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Sulzbacher Torarolle

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Die Sulzbacher Torarolle ist die älteste erhaltene Torarolle im süddeutschen Raum. Sie stammt aus dem Jahr 1792/93 und überstand sowohl den Sulzbacher Stadtbrand von 1822 als auch die Novemberpogrome 1938. Nach dem Untergang des Nationalsozialismus wurde sie über sieben Jahrzehnte lang unerkannt im Toraschrein der Amberger Synagoge aufbewahrt. Nach ihrer Wiederentdeckung wurde sie restauriert und am 27. Januar 2021 im Anschluss an die Gedenkstunde zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus des Deutschen Bundestags im Andachtsraum im Reichstagsgebäude fertiggestellt. Paten waren die Organwalter der fünf ständigen Verfassungsorgane des Bundes (der Bundespräsident, der Präsident des Deutschen Bundestages, der Bundesratspräsident, die Bundeskanzlerin sowie der Präsident des Bundesverfassungsgerichts).

Geschichte

Die Torarolle wurde für die Synagoge von Sulzbach auf Pergament geschrieben. Dafür wurden dreißig Tierhäute aneinandergefügt, so dass eine Länge von 24 Metern und eine Höhe von 65 Zentimetern erreicht wurde. Sulzbach hatte von der Mitte des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein blühendes jüdisches Gemeindeleben. Bis 1851 existierte in der Stadt über fast zwei Jahrhunderte eine der weltweit bedeutendsten hebräischen Buchdruckereien. 1737 baute die jüdische Gemeinde eine neue Synagoge, als Ersatz für die baufällige erste Synagoge von 1687. Sie brannte in der Nacht vom 9. auf dem 10. Juni 1822 nieder. Der damalige Rabbiner Isak Aronsohn Mannheimer konnte noch sechs Torarollen aus der Synagoge retten, unter ihnen wahrscheinlich die Sulzbacher Torarolle. Dank der großzügigen finanziellen Unterstützung durch die eigenen Gemeindemitglieder und Sammlungen in anderen Gemeinden konnte die im klassizistischen Stil gebaute neue Synagoge am 31. August 1824 eingeweiht werden. Sie galt seinerzeit als eine der schönsten Synagogen Bayerns und war der Mittelpunkt des jüdischen Lebens in Sulzbach. Dennoch sank die Zahl der Gläubigen weiter und im September 1930 kam kein Minjan mehr zustande. Die Synagoge wurde für einen symbolischen Preis an die Stadt Sulzbach verkauft und zum Heimatmuseum umgenutzt. So überstand der Bau die Novemberpogrome 1938 unbeschadet. Die Torarollen und andere liturgische Gegenstände wurden in die Amberger Synagoge gebracht. Man nahm an, dass sie dort in der Pogromnacht mit der Inneneinrichtung der Synagoge von SA-Männern verbrannt wurde. Tatsächlich konnte der Amberger Rabbiner Leopold Godlewsky die Tora vor der Pogromnacht im Heimatmuseum der Stadt Amberg in Sicherheit bringen, wo sie den Nationalsozialismus überdauerte. Die folgenden sieben Jahrzehnte verblieb sie unerkannt im Toraschrein der Amberger Synagoge.[1][2][3][4]

Wiederentdeckung

Die Torarolle trägt die Inschrift „Sulzbach“ und auf ihrer Halterung die jüdische Jahreszahl „5553“,[5] was den Jahren 1792/93 im gregorianischen Kalender entspricht. Eine solche Angabe der Jahreszahl ist ausgesprochen selten. 2015 fand Elias Dray, der Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Amberg, im Toraschrein der Amberger Synagoge die Sulzbacher Torarolle, die er nur aufgrund der Jahreszahl als eine historisch wertvolle Handschrift erkannte.[2] Da die Tora durch den langen Gebrauch und die jahrzehntelange Lagerung abgenutzt und die Schrift stark verblichen war, galt sie nicht mehr als koscher und konnte nicht mehr rituell genutzt werden. Die Kosten für die fachgerechte Restaurierung der Tora wurden von Experten in Israel auf 40.000 bis 50.000 Euro geschätzt. Daher nahm die Amberger Kultusgemeinde zunächst von der Restaurierung Abstand. Eigentlich wäre die Tora als nicht mehr im Kultus nutzbar in einer Genisa aufbewahrt oder in einem Tonkrug auf einem jüdischen Friedhof begraben worden. Doch Elias Dray hatte die Hoffnung, dass doch noch eine Restaurierung finanziert und eine Nutzung im Gottesdienst möglich werden könnte. Am 18. April 2016 wurde die Tora als Leihgabe für eine einjährige Ausstellung zum 350-jährigen Gemeindejubiläum in die Sulzbacher Synagoge überführt.[1][3][6]

Später wurde die Restaurierung durch die Kostenübernahme des Bundes tatsächlich ermöglicht. Sie wurde in der israelischen Stadt Bnei Berak von einer Gruppe um den Sofer Izak Rosengarten durchgeführt. Dabei wurde das Pergament stabilisiert und jeder Buchstabe von Hand mit Tinte nachgezogen. Die Arbeit dauerte ein Jahr und versetzte die Tora fast wieder in einen Zustand, der die Nutzung im Gottesdienst gestattete. Es fehlten lediglich noch acht Buchstaben am Ende der Schrift.[4][6]

Fertigstellung im Deutschen Bundestag

Am 27. Januar 2021, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, wurde die restaurierte Tora im Anschluss an die Gedenkstunde zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus des Deutschen Bundestags im Andachtsraum im Reichstagsgebäude fertiggestellt. Dazu schrieb ein Sofer die letzten acht Buchstaben mit einem Gänsekiel und reiner Tinte an das Ende der Torarolle. Der üblicherweise während einer Feierstunde in einer Synagoge vollzogene Akt fand öffentlich im Deutschen Bundestag statt. Paten der Torarolle sind die höchsten Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesratspräsident Reiner Haseloff und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth. Schäuble begründete den Akt: Als Repräsentanten aller Verfassungsorgane bringen wir mit diesem ungewöhnlichen und in dieser Form einzigartigen symbolischen Akt die staatliche Selbstverpflichtung zum Ausdruck, jüdisches Leben in Deutschland zu ermöglichen und zu schützen. An der Zeremonie nahmen als Vertreter des Judentums in Deutschland der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, die zuvor während des Gedenkakts als Rednerin aufgetretene Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, sowie der Amberger Rabbiner Elias Dray teil. Für Josef Schuster ist die über 200 Jahre alte Sulzbacher Torarolle ein faktisches Zeichen, dass jüdisches Leben in Deutschland weit zurückreicht. Den acht Paten hätte normalerweise ein Sofer beim Auftragen der fehlenden Buchstaben die Hand geführt. Da dies aufgrund der Abstandregeln während der COVID-19-Pandemie nicht möglich war, schrieb er die Buchstaben selbst.[2][4][6]

Im Anschluss an den Festakt im Deutschen Bundestag wird die Sulzbacher Torarolle zunächst eingelagert. Sie soll im Juni 2021 im Amberger Rathaus feierlich in Empfang genommen und in einem Festumzug in die Synagoge gebracht werden. Dort ist ihre Nutzung im Gottesdienst vorgesehen.[6]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Die Synagoge in Sulzbach-Rosenberg (Kreis Amberg-Sulzbach. In: Alemannia Judaica. 30. Juni 2020, abgerufen am 27. Januar 2021.
  2. 2,0 2,1 2,2 Gabriele Ingenthron: Älteste Torarolle Süddeutschlands wird am Holocaust-Gedenktag im Bundestag fertiggestellt. In: sonntagsblatt.de. 24. Januar 2021, abgerufen am 27. Januar 2021.
  3. 3,0 3,1 Judith Werner: Eine Rolle kehrt zurück. In: Jüdische Allgemeine. 18. April 2016, abgerufen am 27. Januar 2021.
  4. 4,0 4,1 4,2 Miryam Gümbel: Eine Tora im Bundestag. In: Jüdische Allgemeine. 22. Januar 2021, abgerufen am 27. Januar 2021.
  5. Christiane Schlötzer: Imposantes Zeugnis jüdischen Lebens. In: Süddeutsche Zeitung. 17. April 2016, abgerufen am 28. Januar 2021.
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 Gabriele Ingenthron: Die letzten acht Buchstaben. In: Jüdische Allgemeine. 27. Januar 2021, abgerufen am 27. Januar 2021.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Sulzbacher Torarolle aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.