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Vulvina

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Vulvina ist ein Neologismus aus den Worten Vulva und Vagina und bezeichnet beide Körperteile als physiologische Einheit. Das Wort wurde von der Sozialpädagogin Souzan AlSabah unter ihrem Pseudonym Ella Berlin 2011 geprägt.

Begriff

Um das äußere weibliche Geschlechtsorgan zu beschreiben, wird fälschlicherweise von Laien häufig der Begriff „Vagina“ genutzt. Von Vagina wird gesprochen, obwohl eigentlich die Vulva gemeint ist. Anatomisch ist die Vagina ein Muskelschlauch, der die äußeren Geschlechtsorgane mit der innenliegenden Gebärmutter verbindet. Der Begriff „Vagina“ bezeichnet also einen Teil des Geschlechtsapparats. Die äußerlich sichtbaren Geschlechtsmerkmale des weiblichen Intimbereichs, welche den Venushügel, die Klitoris, den Scheidenvorhof, die inneren- und äußeren Vulvalippen, sowie den Eingang der Vagina umfassen, werden „Vulva“ genannt. Mithu Sanyal führte in ihrer Kulturgeschichte Vulva aus, dass „die Vulva stets als Loch, als Leerstelle, als Fehlen von etwas“ beschrieben werde.[1] Die Wortschöpfung „Vulvina“ drückt die Gesamtheit von Vagina und Vulva aus.[2] Mit ihr soll das Sprechen über Sexualität verändert werden. Eine positive Selbstbezeichnung für das weibliche Genital ermögliche nach Meinung von Souzan AlSabah einen selbstbestimmten Kontakt zum eigenen Körper.[3]

Rezeption und Wortverwendung

Wer vom weiblichen Genital als Vagina, auf Deutsch: Scheide, spricht, reduziere das Organ nach Ansicht von Jana Petersen auf etwas, „das nur aus einer heterosexuellen, erwachsenen, männlichen Perspektive sinnvoll ist, aus der Sicht von jemandem, der ein Schwert hat, das er irgendwo reinstecken will.“ Der Begriff Vulvina fülle eine sprachliche Leerstelle.[4] Die Sexologin Ann-Marlene Henning schlug laut Ralf Pampel in ihrem Aufklärungsbuch für Erwachsene 2014 vor, die Worte Vulva und Vagina durch die Wortschöpfung Vulvina zu ersetzen, „um eine weniger schambehaftete und korrektere Sprache zu finden“.[2] Die Pädagogin Barbara Focks argumentiert, dass es notwendig sei „eine klare, diskriminierungs- und schamfreie Sprache zu finden“, damit Kinder eine bejahende Haltung zur Sexualität entwickeln können. Sie verwendet Vulva/Vulvina synonym.[5]

Das Wort findet vor allem Anwendung im sexualpädagogischen Bereich[6] und der Sexualaufklärung,[7] in der Beratung von Mädchen und Frauen[8][9][10] und von Betroffenen von intersektionaler Diskriminierung.[3] Es wird vereinzelt auch in akademischen Diskursen benutzt, so in einem Beitrag der Theaterwissenschaftlerin Lea-Sophie Schiel über die New Yorker Performance-Künstlerin Annie Sprinkle, veröffentlicht in dem Sammelband Nacktheit – transdisziplinäre anthropologische Perspektiven.[11] In einem 2023 erschienenen Buch zum Thema Transgeschlechtlichkeit und Identitätspolitik gebrauchen die Autoren den Begriff durchgängig („ein Mensch mit Vulvina und ein Mensch mit Penis“).[12]

Im Unterhaltungsbereich wurde diese Wortneubildung satirisch von Dieter Nuhr verwendet.[13]

Literatur (Auswahl)

  • Souzan AlSabah: VULVINA intersektional. Körper • Macht • Empowerment. stolzeaugen.books UG, Köln 2023, ISBN 978-3-9492-5803-9.
  • Lea-Sophie Schiel: Sex als Performance. Theaterwissenschaftliche Perspektiven auf die Inszenierung des Obszönen. transcript Verlag 2020, ISBN 978-3-8394-5148-9.
  • Annette Vanagas, Waldemar Vanagas: Das Selbstbestimmungsgesetz. Über die Diskurse um Transgeschlechtlichkeit und Identitätspolitik (Band 35 der Reihe Queer Studies), Transcript Verlag, Bielefeld 2023, ISBN 978-3-8376-6719-6.

Einzelnachweise

  1. Barbara Streidl: Willkommen im Vulvina-Club, Freitag, Ausgabe 22/2017, online 14. Juni 2017
  2. 2,0 2,1 Ralf Pampel: Zur Form der Angebote Sexueller Bildung für Erwachsene. In: Wir reden zu wenig! Angebote zur sexuellen Bildung Erwachsener. Psychosozial-Verlag, 2017, ISBN 978-3-8379-2860-0, S. 70, doi:10.30820/9783837974591.
  3. 3,0 3,1 Nabila Abdel Aziz: „Vulvina“-Erfinderin Souzan AlSabah. Ihre Worte befreien, Taz, 27. März 2023
  4. Jana Petersen: Sexuelles Selbstbewusstsein. Hallo Welt, hier Vulva, Zeit Magazin, 18. Oktober 2018
  5. Petra Focks: Erziehung und Bildung jenseits von Geschlechterstereotypen, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2022, ISBN 978-3-17-037190-3, S. 126
  6. „Ein Orgasmus lässt sich üben“. Interview von Neele Kehrer mit der Sexologin Mara Stadick, Zeit Campus, 27. November 2022(paywall)
  7. Sachbuch über Sexualität für Kinder. Wie heißt das da unten? Interview von Kathleen Hildebrand mit den Autoren Linu Lätita Blatt und Noa Lovis Peifer, Süddeutsche Zeitung, 29. Juni 2023
  8. Körper-Gefühle: Klitoris, Vulvina für sich entdecken. In: Clio. Zeitschrift für Frauengesundheit, Heft: 83, Berlin 2016, ISSN 0933-1735
  9. Vulvina - Selbstpositionierung von Mädchen* und jungen Frauen, in: Rundbrief 43 des Netzwerkes Frauen/Mädchen und Gesundheit Niedersachsen, Februar 2019, hrsg. Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V (pdf, S. 2021)
  10. Heide Fischer: Mein Kompass durch die Wechseljahre, Herbig-Verlag, Stuttgart 2022, ISBN 978-3-96859-043-1, Kapitel 12, S. 185f.
  11. Lea-Sophie Schiel: Nackter als nackt? Die Objektivierung von Vulvina und Anus am Beispiel von Annie Sprinkles Public Cervix Announcement und Ron Atheys The Solar Anus. In: Lars Allolio-Näcke et al. (Hrsg.): Nacktheit - transdisziplinäre anthropologische Perspektiven. (7. Tagung des Zentralinstituts "Anthropologie der Religion(en)", Erlangen), Lit Verlag, Berlin/Münster 2019, ISBN 978-3-643-14021-0.
  12. Annette Vanagas, Waldemar Vanagas: Das Selbstbestimmungsgesetz. Über die Diskurse um Transgeschlechtlichkeit und Identitätspolitik (Band 35 der Reihe Queer Studies), transcript Verlag, Bielefeld 2023, ISBN 978-3-8376-6719-6, S. 48.
  13. Christian Buß: Erste Nuhr-Show nach Böhmermann-Attacke: „Nach 22 Uhr können Sie auch Muschi sagen“. In: Der Spiegel. 2023-03-31 ISSN 2195-1349 (https://www.spiegel.de/kultur/tv/dieter-nuhr-erste-show-nach-jan-boehmermann-attacke-nach-22-uhr-koennen-sie-auch-muschi-sagen-a-0e01aab5-813b-457e-8a0a-2e3c1d6ce632).
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Vulvina aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.