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Inzest

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Inzest (auch Blutschande, von lat.: incestus „unkeusch“) ist ein Begriff kultureller, moralischer und juristischer Art, der Geschlechtsverkehr zwischen eng verwandten Personen beschreibt.

Kulturen, Gesellschaften und Religion haben oft sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was ein zu ächtender Inzest ist bzw. welcher Inzest von den Mitgliedern gewünscht oder sogar gefordert wird. Das Inzesttabu richtet sich in allen Kulturen nach der verwandtschaftlichen Nähe. Dabei ist es unterschiedlich, welcher Verwandtschaftsgrad negativ bewertet wird. Bei vielen Fällen von sexuellem Missbrauch von Kindern in der Familie handelt es sich um Inzest, aber darunter fallen auch konsensuale sexuelle Beziehungen zwischen erwachsenen Geschwistern.

Der Begriff ist abzugrenzen von dem der Inzucht, welcher eher auf die genetische Komponente abzielt und in der Tier- und Pflanzenzucht als ein gebräuchliches Verfahren zur Stabilisierung bestimmter Merkmale angewendet wird. Die früher verbreiteten Eheschließungen unter nahen Verwandten im europäischen Hochadel, in abgelegenen, ländlichen Gegenden oder in Auslandsgemeinden werden insbesondere als soziale Inzucht bezeichnet, deren Folge der sogenannte Ahnenverlust ist.

Medizinische und genetische Aspekte

Die meisten Erbkrankheiten werden rezessiv vererbt. Generell trägt jeder Mensch die Anlagen für bestimmte Krankheiten in sich, ist aber dennoch gesund, da er auch die gesunde Erbinformation besitzt, die aber dominant ist. Bestimmte Erbkrankheiten können nur dann ausbrechen, wenn beide Elternteile die Information für „krank“ in sich tragen und beide sie ans gleiche Kind weitergeben. In 50 % der Samenzellen bzw. Eizellen wird sich das kranke Allel wiederfinden. Somit werden im Durchschnitt auch die Hälfte der Kinder das Gen für die Krankheit erben. Wenn Geschwister miteinander Kinder haben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass deren Nachkommen zwei Kopien des kranken Gens in sich tragen, um mindestens 25 % höher als im Bevölkerungsdurchschnitt. Deshalb ist der Erwartungswert, dass Kinder von nahe verwandten Personen Erbkrankheiten aufweisen, wesentlich höher als bei Kindern von nicht verwandten Menschen.

Geschichtliche Entwicklung

Die Normen betreffend Inzestverbote und Inzestgebote (denn auch solche gibt es, beispielsweise die Kreuzkusinenheirat bei manchen Stammesgesellschaften) unterscheiden sich nicht nur unter den Kulturen und zwischen sozialen Schichten, auch geschichtlich war das Verständnis davon, welche Verbindung erlaubt ist und welche nicht, starkem Wandel unterworfen.

Ägypten

Ein Beispiel ist die bei den Pharaonen des Alten Ägypten verbreitete Geschwisterehe, die auch nach der griechischen Eroberung unter den hellenistischen Herrschern beibehalten wurde, so war Kleopatra VII. mit ihren Brüdern Ptolemaios XIII. und Ptolemaios XIV. verheiratet. Geschwisterehen waren in Ägypten allerdings auch außerhalb der Pharaonendynastien keineswegs selten. Das ist vor allem aus den erhaltenen Zensusunterlagen der griechisch-römischen Zeit belegt.[1][2]

Griechenland und Hellenismus

Bei den Griechen gab es Geschwisterehen unter den Olympischen Göttern, zum Beispiel waren Zeus, der oberste der Götter und seine Gattin Hera Geschwister. Aber auch unter den Menschen waren Verbindungen zwischen Verwandten nicht von vorneherein unzulässig:

  • Als fluchbehaftet galten Verbindungen zwischen Eltern und Kindern. Beim bekannten Beispiel des Ödipus, der unwissentlich seine Mutter heiratet, tritt als wohl wesentlicherer Frevel der (ebenso unwissentliche) Vatermord hinzu.
  • Der Athener Kimon heiratete seine Halbschwester Elpinike, wobei nicht ganz klar ist, ob Verbindungen zwischen Halbgeschwistern nicht doch als illegal galten.[3]
  • Der spartanische König Leonidas I. war mit seiner Nichte Gorgo verheiratet, der Tochter seines Halbbruders Kleomenes.
  • Wie bereits erwähnt, wurde die Geschwisterehe bei den Ptolemäerkönigen offenbar in der hellenistischen Welt akzeptiert, das Faktum wurde sogar im Beinamen hervorgehoben, so bei Ptolemaios II. Philadelphos („der Geschwisterliebende“), der mit seiner Schwester Arsinoë II. verheiratet war. Hier könnte, ähnlich wie bei den Römern, eine Sichtweise wirksam gewesen sein, die bei Verbindungen zwischen oder mit Angehörigen anderer Religionen und Kulturen (hier den Ägyptern) andere Maßstäbe anlegte als bei Verbindungen zwischen Griechen. Bei den Römern wurde unterschieden zwischen incestus iure gentium (Inzest unter Angehörigen anderer Völker), der nicht verfolgt wurde, und incestus iure civili (Inzest unter römischen Bürgern), für den die Sanktionen des römischen Rechts galten.

Römisches Reich

Als incestus iure civili bei den Römern galten, so wie bei den Griechen, zunächst einmal Verbindungen zwischen Eltern und Kindern, Kindeskindern usw. Dabei war incestus (aus in „nicht-“ und castus „rein“, „unschuldig“, „keusch“), ein Begriff, der Vergehen gegen das Religionsgesetz (nefas) und speziell die Verletzung des Keuschheitsgebots durch eine Vestalin bezeichnet. Dieses Verbot galt sogar für adoptierte Kinder. Nachkommen aus inzestuösen Ehen galten als vaterlos und waren nicht erbberechtigt. Hatte jemand nur Kinder aus einer Ehe, die als incestus deklariert werden konnte, so verfiel bei dessen Tod sein Vermögen dem Fiskus. Das ist der Grund, warum die Untersuchungen betreffend Blutschande sich (vor allem in der Kaiserzeit) hauptsächlich gegen Wohlhabende richteten und die einschlägige Gesetzgebung im Laufe der Zeit immer mehr ausgebaut und detaillierter wurde.

Der Jurist Gaius beschreibt die Rechtslage in seinen Institutiones[4] und bemerkt, dass freilich Verbindungen zwischen einem Mann mit der Tochter des Bruders, nicht aber mit der Tochter der Schwester, zulässig seien. Das sei so, seit Kaiser Claudius sich vom Senat zu einer derartigen Heirat geradezu hatte auffordern lassen, wodurch er Agrippina, die Tochter seines Bruders Germanicus heiraten konnte.[5] Dieser Beschluss ging als Senatus consultum Claudianum in die Rechtsgeschichte ein und wurde erst 342 im Codex Theodosianus explizit aufgehoben, ab dann war die Onkelehe auch mit dem Tod bedroht.[6] Ansonsten waren nach Gaius folgende Verbindungen verboten:

  • zwischen Bruder und Schwester, auch Halb- und Adoptivgeschwistern (bei Aufhebung der Adoption löste sich das Verbot)
  • mit der Schwiegermutter oder Schwiegertochter
  • mit der Stieftochter oder Stiefmutter

Das Verbot der incestae et nefariae nuptiae („blutschänderische und religiös verbotene Ehe“) galt nach Ulpian im 3. Jahrhundert für Eltern, Kinder und Geschwister bis zum 4. Grad (mit Ausnahme der Claudianischen Ausnahme).[7]

Der als Strafe für Inzest genannte Sturz vom Tarpejischen Felsen scheint sich eher auf die pflichtvergessene Vestalin zu beziehen,[8][9] obwohl Fälle belegt sind, in denen Inzest in dieser besonders dramatischen Form bestraft wurde: Nach Tacitus ließ Kaiser Tiberius den Sextus Marius wegen Inzests mit seiner Tochter vom Fels stürzen. Tacitus betont aber, dass Marius der reichste Mann Hispaniens war (dessen Vermögen selbstverständlich eingezogen wurde).[10]

Tatsächlich oblag die Ahndung von Inzest wohl meist dem Familiengericht,[11] in späterer Zeit wurde mit Verbannung, Vermögens- und Korporalstrafen sanktioniert.[12] Im Corpus Iuris Civilis trifft Justinian I. nochmals genauere Vorschriften betreffend der Kinder einer inzestuösen Verbindung und des Vermögens der Beteiligten.[13] Einmal mehr wird dabei deutlich, dass Inzest bis in die Spätantike ein Vergehen der Angehörigen einer vermögenden Oberschicht war, die sich bemühten, die Übertragung von Vermögenswerten durch Erbschaft und Mitgift möglichst innerhalb des Verwandtenkreises zu halten.

Europäischer Hochadel

In Europa war die Vetternehe zwischen Angehörigen des Hochadels und vor allem regierender Dynastien bis ins 20. Jahrhundert hinein mehr Regel als Ausnahme. Fast jede königliche oder prinzliche Ehe wurde zwischen Cousins und Cousinen 2. oder höheren Grades geschlossen; aber auch Verbindungen zwischen Cousins und Cousinen 1. Grades kamen in allen Herrscherhäusern, vor allem aber im Haus Habsburg, überdurchschnittlich oft vor. Ein prominentes Beispiel ist die Verheiratung der Erzherzöge Franz (nachmals Kaiser Franz II./I.) und Ferdinand sowie der Erzherzogin Maria Klementine von Österreich mit den Prinzessinnen Maria Theresa und Maria Luisa sowie dem Kronprinzen Franz von Neapel-Sizilien im Jahre 1790 bzw. 1797: Diese Paare waren jeweils sogar zweifach Cousins und Cousinen 1. Grades, nämlich durch die doppelte Schwägerschaft ihrer Eltern Kaiser Leopold II. und Maria Ludovica von Spanien sowie König Ferdinand I. von Neapel-Sizilien (geborener Prinz von Spanien) und Maria Karolina von Österreich: Die Ehefrau des einen war jeweils die Schwester des anderen Mannes, so dass Franz mit Maria Theresa die Tochter seines Onkels mütterlicherseits und seiner Tante väterlicherseits heiratete. Der älteste Sohn von Franz und Maria Theresa, der spätere Kaiser Ferdinand I. von Österreich, litt an Geistesschwäche und Epilepsie und war daher unfähig, die Regierung auszuüben.[14] Das Paar hatte elf weitere Kinder. Als weiteres Beispiel wird die Verbreitung der Bluterkrankheit genannt. Diese Beispiele sollen nach verbreiteter Ansicht die erbgesundheitlichen Gefahren der Vetternehe einleuchtend aufzeigen, obwohl über einen diesbezüglichen ursächlichen Zusammenhang nur spekuliert werden kann und es zahlreiche Kulturen (und Tiergesellschaften) ohne signifikante erbgesundheitliche Inzest(gebots)folgen gibt.

Der bekannteste Fall einer durch die Kirche betriebenen Sanktionierung einer Verbindung zwischen Verwandten ist die Hammersteiner Ehe.

Wissenschaftliche Erklärungsansätze

Sowohl Biologie als auch Ethnologie, Anthropologie und Soziologie beschäftigen sich mit dem Phänomen der Ablehnung von Inzest. Jahrzehntelang wurde eine biologische Erklärung für das Inzesttabu in den Sozialwissenschaften und der Psychologie abgelehnt. So wurde angenommen, dass sich Familienangehörige einander sexuell angezogen fühlen, solange soziale Einflüsse dies nicht verhinderten. Evolutionsforscher haben hingegen postuliert, dass die neurale Architektur ein spezialisiertes System zur Identifikation von Verwandten enthält. Neben der Verwandtenselektion diene dieses Erkennungssystem dazu, die Fortpflanzung unter Verwandten zu vermeiden, weil daraus hervorgehende Kinder weniger gesund seien.[15]

Lévi-Strauss

Laut Claude Lévi-Strauss (1948) kann es sich bei der Ablehnung des Inzests nicht um eine rationale Regel zur Verhinderung von Erbschäden bei Kindern inzestuöser Verhältnisse handeln, da

a) dieser Erklärungsansatz erst in der Neuzeit aufgetaucht sei, das Inzestverbot jedoch ein weit älteres Phänomen sei und
b) die Gefahr von Erbschäden überhaupt erst durch die Regel des Inzestverbots zustande komme, da nur die direkten inzestuösen Nachkommen eines exogam geprägten Elternpaares „extremen Variationen“[16]unterlägen und bei einer Etablierung der Endogamie die Folgegenerationen keine erhöhte Gefahr von Erbschäden zu erwarten hätten. „Die zeitweilige Gefahr endogamer Verbindungen resultiert, falls sie überhaupt existiert, offensichtlich aus einer Tradition der Exogamie oder 'Pangamie'; sie kann nicht deren Ursache sein“.[17]

Auch um eine Manifestation natürlicher Triebe könne es sich bei kulturellen Inzestverboten nicht handeln, da die Regel nicht so universell sei, wie ein universeller Trieb als Ursache sie machen würde: Inzest komme trotz Tabuisierung immer wieder vor. Lévi-Strauss vermutet außerdem eine hohe Dunkelziffer an Inzestfällen.[18] Aus psychoanalytischer Sicht handelt es sich bei Inzest sogar um einen natürlichen Grundtrieb des Menschen, ausformuliert in Sigmund Freuds Theorie des Ödipuskonflikts. Allerdings ist dies eine höchst umstrittene Annahme Freuds, die außerhalb der Psychoanalyse abgelehnt wird.

Lévi-Strauss verortet angesichts der Erklärungsschwierigkeiten im Inzestverbot den Übergang von Natur zu Kultur. Jede Heirat sei „eine dramatische Begegnung zwischen der Natur und der Kultur, zwischen der Allianz und der Verwandtschaft“. Die Heirat sei die „Schlichtung zwischen zwei Lieben: der elterlichen Liebe und der ehelichen Liebe“.[19] Das Inzestverbot sei entstanden, weil „die biologische Familie nicht mehr allein ist und sich mit anderen Familien verschwägern muss, um zu überleben“.[20]

Hintergrund ist die Feststellung, dass nicht das Verbot der Endogamie am Inzesttabu primär ist, sondern das Gebot der Exogamie. Der Tausch von Frauen unter Familien wirke einerseits solidarisierend und trage andererseits zur Eröffnung eines „Heiratspools“ bei, der allen beteiligten Familien die Auswahl von Partnerinnen für ihre Söhne ermögliche.

Evolutionspsychologie

Die Fähigkeit zur Identifikation von Verwandten wurde bei vielen Tierarten inklusive Säugetieren nachgewiesen.[15]

Westermarck (1891) suggerierte, dass die Ablehnung des Inzest eine evolvierte Funktion ist. Sexuelles Desinteresse würde sich unter zusammenlebenden Kindern entwickeln, und da diese meist verwandt sind, erfülle es die evolutionäre Funktion der Reduktion des Gesundheitsrisikos von Nachkommen. Diese sogenannte Westermarck-Hypothese wurde in einigen Studien getestet. Die aussagekräftigsten Ergebnisse kamen von Wolf (1995). Wolf untersuchte eine chinesische Tradition, in der junge Mädchen von den Eltern eines Jungen adoptiert werden, um diesem später als Braut zu dienen. Wolf sammelte Daten zu den daraus entstandenen Ehen, und stellte erhöhte Scheidungs- und niedrigere Fertilitätsraten bei diesen Paaren fest. Der Westermarck-Effekt war stärker, wenn die Kinder bereits in den ersten drei Lebensjahren zusammenlebten.[15]

Ein empirischer Test der Westermarck-Hypothese kann auch anhand der Ablehnung von Inzest bei Dritten durchgeführt werden. Lieberman et al. (2003) konnten anhand diesbezüglicher Befragungen die Hypothese stützen. Die Dauer des Zusammenlebens mit andersgeschlechtlichen Kindern erklärt sowohl den Verwandtschaftskoeffizient als auch die Stärke der moralischen Ablehnung von Inzest, selbst wenn man den Verwandtschaftsgrad konstant hält.[15]

Inzest und Religion

Judentum

Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament der Bibel wird Inzest erwähnt. So im Alten Testament die Geschichte von Lots Töchtern (Gen 19,31 ELB), die dem berauschten Vater beiwohnten, aus Angst, nach Sodoms Untergang keine Männer mehr zu finden, um Nachkommen zu erzielen. Anlass für künstlerische Darstellungen wie theologische Erörterungen ist bis heute die Vergewaltigung der Tamar durch ihren Halbbruder Amnon (2 Sam 13,1-22 EU). Abrahams Frau Sara war seine Halbschwester (Gen 20,12 ELB). Mangels potentieller anderweitiger Geschlechtspartner müssten sich wohl, zumindest bei einer buchstäblichen Auslegung der Bibel, auch die Kinder von Adam und Eva inzestuös verhalten haben.

Mit Inzest wird aber nicht nur Geschlechtsverkehr zwischen nahen Blutsverwandten, sondern auch zwischen nahen angeheirateten Verwandten gemeint (Lev 18,6 ff ELB) und dort verurteilt.

Islam

Im Islam gibt es ebenfalls Inzestverbote. Auch der Geschlechtsverkehr mit Frauen oder Männern, mit deren Geschwistern man Geschlechtsverkehr hatte, gilt im Islam als Inzest. Die konkretesten Inzestverbote sind im Koran erwähnt:

„Und heiratet keine Frauen, die eure Väter geheiratet hatten…“

Sura 4, Vers 22[21]

„Verboten sind euch eure Mütter, eure Töchter, eure Schwestern, eure Vaterschwestern und Mutterschwestern, eure Brudertöchter und Schwestertöchter, eure Nährmütter, die euch gestillt haben, und eure Milchschwestern und die Mütter eurer Frauen und eure Stieftöchter, die in eurem Schutze sind, von euren Frauen, mit denen ihr (die eheliche Beziehung) vollzogen habt…Ferner die Ehefrauen eurer Söhne aus eurer Abstammung, und ihr sollt nicht zwei Schwestern zusammen haben…“

Sura 4, Vers 23[21]

Gleichwohl gibt es in islamischen Gegenden zahlreiche Ehen zwischen Cousins und Cousinen (siehe auch Tribalismus - relativ kleine Gemeinschaften bilden eine Gesellschaft). Viele Migrantenpaare wissen wenig über die Gefahr angeborener Krankheiten. Die Problematik wird nicht selten tabuisiert; sie ist mit religiösen Themen vermischt (Beispiel: innerhalb von Glaubensgemeinschaften heiratet man 'unter sich').[22]

Römisch-katholische Kirche

Betreffend der Eheschließungen ist das kanonische Recht maßgeblich, das vom bürgerlichen Recht unabhängig ist. Die Ehe und somit der Beischlaf zwischen Blutsverwandten ersten Grades verstößt gegen göttliches Recht, von dem unter keinen Umständen dispensiert werden kann. Für eine katholische Eheschließung unter Cousins ist ein kirchlicher Dispens erforderlich.

Inzest ist die Keuschheitsverletzung mit solchen, für deren Heirat eines dieser Ehehindernisse besteht. Auch der außereheliche Beischlaf zwischen Cousin und Cousine (oder das formelle Wünschen eines solchen) muss daher nicht nur als Unzucht, sondern auch als Inzest gebeichtet werden.

Gegenwärtige Rechtslage

  • Inzest grundsätzlich verboten
  • Inzest nicht verboten, inzestuöse Ehe verboten.
  • Inzest nicht verboten, inzestuöse Ehe unterliegt einer vorherigen Beratung.
  • Inzest unter Erwachsenen nicht verboten
  • Keine Inzest-Rechtsvorschriften / unbekannt
  • In einigen Staaten ist Inzest strafbar. So ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz nur der Vaginalverkehr strafbar, in Liechtenstein dagegen auch Oral- und Analverkehr sowie gleichgeschlechtlicher Verkehr. In Frankreich wurde die Strafbarkeit von Inzest mit dem Code pénal français von 1810 abgeschafft[23], aber 2010 wieder als Straftatbestand eingeführt [24]. Verschiedene Länder, die das französische Rechtssystem als Vorbild genommen haben, stellen Inzest aber weiterhin nicht unter Strafe, dazu gehören Belgien, die Niederlande, Luxemburg, Portugal, die Türkei, Japan, Argentinien, Brasilien und einige andere lateinamerikanische Staaten.

    Verwandtschaftsgrad

    Bei der Beurteilung von Inzest wird auch nach Verwandtschaftsgrad unterschieden. Für entfernte Verwandte wie beispielsweise Cousin und Cousine zweiten Grades (gemeinsame Urgroßeltern) besteht in keinem Land ein Ehehindernis. In manchen Gesellschaften gilt schon der Geschlechtsverkehr zwischen verschwägerten Personen als Inzest; auch in Deutschland wurden bis etwa 1750 Beziehungen zwischen Schwager und Schwägerin oder Taufpaten und Patentochter mit dem Inzesttabu belegt und bestraft.[25][26]

    Geschlechtliche Beziehungen zwischen Cousins und Cousinen ersten Grades (gemeinsame Großeltern) werden in Korea, den Philippinen und in vielen Balkan-Ländern verboten und gesellschaftlich tabuisiert, während diese verwandtschaftliche Beziehung vor allem im Kulturgebiet des Islams, also in Nordafrika, im orientalischen Raum und in Südasien als bevorzugte Form der Heirat gilt. In einigen islamisch geprägten Ländern ist eine solche Ehe mit Auflagen verknüpft. So müssen heiratswillige Paare in Saudi-Arabien, ob verwandt oder nicht, sich Gen-Tests unterziehen. Die Tests geben Aufschluss über die mögliche Gefährdung der künftigen Nachkommenschaft durch eine genetisch bedingte Sichelzellen- oder Mittelmeeranämie. Bei Gefährdung wird die Eheschließung verhindert.[27] In Deutschland ist es gesetzlich erlaubt, dass Cousin und Cousine geschlechtliche Beziehungen haben und heiraten. Für Katholiken ist durch die Ehehindernisse der katholischen Kirche die Ehe zwischen Blutsverwandten, so auch zwischen Cousinen und Cousins, verboten. Es kann aber ein Dispens durch den Ortsbischof erteilt werden. Mit Einführung der Zivilehe hat das kanonische Eherecht an Bedeutung verloren.

    Siehe auch: Bint ʿamm

    Rechtslage in Deutschland

    Inzest wird in der Bundesrepublik Deutschland und Österreich nur zwischen in gerader Linie Verwandten – also Eltern, Großeltern, Urgroßeltern, und deren Kindern, Enkeln, Urenkeln – sowie zwischen Voll- und Halbgeschwistern verfolgt. In der Bundesrepublik werden die Abkömmlinge und Geschwister nicht bestraft, wenn sie zur Tatzeit jünger als 18 Jahre waren. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dabei gar keine Straftat vorliegt. Die Tat stellt bei Begehung durch Minderjährige eine gegenüber den Minderjährigen bloß nicht verfolgbare rechtswidrige Straftat dar (die dogmatische Einordnung ist strittig). Damit bleiben aber jedenfalls etwa Anstiftung und Beihilfe dazu strafbar. Ein Gericht, das mit einem Inzestfall entsprechend § 173 Abs. 2 Satz 2 StGB betraut ist, kann allerdings nach §§ 153 ff. StPO das Verfahren einstellen.[28]

    Im bundesdeutschen Strafrecht bleibt der Tatbestand erfüllt, auch wenn das Verwandtschaftsverhältnis im Sinne des Bürgerlichen Rechts durch Adoption erloschen ist. § 173 StGB stellt nur den vaginalen Beischlaf zwischen engen Verwandten unter Strafe, andere sexuelle Praktiken sind straffrei. Im Jahr 2003 gab es auf Grund dieses Tatbestands in der Bundesrepublik Deutschland zehn Verurteilungen.

    Die Strafbarkeit von inzestuellen Handlungen ist gesellschaftlich umstritten. Unter anderem hat der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Hassemer, dessen Senat 2008 über einen Inzest-Fall zu entscheiden hatte, das juristisch verankerte Inzestverbot in Deutschland als unplausibel und problematisch kritisiert und dessen Legitimierung in Frage gestellt.

    Aktuelle Debatte

    In neuerer Zeit wird verschiedentlich argumentiert, dass das Inzestverbot im Prinzip überflüssig sei, da die genetisch bedingten Risiken für den aus Inzest resultierenden Nachwuchs bekannt seien und das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung höher zu werten sei. Zudem sei das Ziel eines solchen Verbots unklar, da die Verhütung potenziell erbkranken Nachwuchses kein Ziel des Staates sei. Außerdem wird vorgebracht, am Anfang einer Intervention sollten sozialpädagogische Bemühungen um das Wohl der Beteiligten stehen. Wo diese keine Wirkung zeigten, ließen sich bestehende Konflikte fachkundiger von Familien- oder Vormundschaftsgerichten lösen.[29]

    Nach dem Willen der Grünen-Jugend sollen sexuelle Beziehungen innerhalb der Familie künftig legalisiert werden.[30] Der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Jerzy Montag, bekräftigte, „die strafrechtliche Verfolgung vom Beischlaf unter Verwandten und Geschwistern“ sei ein „Anachronismus“ und moralische Tabus dürften nicht mit dem Strafrecht durchgesetzt werden.[31] Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele setzte sich dafür ein, in Zukunft sexuelle Beziehungen unter Geschwistern zu erlauben.[32] Auch die Piratenpartei setzt sich für die Abschaffung des Inzestverbotes ein.[33]

    Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2008

    Mit Beschluss vom 26. Februar 2008 entschied das Bundesverfassungsgericht, § 173 StGB sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.[34] Der Gesetzgeber verfolge Zwecke, die „jedenfalls in ihrer Gesamtheit die Einschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts legitimieren“: Als Strafgrund stehe der grundgesetzlich geforderte Schutz von Ehe und Familie an erster Stelle. Inzestverbindungen führten zu einer Überschneidung von Verwandtschaftsverhältnissen und sozialen Rollenverteilungen und damit zu einer Beeinträchtigung der in einer Familie strukturgebenden Zuordnungen. Zudem diene das Inzestverbot dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung. § 173 StGB habe spezifische, durch die Nähe in der Familie bedingte oder in der Verwandtschaft wurzelnde Abhängigkeiten im Blick. Weiterhin rechtfertige auch der Schutz vor Erbschäden das Inzestverbot. Die Entscheidung erging mit 7:1 Stimmen.

    Der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Winfried Hassemer gab dabei eine abweichende Meinung ab.[34] § 173 StGB verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es liege kein Rechtsgut vor, dessen Verletzung im Inzestfall einen Strafgrund darstellen würde. Im Fall von volljährigen, konsensuell agierenden Geschwistern sei schlichtweg nicht klar, wessen Rechte durch den Geschlechtsverkehr eingeschränkt werden sollten. Es handele sich vielmehr um eine opferlose Straftat. Eine Hauptstütze des Inzestverbots seien sogenannte „eugenische Gesichtspunkte“, also die Verhinderung von Erbkrankheiten. Hierbei sei jedoch zum einen nicht klar, wieso das Gesetz auch bei erfolgender Verhütung und sogar bei vorheriger Sterilisation Anwendung findet. Zum anderen verbiete es sich schon von Verfassungs wegen, den Schutz der Gesundheit potentieller Nachkommen zur Grundlage strafgesetzlicher Eingriffe zu machen. Das Strafrecht kenne aus guten Gründen eine Strafbarkeit des Beischlafs selbst dort nicht, wo die Wahrscheinlichkeit behinderten Nachwuchses höher ist und die erwartbaren Behinderungen massiver sind als beim Inzest. Das Inzestverbot diene nicht dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung, darauf habe sich noch nicht einmal der Gesetzgeber berufen. § 173 StGB sei auch nicht geeignet, dem Schutz von Ehe und Familie zu dienen: Zu diesem Zweck sei die Vorschrift einerseits zu eng, weil sie nur den Beischlaf, nicht aber andere sexuelle Handlungen unter Strafe stellt und nicht-leibliche Geschwister nicht mit einbezieht, andererseits zu weit, weil sie Verhaltensweisen erfasse, die sich auf das Familienleben nicht (mehr) schädlich auswirken können.

    Gegen dieses Urteil wurde Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingelegt (siehe unten). Geklagt hatte ein Mann („Patrick S.“), der mit seiner Schwester vier Kinder hat; von diesen sind zwei behindert.[35]

    Stellungnahme der GfH

    Als Reaktion auf das Urteil hat die Deutsche Gesellschaft für Humangenetik eine Stellungnahme veröffentlicht, in der die Argumentation des Bundesverfassungsgerichtes vom Standpunkt der Humangenetik aus kritisiert wird.[36] Eugenik bedeute „nach international übereinstimmendem Verständnis das dirigistische Bestreben nach einer – wie auch immer definierten – ‚Verbesserung‘ des kollektiven Erbgutbestandes einer Population.“ Nicht nur, dass Inzestverbindungen von Geschwistern ohnehin keinen nennenswerten Einfluss auf den Genpool einer Population haben; die (durchaus vorhandene) höhere Gefahr, dass Kinder aus solchen Beziehungen an rezessiv vererbten Krankheiten erkranken könnten, rechtfertige keinen juristischen Eingriff in die „reproduktive Freiheit“ eines Paares. Denn die Gefahr solcher Krankheiten (z. B.: Mukoviszidose oder Spinale Muskelatrophie) besteht selbstverständlich auch für Kinder nichtblutsverwandter Paare. Falls eine solche Erkrankung bereits bei einem Kind vorhanden ist, haben dessen Geschwister ein Risiko von 25 %, ebenfalls die Erbkrankheit zu bekommen. Bei manchen Krankheiten liegt dieses Risiko noch wesentlich höher. Eine Gesetzgebung aber, die in solchen Fällen einem Paar weiteren Geschlechtsverkehr verbietet, würde auf umfassende gesellschaftliche Ablehnung stoßen, und das Recht darauf, die mit einem Kinderwunsch verbundene Risikobewertung selbst vorzunehmen, zählt zum Kernbestand des Persönlichkeitsrechts.

    Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte 2012

    Am 12. April 2012 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einstimmig, dass § 173 StGB mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar ist.[37] Zwar greife die Bestrafung in das Familienleben des Klägers ein, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention sei jedoch nicht verletzt.[38]

    Rechtslage in der Schweiz

    In der Schweiz wird nach Art. 213 des Strafgesetzbuches mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer mit einem Blutsverwandten in gerader Linie oder einem voll- oder halbbürtigen Geschwister den Beischlaf vollzieht. Unmündige bleiben straflos, „wenn sie verführt worden sind“.[39]

    Der Bundesrat schlug 2010 eine Abschaffung des Inzesttatbestandes vor, weil die wenigen Verurteilungen (etwa drei bis vier pro Jahr) Fälle betreffen würden, in denen auch andere Sexualdelikte wie etwa sexuelle Handlungen mit Kindern begangen würden.[40] Ein Anlass für den Vorschlag ist eine Generalreform des Strafrechts. Das Anhörungsverfahren (Vernehmlassung) wurde Anfang Dezember 2011 abgeschlossen.[41]

    Rechtslage in Österreich

    In Österreich ist die Strafbarkeit unabhängig vom zivilrechtlichen Verwandtschaftsverhältnis, nur das biologische zählt. Dieses muss im Gerichtsverfahren von Amts wegen geprüft werden. Auch ist nur der Beischlaf strafbar. Das in Österreich im § 211 StGB als „Blutschande“ bezeichnete Tatbild wird in absteigender Linie mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe bestraft. Zwischen Geschwistern ist die Regelung folgendermaßen: „Wer mit seinem Bruder oder mit seiner Schwester den Beischlaf vollzieht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten zu bestrafen.“ Auch im österreichischen Recht wird Inzest in Fällen von Minderjährigen nicht notwendigerweise verfolgt. In Österreich wird nicht bestraft, wer zur Tatzeit jünger als 19 Jahre war und zur Tat verführt wurde.

    Rechtslage in Liechtenstein

    Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen StGB 1988 übernahm Liechtenstein ebenfalls unter § 211 den Wortlaut der österreichischen Bestimmung.[42] Die in Österreich 1988 beschlossene und 1989 in Kraft getretene Änderung bezüglich des Alters bei der Verführung von 18 auf 19 Jahre wurde nicht durchgeführt, und es bleibt somit bei 18 Jahren.

    Am 1. Februar 2001 trat mit LGBl. 2001 Nr. 16 jedoch eine entscheidende Erweiterung in Kraft. Wie bei einigen anderen Delikten wurde auch bei der Inzucht nach dem Beischlaf (=Vaginalverkehr) die Formulierung „oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende sexuelle Handlung“ eingefügt.[43][44] In einem Entscheid des Fürstlichen Obersten Gerichtshofs in einem anderen Fall aus dem Jahre 2011 ist teilweise zu ersehen wie der Begriff ausgelegt wird. Maßgebend ist „ob das Geschlechtsorgan zumindest einer der beteiligten Personen ähnlich intensiv wie bei einem Beischlaf involviert ist“. Wie in Deutschland und Österreich ist auf jeden Fall das mehr als flüchtige Eindringen mit Fingern oder Gegenständen in die Vagina sowie das Eindringen mit dem Penis in Mund und After darunter zu verstehen. Orale Stimulation weiblicher Geschlechtsorgane (tw. mit Eindringen der Zunge) wird im Urteil auch explizit erwähnt.[45] Nicht geklärt ist das Eindringen mit Fingern oder Gegenständen in den After. In Deutschland (2005) ist dies keine „beischlafähnliche Handlung“,[46] in Österreich (2010) ist es umstritten, da der After kein Geschlechtsteil ist, aber nahe der Genitalregion liegt.[47] Wie gegenseitige Masturbation bei „ähnlich intensiv […] involviert“ bewertet wird, ist auch unklar. Damit ist – einzigartig im deutschen Sprachraum – Nicht-Vaginaler-Verkehr verschiedengeschlechtlicher Verwandter und gleichgeschlechtlicher Verkehr als Inzest pönalisiert.

    Inzest in Musik und Literatur

    In Richard Wagners Oper Die Walküre entbrennen die Zwillinge Siegmund und Sieglinde in Liebe zueinander. In der Vereinigung der Geschwister (Zitat: „So blühe denn, Wälsungen-Blut“) wird der Held Siegfried gezeugt.

    Neben den Inzesten, die in den Schöpfungsmythen vieler Völker vorkommen, kennt die Literaturgeschichte eine Vielzahl von gewöhnlich dramatischen Erzählungen, die das Thema des Inzestes behandeln. Klassisch ist die Ödipussage, in der ein ausgesetzter Sohn, ohne darum zu wissen, seine Mutter heiratet und mit ihr vier Kinder zeugt. Ebenfalls aus der griechischen Antike stammen die Mythen der Byblis (deren leidenschaftliche Liebe zu ihrem Bruder Kaunos diese in den Tod und ihn in die Fremde treibt) und der Myrrha (die sich infolge eines göttlichen Zorns in ihren Vater verliebt und ihn verführt). Auch in den Sagen um König Artus taucht der Inzest auf. So soll Artus mit seiner Halbschwester Morgana den Sohn Mordred gezeugt haben. Das Märchen „Allerleirauh“ der Brüder Grimm handelt von einem inzestuösen Begehren eines Vaters.

    In Christian Fürchtegott Gellerts Roman Leben der schwedischen Gräfin von G*** geht ein Geschwisterpaar unwissentlich eine Inzestehe ein. Das nach Bekanntwerden der Verwandtschaft entstehende moralische Dilemma löst sich dadurch, dass der Bruder von einem eifersüchtigen Nebenbuhler ermordet wird, während die Schwester sich das Leben nimmt.

    Innerhalb der romantischen Literatur erscheint der Inzest teilweise als auslösendes Moment einer tragischen Geschichte. In E. T. A. Hoffmanns Die Elixiere des Teufels erfährt der Leser gegen Ende durch die Genealogie der Protagonisten, dass ein Fall von Inzest für den ausbrechenden Wahnsinn der Hauptfigur und ihres Doppelgängers, die in ihrem Wirrspiel quasi telepathisch verbunden erscheinen, der Auslöser war. Die Auslöschung der inzestuös entstandenen Familie erscheint als Ziel jener magischen bzw. wahnsinnigen Zustände.

    Auch in Der Erwählte von Thomas Mann findet sich die Dualität von besonderer Tragik in Verbund mit einer gewissen Auserwähltheit. Hier wird der einer mittelalterlichen Erzählung, dem Gregorius Hartmanns von Aue, entstammende Protagonist am Ende nach langen Leidens- und Bußejahren zum Papst erhoben. In Thomas Manns Novelle Wälsungenblut ist das Thema Inzest zwischen Geschwistern ebenfalls zentral, in Joseph und seine Brüder taucht es (bei den Eltern des Potiphar) am Rande auf.

    In Hundert Jahre Einsamkeit von Gabriel García Márquez wird die Entwicklung der Familie Buendía charakterisiert, die mit Inzest beginnt (Verheiratung des Cousins mit der Cousine) und mit Inzest aufhört (Zeugung einer Missbildung zwischen Tante und Neffe). Des Weiteren ist die ganze Geschichte durchzogen mit inzestuösen Motiven der sexuellen Beziehung zwischen nahen Verwandten.

    In der Schlüsselszene von Arundhati Roys Roman Der Gott der kleinen Dinge kommt es zum Inzest zwischen einem Zwillingspaar, um eine mystische Bindung wiederherzustellen, die durch eine jahrelange Trennung von Bruder und Schwester verloren gegangen war.

    In Ian McEwans Der Zementgarten übernehmen der minderjährige Jack und seine Schwester Julie nach dem Tod beider Eltern deren Rolle, wobei es in letzter Konsequenz auch zum Inzest der beiden Geschwister kommt.

    Eine moderne Version ist auch Max Frischs Homo faber, in dem die (tragisch endende) Geschichte einer inzestuösen Verstrickung von Vater und Tochter geschildert wird. Beim selben Autor will in Andorra der als gerettetes Judenkind ausgegebene Sohn des Lehrers seine Pflege- und in Wirklichkeit Halbschwester heiraten, was zunächst zur Offenbarung seiner wahren Identität führt; doch ist er nicht willens, ein Andorraner zu sein, da ihn die Andorraner als vorgeblichen Juden antisemitisch beschimpft hatten.

    Eine mehr ersehnte als tatsächlich stattfindende Inzestliebe zwischen Bruder und Schwester wird in dem Roman Partygirl (2003) von Marlene Streeruwitz geschildert, wobei der Roman deutlich auf die Erzählung Der Untergang des Hauses Usher des amerikanischen Autors Edgar Allan Poe rekurriert.

    Eine sehr skurrile Liebe zwischen Bruder und Schwester wird in dem Roman Das Hotel New Hampshire (erschienen 1981) von John Irving beschrieben.

    In Jeffrey Eugenides’ „Middlesex“ ist der Geschwisterinzest zwischen Desdemona und Eleutherios Stephanides und der daraus resultierende Hermaphrodismus ihres Enkelkindes sowohl Triebfeder für die Handlung als auch Ausgangspunkt für die Überlegungen zum Thema „sex“ versus „gender“, die im Text immer wieder angestellt werden. Interessant ist das Handlungskonstrukt aus Krieg und Vertreibung auf einen anderen Kontinent, der die Eheleute Stephanides gewissermaßen von einer Schuld am Inzest und dessen Folgen befreit und die Motivation zur lebenslangen Geschwisterehe eher bei den Umständen sucht, denen es sich zu beugen gilt

    In Josefine Mutzenbacher. Die Geschichte einer Wienerischen Dirne. Von ihr selbst erzählt wird geschwisterlicher Inzest als gängige Praxis einer Wiener Unterschicht im 19. Jahrhundert dargestellt. Für die auf engstem Raum zusammenlebenden und -schlafenden Familien hatte Sexualität zwangsläufig einen familiären Charakter, so dass die oft durch den elterlichen Geschlechtsverkehr aufgeklärten Geschwister die Sexualität gemeinsam entdeckten und auslebten. Die Autorschaft ist nicht sicher geklärt; man kann kaum eine Aussage machen, inwieweit die Darstellungen eine tatsächlich verbreitete Praxis oder Fantasien des Autors widerspiegeln.

    Auch der Musiktitel „Geschwisterliebe“ der Berliner Punkrock-Band Die Ärzte handelt von Inzest. Die Handlung des 1986 veröffentlichten Liedes beschreibt u. a. den Geschlechtsverkehr zwischen minderjährigen Geschwistern. Das Lied behandelt die sexuelle Beziehung des Protagonisten zu seiner 14-jährigen Schwester. Die Eltern sind ausgegangen, und die Geschwister sind allein zu Hause. Nachdem über zwei der drei Strophen die Vorfreude auf den geschwisterlichen Geschlechtsverkehr zum Ausdruck kommt, wird in der dritten Strophe der Geschlechtsakt beschrieben. Anfang 1987 wurde das Lied (und damit auch das dazugehörige Album Die Ärzte) durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert mit der Begründung, das im Lied angedeutete „inzestuöse Verhältnis“ werde „verherrlicht und propagiert“.

    Weiter lassen sich inzestuöse Motive feststellen in:

    Film und Fernsehen

    Siehe auch

    Literatur

    Weblinks

     Commons: Inzest – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

    Einzelnachweise

    1. Brent D. Shaw: Explaining Incest: Brother-Sister Marriage in Graeco-Roman Egypt. In: Man, New Series 27 (1992), S. 267–299
    2. Keith Hopkins: Brother-Sister Marriage in Roman Egypt. In: Comparative Studies in Society and History 22 (1980), S. 303–354
    3. Poetae Comici Graeci Fr. 221
    4. Gaius Institutiones I 59-64
    5. Sueton Claudius 26.3
    6. Codex Theodosianus 3.12.1
    7. Ulpian regulae 5.6
    8. Marcus Tullius Cicero De legibus 2.22
    9. Quintilian institutio oratoria 7.8.3
    10. Tacitus Annales (Tacitus) 6.19
    11. Constanze Ebner: Incestus. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 5, Metzler, Stuttgart 1998, ISBN 3-476-01475-4, Sp. 963 f.
    12. Codex Theodosianus 3.12.3
    13. Corpus Iuris Civilis, Leges Novellae 12.3, 89.15
    14. vgl. Richard Reifenscheid: Die Habsburger in Lebensbildern. Von Rudolf I. bis Karl I. Graz u. a. 1982, S. 264f. ISBN 3-222-11431-5
    15. 15,0 15,1 15,2 15,3 Debra Lieberman, John Tooby, Leda Cosmides (2003): Does morality have a biological basis? An empirical test of the factors governing moral sentiments relating to incest. Proceedings of the Royal Society, Band 270, S. 819–826.
    16. Claude Lévi-Strauss: Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft, Paris 1948, zitiert nach: Frankfurt am Main 1981, S. 60
    17. Claude Lévi-Strauss: Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft, Paris 1948, zitiert nach: Frankfurt am Main 1981, S. 61
    18. vgl. Claude Lévi-Strauss: Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft, Paris 1948, zitiert nach: Frankfurt am Main 1981, S. 64
    19. Claude Lévi-Strauss: Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft, Paris 1948, zitiert nach: Frankfurt am Main 1981, S. 653.
    20. Claude Lévi-Strauss: Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft, Paris 1948, zitiert nach: Frankfurt am Main 1981, S. 648.
    21. 21,0 21,1 Übersetzung: Spiegel-Online, Projekt Gutenberg
    22. zeit.de 23. Juli 2012: Cousin und Cousine als Eltern. - Enge Verwandte, die ein Kind zeugen, gehen ein hohes Risiko ein. Viele Migrantenpaare wissen wenig über die Gefahr angeborener Krankheiten.
    23. ZDF – Heute. Bundesverfassungsgericht: Sex zwischen Geschwistern weiter strafbar
    24. telegraph.co.uk
    25. http://www.swr.de/-/id=1972410/property=download/18zpr1m/index.pdf
    26. http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/-/id=1969028/property=download/nid=660374/14bkkqa/swr2-wissen-20070329.rtf
    27. Saudi-Arabien: HIV-Pflichtest für Heiratswillige
    28. Wittig In: Satzger/Schmitt/Widmaier – Kommentar zum Strafgesetzbuch 2009, § 173 StGB Rn. 12
    29. Christian Marchlewitz: Geschwisterliebe. Strafwürdiges Verhalten oder zu Unrecht sanktioniertes Tabu?, in: Forum Recht, 1 2012, S. 17.
    30. A-09 Liebe legalisieren! Gegen Strafandrohung bei Inzest
    31. Inzestverbot überholt, 12. April 2012
    32. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,468194,00.html
    33. Pressemitteilung: Piratenpartei lehnt Inzestverbot ab Krit. dazu hingegen Michael Kubiciel, Das Inzestverbot vor den Schranken des EGMR. Das Urteil und seine Folgen für die rechtswissenschaftliche Debatte, Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS) 2012, 282-289.
    34. 34,0 34,1 BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008, Az. 2 BvR 392/07, Volltext.
    35. sueddeutsche.de: Warum das Inzestverbot widersinnig ist
    36. Eugenische Argumentation im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Inzestverbot – Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik (GfH)
    37. EGMR, Urteil vom 12. April 2012, Az. 43547/08, Volltext.
    38. lto.de EGMR Inzestverbot Geschwister sexuelle Selbstbestimmung.Dazu [www.zis-online.com/dat/artikel/2012_6_677.pdf Michael Kubiciel, Das Inzestverbot vor den Schranken des EGMR. Das Urteil und seine Folgen für die rechtswissenschaftliche Debatte, Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS) 2012, 282-289]
    39. Art. 213 StGB
    40. «Dépénaliser l’inceste n’est pas une bonne idée», Le Temps vom 18. September 2010.
    41. faz.net 12. Januar 2011: Wen schützt das Inzestverbot?
    42. liStGB LGBl. 1988 Nr. 37, vom 24. Juni 1987, ausgegeben am 22. Oktober 1988
    43. LGBl. 2001 Nr. 16, Änderungen vom 13. Dezember 2000, ausgegeben am 1. Februar 2001
    44. liStGB konsolidiert
    45. Fürstliche Oberste Gerichtshof, Urteil 01 KG.2008.22 vom 6. Mai 2011
    46. Hubert Hinterhofer: Strafrecht, Besonderer Teil II, 4. Ausgabe, Facultas Verlag, 2005, ISBN 3851148819, S. 86 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche)
    47. Christian Bertel, Klaus Schwaighofer: Österreichisches Strafrecht. Besonderer Teil II, 9. Ausgabe, Band 2, Springer, 2010, ISBN 9783211993989, S. 60, Erläuterungen zu § 201 (Vergewaltigung) über „Dem Beischlaf gleichzusetzende Handlungen“ (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche)
    48. bz-berlin.de
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