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Artenschutz
Artenschutz umfasst den Schutz und die Pflege bestimmter, aufgrund ästhetischer oder ökologischer Prinzipien als schützenswert erachteter, wild lebender Tier- und Pflanzenarten in ihrer historisch gewachsenen Vielfalt (Artenvielfalt) durch den Menschen. Hierdurch unterscheidet sich der Artenschutz vom Tierschutz, bei dem Menschen das individuelle Tier um seiner selbst willen schützen wollen. Gegenstand des Artenschutzes sind dem gegenüber wildlebende Populationen der von ihm zu schützenden Zielarten. Ist diese Population lebensfähig, sind Tod und Verlust von Individuen hinnehmbar. Artenschutz bezieht sich im Prinzip ausschließlich auf wild lebende Tier- oder Pflanzenarten. Vergleichbare Bemühungen bestehen in der Landwirtschaft auch für selten werdende Nutztierrassen oder alte Obst-, Gemüse- und Getreidesorten. Übergreifendes Ziel ist der Schutz der biologischen Vielfalt (Biodiversität).
Seit 1966 werden Rote Listen gefährdeter Arten erstellt, durch die versucht werden soll, den Grad der Gefährdung von Arten zu beziffern. Artenschutzprogramme zielen auf den Schutz meist einer einzelnen gefährdeten bzw. vom Aussterben bedrohten Art ab.
Artenschutz ist Teil des Naturschutzes. Dieser befasst sich neben dem Schutz von Populationen einzelner Arten auch besonders mit dem Schutz ganzer Lebensräume (Biotope, Ökotope). Man spricht auch vom Biotopschutz (Lebensraumschutz). (Direkter) Artenschutz und Biotopschutz gleichermaßen sollen das Artensterben verhindern oder verlangsamen.
Motivation
In vergangener Zeit spielten vor allem ästhetische und moralische Aspekte für den Artenschutz eine große Rolle. Dies führte zu einer Beschränkung auf attraktive Tier- und Pflanzenarten. Heutzutage soll der Artenschutz außerdem die Erhaltung der biologischen Funktionen der Umwelt sichern, wie zum Beispiel:
- biologische Filterfunktionen, Entgiftung
- Nahrungsmittelproduktion
- Ökosystemstabilität
- biologische Schädlingsbekämpfung
- Bestäubungsfunktion (auch für Kulturpflanzen)
- Bioindikation
- Humusbildung
- Kohlendioxid-Senke
Der Erhaltung besonders attraktiver und seltener Arten ist aber nach wie vor eine wichtige Motivation des Artenschutzes. Häufig wird versucht, den Schutz bedrohter Lebensräume durch den Schutz besonders attraktiver oder emotional berührender Arten anschaulicher zu machen. In der Fachdiskussion spricht man hier von "flagship species" oder "umbrella species" (von engl. umbrella: Regenschirm. Durch den Schutz einer attraktiven Art sollen wie durch einen Regenschirm weitere Arten mitgeschützt werden).
Des Weiteren ist die Erhaltung der Artenvielfalt als eines der Elemente der Biodiversität ein seit den 90er Jahren stark an Interesse gewinnendes Argument für den Artenschutz. Dies kann man auf der Ebene der Molekulargenetik (genetische Vielfalt), der Populationen und Metapopulationen auf Artebene und der Ebene der Lebensgemeinschaften betrachten. Bei diesem Ansatz soll der Artenschutz letztlich dem Menschen selbst dienen, in dem für sein Überleben wesentliche Ökosystem-Dienstleistungen sichergestellt werden sollen, die durch Übernutzung gefährdet sind. Der Artenschutz soll hier also nicht aus ethischen Erwägungen anderen Tier- oder Pflanzenarten, sondern dem Eigeninteresse des Menschen selbst dienen (vgl. dazu die Aufzählung oben). Der Aspekt Erholung und Heimatschutz spielt für den Artenschutz traditionell ebenso eine Rolle.
Populationsschutz
Der Schutz von Populationen ausgewählter Arten ist ein wichtiges Werkzeug des Artenschutzes. Methoden des Populationsschutzes sind neben dem direkten Schutz von Individuen bedrohter Arten und von deren Lebensräumen auch die Bestandsstützung durch spezielle Erhaltungszuchtprogramme und die Wiedereinbürgerung, wie zum Beispiel beim Przewalski-Pferd in der Mongolei oder beim Luchs im Harz.
Artenschutz in Deutschland
Geschichte in Deutschland
Der Schutz vom Aussterben bedrohter Tiere, besonders emotional positiv besetzter Vogelarten, stand am Beginn der Entwicklung zum Artenschutz. Einer der ältesten Vereine ist der Deutsche Bund für Vogelschutz, der 1899 von der Industriellengattin Lina Hähnle gegründet wurde. Später entschied man, dass es notwendig sei, auch Pflanzen vor der Ausrottung zu bewahren. 1910 wurde der „Pflanzenschonbezirk Berchtesgadener Alpen“ eingerichtet. Im Reichsnaturschutzgesetz wurde 1935 der Artenschutz erstmals gesetzlich geregelt. Mittlerweile werden auch Pilze und Flechten als schützenswert betrachtet. Biotop- oder Ökotopschutz konzentriert sich in der Regel nicht auf einzelne Tier- oder Pflanzenarten. Einzelne dort vorkommende und vom Aussterben bedrohte Arten spielen aber häufig in der öffentlichen Diskussion bzw. der rechtlichen Argumentation eine wichtige Rolle. 1977 trat das Bundesnaturschutzgesetz in Kraft.
Situation und Diskussion in Deutschland
Zum Internationalen Tag des Artenschutzes 2012 legte der NABU eine aktuelle Analyse des Zustandes des Natur- und Artenschutzes in Deutschland vor. Darin stellte er schützenswerte Vogelarten und seltene Lebensräume vor und nannte das Ergebnis „beschämend“[1]. Er kritisierte, dass allein durch Gesetze und die Ausweisung von Schutzgebieten keine Arten und Lebensräume gerettet würden. Es brauche vor allem die Finanzierung der Arbeit für die Erhaltung der biologischen Vielfalt, sonst sei das akute Artensterben nicht zu stoppen. Erfolge seien etwa bei Otter, Biber, Uhu, Kranich oder Wolf zu verzeichnen. Insgesamt sei der Trend aber negativ: der Große Brachvogel, der Kiebitz und das Rebhuhn drohen zu verschwinden.
Geschützte Arten in Deutschland
Rechtsgrundlage für den Artenschutz in Deutschland ist das Bundesnaturschutzgesetz. Das Gesetz kennt für Tier- und Pflanzenarten zwei Schutzstufen:
- besonders geschützte Art (BNatSchG §7 Abs.2 Nr. 13)
- streng geschützte Art (BNatSchG §7 Abs.2 Nr. 14)
Die Schutzkategorien bauen aufeinander auf. Alle streng geschützten Arten sind außerdem auch besonders geschützt.
Festlegung der geschützten Arten
Streng bzw. besonders geschützte Arten werden auf verschiedenen Wegen festgelegt. Die Rechtsgrundlage des Schutzstatus hat dabei auch Auswirkungen auf Inhalt und Umfang des Schutzes. Dies liegt daran, dass wesentliche Grundlagen des Artenschutzes auf internationalen Abkommen basieren, die neben den nationalen Regelungen auch unmittelbare Bindungswirkung besitzen. Der Schutzstatus beruht zur Zeit auf folgenden Grundlagen:
- Bundesartenschutzverordnung. Anlage 1 der Verordnung[2] enthält eine Liste von Arten mit Angabe des Schutzstatus.
- FFH-Richtlinie der Europäischen Union. Direkt geschützt sind dabei aber ausschließlich die Arten des Anhang IV. Alle hier aufgeführten Arten sind streng geschützt. Eine Auflistung in einem der anderen Anhänge der Richtlinie verpflichtet lediglich Politik und Verwaltung zum Handeln, begründet aber keine direkte Schutzwirkung.
- Vogelschutzrichtlinie der Europäischen Union. Alle in Europa wild lebenden Vogelarten sind in Deutschland besonders geschützte Arten.
- EU-Artenschutzverordnung (EG-Verordnung Nr. 338/97). Durch diese Verordnung wird das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (Convention on International Trade in Endangered Species, CITES) in europäisches und nationales Recht umgesetzt. Zu beachten ist, dass das CITES-Abkommen keine unmittelbare Bindungswirkung besitzt, d.h. Änderungen erlangen erst dann Rechtskraft, wenn sie in die EU-Artenschutzverordnung übernommen werden.
Andere Rechtsgrundlagen für geschützte Arten gibt es zur Zeit keine, d.h. keine der nicht in einer der o.g. Listen aufgeführten Arten ist in Deutschland gesetzlich geschützte Art (Tier- und Pflanzenarten unterliegen allerdings daneben zahlreichen weiteren Rechtsvorschriften, zum Beispiel dem Bundesjagdgesetz). In den Listen sind neben einzelnen Arten zum Teil auch höherrangige Gruppen wie Gattungen und Familien pauschal geschützt; das bedeutet, alle dazugehörigen Arten sind automatisch gesetzlich geschützt. Eine Übersicht über den gesetzlichen Schutzstatus bietet z.B. die Datenbank WISIA des Bundesamts für Naturschutz.[3]
Ein weit verbreitetes Missverständnis besteht insbesondere bei Arten einer Rote Liste gefährdeter Arten. Die Rote Liste ist aber lediglich ein Fachgutachten zur Gefährdungssituation. Ein gesetzlicher Schutz resultiert daraus nicht.
Auswirkungen
Für alle besonders bzw. streng geschützten Arten gelten die Bestimmungen des Kapitels 5 des Bundesnaturschutzgesetzes. Wichtigste Vorschrift für den Artenschutz ist der Paragraph 44[4]. So gilt für alle besonders geschützten Arten ein Tötungsverbot, streng geschützte Arten dürfen darüber hinaus nicht einmal "erheblich gestört" werden. Außerdem dürfen die besonders geschützten Arten ohne besondere Berechtigung nicht in Besitz genommen, gehandelt oder kommerziell zur Schau gestellt werden; dies gilt auch für Teile oder Produkte daraus. Ggf. muss der Besitzer seine Berechtigung nachweisen (§ 46 BNatSchG). Für die Ein- und Ausfuhr von aufgrund des Washingtoner Artenschutzübereinkommens geschützter Arten ist ein besonderes Dokument ("CITES-Dokument") erforderlich.
Diese Schutzbestimmungen gelten im Wesentlichen für direkte Tötung oder Verfolgung. Wird eine geschützte Art aufgrund menschlichen Wirtschaftens geschädigt, gelten hingegen eine Reihe von Ausnahmen. So erstreckt sich der gesetzliche Artenschutz im Regelfall nicht auf Tötung oder Störung von Tier- und Pflanzenarten aufgrund land-, forst- und fischereilicher Nutzung (sofern die "gute fachliche Praxis" gewahrt worden ist). Für ausschließlich national besonders geschützte Arten (d.h. diejenigen, die auf Grundlage der Bundesartenschutzverordnung besonders geschützt sind) besteht auch kein herausgehobener Schutz bei Schädingungen aufgrund eines "Eingriffs", zum Beispiel eines Bauvorhabens. Für die verbleibenden Arten muss der Vorhabenträger ggf. durch eine Arteschutzprüfung nachweisen, dass er nicht gegen die Schutzbestimmungen verstößt.
Artenschutzprüfung
Die Artenschutzprüfung untersucht das Ausmaß der Beeinträchtigung von Tier- und Pflanzenarten durch eine konkrete Planungsmaßnahme, z.B. im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Hierbei werden insbesondere die besonders und streng geschützten Tier- und Pflanzenarten betrachtet. Anwendung findet die Artenschutzprüfung u. a. bei Bauvorhaben im Bereich des Verkehrswegebaus und bei Erschließung neuer Baugebiete. Artenschutzprüfungen haben seit Ende der 1990er Jahre in Deutschland stark an Bedeutung zugenommen, weil die Bundesrepublik in internationalen Abkommen einige rechtlich bindende Selbstverpflichtungen eingegangen war, die vorher einige Zeit lang schlicht nicht beachtet worden waren. Gerichtsurteile, die geplante Bauvorhaben wie z.B. den Neubau einer Autobahn untersagt haben, weil die Belange des Artenschutzes unzureichend berücksichtigt worden waren, motivierten den Gesetzgeber schließlich, das Artenschutzrecht erheblich zu verschärfen. Dieses neue Recht kommt aber nur einigen wenigen Arten zugute, die in den entsprechenden Abkommen aufgeführt sind, darunter besonders vielen Vogelarten (aufgrund der europäischen Vogelschutzrichtlinie). Artenschutzprüfungen sind seit der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes für alle mittelgroßen und größeren Bauvorhaben Standard.
Internationaler Artenschutz
Auf internationaler Ebene gibt es gleich eine ganze Reihe von Programmen, um den Artenschutz zu fördern. Einige Beispiele dafür sind:
- Washingtoner Artenschutzübereinkommen: Zur Kontrolle des internationalen Handels mit Wildtieren und Pflanzen mit dem Ziel, gefährdete Arten vor dem Aussterben zu bewahren.[5]
- Biodiversitäts-Konvention: Für den Schutz, das Management oder die Wiederherstellung von Arten, Genen und Lebensräumen. Bereits über 190 Staaten haben die Konvention bisher ratifiziert[6].
- Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild Animals (CMS): Übereinkommen von derzeit 116 Vertragsparteien weltweit für die Erhaltung wandernder wild lebender Tiere[7].
- Berner Konvention: Bund zwischen 51 Staaten mit dem Ziel der Erhaltung von wildlebenden Pflanzen und Tieren und ihren natürlichen Lebensräumen in Europa[8].
Siehe auch
- Artenvielfalt
- Berner Konvention
- Europäische Erhaltungszuchtprogramme
- Liste ausgestorbener Pflanzenarten Deutschlands - Liste ausgestorbener Tiere und Pflanzen
- Nagoya-Protokoll
- Naturschutzbiologie
- Rote Listen der IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources, oder World Conservation Union)
Literatur
- Rachel Carsons Buch „Der stumme Frühling“ (1962)
- Michaela Arndörfer: Wie viele Arten braucht der Mensch? : eine Spurensuche, Wien ; Köln, Weimar : Böhlau-Verlag 2010 Reihe: Österreich / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft: Grüne Reihe des Lebensministeriums, Band 22, ISBN 978-3-205-78516-3.
Weblinks
- Datenbank der Weltnaturschutzunion IUCN zur Roten Liste gefährdeter Tierarten
- wisia Datenbank des Bundesamtes für Naturschutz zum internationalen Artenschutz
- Artenschutz-Online, Bundesamt für Naturschutz und Zoll
- Aktionsgemeinschaft Artenschutz e.V.
- Stiftung Artenschutz – ein gemeinsames Projekt von 45 Zoologischen Gärten, Tierparks und Naturschutzorganisationen
Einzelnachweise
- ↑ NABU-Pressedienst NR. 25/12 ; 2. März 2012 Naturschutz/Tag des Artenschutzes (3. März). NABU-Atlas zeigt beschämendes Bild des Arten- und Naturschutzes in Deutschland
- ↑ Anlage 1 im Volltext
- ↑ Homepage des WISIA (Wissenschaftliches Informationssystem zum Internationalen Artenschutz) des Bundesamts für Naturschutz, abgerufen am 23. Oktober 2013
- ↑ Paragraph 44 BNatSchG
- ↑ CITES
- ↑ Website der Convention of Biological Diversity
- ↑ Website der Convention of Migratory Species
- ↑ Nature Convention on the conservation of European wildlife and natural habitats
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