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Deixis
Deixis (von griech. δείκνυμι, „zeigen“), auch indexikalische Semantik, ist ein Fachbegriff aus der Sprachwissenschaft. Er bezeichnet die Bezugnahme auf Personen, Orte und Zeiten im Kontext,[1] die mit Hilfe von deiktischen oder indexikalischen Ausdrücken wie ich, du, dort, hier, morgen, heute ... erfolgt.
Überblick
Eine Sprechsituation ist eine Situation, in der ein Sprechakt vollführt wird. Sie fasst im weitesten Sinne alle Informationen zusammen, die während des Sprechaktes implizit gegeben sind, also nicht explizit verbal geäußert werden. Dazu gehören beispielsweise der Raum, in dem sich die Kommunizierenden befinden, das Weltwissen, über das die am Sprechakt beteiligten Personen verfügen, oder Informationen über den Zeitpunkt, zu dem kommuniziert wird.
Deiktische Ausdrücke sind solche Ausdrücke, die sich auf eine dieser nicht verbal gegebenen Informationen beziehen, deren Bedeutung also erst in der bestimmten Sprechsituation ersichtlich wird.[2] Man nennt solche Ausdrücke auch indexikalische Ausdrücke, deiktische Ausdrücke, Indexausdrücke',[2] Deiktika[2] (Singular: Deiktikon), Indikatoren oder auch Zeig(e)wörter.
„Deiktisch sind jene Ausdrücke, die auf die personellen, temporalen oder lokalen Charakteristika der Sprechsituation verweisen, z. B. ich – du, jetzt – dann, hier – da.“
Die Deixis wird je nach Situation und Standpunkt entweder der Semantik oder der Pragmatik zugeordnet, oder auch als deren Bindeglied gesehen.[3]
Reale Deixis, Anapher und „Deixis am Phantasma“
Deiktische Ausdrücke sind Ausdrucksmittel, mit denen ein Sprecher den Hörer in einem Verweisraum (Situation, Vorstellung, Text, Diskurs) orientiert. Basis ist die Hier-Jetzt-Ich-Origo (lat. hic-nunc-ego-Origo), wie sie Karl Bühler beschrieben hat.[4] Das ist der Nullpunkt (lateinisch origo) des Bezugssystems, von dem aus gezeigt wird.
Der Nullpunkt kann sich aus den realen Ich-Hier-Jetzt-Koordinaten des Sprechers ergeben. Der Verweis auf etwas erfolgt dann „im konkreten Wahrnehmungsraum“[5] des Sprechers.
Daneben gibt es nach Bühler auch das anaphorische Zeigen und die „Deixis am Phantasma“. Bei der Deixis am Phantasma bezieht der Sprecher den Nullpunkt auf einen Punkt, der der Ausgangspunkt seiner Darstellung eines Geschehens sein soll.[6]
Die grammatischen Theorien zur Perspektivierung oder Sprecherperspektive sollen daran anknüpfen.[7]
Dimensionen von Deixis
Es gibt unterschiedliche Deixisauffassungen.[8] (vgl. Indexikalität)
- Personaldeixis (ich, du): Um zu wissen, auf wen oder was diese Deixis zeigt, muss man wissen, wer der Sprecher bzw. Hörer ist, also die Gesprächssituation kennen.
- Obviativ (lat. obvius, „entgegenkommend“) stellt, etwa bei einigen nordamerikanischen Sprachen, über spezielle Pronomina die Möglichkeit zur Verfügung, zwischen „unmittelbar vorerwähnt“ (proximat) und „nicht unmittelbar vorerwähnt“ (obviativ) morphologisch zu differenzieren. Beispiele dt. dieser – jener und lat. iste – ille
- Objektdeixis (dieser, jener): Ein Demonstrativpronomen verweist auf Näheres (Proximal) oder Ferneres (Distal) mit Bezug auf den Sprecher oder Hörer (Medial).
- Lokale Deixis (auch: Lokaldeixis) (hier, dort): Lokaladverbien können auch mit Bezug auf den Sprecher bzw. Hörer auf Näheres und Ferneres verweisen.
- Temporale Deixis (auch: Temporaldeixis) (jetzt, dann): Ein Bezug zum Äußerungszeitpunkt wird hergestellt. Hierher gehören auch die Tempusformen.
- Textdeixis bzw. Diskursdeixis bezieht sich auf vorangehende/folgende Elemente eines Textes: In vielen Sprachen können hierfür auch Demonstrativpronomina verwendet werden. (Was ich sagen will, ist dies/Folgendes: ...)
Manche Autoren sprechen darüber hinaus von einer sozialen Deixis (auch: Sozialdeixis), die sich auf den sozialen Status der am Sprechakt Beteiligten beziehen lasse (Sie, Du). Die Sozialdeixis wird zum Teil als „Spezifizierung der Personaldeixis“ [9] angesehen.
Stufen lokaler Deixis
In Anlehnung an die Person des Sprechers (1. Person) und des Hörers (2. Person) können die folgenden Stufen lokaler Deixis unterschieden werden:
- Nahdeixis, Proximal, Deixis der ersten Person: Es wird auf den Sprecher (ich), auf den Raum in der Nähe des Sprechers (hier), oder einen Gegenstand bzw. eine Person aus diesem Raum verwiesen (dies),
- Medial, Deixis der zweiten Person: Es wird auf den Hörer (du), den Raum in der Nähe des Hörers (spanisch: ahí), oder einen Gegenstand bzw. eine Person aus diesem Raum verwiesen (spanisch: eso, Italienisch: codesto); im Deutschen gibt es keine besonderen Ausdrucksmittel für die mediale lokale Deixis,
- Ferndeixis, Distal, Deixis der dritten Person: Es wird auf eine Person (die so genannte 3. Person), die weder Sprecher noch Hörer ist, auf einen Raum, der von Sprecher und Hörer entfernt ist (dort), oder auf einen Gegenstand bzw. eine Person aus diesem Raum verwiesen (jener).
- Für einige indigene Sprachen Amerikas und im Singhalesischen wird noch eine weitere (seltene) Stufe für einen Raum, der sehr weit von Sprecher und Hörer entfernt ist, angenommen (Obvial).
In den meisten Sprachen besteht mindestens eine Unterscheidung von Nah- und Ferndeixis. Verfügt eine Sprache bei der lokalen Deixis über mediale Ausdrucksmittel, so verfügt sie auch über eine Unterscheidung von Distal und Proximal.
Deixisflexion
Deixis kann nicht nur durch freie Wörter, etwa Demonstrativpronomina, ausgedrückt werden, sondern auch durch gebundene Morpheme, etwa durch an das Substantiv anfügbare Suffixe – so etwa im Slavomakedonischen:
žena (indefinit: „(eine) Frau“) žena=ta (definit-medial: „die Frau“) žena=va (definit-proximal: „diese Frau hier“) žena=na (definit-distal: „jene Frau dort“)
Dabei kongruiert das jeweilige Suffix flexivisch mit dem dazugehörigen Substantiv in Genus und Numerus:
Plural: ženi=te (medial), ženi=ve (proximal), ženi=ne (distal)
Siehe auch
Literatur
→ zu einschlägiger sprachphilosophischer Literatur siehe die Bibliographie bei Braun (unter Weblinks)
- Holger Diessel: Demonstratives. Form, function and grammaticalisation. Benjamins, Amsterdam 1999, ISBN 1-55619-656-3. (Typological studies in language; Bd. 42)
- Gabriele Diewald: Deixis und Textsorten im Deutschen. Niemeyer, Tübingen 1991, ISBN 3-484-31118-5. (=Reihe Germanistische Linguistik, Bd. 118)
- Konrad Ehlich: Verwendungen der Deixis beim sprachlichen Handeln. Linguistisch-philologische Untersuchungen zum hebräischen deiktischen System. Lang, Frankfurt 1979, ISBN 3-8204-6308-9.
- Klaus Sennholz: Grundzüge der Deixis. Studienverlag Brockmeyer, Bochum 1985. (Bochumer Beiträge zur Semiotik, 9)
- Claus Ehrhardt, Hans Jürgen Heringer: Pragmatik. Fink, Paderborn 2011, S. 19–29. (Deixis und Anaphorik)
Weblinks
- David Braun: „Indexicals“ in der Stanford Encyclopedia of Philosophy (englisch, inklusive Literaturangaben)
Einzelnachweise
- ↑ Claus Ehrhardt; Hans Jürgen Heringer: Pragmatik. Fink, Paderborn 2011 (UTB 3480), ISBN 3-8252-3480-0, S. 147.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Indexikalität. In: Arnim Regenbogen, Uwe Meyer (Hrsg.): Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Meiner, Hamburg 2005.
- ↑ Deixis. In: Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft. 3. Auflage. 2002.
- ↑ Karl Bühler: Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Ullstein, Frankfurt/ Berlin/ Wien 1978, S. 102ff. (Erstausgabe 1934)
- ↑ Christa Dürscheid: Syntax. Grundlagen und Theorien. 5. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010, ISBN 978-3-8252-3319-8, S. 177. (UTB, 3319)
- ↑ Christa Dürscheid: Syntax. Grundlagen und Theorien. 5. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010, ISBN 978-3-8252-3319-8, S. 177. (UTB, 3319)
- ↑ Christa Dürscheid: Syntax. Grundlagen und Theorien. 5. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010, ISBN 978-3-8252-3319-8, S. 177. (UTB, 3319)
- ↑ Vgl. Vater: Referenz-Linguistik. 2005, S. 16.
- ↑ Ehrhardt, Heringer: Pragmatik. Fink, Paderborn 2011, S. 134. (UTB 3480)
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Deixis aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |