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Arundhati Roy

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Arundhati Roy (2013)

Suzanna Arundhati Roy (* 24. November 1961 in Shillong, Meghalaya) ist eine indische Schriftstellerin, Drehbuchautorin, politische Aktivistin und Globalisierungskritikerin. Neben dem Roman Der Gott der kleinen Dinge verfasste sie mehrere politische Sachbücher und zahlreiche Essays.[1] 2017 erschien ihr zweiter Roman Das Ministerium des äußersten Glücks.[2][3]

Leben

Kindheit

Arundhati Roys Mutter Mary Roy stammt aus dem südindischen Kerala und ist Thomaschristin, ihr Vater ist Hindu aus Bengalen und Besitzer einer Teeplantage. Ihre Kindheit verbrachte sie in Aymanam im südindischen Bundesstaat Kerala, bis sie im Alter von 16 Jahren nach Delhi umzog, wo sie heute noch lebt. Anfangs wohnte sie dort in einer kleinen Hütte mit Blechdach im Stadtteil Feroz shah Kotla und verdiente ihren Unterhalt, indem sie leere Flaschen einsammelte und verkaufte. Schließlich begann sie an der Delhi School of Architecture zu studieren, wo sie auch ihren ersten Ehemann, Gerard da Cunha, traf.

Zweite Ehe und Film

1984 lernte sie den Filmemacher Pradip Krishen kennen, der ihr zweiter Ehemann wurde. Durch ihn erwachte auch ihr Interesse am Film. Sie spielte selbst kleinere Rollen – unter anderem in Krishens preisgekröntem Film Massey Sahib – und begann, Drehbücher zu schreiben (In Which Annie Gives it Those Ones, Electric Moon und die Fernsehserie Banyan Tree).

Schriftstellerisches Werk und Booker-Prize

1992 begann sie mit der Arbeit an ihrem ersten Roman, der 1997 unter dem Titel Der Gott der kleinen Dinge erschien. Der halb-biografische Roman erzählt über weite Teile ihre eigene Kindheit in einer christlichen Familie der Oberschicht im südindischen Bundesstaat Kerala. Der Roman berührt wesentliche Themen Indiens wie das Kastensystem, die Rolle der Frau, das Leben syrischer Christen in Kerala und die Rolle der kommunistischen Partei speziell in Kerala. Das Manuskript wurde von Pankaj Mishra, einem Herausgeber von Harper&Collins, an drei Verlage in Großbritannien gesandt und erregte großes Interesse. Bevor sie sich endgültig entscheiden konnte, bestieg David Godwin, der dritte Empfänger ihres Manuskripts, ein Flugzeug nach Indien, um Arundhati Roys erster Agent zu werden: “obviously, the book had touched him enough to get on a plane and come to a strange country”.

Godwin machte sich an die Arbeit und binnen Kurzem boten acht Verlagshäuser hohe Summen für die Rechte zur Veröffentlichung im Vereinigten Königreich und in Kontinental-Europa.

Anlässlich eines Besuchs in Wien beorderte Godwin seine Autorin nach New York zur Vertragsunterzeichnung mit dem renommierten Verlagshaus Random House. Sie erhielt 500.000 Pfund Sterling für die internationalen Publikationsrechte in 21 Ländern.

Noch im Jahr der Veröffentlichung wurde sie für diesen Roman mit dem britischen Booker-Literaturpreis ausgezeichnet und rasch international bekannt. Rechte an dem Buch wurden in 21 Ländern verkauft.

Arundhati Roy (2010)

Politische Aktivität

In der Folge nutzte sie ihre Bekanntheit, um auf ihre politischen Anliegen aufmerksam zu machen. In einer Reihe von Essays und Reden griff sie zu Beginn vor allem die atomare Aufrüstung in Indien und dem Nachbarland Pakistan sowie den Hindu-Nationalismus (Hindutva) in ihrer Heimat an. Bald erweiterte sie ihre Aktivitäten auch um die Teilnahme an Protestveranstaltungen gegen ein Staudammprojekt an der Narmada, da derartige Bauten oft auf Kosten des Lebensraums der praktisch rechtlosen und ärmsten Bevölkerungsgruppen (insbesondere der Dalit und Adivasi) durchgeführt werden, wie sie in „Die Politik der Macht“ schreibt. Dank ihrer Popularität lenkte Roy mit ihrer Teilnahme die Aufmerksamkeit nationaler und internationaler Medien auf die Missstände.

Ihre schriftstellerische Tätigkeit konzentrierte sich nun ganz auf die Darstellung und Kritik politischer und sozialer Themen. In ihren Texten bezog sie Stellung gegen den von der US-Regierung geführten „Krieg gegen den Terror“, den Irak-Krieg sowie die Politik der Weltbank und der Welthandelsorganisation. Damit wurde sie zunehmend auch weit über Indien hinaus zu einer der bekanntesten Sprecherinnen für Umweltschutz-, Friedens- und globalisierungskritische Bewegungen.

2014 schrieb sie unter dem Titel The Doctor and the Saint eine Einführung zu kritischen Ausgabe von Bhimrao Ramji Ambedkars Annihilation of Caste. Darin arbeitet sie den Gegensatz zwischen Ambedkar und Gandhi heraus. Ambedkar stammt aus der Schicht der Unberührbaren (Dalits) und fordert in seiner bekanntesten und einflussreichsten Schrift die Abschaffung des Kastenwesens und des damit untrennbar verschränkten Hinduismus, während Gandhi selbst Vaishya war und entgegen seinen Aussagen über die unteren Kasten die Unterdrückungsstruktur des Kastenwesens nie in Frage gestellt habe und in seinem persönlichen Leben von Verachtung gegenüber sozial Schwachen geprägt gewesen sei.[4]

Im Jahr 2002 wurde sie wegen Missachtung des Gerichts vom indischen Supreme Court in Neu-Delhi zu einem Tag Haft verurteilt, weil sie den Richtern vorgeworfen hatte, sie hätten Proteste gegen das Narmada-Staudammprojekt unterdrücken wollen.

2004 wurde Arundhati Roy für ihr soziales Engagement und ihr Eintreten für Gewaltfreiheit mit dem Sydney-Friedenspreis ausgezeichnet.

Arundhati Roy hat 2005 den Sahitya Akademi Award, den höchsten Literaturpreis Indiens, abgelehnt.[5] Laut Medienberichten soll Roy in einem Schreiben der vom Staat finanzierten Sahitya-Akademie mitgeteilt haben, sie fühle sich sehr geehrt, könne die Auszeichnung aber nicht annehmen, weil sie gegen verschiedene Aspekte der indischen Regierungspolitik Abscheu hege.[6] Als Kritikpunkte nannte sie beispielsweise den Besitz von Atomwaffen und den Bau großer Staudämme.

Am 5. November 2015 erklärte Arundhati Roy zusammen mit 23 anderen Künstlern, dass sie ihre nationalen Ehrungen aus Protest zurückgeben würden. Roy, die ihren 1989 gewonnenen Nationalpreis für das beste Drehbuch zurückgegeben hat, nahm in einem Zeitungsartikel dazu ausdrücklich Bezug auf den Lynchmord an einem muslimischen Mann in Uttar Pradesh durch fanatische Hindus, nachdem das Gerücht verbreitet worden war, dass er Rindfleisch gegessen habe. Sie bezeichnete den Vorgang als Ausdruck einer generellen Stimmung im Land, unter der Muslime, Christen und Dalits in ständiger Angst leben müssten. Sie beklagte, es sei für Intellektuelle in Indien nicht mehr möglich, darauf hinzuweisen, dass Hindus für diese Angst verantwortlich seien, nur ihre religiös geprägte Sichtweise der Umstände gelten ließen und die Leiden der Opfer verdrängten.[7][5]

Auszeichnungen

Werke

  • Der Gott der kleinen Dinge. Karl Blessing, München, 1997, ISBN 3-442-72468-6 (original: The God of Small Things, Harper Collins, London 1997).
  • Die Politik der Macht. Goldmann, 2002, ISBN 3-442-72987-4 (original: The Cost of Living).
  • Noam Chomsky, Eduardo Galeano, Arundhati Roy, u. a.: Angriff auf die Freiheit? Die Anschläge in den USA und die „Neue Weltordnung“. Hintergründe, Analysen, Positionen. 2. Auflage. Trotzdem Verlagsgenossenschaft, Grafenau 2002, ISBN 3-931786-25-0 (Sammlung von 17. Aufsätzen).
  • Wahrheit und Macht. Goldmann, 2004, ISBN 3-442-73304-9 (Interviews von David Barsamian, Vorwort von Naomi Klein).
  • War Talk. South End Press, 2003, ISBN 0-89608-724-7.
  • An Ordinary Person’s Guide to Empire. South End Press, 2004, ISBN 0-89608-727-1.
  • Public Power in the Age of Empire. Seven Stories Press, 2004, ISBN 1-58322-682-6.
  • The Algebra of Infinite Justice. Flamingo/ Harper Collins, London 2002, ISBN 0-00-714949-2.
  • Aus der Werkstatt der Demokratie. S. Fischer, Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-10-066066-4 (original: Listening to Grasshoppers: Field Nots on Democracy).
  • Wanderung mit den Genossen: Mit den Guerillas im Dschungel Zentralindiens. Zambon-Verlag, Frankfurt am Main 2011, ISBN 978-3-88975-180-5 (original: Walking with the Comrades).
  • The Doctor and the Saint. Einführung und Essay zu B. R. Ambedkar: Annihilation of Caste: The Annotated Critical Edition. Navayana 2014, ISBN 978-81-89059-63-7.
  • Capitalism: A Ghost Story. Haymarket Books, Chicago 2014, ISBN 978-1-60846-385-5 (über Auswüchse des globalisierten Kapitalismus in Indien).
  • The Ministry of Utmost Happiness. Penguin India, 2017, ISBN 978-0-670-08963-5.

Essays und Interviews

Nach Aktualität:

Literatur

  • Bernhard Mann: Gebrochene Identitäten: Indische Sozialstruktur im „cultural lag“. Über: Arundhati Roy, Der Gott der kleinen Dinge. In: Studiengesellschaft für Sozialwissenschaften und Politische Bildung (Hrsg.): Sozialwissenschaftliche Umschau. Februar 2003, ISSN 1610-3300, S. 53–59.
  • Claire Messud: Stranger things. In: Financial Times. 3. Juni 2017, S. L&A 11 (Besprechung).

Weblinks

 Commons: Arundhati Roy – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Interviews:

Einzelnachweise

  1. Encyclopædia Britannica: Arundhati Roy (englisch)
  2. femundo: Das Ministerium des äußersten Glücks: Bittere Realität im farbenprächtigem Gewand. Abgerufen am 17. September 2017.
  3. The Guardian: The Ministry of Utmost Happiness by Arundhati Roy review: a bright mosaic. Abgerufen am 2. Juni 2017 (englisch).
  4. Arundhati Roy: The Doctor and the Saint. In The Caravan. 1. März 2014 (englisch; Volltext der Einführung).
  5. 5,0 5,1 Arundhathi Roy Why I am returning my award. In: The Indian Express. Abgerufen am 6. November 2015.
  6. Ana Lehmann: Geliebt, gehasst, gefürchtet: Arundhati Roy. In: Deutsche Welle. 8. März 2010.
  7. Arundhati Roy, 23 others return awards over intolerance (Memento vom 6. November 2015 im Internet Archive) In: eNewspaper of India. 5. November 2015, abgerufen am 6. November 2015 (englisch).
  8. Meldung: Bruno-Kreisky-Preis für das Politische Buch 2017 geht an Arundhati Roy. In: OTS. 9. Januar 2018, abgerufen am 17. Januar 2018.
  9. Arundhati Roy: Arundhati Roy on Shekhar Kapur’s Bandit Queen: The Great Indian Rape-Trick (1. Teil). (Nicht mehr online verfügbar.) In: sawnet.org. 22. August 1994, archiviert vom Original am 14. April 2016; abgerufen am 26. April 2020.
  10. Arundhati Roy: Arundhati Roy on Shekhar Kapur’s Bandit Queen: The Great Indian Rape-Trick (2. Teil). (Nicht mehr online verfügbar.) In: sawnet.org. 23. September 1994, archiviert vom Original am 15. April 2016; abgerufen am 26. April 2020.
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