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Weltliche Trauerfeier

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Der Ausdruck weltliche oder säkulare Trauerfeier bezeichnet das Gedenkzeremoniell für einen Verstorbenen, bei dessen Bestattung auf die Gestaltungsmerkmale eines Trauergottesdienstes sowie einer kirchlichen Bestattung bewusst verzichtet werden. Die Trauerfeier orientiert sich inhaltlich und im Ablauf ausschließlich an den Bedürfnissen, das heißt an der Lebensauffassung des Verstorbenen zu seinen Lebzeiten bzw. an den Vorstellungen seiner Angehörigen. Die so genannte Trauerrede steht mit der zentralen biographischen Würdigung in der Tradition der Freidenkerbewegung. Sie steht rhetorisch der literarischen Gattung des Nekrologs nahe. Die Traueransprache dagegen richtet sich primär nach der Trauersituation der vom Tode betroffenen Hinterbliebenen und würdigt in diesem psycho-sozialen Bezugsrahmen eines Übergangsrituals noch einmal die Lebensgeschichte.

Historischer Hintergrund

Die weltliche oder säkulare Trauerfeier geht auf die Kremationsbewegung der französischen Revolution von 1789 zurück. Sie erhob die Forderung, den Verstorbenen nicht mehr traditionell zu begraben, sondern zu verbrennen, einzuäschern. Mit der Anlage kommunaler Friedhöfe und dem Bau des ersten Krematoriums 1878 in Gotha wurden eine alternative Bestattungsform und die weltliche Trauerfeier realisiert. Der Widerstand der Kirchen bezog sich auf das christliche Dogma der leiblichen Auferstehung der Toten. Die evangelische Kirche weigerte sich bis 1954, an den Feuerbestattungen mitzuwirken. In der katholischen Kirche ist das Verbot, Kremationsfeiern zu übernehmen, 1963 aufgehoben worden. Die säkulare Trauerfeier verband sich zwar ursprünglich mit der Kirchenaustrittsbewegung im 19. Jahrhundert, doch versteht sie sich heute nicht mehr als Konkurrenz zu einer kirchlichen Trauerfeier. Sie sieht sich von dem Bedürfnis wesentlicher Teile der Gesellschaft getragen, dass Menschen in den Lebensübergängen eines tragenden Passagerituals bedürfen.[1]

Trauersituation

Sigmund Freud führte den Begriff der Trauerarbeit ein. Yorick Spiegel sprach 1972 als erster von Trauerphasen. Mit dem Eintritt des Todes ist die Trauer noch keineswegs wie von selbst da. Der Tod löst zunächst einen Schockzustand aus, der einige Stunden lang bis zu mehreren Tagen andauern kann. Die Schockphase[2] ist durch Ungläubigkeit und Nichtwahrhabenwollen gekennzeichnet. Der wie gelähmt wirkende Mensch scheint zu keiner Gefühlsäußerung mehr fähig zu sein. Die erste Kontaktaufnahme mit dem Bestatter[3][4] und die Zusammenkunft mit der Familie fallen in die so genannte kontrollierte Phase. Diese Trauerphase, die zeitlich durch die gesetzlich vorgeschriebene Frist bis zur Bestattung und die Arbeitsweise des Bestatters bestimmt ist, ist insofern kontrolliert, als die Trauersituation in dieser Phase nicht von den trauernden Hinterbliebenen, sondern maßgeblich von den drei professionellen Todesagenten geprägt wird: dem Arzt, dem Bestatter, dem Trauerredner. Daran schließt sich die dritte, die regressive Phase, an, die während oder nach der Bestattung zu einem inneren Zusammenbruch, zu einem sogenannten symbolischen Tod führen kann.

Gestaltung

Die Bestattung wird zwischen dem Bestatter und den Angehörigen abgesprochen. Die säkulare Trauerfeier besteht aus drei Teilen: Des Verstorbenen zu gedenken, seine Lebensgeschichte zu würdigen und seine Grablegung zu vollziehen. Sieht man einmal von der Seebestattung[5] ab, so wird die Beerdigung des Verstorbenen im Sarg oder die Beisetzung seiner Asche in der Urne zeremoniell mit Erde und mit Worten durchgeführt. Die Bestattung ist - als Erdbegräbnis, Urnenbeisetzung oder Naturbestattung (Seebestattung, Waldbestattung, Aschenverstreuung)[6] vollzogen - ein Passageritual:[7] Der Verstorbene wird der Welt der Toten übergeben. Das zentrale Element der weltlichen Trauerfeier ist die Trauerrede oder Traueransprache. Die Trauerrede thematisiert das Leben des Verstorbenen, kennzeichnet seine Persönlichkeit und Eigenschaften, die berufliche Tätigkeit und die familiäre Situation. Dabei wird auch auf dessen Leiden und Tod eingegangen. Der Verstorbene muss für die Trauergäste wiedererkennbar werden. Mit der Trauerrede wird die Einmaligkeit und das Besondere des besonderen Lebens des verstorbenen Menschen hervorgehoben.

Symbolik

In Absprache mit dem Trauerredner können auch Symbole verwendet werden, die der religiösen Tradition (z.B. Kerzen, Blumen, Grünpflanzen, Tücher, Duftstoffe u.a.) entnommen werden. Der Verstorbene wird vom Trauerredner, den Angehörigen und anderen Trauergästen mit drei Händen oder drei Spaten Erde symbolisch begraben. Dieses Handeln erinnert an das ursprüngliche Begräbnis, das früher die Nachbarn und Freunde für die Trauernden selbstverständlich übernahmen. Den Erdwurf begleitet ein Erdwurfwort, das aus der Liturgie der Anglikanischen Kirche[8] 1844 in das preußische Bestattungsritual Eingang gefunden hat: Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zum Staube. Die Trauernden lassen auch kleine Blumensträuße als letzte Grüße der letzten Reise in das Grab gleiten: Der Tote ist, wenn man so will, der Passagier einer Reise ohne Wiederkehr. Hinzu kommen die musikalischen Anteile der Trauerfeier und Wortanteile aus der Weltliteratur.[9] Gesten, auch besondere Worte, Maskeraden, Kostüme, sogar Luftballons oder kreatives Geschehen als eine persönlich begründete Auswahl der Mitgestaltenden kommen vor. Die weltliche Feier soll den Angehörigen helfen, ihre Trauer zu bewältigen und sich vom Verstorbenen zu verabschieden.

Funktion

Die weltliche Trauerfeier spricht die gesellschaftlichen Veränderungen - namentlich die Statusveränderungen der Hinterbliebenen - an, die mit dem Tod eines Menschen einhergehen. Sie bezieht sich nicht unbedingt auf eine religiöse Gemeinschaft oder deren Dimension. Ein Mensch ist gestorben und hinterlässt den Lebenspartner, Ehepartner verwitwet, - ein Kind als Waise - Eltern als „kinderlos“: Sie spricht dabei jedem Beteiligten vor seiner weltlichen Öffentlichkeit einen neuen Status zu. Insgesamt fokussiert sie den Übergang aller Hinterbliebenen von alter Lebensweise mit einem Menschen hin zu neuer Lebensweise nach dem Tod dieses Menschen ohne ihn.

Weltliche Trauerfeiern verstehen sich generell als öffentlich, selbst bei einer sogenannten Bestattung in kleinstem Kreis, die dennoch jene Öffentlichkeit repräsentiert, der die Hinterbliebenen eine Hilfe für ihre Bewältigung des Abschiedes zutrauen. In der von den Hinterbliebenen hier als privat bezeichneten Sphäre sieht die weltliche Trauerfeier die letzte Instanz der Öffentlichkeit. Laut Statistischem Bundesamt[10] gab es 2012 in Deutschland 852.000 Todesfälle, von denen 35 % nicht kirchlich bestattet worden sind. Rechnet man noch diejenigen hinzu, für die seitens der Angehörigen das Recht auf eine kirchliche Bestattung nicht in Anspruch genommen wurde, sind das 300.000 Traueransprachen für die professionellen Trauerredner gewesen. Darunter fallen auch die Trauerreden aus dem Familien- oder Freundeskreis, die am Sarg oder am Grab eines Menschen gehalten worden sind.

Literatur

  • Jürgen Bonk: Alles hat am Ende sich gelohnt. Material für weltliche Trauerfeiern. Zentralhaus für Kulturarbeit der DDR, Leipzig 1972, OCLC 833347686.
  • J. Eva Sondershaus: Zur Bedeutung von Ritualen in der Moderne - Das Beispiel Trauerrituale. Magisterarbeit. Grin-Verlag, 2008, ISBN 978-3-640-73150-3.
  • Jane Redlin: Säkulare Totenrituale, Totenehrung, Staatsbegräbnis und private Bestattung in der DDR. Münster 2009, ISBN 978-3-8309-2194-3.
  • Klaus Dirschauer: Mit Worten begraben: Traueransprachen entwerfen und gestalten. Donat Verlag, Bremen 2012, ISBN 978-3-943425-08-6.
  • Klaus Dirschauer: Die Kennzeichen und Rituale der weltlichen Trauerfeier. In: Friedhofskultur. Zeitschrift für das gesamte Friedhofswesen. 102.Jg., 9/2012, S. 15–17.
  • Christine Schlott: Bestatter in Leipzig. Ritualanbieter in säkularer Zeit. Thelem Verlag, Dresden 2011, ISBN 978-3-942411-45-5.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Andreas Fincke: Im Blickpunkt: Freie Theologen, freie Redner, freie Ritendesigner. auf der Webseite der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
  2. Yorick Spiegel: Der Prozeß der Trauer: Wege zum Menschen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 24. Jg. 1972, S. 5.
  3. Vgl. Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen. Fachverlag des deutschen Bestattungsgewerbes, Düsseldorf 1986, OCLC 180524246.
  4. Forum 1992. Bestattung und Kirche. Braunschweig 18. September 1992. Fachverlag des deutschen Bestattungsgewerbes, Düsseldorf 1992, OCLC 249313123.
  5. Diese müßte korrekterweise Seeurnenbestattung heißen, denn die Seebestattung ist eigentlich eine Ganzkörperbestattung
  6. Einen Teil der Asche im Madaillon an der Kette um den Hals oder als künstlichen Diamant am Finger zu tragen, kann als Erinnerungsform, jedoch nicht als Bestattungsform bezeichnet werden. Der weit größere Teil der Asche wird dabei auf einem Friedhof bestattet. Selbst die Ascheurnen werden, soweit sie mit nach Hause genommen werden können, schließlich nach einer Zeitfrist beigesetzt.
  7. Den Begriff prägte der französische Ethnologe Arnold van Gennep mit seinem Werk 1909: Les rites de passage Die deutsche Übersetzung erschien 1986 und trägt den wegweisenden Titel: Übergangsriten. 3., erw. Auflage. Campus Verlag, Frankfurt 2005, ISBN 3-593-37836-1.
  8. The Burial of the Dead. In: Book of Common Prayer. London 1549 o. S.
  9. Klaus Dirschauer: Mit Worten begraben: Traueransprachen entwerfen und gestalten. Donat Verlag, Bremen 2012, ISBN 978-3-943425-08-6, S. 22–29.
  10. Sterbefälle, Lebenserwartung. auf: destatis.de
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