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Charles Perrault

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Charles Perrault

Charles Perrault (* 12. Januar 1628 in Paris; † Nacht vom 15. Mai auf den 16. Mai 1703 in Paris) war ein französischer Schriftsteller und hoher Beamter. Er wurde vor allem durch seine Märchensammlung Histoires ou Contes du temps passé (frz. „Geschichten, oder Erzählungen aus alter Zeit“) berühmt und hat das Genre in Frankreich und damit in Europa popularisiert. Auch deutsche Autoren wie die Brüder Grimm, Ludwig Bechstein und Franz Xaver von Schönwerth aus der Oberpfalz haben Märchen von ihm übernommen.

Leben und Schaffen

Die frühen Jahre

Perrault (dessen Zwillingsbruder noch als Säugling starb) wuchs als jüngster von vier Brüdern in einer wohlhabenden Familie auf, die dem Pariser Juristen- und hohen Beamten-Milieu angehörte und, wie dort häufig, dem Jansenismus nahestand. Er trieb Jurastudien und wurde 1651 als Anwalt zugelassen.

Schon vorher hatte er begonnen zu schreiben, und zwar in dem gerade angesagten Genre der Burleske. So hatte er 1648 eine Vergil-Parodie (L'Énéide burlesque) verfasst und 1649 die ebenfalls parodistische Vers-Satire Les murs de Troie ou L'Origine du burlesque, wo er sich über das aufständische Pariser Volk mokiert, mit dessen Revolte der Fronde-Aufstand begonnen hatte, aber auch den Kardinal-Minister Mazarin nicht schont, der zunächst unterlegen war. Schon in diesen Texten zeigt sich eine gewisse Respektlosigkeit gegenüber der Antike.

1653, nach dem Ende der Fronde, trat er in die Dienste seines ältesten Bruders Pierre, der einen hohen Posten in der Finanzverwaltung der Krone bekleidete, und wurde von ihm am Hof eingeführt. Dort und vor allem in Pariser Salons brillierte er als guter Unterhalter und vielseitiger Literat (z. B. mit seinen Odes au Roi et autres poèmes).

Hierbei fiel er dem älteren Literatenkollegen Jean Chapelain positiv auf, der ihn dem neuen allmächtigen Minister Colbert empfahl. Dieser machte Perrault 1662 zum Sekretär der sog. Petite Académie, einer Art Prüfinstanz für alle Kunst- und Literaturwerke, die König Ludwig XIV. zum Kauf angeboten wurden oder ihm zugeeignet werden sollten. Wenig später wurde Perrault so etwas wie ein oberster Kulturbeamter. Als solcher wachte er z. B. über die künstlerische Qualität der königlichen Bauvorhaben, womit er maßgeblich an Umbauten des Louvre sowie (zusammen mit seinem Bruder Claude, einem Naturforscher und Architekten) an der Planung und Erbauung des Versailler Schlosses beteiligt war. Gegen 1670 übernahm er von Chapelain die Führung der Liste von Literaten, die Colbert und Ludwig XIV. genehm waren und einer jährlichen Gratifikation („pension“) aus der königlichen Schatulle würdig erschienen.

1671 wurde er mit Hilfe Colberts in die Académie française gewählt und kurz darauf zu deren Sekretär, d. h. Vorsitzenden, und Bibliothekar ernannt. Zur gleichen Zeit (1672) heiratete er, wurde rasch vierfacher Vater, aber bald auch (1678) Witwer. 1680 gab er seinen Posten an der Académie zugunsten des Sohnes von Colbert auf.

Die „Querelle des Anciens et des Modernes“

Charles Perrault

1683 wurde Perraults Karriere durch den Tod Colberts gestoppt, und er wendete sich wieder mehr der Schriftstellerei zu. So verfasste er u. a. das christliche Epos Saint Paulin, Évêque de Nole (1686).

Anfang 1687, in einer Sondersitzung der Académie, die der Huldigung des Königs galt, verlas er ein als Le Siècle de Louis le Grand betiteltes Gedicht, worin er die Überlegenheit seiner Zeit über die Antike postulierte. Da bis dahin das klassische Altertum als unerreichbares künstlerisches und zivilisatorisches Vorbild galt, löste Perrault mit seinem Gedicht eine unerwartet heftige Kontroverse aus, die als Querelle des Anciens et des Modernes in die Geschichte einging.

Zur Seite der Traditionalisten, der „Alten“, zählten fast alle arrivierten Autoren der Zeit, insbesondere Jacques Bénigne Bossuet, François Fénelon, Jean de La Bruyère, Jean de La Fontaine, Jean Racine und Nicolas Boileau. Auf der Seite der „Modernen“ bezogen u. a. Charles de Saint-Évremond (1613–1703), Pierre Bayle und Bernard le Bovier de Fontenelle Position. Vor allem Boileau war ein verbissener Gegner Perraults. Er hatte 1674 in seiner Verspoetik L’Art poétique noch selbstverständlich der antiken Literatur den Vorrang gewährt.

1688 begann Perrault, um seine Position zu untermauern, einzelne Vergleiche in Dialogform zu verfassen, die er bis 1697 in vier Bänden unter dem Titel Parallèles des Anciens et des Modernes gesammelt herausgab. Demselben Zweck diente die Porträtserie Les Hommes illustres qui ont paru en France pendant ce Siècle, die auf ebenfalls vier Bände anwuchs (1696-1700 erschienen).

Inzwischen arbeitete allerdings auch die Zeit für ihn. Boileau versöhnte sich schon 1694 öffentlich mit ihm, und um 1700 war die Vorstellung von der Gleichwertigkeit, wenn nicht Überlegenheit der Moderne praktisch Allgemeingut geworden.

Die Märchen

Perrault sollte jedoch vor allem durch seine Märchen berühmt werden. Schon von 1691 bis 1694 hatte er drei märchenartige Verserzählungen veröffentlicht: La Marquise de Saluces ou la Patience de Grisélidis, Les Souhaits ridicules und Peau d’Âne, die er 1694 und nochmals 1695 als Bändchen herausgab. Nach dessen Erfolg publizierte er 1697 ohne Autorangabe acht Histoires ou Contes du temps passé, avec des moralités, die später auch als Contes de ma Mère l’Oye firmierten. Gewidmet war die Sammlung Élisabeth Charlotte von Orléans, der Nichte Ludwigs XIV. Als Unterzeichner der Widmung und angeblicher Autor figuriert „P. Darmancour“, d. h. Perraults dritter, 1678 geborener Sohn Pierre. Die Angabe, die Geschichten stammten von „Mutter Gans“, bezieht sich offenbar auf Bertha, die legendäre Mutter Karls des Großen, die einen vom vielen Spinnen verformten „Gänsefuß“ gehabt haben soll.

Die Märchen selbst stammten sowohl aus mündlicher Überlieferung als auch von anderen Autoren (z. B. Giovanni Francesco Straparola und Giambattista Basile). Perrault passte sie dem Geschmack des damaligen literarischen Publikums an, vor allem dem der Pariser Salons. So lässt er den einzelnen Texten, die er in bewusst schlichter, leicht archaisierender Prosa verfasst, jeweils eine sie witzig kommentierende und ironisierende Moral in Versform folgen und manchmal sogar sich gegenseitig relativierende zwei.

Ebenfalls 1697, im selben Jahr wie die Märchen, publizierte Perrault ein religiöses Epos, Adam ou la Création de l'Homme, das er Bischof Jacques Bénigne Bossuet widmete. Vielleicht hatte er deshalb die Märchen nicht mit seinem eigenen Namen zeichnen wollen.

1701 begann er mit der Abfassung von Memoiren, die aber erst postum, 1755 gedruckt wurden.

Liste der Märchen

Die Versmärchen (Contes en vers), 1695

Die Prosamärchen (Histoires ou Contes du temps passé, avec des moralités, auch Contes de ma Mère l’Oye), 1697

Die acht Histoires ou contes du temps passé, avec des moralités („Geschichten oder Erzählungen aus alter Zeit, mit Moral“) erschienen zuerst unter dem Namen von Perraults Sohn. Sie wurden gemäß Titelblatt der Originalausgabe und eines früheren Manuskripts auch als Contes de ma Mère l’Oye (etwa: „Geschichten meiner Mutter Gans“) bekannt und erschienen posthum oftmals gemeinsam mit den drei Versmärchen Perraults in einem Band.

Rezeption

Auf Umwegen gelangten veränderte Fassungen in Grimms Märchen und Bechsteins Deutsches Märchenbuch. Auch Ludwig Tieck übersetzte die Märchen ins Deutsche.

Viele der Märchen Perraults wurden zum europäischen Allgemeingut und für das Theater, Ballett oder Film adaptiert.

Eines der populärsten Ballette, Dornröschen von Tschaikowski, basiert auf einer Adaption von La belle au bois dormant von Perrault. Maurice Ravel komponierte eine Klavier-Suite für vier Hände Ma Mère l’Oye, welche 1910 orchestriert und später als Ballett aufgeführt wurde.

Die bekanntesten Perrault-Adaptionen von Walt Disney (allerdings auf der Basis der englischen Versionen) sind die Zeichentrickfilme Cinderella (1950) und Dornröschen (1959).

Werke

  • Poème sur le siècle de Louis le Grand. 1687.
  • Parallèles des anciens et des modernes en ce qui regarde les arts et les sciences. 1688–97 (vier Bände).
  • Le cabinet des beaux arts ou recueil d’estampes gravées d’après les tableaux d’un plafond où les beaux arts sont representés : avec l’explication des ces mêmes tableaux. Edelinck, Paris 1690, (Digitalisat der ULB Düsseldorf).
  • Histoires ou contes du temps passé, avec des moralités: Contes de ma mère l’Oye. 1697, (dt. Feenmärchen für die Jugend, 1822; moderne Übersetzung von Doris Distelmaier-Haas unter dem Titel Sämtliche Märchen. Reclam, Stuttgart 2001, 141 S., ISBN 3-15-008355-9, englisch Mother Goose).
  • Mémoires de C. Perrault. 1755.
  • Labyrinte de Versailles. / Verf. der Prosa: Charles Perrault. Verf. der Verse: Isaac de Benserade. Stecher: W. Swidde. - Amsteldam : Visscher, 1682. Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf.

Literatur

  • Hans Kortum: Charles Perrault und Nicolas Boileau. Der Antike-Streit im Zeitalter der klassischen französischen Literatur. Rütten & Loening, Berlin 1966.
  • Marc Soriano: Les Contes de Perrault: Culture savante et traditions populaires. Gallimard, Paris 1968.
  • Marc Soriano: Le Dossier Charles Perrault. Hachette, Paris 1972.

Weblinks

 Wikisource: Charles Perrault – Quellen und Volltexte (Französisch)
 Commons: Charles Perrault – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Korrekter französischer Titel nach der Ausgabe von 1697, siehe den vollständigen französischen Text auf Wikisource
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