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Christine Nöstlinger
Christine Nöstlinger (* 13. Oktober 1936 in Wien-Hernals; † 28. Juni 2018 in Wien-Ottakring[1]) war eine österreichische Schriftstellerin.
Leben
Christine Nöstlinger bezeichnete sich als „wildes und wütendes Kind“, relativierte das aber in ihren Erinnerungen: „Ich war schon viel ‚frecher‘ als andere in meinem Alter und protestierte heftig, wenn mir etwas nicht gefiel, und das hatte einen einfachen Grund: Wir [sie und ihre ältere Schwester Elisabeth, Anm.] waren die einzigen Kinder weit und breit, die daheim keine Watschen und keine Strafen bekamen. Da kann man leicht wütend und wild werden.“[2] Sie stammte aus einer Arbeiterfamilie, der Vater Walter Göth († 1975) war Uhrmacher, die Mutter Michaela, geb. Draxler, Erzieherin im Kindergarten. Beide hatten als Sozialisten unter dem Nationalsozialismus zu leiden. Ihre Mutter ließ sich unter Schwierigkeiten krankheitsbedingt frühpensionieren, um die jungen Kinder nicht mit nationalsozialistischem Lied- und Gedankengut indoktrinieren zu müssen.[3] Das Verhältnis von Nöstlinger zu ihrer Mutter war schwierig,[4] hingegen war der Vater ihr „Ein und Alles“.[5] Über ihn sagte sie: „Die Liebe meines Vaters ist in allem, was ich tue, gegenwärtig.“[6] Sie legte ihre Matura ab und wollte Malerin werden, studierte dann aber Gebrauchsgrafik an der Akademie für Angewandte Kunst. Nach einer ersten Ehe, die 1957 geschieden wurde, heiratete sie 1959 den Journalisten Ernst Nöstlinger († 2009). Die Schriftstellerin bekam zwei Töchter (* 1959 und * 1961), wobei die ältere aus erster Ehe stammt, aber erst nach der erneuten Heirat geboren wurde.[7][8]
Seit 1970 veröffentlichte sie eine Vielzahl von Büchern. Im Brotberuf arbeitete sie allerdings jahrelang tagtäglich für eine Tageszeitung, schrieb Drehbücher für den ORF und moderierte eigene Sendungen im ORF-Hörfunk.[9]
Im Mai 2015 hielt sie bei der Gedenkveranstaltung zum 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen im Historischen Sitzungssaal des Österreichischen Parlaments eine vielbeachtete Rede über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.[10]
Zuletzt lebte Christine Nöstlinger abwechselnd in Wien-Brigittenau und auf einem Bauernhof in Altmelon im niederösterreichischen Waldviertel. Sie schrieb vor allem Kinder- und Jugendbücher, war aber auch für Fernsehen, Radio und Zeitschriften tätig. 2010 wurde bei Christine Nöstlinger Gebärmutterkrebs festgestellt. Zuvor hatte sie eine Brustkrebserkrankung überstanden.[11] Letztlich starb die langjährige Raucherin an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung.[12]
Künstlerisches Schaffen
Christine Nöstlinger zählt mit über 100 Büchern zu den bekanntesten und einflussreichsten Kinderbuchautoren des deutschen Sprachraums. Ihr Werk wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und mit international renommierten Preisen ausgezeichnet (Hans-Christian-Andersen-Medaille, Astrid-Lindgren-Memorial-Award).
Ihr literarisches Schaffen begann mit dem 1970 veröffentlichten Kinderbuch Die feuerrote Friederike, das ursprünglich von ihr selbst, in einer 1997 erschienenen Ausgabe dann von ihrer älteren Tochter, Barbara Waldschütz, illustriert wurde. Dieses Buch war ursprünglich ein Bilderbuch, die Geschichte kam erst später dazu.[13] Auch ihre zweite Tochter, Christiane Nöstlinger, illustriert nebenberuflich Kinderbücher. Christine Nöstlinger befasst sich in ihren Büchern vor allem mit kindlichen Bedürfnissen und greift Autoritäts- und Emanzipationsfragen auf. In ihren Werken tauchen zahlreiche negative und positive Außenseiterfiguren auf, an denen sie beispielsweise die Problematik der Einsamkeit (Das Austauschkind), der Identitätssuche (Gretchen Sackmeier) oder der pubertären Sinnkrise (Ilse Janda, 14) aufzeigt. Ganz im Zeichen der in den 70er Jahren aufkommenden „realistischen Kinder- und Jugendliteratur“ stellte sie in ihren Familiengeschichten unter anderem immer wieder Eheprobleme der Eltern dar – für die damalige Zeit ein umstrittenes Novum in der Kinder- und Jugendliteratur.
Politische und gesellschaftskritische Aspekte kennzeichnen Christine Nöstlingers literarisches Werk in besonderer Weise. Prägend war in dieser Hinsicht ihre eigene Kindheit während des Zweiten Weltkriegs (aufgearbeitet unter anderem in Maikäfer flieg! und Zwei Wochen im Mai). In Wir pfeifen auf den Gurkenkönig und Rosa Riedl Schutzgespenst zeichnet sie ein groteskes Bild des (familiären) Alltagsfaschismus. Eines ihrer dringlichsten Themen ist der Widerstand gegen Anmaßung, Unterdrückung und Ungerechtigkeit in jeglicher Form. Den revolutionär-didaktischen Impetus ihrer Geschichten hat sie in den letzten Jahren zugunsten eines tröstlicheren Tons aufgegeben. Eine erzieherische Wirkung erwartet sie sich von Literatur nicht (mehr).
Neben ihren standarddeutschen Werken veröffentlichte sie auch einige Werke in Mundart, etwa den 1974 erschienenen Gedichtband Iba de gaunz oaman kinda (als Iba de gaunz oamen Leit 1994 und 2009 neu aufgelegt; dieser Band enthält außerdem die Gedichtzyklen Iba da gaunz oamen Fraun sowie Iba de gaunz oamen Mauna). Dabei verwendete Nöstlinger den Wiener Dialekt ganz bewusst als literarisches Ausdrucksmedium. Generell sind ihre Texte – Romane, Essays, Zeitungskolumnen und Lyrik – sowohl von der Wiener Alltagssprache als auch von Worterfindungen und lustvoll komponierter Kunstsprache gefärbt (Dschi-Dsche-i-Dschunior, Wir pfeifen auf den Gurkenkönig). Dies brachte ihr anfangs Unverständnis und Kritik ein, wird inzwischen aber als ihr spezifischer Sprachduktus anerkannt und geschätzt. Auch in dieser Hinsicht wirkte ihr Schaffen sowohl polarisierend als auch prägend auf die Entwicklung der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur.
In den 1990er und den 2000er Jahren veröffentliche Nöstlinger überdies drei Kochbücher: Mit zwei linken Kochlöffeln, Ein Hund kam in die Küche und Das Küchen-ABC.
Auszeichnungen (Auswahl)
- 1972 Friedrich-Bödecker-Preis für Die feuerrote Friederike
- 1973 Deutscher Jugendliteraturpreis für Wir pfeifen auf den Gurkenkönig
- 1974 Österreichischer Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur für Achtung! Vranek sieht ganz harmlos aus
- 1979 Mildred L. Batchelder Award für Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse
- 1979 Österreichischer Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur für Rosa Riedl Schutzgespenst
- 1979 UNIDA-Preis für Hörfunk für Dschi-Dsche-i Dschunior
- 1982 Zilveren Griffel für Maikäfer, flieg!
- 1984 Hans Christian Andersen-Preis
- 1986 Nestroy-Ring
- 1987 Österreichischer Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur für Der geheime Großvater
- 1987 Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien für Der geheime Großvater
- 1990 La vache qui lit für Der Zwerg im Kopf
- 1990 Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien für Anna und die Wut
- 1991 Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien für Sowieso und überhaupt
- 1993 Erster Preis der Stiftung Buchkunst
- 1994 EA-Generali-Sonderpreis für gewaltfreie Erziehung
- 1997 Steirische Leseeule für Am Montag ist alles ganz anders
- 1998 Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln
- 2002 Wildweibchenpreis: Literaturpreis für Kinder- und Jugendliteratur der Gemeinde Reichelsheim
- 2003 Astrid-Lindgren-Gedächtnis-Preis (zusammen mit Maurice Sendak)
- 2003 Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse
- 2009 Willy und Helga Verkauf-Verlon Preis für antifaschistische österreichische Publizistik
- 2010 Buchpreis der Wiener Wirtschaft
- 2011 Corine-Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten für ihr Lebenswerk
- 2011 Großes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich
- 2011 Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch: Sonderpreis für ihr Gesamtwerk
- 2011 Zehn besondere Bücher zum Andersentag für Lumpenloretta
- 2014 Österreichischer Kinder- und Jugendbuchpreis für Als mein Vater die Mutter der Anna Lachs heiraten wollte
- 2016 Lebenswerk-Preis des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen
Soziales Engagement
1997 bis 1998 war Nöstlinger Ehrenvorsitzende von SOS Mitmensch.
Werke
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Verfilmungen
- 1974: Wir pfeifen auf den Gurkenkönig – Regie: Hark Bohm, nach dem gleichnamigen Roman
- 1976: Die Ilse ist weg
- 1982: Konrad aus der Konservenbüchse – Regie: Claudia Schröder
- 1987: Der liebe Herr Teufel – Regie: Sepp Strubel, Spiel der Augsburger Puppenkiste
- 1991: Der Zwerg im Kopf – Regie: Claudia Schröder
- 1991: Sowieso und überhaupt (TV-Serie in 6 Teilen) – Regie: Anton Reitzenstein u. a.[14]
- 1992: Vier Frauen sind einfach zuviel – Regie: Hartmut Griesmayr – Drehbuch
- 1994: Eine Dicke mit Taille – Regie: Heide Pils – Drehbuch
- 1994: Rosa, das Schutzgespenst – Regie: Véra Plívová-Simková, Drahomíra Králová
- 1998: Die 3 Posträuber – Regie: Andreas Prochaska
- 2004: Villa Henriette – Regie: Peter Payer (auch als Darstellerin)
- 2016: Maikäfer flieg – Regie: Mirjam Unger
Radio
- 1979: Der „Dschi- Dsche-i Wischer Jr.“ wurde in einer täglichen Serie im ORF-Ö3-Wecker ausgestrahlt.
- ab 2003: Rudi! Radio für Kinder
Literatur
- Sabine Fuchs: Christine Nöstlinger. Eine Werkmonographie. Dachs, Wien 2001, ISBN 3-85191-243-8 (Dissertation TU Berlin 2000, 239 Seiten, 21 cm).
- Sabine Fuchs, Ernst Seibert (Hrsg.): … weil die Kinder nicht ernst genommen werden. Zum Werk von Christine Nöstlinger (= Kinder- und Jugendliteraturforschung in Österreich. Band 4). Sammelband des internationalen Symposions, Praesens, Wien 2003, ISBN 3-7069-0187-0.
- Christine Nöstlinger: Geplant habe ich gar nichts. Aufsätze, Reden, Interviews. Zum 60. Geburtstag. Dachs Verlag, Wien 1998, ISBN 3-85191-087-7.
- Ursula Pirker: Christine Nöstlinger. Die Buchstabenfabrikantin. Molden, Wien 2007, ISBN 978-3-85485-197-4.
- Christine Nöstlinger: Glück ist was für Augenblicke. Erinnerungen. Nach aufgezeichneten Gesprächen mit Doris Priesching. Mit einer Bibliographie von Sabine Fuchs, Residenz, St. Pölten / Salzburg / Wien 2013, ISBN 978-3-7017-3303-3.
Weblinks
- Literatur von und über Christine Nöstlinger im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Christine Nöstlinger in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Christine Nöstlinger beim Deutschen Taschenbuch Verlag
- Biografie, Literatur & Quellen zu Christine Nöstlinger. FemBio des Instituts für Frauen-Biographieforschung
- Beiträge über und von Christine Nöstlinger. Erschienen in 1000 und 1 Buch 3/01 anlässlich ihres 65. Geburtstages
- Christine Nöstlinger im Residenz Verlag
- Archivaufnahmen mit Christine Nöstlinger im Onlinearchiv der Österreichischen Mediathek (Interviews, Literaturlesungen)
- Christine Nöstlinger als Gast bei der Late-Night-Show „Willkommen Österreich“ (mit Link zum Video)
- Christine Nöstlinger im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
Einzelnachweise
- ↑ Michael Wurmitzer: Schriftstellerin Christine Nöstlinger gestorben. In: derStandard.at. 13. Juli 2018, abgerufen am 13. Juli 2018.
- ↑ Nöstlinger: Glück ist was für Augenblicke. S. 42.
- ↑ Nöstlinger: Glück ist was für Augenblicke. S. 47 f.
- ↑ Vgl. Nöstlinger: Glück ist was für Augenblicke. S. 30.
- ↑ Nöstlinger: Glück ist was für Augenblicke. S. 27.
- ↑ Zit. n. Yvonne Staat: Die Liebe, die fehlt. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. 1. Januar 2017.
- ↑ Stefan Altschaffel: Zur Darstellung der Erziehungsproblematik unter besonderer Berücksichtigung des Generationenkonflikts in ausgesuchten Texten Christine Nöstlingers. GRIN Verlag, 2008, ISBN 978-3-640-13017-7, Kapitel 3: Autobiografische Aspekte bei Christine Nöstlinger, S. 59 ff. (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche, abgerufen am 25. Mai 2009).
- ↑ Nöstlinger: Glück ist was für Augenblicke. S. 237.
- ↑ [ (Link nicht mehr abrufbar) Eins zu Eins. Der Talk.] Bayern 2, 2011, abgerufen am 3. April 2017.
- ↑ Über die Pflege der „Zivilisationshaut“. In: ORF.at. 5. Mai 2015, abgerufen am 13. Juli 2018 (Rede von Christine Nöstlinger).
- ↑ Herlinde Koelbl: „Manchmal muss man eben in Therapie gehen“. In: zeit.de. 10. November 2011, S. 86, abgerufen am 13. Juli 2018.
- ↑ Christine Nöstlinger ist tot. In: News.at. 13. Juli 2018, abgerufen am 13. Juli 2018.
- ↑ Interview in Kölner Stadt-Anzeiger. Magazin vom 15. Oktober 2011, S. 24.
- ↑ Sowieso und überhaupt. In: Fernsehserien.de. Abgerufen am 13. Juli 2018.
Personendaten | |
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NAME | Nöstlinger, Christine |
KURZBESCHREIBUNG | österreichische Schriftstellerin |
GEBURTSDATUM | 13. Oktober 1936 |
GEBURTSORT | Wien |
STERBEDATUM | 28. Juni 2018 |
STERBEORT | Wien |
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