Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Dodi Pugatsch

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Dodi Pugatsch

Dr. med. Isidor "Dodi" Pugatsch (geb. 18. Februar 1928; gest. 12. Dezember 2024)

Leben

  • Nachruf auf Dodi Pugatsch, in: tachles, 20. Dez 2024. Von Yves Kugelmann

Da geht ein «Mensch»

Mit Dodi Pugatsch verliert die jüdische Gemeinschaft Zürichs einen Humanisten und jüdischen Denker, der ganze Generationen prägte.

Er war Arzt aus Liebe zu den Menschen, noch vor jener zur Wissenschaft. Mit Esprit, Humor und Humanismus begegnete Dodi Pugatsch den Menschen und konnte vor allem eines: zuhören. Dann verstehen, nachvollziehen und analysieren. Er betrachtete Menschen – Patienten oder Gesprächspartner – immer aus deren Perspektive, in die er sich einfühlte. Er versuchte nicht zu überzeugen oder bessere Argumente zu finden, sondern liess die Menschen zu sich kommen. Es war diese Bescheidenheit, die keine Demut oder falsch verstandene Attitüde war, die jede Begegnung zu einer werden liess, an der Menschen wachsen konnten. Dodi Pugatsch lebte im Jetzt, ging mit der Zeit und blieb selbst im hohen Alter neugierig auf Neues und auf andere. Die Erinnerung an seine Jugend war keine Nostalgie, sondern Ausdruck tiefer Dankbarkeit – für eine schöne Jugend trotz schwerer Ausgangslage, für die Möglichkeit eines Studiums und eines Lebens in Freiheit, wohl wissend, dass all dies nicht selbstverständlich war.

Dodi Pugatsch wurde 1928 in Bern als Sohn zweier jüdischer Familien geboren, die durch Migration und Verlust geprägt waren. Sein Vater verlor früh neun Geschwister und den eigenen Vater, während seine Mutter in einer liberalen traditionellen Familie aus Odessa aufwuchs. Beide Familien zogen um die Jahrhundertwende in die Schweiz. Dodi Pugatschs Kindheit war von Antisemitismus und den wirtschaftlichen Herausforderungen der Zeit geprägt, dennoch förderten seine Eltern Bildung, Kultur und Gastfreundschaft.

Humanismus statt Handwerk

Er studierte Medizin und führte über 35 Jahre eine internistische Praxis, in der er Wissen mit Empathie verband. Für ihn war der respektvolle Umgang mit Patienten essenziell, denn er sah den Arztberuf nicht nur als technisches Handwerk, sondern als humanistische Aufgabe. Neben seiner Praxis engagierte er sich in sozialen und jüdischen Organisationen und schätzte intellektuelle Diskussionen, wie sie etwa im Diskussionszirkel seines Freundes Max Strassberg stattfanden.

Pugatsch war ein überzeugter Humanist, dem Werte wie Gerechtigkeit, Offenheit und Dialog am Herzen lagen. Er empfand tiefe Dankbarkeit für seine Familie, insbesondere für seine Frau Miriam, mit der er vier Töchter grosszog, sowie für seine Enkelkinder, deren Wachstum ihn erfüllte. Der frühe Verlust eines Enkels traf ihn jedoch schwer – der Arzt, der Leben rettete, stand auf einmal ohnmächtig vor dem grossen Ganzen, das ihn im Alter wieder umso mehr beschäftigen sollte. Ein Agnostiker, der nicht haderte, jedoch fragte.

Sein Engagement reichte weit über die Praxis hinaus: Er schrieb populärmedizinische Artikel, unterrichtete und war aktiv in jüdischen und sozialen Netzwerken. Seine Arbeit mit Flüchtlingen und sein Interesse am interkulturellen Austausch spiegelten seine Werte von Humanität und Solidarität wider.

Das jüdische Rätsel

Pugatsch engagierte sich auch politisch und kulturell, etwa in der Gesundheitsbehörde und in der jüdischen Gemeinde. Reisen nach Israel und Begegnungen mit Zeitgenossen wie Martin Buber prägten seine Weltanschauung. Er kritisierte moderne Entwicklungen wie den Verlust menschlicher Nähe in der Medizin und warnte vor den Gefahren der Datentechnologie. Der Zufall führte ihn in die Welt der Medien – zuerst durch eine lebenslange Freundschaft mit dem Text- und Fotoagenten Frank Dukas, der jahrzehntelang für die «Jüdische Rundschau» und später tachles arbeitete. Durch ihn fand Pugatsch zu seiner eigenen Passion. Über Jahrzehnte erstellte er Kreuzworträtsel, unter anderem für tachles, und tauchte tief in den Kosmos jüdischer Quellen, Sprachen und Wissenschaft ein. Im Jahre 2021, im Alter von 93 Jahren übergab er den Stab des Rätselmachers an Felix Liatowitsch. Leicht fiel es dem wissbegierigen Perfektionisten nicht – doch die zunehmende Sehschwäche führte seiner Ansicht nach zu Fehlerrisiken.

Seine Philosophie wurzelte in Dankbarkeit und der Akzeptanz menschlicher Grenzen. Er betrachtete das Leben mit Ehrfurcht und plädierte für eine Haltung der Rücksichtnahme und des Dialogs. Der stete Appell an Menschlichkeit und Verantwortung in einer komplexen Welt wurde zu seinem Vermächtnis, das er aus einem aufgeklärten Judentum schöpfte. Aus einem inneren Dialog mit einem Judentum, das ihn zeitlebens umtrieb. Bis zuletzt. Im Zentrum stand stets der Mensch. An diesen glaubte er, und durch diesen lebte er.