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Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien

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Die Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien war eine SS-Dienststelle, die im August 1938 eingerichtet wurde, um die zwangsweise Emigration von jüdischen Österreichern zu beschleunigen. Dabei wurden Fragen der Staatsbürgerschaft, des Ausländerrechts, der Devisen und Vermögensbesteuerung unter dieser Zielsetzung koordiniert. Sie war als einzige Behörde ermächtigt, ab sofort Ausreisegenehmigungen für Juden aus Österreich (1938–1941) zu erteilen.

Geschichte

Der aus Berlin nach Wien entsandte Leiter Adolf Eichmann und sein Mitarbeiter Alois Brunner legten Ausreisequoten fest, für deren Erfüllung die Israelitische Kultusgemeinde Wiens während der nationalsozialistischen Herrschaft von der NSDAP verantwortlich gemacht wurde. Offiziell war die Israelitische Kultusgemeinde von den Nationalsozialisten im März 1938 geschlossen und im Mai 1938 unter dem Namen „Jüdische Gemeinde Wien“ wiedereröffnet worden. Deren nun von den Nationalsozialisten eingesetzter Leiter war Josef Löwenherz; Leiter der „Auswanderungsabteilung der Kultusgemeinde“ wurde Benjamin Murmelstein; eine wichtige Rolle bei der Organisation übernahm Berthold Storfer. Diese Funktion der Israelitischen Kultusgemeinde Wiens bei der zwangsweisen Emigration wurde von der NSDAP später bei den durch sie eingesetzten „Judenräten“ vielerorts verwendet, um Strukturen der Opfergemeinschaft zu deren Vernichtung mit einzusetzen.

Im Sommer 1938 regten Löwenherz und Mitarbeiter der Jüdischen Gemeinde Wien bei Eichmann an, die bürokratischen Verwaltungsvorgänge für Auswanderungswillige zu vereinfachen. Der für das „angeschlossene“ Österreich zuständige Reichskommissar Josef Bürckel richtete daraufhin am 20. August 1938 die Zentralstelle für jüdische Auswanderung ein, die formell Walter Stahlecker unterstand, tatsächlich jedoch von Eichmann geleitet wurde.[1]. Später wurde Franz Josef Huber als Inspekteur der Sicherheitspolizei und des SD in den Reichsgauen Wien, Niederdonau und Oberdonau“ offiziell Leiter der Zentralstelle für jüdische Auswanderung.[2] Huber allerdings delegierte zahlreiche Aufgaben an seinen Stellvertreter Karl Ebner, der als die „graue Eminenz“[3] in der Wiener Gestapo galt. Die dokumentierten Weisungen an die Zentralstelle für jüdische Auswanderung tragen Ebners Unterschrift.

In der Zentralstelle waren alle wesentlichen Außendienststellen vertreten und erteilten dann „Unbedenklichkeitsbescheinigungen“, wenn keine Rückstände aus Mieten, Gebühren, Steuern oder Judenvermögensabgabe zu verzeichnen waren und die Reichsfluchtsteuer bezahlt war. Die Antragsteller wurden wie an einem Fließband abgefertigt, so dass „auswanderungswilige Juden in einem Zeitraum von acht bis vierzehn Tagen“ mit allen notwendigen Papieren ausgestattet waren.[4] Eichmann rühmte sich, die Zahl der „zur Auswanderung gebrachten Juden“ auf täglich 350 gebracht zu haben; bis Ende September hätten 38.000 Juden Österreich legal verlassen.[5] Heydrich nannte am 12. November 1938 sogar die Zahl 45.000.[6]

Die Kosten der zwangsweisen Emigration sollten von deren Opfer bezahlt werden. Die Jüdische Gemeinde Wien, die durch steigende Ausgaben für „Auswanderungsunterstützung“ und karitative Aufgaben bei gleichzeitigem Rückgang der Einnahmen finanziell überfordert war, hatte sich schon zuvor mit Erlaubnis Eichmanns an Vertreter des Joint Distribution Committees gewandt und um Geld gebeten.[7] Ferner fand auch eine Finanzierung der Kosten durch reichere Familien oder Personen für diejenigen statt, die selbst die Kosten nicht vollständig aufbringen konnten. Vorrangiges Ziel war dabei ein möglichst umfassender Raub des jüdischen Vermögens im Rahmen der Arisierung. Die vermögenderen jüdischen Bürger erhielten mit der Aktion Gildemeester eine vermeintliche Vorzugsbehandlung. Es ging aber nicht um deren Bevorzugung, sondern um die legalisierte Form einer „Abschöpfung" von Vermögenswerten durch den nationalsozialistischen Staat (im Unterschied zur „Arisierung” bei der fast immer der NSDAP nahestehende Individuen Vorteile erlangten).

Palais Rothschild in Wien

Die Organisation und Effektivität der im Palais Albert Rothschild untergebrachten Wiener „Zentralstelle“ wurde innerhalb der SS kurz danach zum Vorbild für die Errichtung der deutschen „Reichszentrale für jüdische Auswanderung“ in Berlin.

Diese staatlichen Ausreisegenehmigungen endeten mit einem Erlass am 18. Oktober 1941, in dem Himmler reichsweit untersagte „Juden“ die Auswanderung zu genehmigen. Die systematische Deportation der Juden in „den Osten“, in Vernichtungslager wie Auschwitz oder Treblinka, hatte begonnen.

Die Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien bestand noch bis zu ihrer Schließung im März 1943 weiter. Spätere Deportationen von jüdischen Opfern wurden in Wien durch die Gestapo vorgenommen. Das Personal der Wiener Zentralstelle fand zum Teil in der Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Prag eine erneute Anstellung.[8]

Siehe auch

Literatur

  • Götz Aly: Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus. Frankfurt/M 2005, ISBN 3-10-000420-5
  • Doron Rabinovici: Instanzen der Ohnmacht. Wien 1938 – 1945. Der Weg zum Judenrat. Frankfurt/M, Jüdischer Verlag, 2000. 495 Seiten. ISBN 3633541624.
  • Hans Safrian: Eichmann und seine Gehilfen. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-596-12076-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hans Safrian: Eichmann und seine Gehilfen. Frankfurt/ M 1995, ISBN 3-596-12076-4, S. 41
  2. Mitteilungen des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes Nr. 164 [1]
  3. Thomas Mang "Gestapo-Leitstelle Wien - Mein Name ist Huber" (Referat), in: Mitteilungen des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes Nr. 164 [2]
  4. Heinz Boberach (Hrsg.): Die Meldungen aus dem Reich 1938 - 1945. Herrsching 1984, ISBN 3-88199-158-1, Bd. 2, S. 28
  5. Hans Safrian: Eichmann und seine Gehilfen. S. 45
  6. Stenografische Niederschrift der Besprechung der Judenfrage bei Göring am 12. November 1938. In: IMT. Band 28, ISBN 3-7735-2522-2, Dokument 1816-PS: S. 532/533
  7. Hans Safrian: Eichmann und seine Gehilfen. S. 40
  8. Jan Björn Potthast: Das jüdische Zentralmuseum der SS in Prag – Gegnerforschung und Völkermord im Nationalsozialismus. München 2002, ISBN 3-593-37060-3., S. 261.
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