Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Tiefenpsychologische Exegese

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Tiefenpsychologische Exegese ist eine Form der Biblischen Exegese, deren Ansätze in der Tiefenpsychologie wurzeln, in der psychische und psychotherapeutische Prozesse durch unbewusste seelische Vorgänge menschlichen Verhaltens und Erlebens erklärt werden. Die Interpretation von biblischen Erzählungen im Kontext der Tiefenpsychologie ergibt sich dabei nicht aus deren historischem Verständnis, sondern aus dem Gedanken heraus, dass der Mensch über eine Psyche mit unterschiedlichen Tiefenschichten verfügt.

Geschichte

Diese Methode stützt sich vor allem auf die Tiefenpsychologie von Sigmund Freud und Carl Gustav Jung. Erste Ansätze hierzu finden sich bereits in Sigmund Freuds Essay Der Mann Moses und die monotheistische Religion[1] von 1939. Darin versucht Freud, die biblischen Erzählungen über Moses in einem religionsgeschichtlichen Kontext auf dem Hintergrund der nationalsozialistischen Judenverfolgung psychoanalytisch zu interpretieren. Freud hatte sich bereits in Totem und Tabu[2] 1913 mit religionswissenschaftlichen Fragen auseinandergesetzt.

Freuds Schüler Carl Gustav Jung entwickelte später den Begriff des Archetypus als Inbegriff für die im menschlichen Unbewussten angelegten Vorstellungsmuster, in denen Personen wahrgenommen werden.[3] Paul Tillich plädierte ebenfalls für eine Annäherung zwischen Psychoanalyse und Religion und führte hierzu vier Punkte an.

  1. Mit Hilfe der Psychoanalyse sei es möglich geworden, Einsichten wiederzuentdecken, die in zweitausend Jahren in den Tiefen der religiösen Literatur verborgen waren.
  2. Durch die Tiefenpsychologie habe man die wirkliche Bedeutung des Begriffes „Sünde“ entdeckt, nämlich die Abspaltung und Entfremdung des Menschen von seinem wahren Sein.
  3. Aufgrund der Erkenntnisse aus der Tiefenpsychologie kann der Mensch sich wieder der „dämonischen Strukturen“ erinnern, welche die Freiheit seines Handelns aus unbewussten Schichten beeinflussen und lenken, bevor diese überhaupt zu bewussten Entscheidungen werden.
  4. Psychotherapie führt, Tillich zufolge, das fort, was Jesus von Nazaret einst lehrte und vorlebte, nämlich sich nicht nur mit den Gerechten zu beschäftigen, sondern vor allem die Ungerechten, Sünder und Hilfebedürftigen in den Blick zu nehmen, sie an- und aufzunehmen. Dies erscheint Tillich als der eigentliche Kernpunkt der Rede von Gnade und Vergebung.

Methodischer Ansatz

Der Ansatz der tiefenpsychologischen Exegese ist der Traum sowie die Welt des kollektiven Unbewussten und der Archetypen. In der wohl bekanntesten Arbeit über diese Methode, Tiefenpsychologie und Exegese, legt Eugen Drewermann dar, wie die Bibel tiefenpsychologisch gedeutet werden kann, und übt scharfe Kritik an der historisch-kritischen Methode. Drewermann geht davon aus, dass die tiefenpsychologische Auslegung eines archetypischen Textes grundsätzlich auf verschiedene Textarten anwendbar ist, es sind dies: Mythos, Legende, Novelle, Erscheinungs- und Berufungsgeschichte, Prophetie sowie Apokalypse. Jede dieser Erzählformen projiziert ein bestimmter Teil des Unbewussten auf ein sprachliches Bild.

Das Ziel der tiefenpsychologischen Exegese ist es, die unbewusste seelische Struktur im religiösen Verhalten des Menschen zu erkennen, diese bewusst zu machen und dem Individuum zu einer spirituellen Selbsterkenntnis zu verhelfen. Besonders das Wirken und die Gleichnisse Jesu stellen dabei eine Verbindung zwischen den historischen Texten und dem individuellen Jetzt dar. Die Sprache der biblischen Schriften wird als Ausdruck der Psyche von Individuen verstanden und gedeutet, die Ursache und Wirkung auf dem individuellen Lebensweg in einen Zusammenhang zu Heil und Unheil bringen will.

Vertreter

Bekannte Vertreter der tiefenpsychologischen Exegese sind Eugen Drewermann, Christa Mulack, Gerda Weiler, Maria Kassel[4] und Anselm Grün.[5]

Literatur

  • Eugen Drewermann: Tiefenpsychologie und Exegese. Band I: Traum, Mythos, Märchen, Sage und Legende. 8. Auflage, Olten 1990, ISBN 978-3530168525
  • Thomas Meurer: Einführung in die Methoden alttestamentlicher Exegese. LIT Verlag, Münster 1999, ISBN 9-78-382-584408-0, S. 100 ff.

Einzelnachweise

  1. Sigmund Freud: Der Mann Moses und die monotheistische Religion. Fischer, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-596-26300-X
  2. Sigmund Freud: Totem und Tabu. Einige Übereinstimmungen im Seelenleben der Wilden und der Neurotiker. Mit einer Einleitung von Mario Erdheim. Fischer Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-596-10451-3
  3. Jolande Jacobi: Die Psychologie von C. G. Jung. Frankfurt 1977, ISBN 3-596-26365-4
  4. Maria Kassel: Sei, der du werden sollst. Tiefenpsychologische Impulse aus der Bibel. Pfeiffer, München 1982, ISBN 3-7904-0370-9.
  5. Anselm Grün: Tiefenpsychologische Schriftauslegung Vier Türme 2007, ISBN 3-8786-8447-9
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Tiefenpsychologische Exegese aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.