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Das Glasperlenspiel
Das Glasperlenspiel. Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften ist der letzte und zugleich umfangreichste Roman von Hermann Hesse, erstmals 1943 in zwei Bänden veröffentlicht. Hesse erhielt hierfür im Jahr 1946 den Nobelpreis für Literatur.
Inhalt
Der eigentlichen Handlung voran geht ein Kapitel, das in Form einer historischen Abhandlung abgefasst ist und die Entwicklung der von Hesse entworfenen Welt darstellt. Nach der Handlung folgen kleinere literarische Werke, deren Autorenschaft Hesse der Hauptfigur Josef Knecht zuschreibt: einige Gedichte sowie drei „Lebensläufe“, die Knechts Leben in verschiedene geschichtliche Epochen zurückprojizieren sollen. Wie auch im Hauptteil variiert Hesse hier sein altes Thema von Meister und Jünger, und zwar vorwiegend in der Form, dass der zeitweise ungetreue Jünger am Ende reuig zu seinem Meister zurückkehrt, um dessen Nachfolge anzutreten.
Das eigentliche „Glasperlenspiel“ und seine Welt
Hermann Hesses letztes großes Werk spielt in einer Zukunftswelt, in welcher er das Leben seines Helden Magister Ludi Josef Knecht ansiedelt. Auf die wesentlichen Charakteristika dieser Welt verweist der Namenszusatz ‚Magister Ludi‘, ein Wortspiel, da das lateinische Wort ‚ludus‘ sowohl ‚Schule‘ (ein magister ludi ist historisch ein Schulmeister) als auch Spiel (der Titel würde dann „Meister des Spiels“ heißen) bedeutet. In der von Hesse entworfenen Welt bilden die (männlichen, zölibatär lebenden) Gelehrten einen straff organisierten Orden, der seine Aufgaben sowohl im Bildungssystem sieht (das ihm wiederum zur eigenen Reproduktion dient), als auch in der Perfektion der Wissenschaften und Künste und insbesondere der Synthese beider Bereiche, dem Glasperlenspiel.
Die genauen Regeln dieses Spiels werden nur angedeutet und sollen so kompliziert sein, dass sie nicht einfach zu veranschaulichen sind. Das Spiel hat bereits quasirituellen Charakter angenommen; Ziel scheint es zu sein, tiefe Verbindungen zwischen anscheinend nicht verwandten Themengebieten herzustellen und theoretische Gemeinsamkeiten von Künsten und Wissenschaften aufzuzeigen. Beispielsweise wird ein Bach-Konzert mit einer mathematischen Formel verknüpft. Der Publikumserfolg für ein „gutes Spiel“ wird dabei sowohl durch musikalische Klasse als auch mathematische Eleganz erreicht.
Das Glasperlenspiel erhielt seinen Namen von den ursprünglich verwendeten Spielsteinen, vielleicht ähnlich denen eines Abakus oder des Go-Spiels. Zur Zeit der Romanhandlung sind diese jedoch überflüssig geworden, und das Spiel wurde nur noch mit abstrakten gesprochenen Formeln gespielt. Das Konzept des Glasperlenspiels scheint so Ähnlichkeit zu den Ideen von Leibniz einer universellen wissenschaftlichen Formalsprache (Universalsprache) aufzuweisen.
Das Glasperlenspiel setzt einen Kulturzustand voraus, in dem nichts Neues, Aufregendes, Abenteuerliches mehr entdeckt und geschaffen, sondern nur noch mit dem Vorhandenen „gespielt“ werden kann - umgangssprachlich wurde Glasperlenspiel daher zum Ausdruck für ein selbstzweckhaftes, eitles und unkreatives Hantieren mit kulturellen Klischees. Das Heraufziehen eines solchen Kulturzustands war die Sorge vieler Intellektueller in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Thomas Mann gestaltete sie in seinem Doktor Faustus, der nach seinem eigenen Urteil Parallelität zum Glasperlenspiel aufweist.
Zudem schottet sich der sich nur noch der Betrachtung des Gegebenen widmende Orden von der Außenwelt ab, indem er sich nicht mehr mit praktischen, insbesondere politischen Fragen befasst.
Die Handlung
Diese Widersprüche sind es, die für das Leben des Helden, Josef Knecht, entscheidend sind. Als Knabe wird er von der örtlichen Lateinschule weg an eine Eliteschule in der Ordensprovinz Kastalien berufen. Wesentlich verändert durch die Bekanntschaft mit dem Musikmeister, einem der Ordensoberen, ordnet er sich ganz den Regeln des Ordens unter, immer mehr macht er sich die Fähigkeiten zu eigen, die diesen auszeichnen – Wissenschaft, Musik, Meditation und schließlich das Glasperlenspiel –, steigt immer höher in der Hierarchie, bis er schließlich eines der höchsten Ämter, das des Glasperlenspielmeisters (magister ludi), bekleidet. Von Anfang an prägen ihn aber auch die Einblicke in die Außenwelt. Schon in der Schulzeit sind eine seiner wesentlichen Antriebsfedern seine heißen Diskussionen mit dem Klassenkameraden Plinio Designori, der ein Leben außerhalb des Ordens anstrebt und das weltabgewandte Leben scharf angreift. Ein wesentlicher Schritt auf der Karriereleiter ist weiterhin Knechts Gesandtschaft in ein katholisches Kloster. Auch dies ein Stück Außenwelt, das er kennenlernt, zumal ihn ein Pater in die Geschichtswissenschaft einweist, die als zutiefst „weltliches“, in der Materialität verhaftetes Fach im kastalischen Kanon keinen Platz hat.
Knecht muss erkennen, dass aufgrund der weltpolitischen Lage auch die Existenz Kastaliens auf tönernen Füßen steht. Von den Ordensbrüdern, die er warnt, nicht verstanden und zur Ordnung gerufen, verlässt er die Gelehrtenwelt, um sich dem Dienst an einem jungen Manne zu widmen, dem rohen und unerzogenen Naturburschen Tito Designori, dem Sohn seines alten Widersachers Plinio. Als Knecht mit seinem neuen Schüler in einem Bergsee schwimmen möchte, stirbt er im eiskalten Wasser. In der Schlussszene des Romans bringt Tito „der Sonne und den Göttern im Tanz seine fromme Seele zum Opfer dar“. Leben und Sterben seines noch ungekannten Meisters, so lässt das Ende anklingen, haben ihn in seinem Streben nachhaltig verändert; wie sich dies äußern wird, bleibt offen.
Sonstiges
- Der geplante Buchtitel lautete noch im Frühling 1943 bei Vertragsabschluss mit dem Schweizer Verlag „Der Glasperlenspielmeister“.
- Die Widmung lautet „Den Morgenlandfahrern“, in Anspielung an seine 1932 erschienene Erzählung Die Morgenlandfahrt.
- Ursprünglich wollte Hermann Hesse Karten als Spielzeuge für sein Spiel benutzen. Erst später entschied er sich dann aber für „Glasperlen“ als (eher metaphorische) Spielzeuge.
Buchausgaben
Nach eigenen Angaben hat Hesse Ende 1930 mit der Arbeit an seinem Magnum Opus begonnen. Am 29. April 1942 schloss er diese ab, im Februar 1943 arbeitete er aber nochmals ein Kapitel um. Allein von der Einleitung existieren vier Fassungen: die letzte wurde im Dezember 1934 in der Neuen Rundschau vorabgedruckt, die drei vorherigen wurden 1977 erstmals veröffentlicht. Am 18. November 1943 erschien die Erstausgabe in Zürich, nachdem Peter Suhrkamp vom deutschen Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda im Sommer 1942 ein definitives Druckverbot für den S. Fischer Verlag erhalten hatte. Nach der Nobelpreisverleihung an Hesse durfte Suhrkamp im Dezember 1946 das Werk in Lizenz in Deutschland herausgeben, allerdings im Gegensatz zur Zürcher Ausgabe in Fraktur gesetzt. 1951 erschien im Suhrkamp Verlag eine erste einbändige Ausgabe im Rahmen der Gesammelten Werke Hesses, in einer Garamond gesetzt. Die erste Taschenbuchausgabe erschien 1972.
- Das Glasperlenspiel. Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften. Herausgegeben von Hermann Hesse. 2 Bände. Fretz & Wasmuth, Zürich 1943.
- Das Glasperlenspiel. Suhrkamp, Berlin 1951.
- Das Glasperlenspiel. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1972, ISBN 3-518-36579-7 (= st 79).
- Das Glasperlenspiel. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-518-41105-5 (= Sämtliche Werke 5).
Literatur
- Maurice Blanchot: Das Spiel der Spiele. In ders.: Der Gesang der Sirenen. Hanser, München 1962; Ullstein, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-548-35139-5, S. 238–251.
- Elke-Maria Clauss (Hrsg.): Hermann Hesse: Das Glasperlenspiel. Reclam, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-15-016056-5 (= Reclams Universal-Bibliothek 16056).
- Maria-Felicitas Herforth: Hermann Hesse: Das Glasperlenspiel. Bange, Hollfeld 2001, ISBN 3-8044-1700-0 (= Königs Erläuterungen & Materialien 316).
- Volker Michels (Hrsg.): Materialien zu Hermann Hesses «Das Glasperlenspiel». 2 Bände:
- Band 1: Texte von Hermann Hesse. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1973, ISBN 3-518-36580-0 (= st 80).
- Band 2: Texte über das Glasperlenspiel. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1974, ISBN 3-518-06608-0 (= st 108).
- Volker Michels (Hrsg.): Von Wesen und Herkunft des Glasperlenspiels. Die vier Fassungen der Einleitung zum Glasperlenspiel. Mit einem Essay von Volker Michels. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-518-06882-2 (= st 382).
Weblinks
- Günther Gottschalk: Beads und Bytes. Das Glasperlenspiel, das Weltwissen und das Internet; Vortrag gehalten vor der Hesse-Gesellschaft Solothurn/Schweiz am 28. Juli 2000 (PDF-Datei; 172 kB)
- Zusammenfassung des Buchinhalts
- Playable Variants Verschiedene spielbare Umsetzungen des Glasperlenspiels (Englisch)
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Das Glasperlenspiel aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |