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Aufsichtspflichtverletzung (BGB)
Eine Aufsichtspflichtverletzung regelt im Recht die Zurechnung einer Handlung eines Dritten an eine Aufsichtsperson, wenn diese ihrer Aufsichtspflicht nicht genügend nachgekommen ist. Aus ihr ergeben sich – eventuell neben strafrechtlichen Sanktionen – privatrechtliche Ansprüche, vor allem Schadensersatzansprüche. Hauptrechtsquelle für privatrechtliche Ansprüche ist § 832 BGB. Dort wird die Aufsichtspflichtverletzung unter dem Aspekt geregelt, dass für unerlaubte schädigende Handlungen neben bzw. statt des schädigenden Beaufsichtigten (auch) der Aufsichtspflichtige haftbar sein kann. Insofern ist die Regelung systematisch korrekt im Anschluss an die Vorschrift des praktisch bedeutenderen § 831 BGB geregelt, in dem es auch um die Haftung für unerlaubte Handlungen anderer geht, nämlich die Haftung des „Geschäftsherrn“ (z. B. und vor allem Arbeitgeber) für unerlaubte Handlungen seiner „Verrichtungsgehilfen“ (z. B. und vor allem Arbeitnehmer). Man kann die Regelungen der § 831, § 832 BGB zusammenfassen unter dem Leitgedanken, dass hier Schadensersatzansprüche konstituiert werden gegen Personen, die Verantwortung für andere tragen.
Die rechtliche Problematik der Aufsichtspflichtverletzung erschöpft sich indes nicht in der Regelung des § 832 BGB. Sie betrifft auch – und vielleicht sogar vorrangig – das Verhältnis zwischen dem Beaufsichtigten und dem „Aufseher“. Dass der Beaufsichtigte wegen einer Aufsichtspflichtverletzung auch Ansprüche gegen den Aufseher haben kann, folgt schon aus dem allgemeinen Schuldrecht, nach dem ja ein Schuldner, der seine Pflicht gegenüber dem Gläubiger verletzt, zum Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB verpflichtet ist. § 280 Abs. 1 BGB gilt für jedes Schuldverhältnis, gleichgültig, ob es rechtsgeschäftlich (vertraglich) oder gesetzlich begründet ist.
Die folgende Darstellung beschränkt sich auf die Regelung des § 832 BGB als der Sonderregelung im BGB für die Haftung des Aufsichtspflichtigen im Verhältnis zu dem vom Beaufsichtigten geschädigten Dritten, da für das rechtliche Verhältnis zwischen dem Aufsichtspflichtigen und dem Beaufsichtigten die allgemeinen rechtlichen Regeln für die Nichterfüllung von Schuldverhältnissen gelten, die an anderer Stelle (Leistungsstörungen, Schuldnerhaftung wegen Pflichtverletzung) behandelt werden.
Systematische Übersicht
Die Aufsichtspflichtverletzung ist nach Maßgabe des im Vorspann Gesagten vor allem in § 832 BGB geregelt, der Vorschrift über die „Haftung des Aufsichtspflichtigen“ – so die seit 2002 amtliche Überschrift des Paragraphen. Danach ist zum Schadensersatz verpflichtet, „wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung bedarf“, wenn diese Person einem Dritten widerrechtlich Schaden zufügt (§ 832 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Ersatzpflicht tritt gemäß § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB allerdings nicht ein, wenn der Aufsichtspflichtige seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde. Die gesetzlichen Aufsichtspflichten dienen nicht nur dazu, den Minderjährigen vor Schäden zu bewahren, die bei ihm selbst zu seinen eigenen Lasten eintreten können, sondern auch dazu, zu verhindern, dass er in altersbedingter Unachtsamkeit oder Unreife in Rechte Dritter eingreift, die auch ein Volljähriger nicht verletzen dürfte.[1]
Beweislast
Mit dieser so gestalteten Anordnung einer Haftung für Aufsichtspflichtverletzungen hat der Gesetzgeber zugleich eine Beweislastregelung vorgenommen. Schon die schädigende Handlung der zu beaufsichtigenden Person löst grundsätzlich die Haftung aus. Der Aufsichtspflichtige kann aber die Haftung vermeiden, wenn er seiner Aufsichtspflicht nachkommt oder der Schaden auch ohne Verletzung der Aufsichtspflicht entstanden wäre. Gewissermaßen wird gesetzlich vermutet, dass der vom Beaufsichtigten angerichtete Schaden auf einer Verletzung der Aufsichtspflicht beruht. Diese Vermutung kann aber von dem Aufsichtspflichtigen widerlegt werden.
Voraussetzungen der Haftung
Voraussetzung der Haftung nach § 832 Abs. 1 BGB ist, dass eine gesetzliche Aufsichtspflicht besteht, wie sie z. B. und vor allem die Eltern hinsichtlich ihrer unter elterlicher Sorge stehenden Kinder gemäß § 1631 BGB trifft. § 832 Abs. 2 BGB erweitert die Haftung auf diejenigen, die sich vertraglich zur Führung der Aufsicht verpflichten.
Keine Regelung im Innenverhältnis
Die Regelung des § 832 BGB erschöpft nicht das Thema der Aufsichtspflichtverletzung nach dem BGB. So regelt § 832 BGB die Ansprüche des Beaufsichtigten gegen den Aufsichtspflichtverletzer nicht, die Überschrift des § 832 BGB ist daher zu weit gefasst. Diese können auch nach anderen Vorschriften bestehen. Vielmehr gewährt die Vorschrift einem „Dritten“, dem der Beaufsichtigte einen Schaden zugefügt hat, einen Anspruch gegen den Aufsichtspflichtigen. Daneben hat der Geschädigte möglicherweise Rechte gegen den Schädiger.
Anspruchskonkurrenz
Etwaige Ansprüche des Geschädigten gegen den Schädiger und gegen den Aufsichtspflichtigen bestehen nebeneinander. Die Ansprüche bilden gem. § 840 Abs. 1 BGB eine sog. Gesamtschuld, bei der der Gläubiger einen Anspruch gegen alle Gesamtschuldner hat, er aber die ihm geschuldete Leistung nur einmal fordern kann. Im sog. Innenverhältnis der Gesamtschuldner zueinander ist der Schädiger allein verpflichtet (§ 840 Abs. 2 BGB). Insofern ist die Haftung wegen Aufsichtspflichtverletzung im Innenverhältnis der Gesamtschuldner nachrangig; der Schaden ist intern allein vom Schädiger zu tragen.
Rechtspolitische Kritik
Rechtspolitisch ist die Nachrangigkeit der Haftung des Aufsichtspflichtverletzers im Verhältnis zum Schädiger problematisch, da die Aufsichtspflicht auch im Interesse des Beaufsichtigten besteht, der durch die Aufsicht vor Schaden bewahrt werden soll. Es wird daher in der juristischen Literatur Kritik an der pauschalen Regelung des „Vorrangs“ der Haftung des Beaufsichtigten geübt.
Einzelnachweise
Weblinks
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