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Verwaltungssprache
Unter Verwaltungssprache versteht man einerseits die Amtssprache, die gesetzlich oder üblicherweise in Ämtern und Verwaltungen eines Landes oder Gebietes verwendet wird (zum Beispiel ist Französisch die Verwaltungssprache in Frankreich). Mitunter, etwa in einem Vielvölkerstaat, kann wahlweise eine von mehreren Verwaltungssprachen verwendet werden.
Zum anderen bezeichnet Verwaltungssprache (umgangssprachlich auch Beamtendeutsch oder Amtsdeutsch) eine sehr förmliche Ausdrucksweise, wie sie häufig im Schriftverkehr von Behörden und Verwaltungen, aber auch in vielen Privatfirmen verwendet wird. Der Duden verwendet zur Kennzeichnung von Verwaltungssprache den Ausdruck Papierdeutsch. Der Artikel beschäftigt sich mit dieser Bedeutung des Begriffs.
Merkmale
Stil
Der kompakte und auf vermeintliche Genauigkeit bedachte Stil dient dazu, einen Text als objektiv und unangreifbar erscheinen zu lassen. Begriffe aus Gesetzen und Verordnungen werden zu diesem Zweck oft unverändert übernommen, obwohl sie in der Alltagssprache nicht vorkommen.
Die Allgemeinheit betrachtet Verwaltungssprache als eine umständliche und für Behörden typische Form, die deutsche Sprache zu verwenden. Es handelt sich um einen Soziolekt und in Teilen um eine Fachsprache. Ähnlich wie die Rechtssprache enthält sie kaum eigene Fremdwörter, ist aber vor allem durch ihre grammatikalischen Konstruktionen oft unverständlich und macht den Behördentext für durchschnittliche Leser intransparent. Sie entspricht daher nicht der Forderung nach einer kundenorientierten Kommunikation zwischen Behörden und Bürgern.
Im Jahr 2000 entschied die Stadtverwaltung von Bochum, Behördenbriefe zukünftig in einer bürgerfreundlichen Sprache zu verfassen. Eine Gruppe von Germanisten der Ruhr-Universität Bochum hilft allen deutschen Gemeindeverwaltungen, Amtstexte so zu gestalten, dass sie für Bürger leichter verständlich sind und besser akzeptiert werden. Auch das Deutsche Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer forscht und berät zu verständlicher Verwaltungssprache.[1]
Der früher übliche geschwollene Floskelgebrauch („ergebenst“, „mit vorzüglicher Hochachtung“) ist bereits in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts deutlich zurückgegangen.
Grammatik
Kennzeichnend für die Verwaltungssprache ist, dass Substantive vor aktiven Verben bevorzugt werden (Nominalstil). Hierzu werden Tätigkeiten substantiviert („zur Anzeige bringen“ statt „anzeigen“) oder adjektiviert, also in Eigenschaftswörtern ausgedrückt. Häufig wird Passiv statt Aktiv verwendet. Dadurch kann man oft nur noch aus dem Zusammenhang erkennen, wer die handelnde Person ist. Ferner werden häufig Substantivketten („Antrag auf Aufhebung des Bescheides des Ordnungsamtes über die Beseitigung …“) und mehrgliedrige Substantive („Leistungsnachweiserbringungspflicht“) benutzt, die den Text weiter verdichten.
Weiter fallen in der Verwaltungssprache formelhafte Umstandsbeschreibungen („zwecks Nachlassgewährung“, „unter Hintansetzung meiner Bedenken“), komplexe Adjektivbildungen („kindergeldrechtliche Berücksichtigung“) und häufige Passivbildungen auf („Es wird hier anerkannt“, „Um Rückantwort wird gebeten“).
Wegfall des Fugen-s
In behördlichen Schreiben (z. B. auch Gesetzestexten) entfällt bei vielen zusammengesetzten Wörtern ein in der Alltagssprache übliches und orthographisch korrektes Fugen-s. So heißt es etwa:
- Einkommensteuer
- Körperschaftsteuergesetz (statt Körperschaftssteuergesetz) als Beispiel für den Namen eines Steuergesetzes ohne Fugen-s
- Offizieranwärter anstelle von Offiziersanwärter
- nicht aber Schadenersatz, sondern Schadensersatz (im BGB); in Österreich Schadenersatz ohne Fugen-s (ABGB)
- Verbandkasten anstelle von Verbandskasten
Diese Schreib- und Sprechweise wird insbesondere auch in der Versicherungswirtschaft eingesetzt. So wird der Schadensfall zum Schadenfall.
Beispiele für Beamtendeutsch
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- Auszubildender: Lehrling (Der Begriff wurde in Deutschland in den 1970ern mit dem Ausbildungsförderungsgesetz eingeführt.)
- Beelterung: Vermittlung einer Pflegefamilie für ein Kind[2]
- Begleitgrün: Grünfläche, Grünstreifen oder Stadtbegrünung beim Straßenbau[3]
- Beschulung: Schulbesuch oder Erfüllung der Schulpflicht[4]
- Fahrtrichtungsanzeiger: Blinker (Das Fachwort umfasst aber auch den früher zulässigen Winker.)[5]
- Handschließen, Schließzange: Handschellen (Die Schließzange ist eine andere Bauform und dient dem Führen von Gefangenen.)
- Lichtsignalanlage[6], Wechsellichtzeichen[7], Lichtzeichenanlage[8]: Verkehrsampel (Das Fachwort „Lichtsignalanlage“ ist aber umfassender und schließt auch Verkehrszeichen ein.)
- Personenvereinzelungsanlage: Überbegriff für Drehkreuze, Drehtüren, Schleusen, die von Personen nur hinter- und nicht nebeneinander durchschritten werden können
- Postwertzeichen: Briefmarke
- Spontanvegetation: nicht-kultiviertes Grün (z. B. Unkraut, Wiesen usw.)[9]
- Studierender: Student (Der Begriff wurde bereits um 1825 verwendet und in den 1970er Jahren mit dem damaligen deutschen Hochschulrahmengesetz aufgegriffen; nützlich, da nicht Plural des Maskulinums „Student“.)
- verbringen: hinbringen oder bringen (wird auch umgangssprachlich so verwendet)
- zum gegenwärtigen Zeitpunkt: jetzt, zurzeit
- abschlägig beschieden: abgelehnt
Siehe auch
- Juristendeutsch
- Kanzleisprache
- Kanzleistil
- Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz (1999)
- Wiener Kanzleisprache
Literatur
- Bernhard Asmuth: Verwaltungssprache. In: Gert Ueding (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Band 10: Nachträge A–Z. de Gruyter, Berlin u. a. 2012, ISBN 978-311-02342-4-4, Sp. 1417–1441.
- Peter Heinrich: Sprache als Instrument des Verwaltungshandelns. Eine Einführung in die Sprachwissenschaft für Angehörige der öffentlichen Verwaltung (= Verwaltung, Recht und Gesellschaft. Bd. 4). Hitit, Berlin 1994, ISBN 3-924423-21-0.
- Kent D. Lerch (Hrsg.): Die Sprache des Rechts. Studien der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Sprache des Rechts der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Band 1: Recht verstehen. Verständlichkeit, Missverständlichkeit und Unverständlichkeit von Recht. de Gruyter, Berlin u. a. 2004, ISBN 3-11-018008-1.
- Eckart Roloff: Warum einfach, wenn es kompliziert geht? Die Post und ihre Sprache. In: Das Archiv. Heft 2, 2012, ISSN 1611-0838, S. 15–21.
Weblinks
- Bürgerfreundliche Verwaltungssprache, ein Kooperationsprojekt zwischen der Ruhr-Universität Bochum und der Stadt Bochum
- sueddeutsche.de: Die Plage der Bandwurmwörter
- spiegel.de: Behördendeutsch – Im Bann der Bandwurmsätze
Einzelnachweise
- ↑ http://www.foev-speyer.de/amtsdeutsch
- ↑ „Die Welt“ vom 10. Dezember 2006: Familiendrama: In Sachen K…
- ↑ http://www.tuebingen.de/verwaltung/dienststellen#tiefbau
- ↑ http://www.sachsen-anhalt.de/index.php?id=18373
- ↑ § 5 StVO
- ↑ z. B. Richtlinien für Lichtsignalanlagen
- ↑ § 37 StVO
- ↑ Zeichen 131 der Straßenverkehrsordnung
- ↑ http://www.neuss.de/leben/umwelt/eine-saubere-sache/spontanvegetation
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