 16. Jahrhundert aus dem Portugiesischen, Niederländischen, Französischen, Deutschen, Russischen und Italienischen ein. Seit der Meiji-Restauration ist jedoch die englische Sprache der größte Lieferant von Fremdwörtern.[11] Diese Fremd- und Lehnwörter werden der japanischen Phonetik angepasst und in der Silbenschrift Katakana geschrieben.

Lachen gehört in den privaten Bereich und wird deshalb in der Öffentlichkeit nicht so gerne gesehen. Japanische Witze sind oft Wortspiele, die sich auf Grund der homophonen Struktur der japanischen Sprache sehr oft ergeben.

Wohnkultur

Genkan nennt sich der Eingangsbereich zu einer japanischen Wohnung. Betritt ein Familienmitglied den Eingangsbereich, so kündigt es sein Eintreten üblicherweise mit dem Ausruf: „Tadaima“ (ただいま ‚Ich bin wieder daheim, ich bin wieder zuhause‘) an. Die Ankündigung der Rückkehr wird aus dem Haus mit „okaeri“ (おかえり ‚Willkommen daheim‘) beantwortet. Betritt man eine fremde Wohnung, kündigt man sein Kommen durch „ojama shimasu“ (お邪魔します ‚Entschuldigen Sie bitte die Störung‘) an, womit man sich zugleich für die Störung symbolisch entschuldigt. Dieses Procedere empfiehlt sich insbesondere dann, wenn es, wie bei Eigenheimen im japanischen Stil häufig, keine Klingel gibt. Im Genkan werden auch die Schuhe abgestellt, da der (traditionellerweise mit Tatami, also Reisstrohmatten, belegte) Innenbereich des Hauses nur mit Strümpfen oder speziellen Pantoffeln betreten werden soll. Für die Toilette gibt es spezielle „Toilettenpantoffeln“.

Im Gegensatz zu Europa und Amerika dient die Badewanne ausschließlich zur Entspannung. Man wäscht sich, bevor man die Wanne betritt, indem man sich auf einen kleinen Schemel setzt, sich mit Wasser übergießt und dann mit Seife wäscht.

In Japan sind sowohl traditionelle Hocktoiletten als auch Sitztoiletten vorhanden. Letztere verfügen zunehmend über eine elektronische Steuerung von Zusatzfunktionen wie z. B. Bidet, Gesäßdusche und -trocknung und anderes.

Siehe auch

Weblinks

Literatur

  • Florian Coulmas: Die Kultur Japans. 2005, ISBN 3-406-52811-2.
  • Florian Coulmas: Japanische Zeiten. 2000, ISBN 3-463-40392-7.
  • Florian Coulmas: Die Deutschen schreien. 2001, ISBN 3-498-00921-4.
  • Kazuhiko Kobayashi: Business mit Japan. Was europäische Manager wissen müssen. 1996, ISBN 3-7844-7348-2.
  • Klaus Kracht: Anstand und Etikette in Japan. Ein Forschungsgebiet. In: Japonica Humboldtiana. 3, 1999, S. 1–47; 2, 1998, S. 1–58.
  • Christine Liew: Japan: Unterwegs in einem Land zwischen Tradition und Innovation. Trescher, 2010, ISBN 978-3-89794-161-8.
  • Christine Liew: Schattenläufer und Perlenmädchen – Abenteuer Alltag in Japan. Dryas, 2010, ISBN 978-3-940855-22-0.
  • Karl Löwith: Der japanische Geist. aus d. Engl. v. A. Brock. Matthes & Seitz, Berlin 2013, ISBN 978-3-88221-661-5. (Der Band enthält die beiden Ausarbeitungen "Der japanische Geist" (1943) und "Japans Verwestlichung und moralische Grundlage" (1942–43).)
  • Martin Lutterjohann: Kulturschock Japan. 2003, ISBN 3-8317-1187-9.
  • Alois Moosmüller: Kulturen in Interaktion. Deutsche und US-amerikanische Firmenentsandte in Japan. 1997, ISBN 3-89325-583-4.
  • Bill Mutranowski: You Know You've been in Japan too Long…. 2003, ISBN 0-8048-3380-X.
  • Andreas Neuenkirchen: Gebrauchsanweisung für Japan. Piper Verlag, Mai 2010, ISBN 978-3-492-27585-9.
  • Christoph Neumann: Darum nerven Japaner. Der ungeschminkte Wahnsinn des japanischen Alltag. Eichborn, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-8218-3594-X.
  • Tadashi Ogawa: Grund und Grenze des Bewusstseins. Interkulturelle Phänomenologie aus japanischer Sicht. 2001, ISBN 3-8260-1972-5.
  • Diana Rowland: Japan-Knigge für Manager. 2010, ISBN 978-3-593-39332-2.
  • Gothild und Kristina Thomas: Reisegast in Japan. Iwanowski’s Reisebuchverlag, München 2001, ISBN 3-923975-82-1.
  • Minoru Tominaga: Erfolgsstrategien für deutsche Unternehmer. So bestehen Sie im globalen Wettbewerb. 1999, ISBN 3-612-26634-9.
  • James M. Vardaman, Michiko Vardaman: Japan from A to Z. Mysteries of everyday life explained. 1995, ISBN 4-900737-41-0.
  • Stephen N. Williams: American and Japanese Gestures. 1999, ISBN 4-7700-2344-8.
  • Hartmut Lamparth: Japanische Etikette: Ein Handbuch aus dem Jahre 1887. Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens, 1998, ISBN 3-928463-65-9.

Einzelnachweise

  1. Siehe hierzu bspw. Irmela Hijiya-Kirschnereit: Das Ende der Exotik. (= Suhrkamp. Band 466). Suhrkamp, Frankfurt 1988, ISBN 3-518-11466-2, S. 13–16. Abschnitt Japanische Selbstexotisierung.
  2. Siehe hierzu auch Noriko Katsumi-Pestemer: Grundstudium Japanisch. Band 2, Rheinbreitbach 1991, ISBN 3-8018-0091-1, Lektion 30, S. 310–323. Die Darstellung bei Pestemer unterscheidet zwischen Sprecher, Hörer und der Person, über die gesprochen wird.
  3. Siehe hierzu: Hayashi Ōki, Shōgaku Tosho: Gendai kokugo reikai jiten. 2. Auflage. Shōgakkan, Tōkyō 1985, ISBN 4-09-501042-8, S. 293. (現代国語例解辞典)
  4. Siehe hierzu: Hayashi Ōki, Shōgaku Tosho: Gendai kokugo reikai jiten. 1985, S. 165.
  5. Das Werk von Takeo Doi: Amae - Freiheit in Geborgenheit. Zur Struktur japanischer Psyche gehört heute nach wissenschaftlicher Auffassung zu den Nihonjinron.
  6. Siehe hierzu bspw.: Illustrated Japanese Family and Culture. (Hrsg.) Japan Travel Bureau. 1994, ISBN 4-533-02020-8, S. 118. (englisch)
  7. Der Begriff bedient sich fälschlicherweise der kunyomi-Lesung anstelle der korrekten Onyomi-Lesung Seppuku.
  8. Are you a “kyoiku mama” or just an educationally-concerned mother? Education in Japan Community Blog, abgerufen am 9. November 2010 (english).
  9. Manfred Pohl, Hans-Jürgen Mayer (Hrsg.): Länderbericht Japan. Bundeszentrale für politische Bildung, 1998, ISBN 3-89331-337-0, S. 278–285. (Abschnitt: Industrie und Wirtschaftstruktur: Charakteristika und Problemfelder)
  10. Ewald Walterskirchen: Arbeitszeiten im internationalen Vergleich. (PDF; 68 kB) Abgerufen am 9. November 2010.
  11. Länderbericht Japan, S. 475–476.
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