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Diakonie
Unter Diakonie (altgriechisch διακονία diakonia ‚Dienst‘ von διάκονος ‚Diener‘) versteht man alle Aspekte des Dienstes am Menschen im kirchlichen Rahmen. Die christliche Theologie sieht in der Diakonie neben dem Zeugnis (altgriechisch μαρτυρία martyria) und der Gottesdienstgestaltung (altgriechisch λειτουργία leiturgia) eines der Wesensmerkmale (Grundvollzüge) der Kirche.
Ausprägungen der Diakonie
Die Diakonie ist teilweise auf der Ebene der Kirchengemeinden verankert; dies gilt vor allem für Kindergärten, Besuchsdienste, Zuwendungen in geringerem Maße, Alten- und Pflegeheime sowie – bis zu Beginn der 1990er-Jahre – Pflegedienste, die oft von „Gemeindeschwestern“, oftmals waren es Diakonissen, versehen wurden. Während die pflegerischen Dienste (Diakonie- und Sozialstationen) meist erst seit etwa 1990 bei kreiskirchlichen diakonischen Werken angesiedelt sind, gilt dies für Beratungsstellen und größere Unterstützungsfonds schon länger. Zentrale Organisationsleistungen wurden eher von den landeskirchlichen diakonischen Werken wahrgenommen. Krankenhäuser und andere soziale Einrichtungen waren seit jeher meist in eigenständigen diakonischen Organisationen verortet, wobei mittlerweile vielfach die Rechtsform der gemeinnützigen GmbH gewählt wird.
Im Bereich des kollektiven Arbeitsrechts gilt das kirchliche Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG.EKD), ein Gesetz, das – vor dem Hintergrund des sog. 3. Wegs im Individualarbeitsrecht – die Dienstgemeinschaft als bestimmend ansieht, im Wesentlichen auf einen Aushandlungsprozess abzielt und deshalb – im Vergleich zum Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) – weitergehende Rechte der Arbeitnehmervertretung vorsieht; so ist zum Beispiel eine Kündigung nur mit Zustimmung der Mitarbeitervertretung zulässig.
Der Begriff „Diakonie“ wird auch verkürzt für die Diakonischen Werke und deren soziale Einrichtungen in Deutschland, die Diakonie Österreich und diakonische Einrichtungen in der Schweiz gebraucht. In Deutschland wird das Diakonische Werk von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), ihren Gliedkirchen, der Alt-Katholischen Kirche und mehreren evangelischen Freikirchen getragen. Die römisch-katholische Entsprechung ist die Caritas.
Biblische Grundlagen
Alttestamentliche Begründungen
Im ersten Schöpfungsbericht wird die Gottebenbildlichkeit des Menschen betont (Gen 1,27 EU). Der gleiche Gedanke liegt auch Ps 8,5 EU zu Grunde.
Das Alte Testament beschäftigt sich häufig mit der Not von Außenseitern und anderen Menschen. So wird etwa in Lev 19,33–34 EU u. ö. die Gleichbehandlung von Fremden und Einheimischen angemahnt. Dtn 24,17 EU ergänzt die Forderung um Waisen und Witwen; ähnlich z. B. Ps 82,3 EU.
Schließlich ist die Sorge Gottes für die Bedürftigen zu nennen. Jesaja 57,15 EU betont die Nähe Jahwes zu den Notleidenden.
Neutestamentliche Begründungen
Im Neuen Testament treten zunächst Erzählungen Jesu in den Blick. Das bekannteste Beispiel ist wohl das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,30 EU): der den jüdischen Zuhörern verhasste Mann aus der samaritanischen Religionsgemeinschaft sorgt sich in vorbildlicher Weise um einen Überfallenen. Zudem ist das Gleichnis vom Weltgericht in Mt 25,31–46 EU in dieser Hinsicht besonders wichtig. Es gipfelt in Mt 25,40 LUT: „Was ihr getan habt einem unter diesen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ Zudem gibt Jesus uns Beispiele diakonischen Handelns, etwa wenn er in Joh 5,5–6 EU die Not eines Kranken erkennt und sich seiner annimmt. Ähnlich auch das Magnificat (Lk 1,46–54 EU), in dem Maria Gott lobt, weil er sich der Notleidenden annimmt.
In seinen Weherufen Mt 23,1–36 EU gegen die religiöse Oberschicht seiner Zeit macht Jesus klar, dass gerade die Vernachlässigung des Engagements für soziale Gerechtigkeit, Krankenpflege, Armenfürsorge, Sorge für Witwen und Waisen, bei gleichzeitigem zur Schau stellen einer oberflächlichen Frömmigkeit eine massive Verirrung im Judentum seiner Zeit war. Seine Warnungen sprechen aus heutiger Perspektive auch die christliche Gemeinde an und halten dazu an, nebst Mission und Gottesdienstgestaltung sich auch jener Menschen anzunehmen, derer sich sonst niemand annimmt.
Diakonie als Funktion der christlichen Gemeinde lässt sich schon in den ersten Beschreibungen des Gemeindelebens der Jerusalemer Urgemeinde nachweisen (Apg 2,41–47 EU); erwähnt werden hier Gütergemeinschaft und die fürsorgende Unterstützung bedürftiger Gemeindemitglieder. Das Amt des Diakons beruht auf der ersten Erwähnung von Diakonen in Apg 6,1–7 EU zur Armenpflege.
Paulus schließlich bezeichnet die Diakonie – das gegenseitige Lastentragen – als Erfüllung des Gesetzes Christi (Gal 6,2 EU).
Während zahlreiche diakonische Dienste, die in der Antike und im frühen Mittelalter von der Kirche getragen wurden (Gründung und Führung von Hospizien, Armenhäusern, Waisenheime) heute mehr und mehr vom Staat getragen werden, muss vom biblischen Menschenbild her klar gesehen werden, dass die Kirche den diakonischen Auftrag niemals ganz an staatliche Institutionen abgeben kann. Damit würde sie sich dafür aussprechen, dass alles, was der Mensch zum Leben braucht, Obdach, Kleidung und Nahrung sei. Ein liebevolles Gegenüber, Würde und Sinn vermittelnde Nähe und tragende soziale Kontakte können notleidenden Menschen von professionellen, staatlichen Institutionen nur bedingt geboten werden. Deshalb verbindet man bis heute mit dem Begriff Diakonie auch den privaten, persönlichen Einsatz von ehrenamtlich tätigen Personen, die sich, oft in Verbindung und Zusammenarbeit mit einer Kirche, um das Wohl notleidender Menschen kümmern.
Siehe auch
Literatur
- Gottfried Hammann: Die Geschichte der christlichen Diakonie. Praktizierte Nächstenliebe von der Antike bis zur Reformationszeit. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, ISBN 3-525-52191-X
- Paul Philippi, Pieter Johan Roscam Abbing, Jürgen Albert u.a.: Diakonie I. Geschichte der Diakonie II. Theologische Grundprobleme der Diakonie III. Diakoniewissenschaft/Diakonik IV. Arbeitsfelder heutiger Diakonie V. Ausbildung und Fortbildung. In: Theologische Realenzyklopädie 8 (1981), S. 621-683
- Reinhard Turre: Diakonik. Grundlegung und Gestaltung der Diakonie. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1991, ISBN 3-7887-1316-X
- Gerhard K. Schäfer, Theodor Strohm: Diakonie – biblische Grundlagen und Orientierungen. Carl Winter, Heidelberg ³1998, ISBN 3-8253-7094-1
- Uwe Becker (Hrsg.): Perspektiven der Diakonie im gesellschaftlichen Wandel. Neukirchener Verlagsgesellschaft, Neukirchen-Vluyn 2011; ISBN 978-3-7887-2517-4
- Daniela Schwegler, Susann Bosshard-Kälin: Unter der Haube – Diakonissen erzählen aus ihrem Leben; Huber, Zürich 2011, ISBN 978-3-7193-1567-2.
Weblinks
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Diakonie aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |