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Stiftung Synanon

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Stiftung Synanon
Zweck:
Vorsitz: Uwe Schriever
Gründungsdatum: 1982
Sitz: Berlin
Website: www.synanon-aktuell.de

kein Stifter angegebenkein Zweck angegeben

Die Stiftung Synanon ist eine Selbsthilfeorganisation, die substanzabhängige Menschen dabei unterstützt, ein abstinentes Leben zu führen. Sie wurde 1971 als Release Berlin e. V. gegründet. Später nannten die Gründer den Verein in Anlehnung an die amerikanische Organisation Synanon Inc. in Synanon International e. V. um, ehe das Projekt in der Stiftung Synanon aufging. Mitglieder nennen die Organisation und sich selbst oft „Synanon-Gemeinschaft“.

Geschichte

Release Berlin e. V., 1971–1975

1968 wandten sich Irene und Ingo Warnke wegen ihrer Drogensucht an Walther H. Lechler. Er empfahl ihnen das Buch The Tunnel Back, Synanon von Lewis Yablonsky, welches die Synanon-Gemeinschaft in den USA und ihren Erfolg in der Drogentherapie behandelt. Sie lasen das Buch ohne großen Erfolg.

Im April 1971 kehrten beide mit ihrer zweijährigen Tochter in das Haus Release Heidelberg ein. Sie hofften auf eine Einrichtung wie Synanon, fanden sie aber nicht. Also begannen sie selbst, Synanon zu verwirklichen, wie sie es brauchten und aus Yablonskys Buch verstanden: Keine Drogen, keine Gewalt, nüchtern zusammen und miteinander leben, offen für jeden Abhängigen, der das auch will. Als es Spannungen zwischen älteren Release-Bewohnern gab, zogen fünf drogenfreie Abhängige im Herbst 1971 nach Berlin. Dort gründeten Joachim Christoph, Olaf Donner, Jovita Halt, Ralph Rogalla, Konrad Tidow, Ingo Warnke und Irene Warnke im Dezember die Therapiegruppe Release Berlin e. V..

Synanon International e. V., 1975–1999

Erst als 1975 durch die Vermittlung eines Berliner Anonymen Alkoholikers in Kalifornien eine Verbindung zu Synanon in den USA zustande kam, gab es von dort das Angebot, den Namen Synanon ebenfalls zu benutzen. Um sich deutlich von anderen Release-Gruppen zu unterscheiden, erfolgte am 28. August 1975 die Umbenennung in „Synanon International e. V“. Zur Unterscheidung vom nationalen Synanon der USA wählte man den Zusatz International. Auch wenn das einer Gruppe von damals etwa 20 Menschen in einem Kreuzberger Fabrikgebäude etwas groß vorkam, erwies sich das International als richtig. Denn schon bald lebten Drogenabhängige aus verschiedenen Ländern in der Gemeinschaft zusammen.

In den Jahren 1996 und 1997 geriet Synanon in eine schwere wirtschaftliche Krise, die sich rückblickend schon länger vorher abgezeichnet hatte. Grobe Managementfehler, Fehleinschätzungen und fehlendes kaufmännisches Grundwissen der damaligen Verantwortlichen wurden offenbar. Dazu kamen interne Meinungsverschiedenheiten zwischen den Verantwortlichen. Die begonnenen Großprojekte in Berlin (430 Wohnplätze) und in Schmerwitz (rund 1.000 Wohnplätze) entwickelten sich zu einem wirtschaftlichen Fiasko. Die Existenz der Suchtselbsthilfe war akut bedroht. In dieser Situation wandte man sich an den Berliner Kaufmann Uwe Schriever mit der Bitte, als kaufmännischer Berater vorübergehend Synanon zu unterstützen. Schriever, der bereits in den 1970er Jahren Synanon geholfen hatte, willigte ein. Uwe Schriever übernahm, ausgestattet mit einem einstimmigen Mandat des Vorstands, die kaufmännische Betreuung und Beratung von Synanon. Im Jahr 2005 wurde ihm für sein Engagement durch den damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Bereits drei Jahre zuvor hatte er vom Paritätischen Wohlfahrtsverband die Paritätische Ehrennadel erhalten.

Das Vertrauen von Politik, Gesellschaft und Öffentlichkeit in die Suchtselbsthilfe Synanon war verloren und konnte in den darauffolgenden Jahren nur mühsam wieder neu erarbeitet werden. Die verbliebenen Verantwortlichen vollbrachten in den darauffolgenden Jahren große Anstrengungen, um Synanon zu einer wirtschaftlichen Stabilität mit Rahmenbedingungen zu verhelfen, die für eine Fortführung der Arbeit unerlässlich war. Noch im Krisenjahr 1997 wurden erste Schritte zur wirtschaftlichen Konsolidierung eingeleitet. Die kurzfristige Trennung von der Geschäftsführung war einer davon. Zeitgleich wurde ein Controllingsystem installiert und der kontinuierliche Ausbau der Zweckbetriebe vorangetrieben. Dies begann mit einer Straffung der Arbeitsorganisation. Aus- und Weiterbildung von Synanon-Bewohnern sollten zukünftige Schwerpunkte werden.

Stiftung Synanon, seit 1999

Am 1. Januar 1999, nach knapp zwei Jahren intensiver Sanierungsarbeit, übernahm die 1982 gegründete Stiftung Synanon die Suchthilfeaufgaben des Synanon e. V. Damit vollzog Synanon den strukturellen und inhaltlichen Wandel auch sichtbar nach außen. Unter dem Dach der Stiftung herrschten von nun an eine strikte Kostenkontrolle, Transparenz und Offenheit. Oberstes Gebot ist seither der Erhalt des Stiftungsvermögens zur Sicherstellung satzungsgemäßer Zwecke der Suchtselbsthilfe. Synanon wurde am 1. Juli 2002 Mitglied im Deutschen Spendenrat.

Für die ehrenamtliche Mitarbeit im Kuratorium der Stiftung Synanon konnten prominente Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft wie Eberhard Diepgen, der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Riebschläger, der im Jahr 2009 verstorbene, ehemalige Finanzsenator von Berlin, Peter Rohrer, Commerzbankdirektor a. D., Ursula Birghan, langjähriges Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin, Rechtsanwalt und Notar Nikolaus Ley (verstorben 2015) und Barbara John, Vorsitzende des Paritätischen Landesverbandes Berlin zur ehrenamtlichen Mitarbeit gewonnen werden. Damit vollzog sich Schritt für Schritt ein Generationswechsel in Führung und Aufsicht der Stiftung Synanon. Im Jahr 2000 verließen die letzten Verantwortlichen aus der Gründerzeit ihre Positionen und Vorstand und Kuratorium formierten sich neu. Im April 2000 konnten der Betrieb und die landwirtschaftlichen Flächen in Schmerwitz an einen privaten Investor verkauft werden. Trotz zuvor eingeleiteter und intensiv verfolgter Sanierungsmaßnahmen, die parallel zu denen in Berlin liefen, war es den neuen Verantwortlichen nicht möglich gewesen, den Betrieb der Synanon Gut Schmerwitz GmbH aufrechtzuerhalten.

Synanon erhebt seither nicht mehr den Anspruch, den allein gültigen Weg aus der Sucht zu bieten. Dennoch ist man noch immer der Überzeugung, dass nur die strikte Abstinenz einen „Königsweg“ aus der Drogensucht weist und es das Bestreben eines jeden Süchtigen sein soll, diesen Weg zumindest zu versuchen. Durch Öffnung nach außen versuchen die nun Verantwortlichen in Synanon, das Vertrauen von Politik und Öffentlichkeit zurückzugewinnen und für die Idee Synanons zu begeistern. Es steht in Diskussion, ob das Rauchen erstmals erlaubt werden soll, die Regelung, keine Speisen wegzuwerfen, gelockert werden soll, sowie das Verbot, im Stehen zu essen, aufgehoben werden soll. Auch die Politur des Chef-Bestecks mit Essig steht wegen des Geruchs zunehmend in der Kritik.

Die Organisation ist 2014 umgezogen und befinden sich seither auf dem Gelände eines ehemals abgebrannten Bauernhofes, Dorfstraße 9, in Malchow. Zur Zeit (Februar 2016) befinden sich Kulturhalle, Speisesaal, Küche und Spülküche in behelfsmäßigen Containern, die jedoch nach und nach in feste Gebäudestandorte ausgebaut werden sollen.[1]

Therapieinhalt

Für die Mitglieder in Synanon gelten folgende Regeln:

  • keine Drogen, kein Alkohol, keine bewußtseinsverändernden Medikamente
  • keine Gewalt oder deren Androhung. Das Schlagen von Türen wird kritisch bewertet und i. d. R. verwarnt oder mit Sonderdiensten geahndet.
  • kein Tabak

Synanon versteht sich als Lebensschule auf Zeit. Ziel ist, eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche Lebensführung ohne Suchtmittel und ohne Kriminalität zu erlernen. Laut Synanon trage jeder Suchtmittelabhängige die Fähigkeit in sich, wieder ein drogenfreies Leben zu führen. Den Weg dorthin sollen ein abstinentes Leben in der Gemeinschaft, Selbsthilfe-Gruppengespräche und regelmäßige Tagesabläufe ermöglichen. Die Leitsätze dabei sind „mit den Händen nüchtern werden“ und „gemeinsam nüchtern werden“.

Synanon arbeitet im Sinne einer therapeutischen Gemeinschaft. Alle Mitarbeiter sind Betroffene, es gibt keine Therapeuten. Methodisch kann man die Arbeit als „Evidenzbasierte Therapie“ bezeichnen, mit den Elementen Motivationssteigerung, Stressbewältigungstraining, soziales Kompetenztraining und gemeindenahes Verstärkermodell. Das Angebot der sofortigen Aufnahme nehmen jährlich bis zu 800 Menschen wahr, zum Teil auch mit ihren Kindern. Vorbedingungen werden nicht gestellt. Auch Suchtkranke, deren Gefängnisstrafe nach § 35 ff BtmG in eine Therapieauflage umgewandelt wurde, können das Angebot annehmen, da die Anerkennung als therapeutische Einrichtung gegeben ist.

Heute sind mehr als ein Drittel der in Synanon lebenden Menschen jünger als 25 Jahre, Tendenz steigend. Diesem Trend trägt man in Synanon Rechnung. So wurde vor einigen Jahren ein umfangreiches Angebot an Aus- und Weiterbildung in kaufmännischen und handwerklichen Berufen geschaffen. Die praktische Ausbildung findet in sogenannten Zweckbetrieben statt. Synanon betreibt unter anderem eine Wäscherei, Reinigungs-, Umzugs-, Entsorgungs- und Cateringservices, eine Tischlerei, Malerei und Keramikwerkstatt, Bauhilfe, Gartenbau und -pflege, Hauswartung und eine Reitschule. Darüber hinaus betreut Synanon seine Bewohner in zivil- und strafrechtlichen Angelegenheiten. Umfangreiche Unterstützung kommt ehemaligen Bewohnern im Rahmen der Nachsorge zu. Sie reicht von finanzieller und materieller Starthilfe zu Vermittlung von Wohnungen und Arbeitsplätzen. In den Synanon-Zweckbetrieben arbeiten etwa 25 ehemals suchtmittelabhängige Menschen in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen.

Synanon finanziert sich vorwiegend selbst aus den Einnahmen durch Arbeit in den gemeinsamen Zweckbetrieben und durch das ALG II seiner Mitglieder, ergänzt durch Spenden und Zuwendungen.

Erfolg

Im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums erschien 1997 eine „Katamnese der selbstverwalteten Suchthilfe Synanon unter Berücksichtigung der Bildung sozialer Netzwerke in Deutschland“. Die Ergebnisse, nach denen 70 % der Abhängigen dauerhaft nüchtern bleiben sollen, nachdem sie zwei bis drei Jahre in Synanon gelebt haben, sprachen für eine erfolgreiche Suchtselbsthilfearbeit von Synanon.[2]

Nach einer Untersuchung von Fredersdorf um 2001 lebten mindestens 33 % von 205 erfassten ehemaligen Synanon-Mitgliedern dauerhaft abstinent von Drogen und Alkohol. Bei einer anderen Berechnung liegt die Zahl der Abstinenten sogar bei 70 %.[3]

Kritik

Kritiker bemängelten, dass das Drogenverbot innerhalb der Gemeinschaft auch Substitutionsmittel und Medikamente für die Entgiftung mit einschloss. Ein Drogenentzug sei deswegen prinzipiell „kalt“ durchgeführt worden. Dem hat sich die Stiftung angepasst und bietet seit Mitte 2012 „Betroffenen [...] in einem Opioidsubstitutionsprogramm sind, und die dieses Programm verlassen wollen“ die Möglichkeit, ein „ärztlich begleitetes, zumutbares, schrittweises Absetzen von Methadon oder Buprenorphin ‚innerhalb‘ des Synanon-Hauses im Rahmen der bekannten Synanon-Regeln.“ Zudem finde in der Gemeinschaft keine „klassische Therapie“ statt, stattdessen würde auf Laientherapeuten und strikte Kontrolle gesetzt. So schreibt Bernhard Albrecht im Deutschen Ärzteblatt 1999 unter anderem: „Der Ruf der Organisation in der Drogenszene ist nicht der beste. Kritiker werfen Synanon totalitäre Strukturen und ‚Gehirnwäsche‘ vor. Unbestreitbar sind jedoch Langzeiterfolge in der Drogen- und Alkoholabstinenz.“[4]

Literatur

  • Synanon, für ein Leben ohne Drogen. Eigenverlag, Berlin 1981, ISBN 3-9800621-0-4.
  • Wolfgang Wiesner: Leben ohne Drogen – Süchtige helfen sich selbst. Wilhelm Heyne, München 1987.
  • Hans-Christian Petersen: Leben lernen ohne Drogen, das Projekt Synanon. Patmos, Düsseldorf 1992, ISBN 3-491-79429-3.
  • Ingo Warnke: Überlebensinsel Synanon. In: Karin Dohmen (Hrsg.): Drogen – eine Herausforderung für Schule und Gesellschaft. Aulis-Verlag, Köln 1993, ISBN 3-7614-1485-4.
  • Monika Thamm, Berndt Georg Thamm: Uns alle trägt die Erde, 25 Jahre Synanon. 1996, ISBN 3-9800621-5-5.
  • Frederic Fredersdorf: Leben ohne Drogen – Zwei Jahrzehnte Synanon – Eine Dokumentation. 1994, ISBN 3-89271-499-1.
  • Frederic Fredersdorf: Sucht, Selbsthilfe und soziale Netzwerke. Eine 4-Jahres-Katamnese. 2001, ISBN 3-87581-182-8.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.synanon-aktuell.de/wir-ziehen-um.html
  2. Katamnese der selbstverwalteten Suchthilfe SYNANON unter Berücksichtigung der Bildung sozialer Netze in Deutschland. In: Synanon.de. , abgerufen am 5. September 2012.
  3. Fredersdorf: Sucht, Selbsthilfe und soziale Netzwerke. 2001.
  4. Bernhard Albrecht: Drogenselbsthilfegemeinschaft Synanon: Eine Alternative zur professionellen Suchthilfe?. In: Dtsch Arztebl 1999; 96(12): A-761 / B-623 / C-583. (Online).
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