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Emslandlager Dalum
Das Emslandlager Dalum, auch Emslandlager XII genannt, bestand von 1939 bis 1945 zwei Kilometer westlich des Dorfes Dalum.
Geschichte
Errichtung des Lagers
Bei einer Besprechung von Beamten mehrerer Reichministerien am 7. Juli 1936 war beschlossen worden, zur Beschleunigung der Urbarmachung der Moore im Emsland vermehrt Strafgefangene heranzuziehen.[1] Denn Gefangene konnten wesentlich rücksichtsloser einzusetzt und ausgenutzt werden als der Reichsarbeitsdienst (RAD), der bei den Kultivierungsarbeiten im Moor seine Zusagen nicht einhielt, weder was Zahl der eingesetzten Männer betraf, noch deren Leistung.[2] Nachdem der Reichsarbeitsdienst abgezogen war, begannen im Frühjahr 1938 die Bauarbeiten für weitere Emslandlager, darunter das Lager XII Dalum. Doch bereits wenige Monate später, im August 1938, wurden 10 Baracken wieder abgebaut und im Rahmen des Projektes Westwall an die französische Grenze bei Zweibrücken verlegt. Nach der Münchner Konferenz und der Eingliederung des Sudetenlandes wurden die Baracken am Westwall wieder ab- und im Lager Dalum wieder aufgebaut. Im Mai 1939 war das Lager fertiggestellt, bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges allerdings noch nicht mit Strafgefangenen belegt.
Kriegsgefangenenlager
Im September 1939 übernahm das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) das Lager Dalum - ebenso wie die anderen acht neuen Emslandlager. Organisatorisch war es als eines von mehreren Zweiglagern dem Mannschaftsstammlager Bathorn VI C (Stalag VI C) zugeordnet. Im Lager VI C wurden 1939 ca. 5.000 polnische Kriegsgefangene inhaftiert, die meisten von ihnen lediglich als Durchgangsgefangene. Im Dezember 1939 waren im gesamten Stalag VI C nur noch 571 Polen registriert.[3]
1940 war das Lager Dalum hauptsächlich von französischen Kriegsgefangenen belegt.
Die Gefangenen wurden per Reichsbahn zunächst nach Osterbrock befördert und marschierten von dort die etwa 7 km lange Strecke vom Bahnhof durch das Dorf Dalum bis ins Lager, eskortiert von Wachmannschaften.
Hoffnungslos überbelegt wurde das Lager, nachdem den deutschen Truppen im Sommer und Herbst 1941 mehr als 2 Millionen Soldaten der Roten Armee gefangen genommen hatte. Im September 1941 waren im Lager Dalum 4.100 sowjetische Kriegsgefangenen zusammengepfercht.[4] In der Regel behandelte die Wachmannschaft westliche Gefangene besser als osteuropäische, da letztere aufgrund der von den Nazis propagierten Rassenideologie als „lebensunwert“ galten. Insbesondere im sehr kalten Winter 1941/1942 war die Krankheits- und Sterblichkeitsrate äußerst hoch – bedingt durch körperlich harte Arbeit, durch Nässe, unzureichende Bekleidung und Verpflegung sowie die unhygienischen Zustände infolge der Überbelegung in den Baracken.[5]
Der Lagerfriedhof
Nachdem die ersten russischen Kriegsgefangenen, die im Lager Dalum starben, auf dem Friedhof der katholischen Gemeinde Dalum bestattet worden waren, regte sich Widerstand. Der Lagerkommandant meldete dem Wehrkreiskommando Münster am 20. August 1941: Mit der Zunahme der Todesfälle bei den russischen Kriegsgefangenen ... hat auch die Erregung der Bevölkerung zugenommen, die nicht dulden will, das Bolschewisten auf ihrem Friedhof beerdigt werden.[6] Daraufhin wurde zwei Kilometer vom Lager entfernt ein Lagerfriedhof eingerichtet, auf dem 8.000 - 16.000 Tote ruhen.[7] Die meisten von ihnen sind in Massengräbern beigesetzt; nur wenige sind namentlich bekannt. Bei dieser hohen Zahl muss allerdings berücksichtigt werden, dass auch verstorbene Gefangene aus anderen Lagern (Alexisdorf, Wietmarschen) hier bestattet wurden.
Arbeitsalltag
Zur Arbeit im Moor wurden die Gefangenen mit einer Feldbahn zu den jeweiligen Einsatzorten im Dalum-Wietmarscher Moor gefahren. Alle Lager des Lagerkomplexes waren an eine solche Feldbahn angebunden, die u.a. auch zur - natürlich dürftigen - medizinischen Versorgung durch sogenannte Lagerärzte genutzt wurde.
Ab 1941 wurden die Gefangenen mehr und mehr statt im Moor in der Landwirtschaft eingesetzt, in geringerer Zahl auch in örtlichen Gewerbebetrieben. Denn es galt, die zur Wehrmacht eingezogenen Arbeitskräfte zu ersetzen. Im Dorf Bathorn - und anderenorts lief es ähnlich - geschah dies folgendermaßen: Vorab konnte nahezu jeder Ortsangehörige, der einen Hof oder Betrieb besaß, einen Antrag für die Zuweisung von Gefangenen stellen. Wurde dem Antrag stattgegeben, wurden die Lagerinsassen morgens zu einem Sammelpunkt eskortiert und dort vom Landwirt bzw. vom Auftraggeber abgeholt. Es war ausdrücklich verboten, die Gefangenen in das familäre Leben einzubeziehen, wie z.B. Mahlzeiten am gleichen Tisch einzunehmen, geschweige denn, engeren Kontakt zu ihnen zu knüpfen. Diese Verbote wurden nicht immer befolgt - weder von den Gefangenen, noch von den Landwirten selbst. Die Wachmannschaften waren allerdings gehalten, regelmäßig die Arbeit und das Verhalten der Gefangenen zu kontrollieren. Abends mussten die Lagerinsassen wieder zum Sammelpunkt gebracht werden, von dort ging es zurück ins Lager.
Dass die Gefangenen im Lager Dalum schlecht behandelt wurden, konnte in Dalum nicht verborgen bleiben. Die Emslandlager wurden vor der Bevölkerung bewusst nicht „versteckt“; sie sollten als Warnung vor oppositionellem Verhalten dienen.
Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme
Vom 5. Juni 1942 bis zum November 1944 wurde das Lager von der Luftwaffe als Gerätelager in Anspruch genommen.
Ab Mitte November 1944 wurden etwa 2.000 Männer aus Rotterdam nach Dalum gebracht. Sie gehörten zu den insgesamt fast 50.000 Männern zwischen 17 und 40 Jahren, die am 10./11. November 1944 im Rahmen einer Razzia in Rotterdam festgenommen worden waren und zum Arbeitseinsatz in Deutschland gezwungen wurden. Doch schon nach zwei, drei Wochen, bis Mitte Dezember, wurden die Gefangenen aus Rotterdam auf andere Zwangsarbeiterlager verteilt.[8]
Denn seit November 1944 war das Lager Dalum ein Nebenlager des Konzentrationslagers Neuengamme (KZ-Außenlager Meppen-Dalum).[9] Etwa 2.500 Gefangene wurden von Neuengamme nach Dalum und Versen „verbracht“. Dazu die Aussage eines dänischen Häftlings:[10]
- Unmittelbar nach Neujahr 1945, etwa am 1./2.1. 1945, wurden wir in Richtung Dalum in Marsch gesetzt, und zwar zunächst mit der Eisenbahn, den Rest zu Fuß. Der Transport dauerte 2 bis 3 Tage. Er umfasste etwa 1000 Häftlinge, darunter etwa 100 Dänen und 5 Norweger. [...] Als wir in Dalum ankamen, waren noch keine anderen Häftlinge dort.
Die aus dem KZ Neuengamme nach Dalum und Versen verlegten Häftlinge sollten im Raum Meppen Verteidigungsstellungen (Panzergräben) gegen die aus den Niederlanden anrückenden Alliierten ausheben (Projekt Friesenwall). Häftlinge aus dem Lager Versen sprachen später von völlig sinnlosen Maßnahmen, da die britischen, polnischen und kanadischen Truppen einfach über die befestigten Straßen durchs Moor kamen.
Die Wachmannschaften
Die Wachmannschaft bestand Anfang 1945 lediglich aus fünf SS-Leuten, denen bis zu hundert Marinesoldaten zugeordnet waren. (Ältere Marinesoldaten wurden damals häufig als „ausgediente“ Soldaten, die nicht mehr zum Fronteinsatz taugten, in Konzentrations- und Arbeitslagern eingesetzt.)
In dieser letzten Phase des Krieges wurden SS-Untersturmführer Hans Hermann Griem und sein Stellvertreter SS-Unterscharführer Josef Klingler als Lagerkommandatur eingesetzt. Klingler galt als brutal, Griem, der Lebensmittel zu unterschlagen pflegte, zusätzlich als trunksüchtig. Auf seinen Befehl wurden entsetzliche Quälereien und Misshandlungen verübt, darunter sadistische „Revolverschießübungen“ des Kommandanten an seinem „Häftlingsmaterial“. Einige Häftlinge berichteten später von einem besonders grausamen Vorfall: Griem und Klingler verringerten den hohen Krankenstand im Lager, indem sie ein Brett über den lagereigenen Feuerlöschteich legten und 20 offensichtlich kranke Häftlinge darüber trieben. Wer es über den Teich schaffte, galt als gesund genug für die harten Arbeitseinsätze. Zwei Häftlinge schafften es nicht. Griem und Klingler hinderten sie daran, im eiskalten Wasser ans Ufer zu gelangen. Einer der beiden starb am nächsten Tag.
Unterscharführer Josef Klingler wurde nach dem Krieg von einem britischen Militärgericht in Hamburg im März 1947 zum Tode verurteilt.
Räumung des Lagers
Das Lager Dalum wurde, als die Alliierten aufs Emsland vorrückten, am 24. März 1945 aufgegeben. Die noch Arbeitsfähigen mussten gegen Mittag den Fußmarsch antreten, die Kranken wurden in Bahnwaggons in Richtung Cloppenburg transportiert, wo der Zug bombardiert wurde.[11] (Unbestätigten Angaben zufolge überlebten von den 807 Gefangenen, die vor der Räumung im Lager Dalum registriert waren, nur etwa 50.)
Das Lager Dalum sowie Dalum selbst wurden am 6. April 1945 von Teilen der kanadischen 4th Canadian Armoured Division „befreit“, obwohl das Lager zu diesem Zeitpunkt schon vollständig geräumt war.
Nachkriegszeit
Nach Ende des Krieges im Mai 1945 wurde das Lager teilwiese weiterhin genutzt, und zwar - wie auch Lager an anderen Orten - u.a. als Auffanglager für Displaced Persons (DP).
Zwischenzeitlich - um 1950 - richteten sich ein Möbelvertrieb und die Gewerkschaft Elwerath auf dem einstigen Lagergelände ein.[12] Einige Jahre danach wurden die Reste des Lagers abgerissen und das Gelände eingeebnet. Nur ein Transformatorenhaus, das auch dem Wasserwerk nebenan diente, und drei Pfosten des Eingangstores blieben stehen. Diese Überreste des Lagers stehen als mahnende Zeugnisse der Vergangenheit unter Denkmalschutz. Seit 1981 sorgte das Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager dafür, dass das Lager Dalum nicht in Vergessenheit verfiel.
Eine Gruppe ehemaliger dänischer Häftlinge besucht bis heute jedes Jahr das ehemalige Außenlager des KZ Neuengamme und gedenkt der Toten mit einer Kranzniederlegung.
Literatur
- Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager (Hg.): Auf der Suche nach den Moorsoldaten. Papenburg, 3. Aufl. 1991, S. 63-66: Lager XII Dalum.
- Erich Kosthorst, Bernd Walter: Konzentrations- und Strafgefangenenlager im Emsland 1933 – 1945. Droste Verlag, Düsseldorf 1985, S. 109-114: Versen (Lager IX) und Dalum als Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme (bei Hamburg) – November 1944 bis März 1945.
Weblinks
- Lager XII Dalum beim Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager, abgerufen am 29. Dezember 2012
Fußnoten
- ↑ Erich Kosthorst, Bernd Walter: Konzentrations- und Strafgefangenenlager im Emsland 1933 – 1945. Droste Verlag, Düsseldorf 1985, S. 142 und S. 164-165.
- ↑ Erich Kosthorst, Bernd Walter: Konzentrations- und Strafgefangenenlager im Emsland 1933 – 1945. Droste Verlag, Düsseldorf 1985, S. 177-178.
- ↑ http://www.diz-emslandlager.de/lager/lager12.htm, abgerufen am 29. Dezember 2012.
- ↑ Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager (Hg.): Auf der Suche nach den Moorsoldaten. Papenburg, 3. Aufl. 1991, S. 64.
- ↑ Erich Kosthorst, Bernd Walter: Konzentrations- und Strafgefangenenlager im Emsland 1933 – 1945. Droste Verlag, Düsseldorf 1985, S. 110-111.
- ↑ Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager (Hg.): Auf der Suche nach den Moorsoldaten. Papenburg, 3. Aufl. 1991, S. 64-65.
- ↑ Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager (Hg.): Auf der Suche nach den Moorsoldaten. Papenburg, 3. Aufl. 1991, S. 65.
- ↑ Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager (Hg.): Auf der Suche nach den Moorsoldaten. Papenburg, 3. Aufl. 1991, S. 65-66.
- ↑ http://www.gesetze-im-internet.de/begdv_6/anlage_6.html Verzeichnis der Konzentrationslager und ihrer Außenkommandos. Quelle: BGBl. I 1967, S. 234-254, Nr. 260.
- ↑ Wolfgang Benz, Barbara Distel, Angelika Königseder: Der Ort des Terrors. Band 5: Hinzert, Auschwitz, Neuengamme. C.H. Beck, München 2007, Zitat S. 480.
- ↑ Erich Kosthorst, Bernd Walter: Konzentrations- und Strafgefangenenlager im Emsland 1933 – 1945. Droste Verlag, Düsseldorf 1985, S. 109.
- ↑ Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager (Hg.): Auf der Suche nach den Moorsoldaten. Papenburg, 3. Aufl. 1991, S. 66.
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