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Entlastung (Recht)
Unter Entlastung oder in der Schweiz Décharge versteht man die Billigung der Geschäftstätigkeit eines Organs durch die dazu durch Gesetz oder Vertrag berufenen Aufsichtsgremien. Die Billigung wird üblicherweise nachträglich für einen definierten Zeitraum ausgesprochen (z. B. ein Geschäftsjahr). Nach „innen“ wirkt die Entlastung als Vertrauensbeweis („gut gemacht“) und als Vertrauenskundgabe in die Zukunft („weiter so“), nach „außen“ kann die Entlastung bei Vereinen, Genossenschaften und GmbHs einen Verzicht auf Schadensersatz bewirken. Die Entlastung ist nicht einklagbar.
Deutschland
Entlastung der Bundesregierung
Die Bundesregierung wird nach Abschluss eines Haushaltsjahres vom Bundestag und vom Bundesrat entlastet. Sie hat dazu dem Bundestag und dem Bundesrat über alle Einnahmen und Ausgaben sowie über das Vermögen und die Schulden im Laufe des nächsten Rechnungsjahres zur Entlastung Rechnung zu legen (Art. 114 Abs. 1 GG). Die Rechnung ist nach den Bestimmungen der Bundeshaushaltsordnung zu erstellen und wird vom Bundesrechnungshof geprüft.
Mit dem Vorlegen der Jahresrechnung durch die Bundesregierung ist der Antrag auf Entlastung verbunden. Der Bundesrechnungshof legt parallel seine Prüfung über die Haushaltsführung vor. Beides wird im Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags, einem Unterausschuss des Haushaltsausschusses beraten. Der Haushaltsausschuss spricht eine Empfehlung aus, ob der Bundesregierung die Entlastung für das Haushaltsjahr erteilt werden sollte.
Aktiengesellschaft
Die Entlastung des Vorstands oder des Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft durch die Hauptversammlung hat eine kommunikative und eine rechtliche Bedeutung. Bei erfolgreicher Abstimmung (der Vorstand wird entlastet) billigen die Anteilseigner die Geschäftsführung des Vorstandes bzw. des Aufsichtsrates. Die Entlastung enthält jedoch keinen Verzicht auf Ersatzansprüche (§ 120 AktG).
Entlastet wird im Regelfall der gesamte Vorstand, es sei denn, die Hauptversammlung beschließt die Entlastung einzelner Vorstandsmitglieder (§ 120 Abs. 1 AktG).
Eine abgelehnte Entlastung des Vorstandes stellt in den allermeisten Fällen auch einen Vertrauensentzug dar und kann Warnwirkung gegenüber Außenstehenden, insbesondere dem Kapitalmarkt, Kreditgebern und sonstigen Gläubigern entfalten. Gründe für eine Verweigerung der Entlastung können zum Beispiel grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung sein. Nach § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG berechtigt der Vertrauensentzug den Aufsichtsrat zur Abberufung des oder der betreffenden Vorstandsmitglieder, soweit dieser nicht aus offenbar unsachlichen Gründen erfolgte.
Entlastungsbeschlüsse sind anfechtbar, wenn Gegenstand der Entlastung ein Verhalten des Vorstands ist, das einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß beinhaltet[1] oder wenn ein Verstoß gegen die Entsprechungserklärung des § 161 AktG vorliegt[2]. In diesem Fall kann ein Entlastungsbeschluss sogar nichtig sein.[3]
GmbH
Die Entlastung des Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung obliegt den Gesellschaftern nach § 46 Nr. 5 GmbHG. Sie umfasst nur mögliche Regressforderungen, die bei sorgfältiger Prüfung aller Vorlagen und erstatteten Berichten erkennbar waren. Anders als bei der AG bewirkt die Entlastung des Geschäftsführers durch die Gesellschafter den Verzicht auf die der GmbH zustehenden Ersatzansprüche (vgl. § 46 Nr. 8 GmbHG).[4] Diese Verzichtswirkung kann sich auch auf Bereicherungsansprüche erstrecken.[5]
Verein
Der Verein (bzw. dessen formgerecht geladener und beschlussfähig anwesender Teil) bestätigt dem Vorstand, dass er die ihm übertragenen Aufgaben im Sinn des Vereins ordnungsgemäß erfüllt und (das ist wichtiger) die ihm anvertrauten Mittel des Vereins ordnungsgemäß verwaltet hat. Da die Mittel, über die der Vorstand verfügt, nicht ihm gehören, aber andererseits nicht über jede einzelne Verwendung detailliert Anweisung durch die Mitgliederversammlung erteilt werden kann, wird dem Vorstand durch die Entlastung im Nachhinein bestätigt, dass alles, was er mit den Mitteln des Vereins gemacht hat, in dessen Sinn war und durch diesen (nicht mehr durch den Vorstand persönlich) verantwortet wird.
Sofern die Vereinssatzung nichts anderes vorsieht, so erfolgt gemäß § 32 Abs. 1 BGB die Entlastung durch Mehrheitsbeschluss der Mitgliederversammlung, für den gesamten Vorstand oder einzelne Vorstandsmitglieder. Beim Entlastungsbeschluss dürfen die Vorstandsmitglieder nicht mitstimmen (§ 34 BGB). Sofern keine weitreichenderen gesetzlichen Vorschriften entgegenstehen, bedeutet die Entlastung, dass der Verein auf Ansprüche aus Verstößen des Vorstandes verzichtet. Die Entlastung vernichtet jedoch nicht solche Ersatzansprüche des Vereins, für die sich weder aus dem Rechenschaftsbericht des Vorstands noch aus einem etwaigen Prüfungsbericht von Revisoren ein Anhaltspunkt ergab.
Parteien
Parteien sind als Verein organisiert. Für die Entlastung des Parteivorstands gilt deshalb das Vereinsrecht.
Sozialversicherungsträger und kassenärztliche Vereinigungen
Im Bereich der Sozialversicherungsträger, die in Form einer Selbstverwaltungskörperschaft tätig sind, hat die Vertreterversammlung als oberste Organ jährlich über die Entlastung des Vorstands wegen des Rechnungsergebnisses gemäß § 77 Abs. 1 SGB IV zu befinden. Über die Entlastung des Bundesvorstandes und des Geschäftsführers wegen der Rechnungsergebnisse für die Grundsatz- und Querschnittsaufgaben bei der Deutschen Rentenversicherung Bund beschließt die Bundesvertreterversammlung mit der Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der gewichteten Stimmen der satzungsmäßigen Mitgliederzahl. Über die Entlastung des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit beschließt der Verwaltungsrat. Bei den Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen sowie den Ersatzkassen beschließt der Verwaltungsrat (Deutschland) als Selbstverwaltungsorgan über die Entlastung des Vorstands als geschäftsführendes Organ gemäß § 31 Abs. 3a i.V.m. § 35a Abs. 1 SGB IV. Vor dem Entlastungsbeschluss ist eine Rechnungsprüfung durchzuführen. Nach § 31 SVHV, der auf der Ermächtigung in § 78 SGB IV beruht, ist diese ausdrücklich vorgeschrieben.
Im Bereich der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen hat die Vertreterversammlung als oberstes Selbstverwaltungsorgan jährlich gemäß § 79 Abs. 3 SGB V über die Entlastung des Vorstandes wegen der Jahresrechnung zu beschließen.
Die Entlastung hat nicht die Folge, dass Vorstand und Geschäftsführer von einer ggf. bestehenden Haftung befreit werden. Wird die Entlastung verweigert, sind Vorstand und Geschäftsführer verpflichtet, berechtigte Beanstandungen so weit möglich zu beheben oder im nächsten Haushaltsjahr entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Der Entlastungsbeschluss kann die Geschäftsführung verpflichten, über bestimmte Maßnahmen Untersuchungen anzustellen, er kann Auflagen und Vorgaben für die weitere Haushaltswirtschaft enthalten.[6]
Genossenschaft
Bei der Genossenschaft beschränkt sich die Verzichtswirkung der Entlastung (§ 48 Abs. 1 GenG) auf (Bereicherungs- und Schadensersatz-)Ansprüche, die dem entlastenden Organ bekannt sind oder bei sorgfältiger Prüfung bekannt sein konnten[7].
Wohnungseigentumsrecht
Im Wohnungseigentumsgesetz ist die Entlastung der Verwaltung nicht vorgesehen. Die Verwaltung hat daher auf die Erteilung der Entlastung keinen Anspruch, es sei denn, im Verwaltungsvertrag oder in der Teilungserklärung wurde etwas anderes vereinbart.
Ein bestandskräftiger Entlastungsbeschluss bedeutet den Verzicht auf solche Ersatzansprüche, die den Wohnungseigentümern bekannt waren oder die für sie nach sorgfältiger Prüfung erkennbar waren. Die Verwaltung ist nach der Entlastung nicht mehr zu Auskünften über die entlastete Wirtschaftsperiode verpflichtet.[8]
Wurde der Verwalter von der Mehrheit der Eigentümergemeinschaft entlastet, obwohl Fehler in der Jahresabrechnung vorhanden sind oder andere Ansprüche gegen den Verwalter (zum Beispiel wegen Mängel in der Verwaltung) in Betracht kommen, muss die überstimmte Minderheit im Wege der Anfechtungsklage gegen den Mehrheitsbeschluss vorgehen, um den Eintritt der Bestandskraft des Entlastungsbeschlusses zu verhindern.[9]
Schweiz
Aktiengesellschaft
Im Schweizer Aktienrecht wird die Entlastung des Verwaltungsrats (Schweiz) (VR) durch die Generalversammlung als Décharge bezeichnet. Ein Entlastungsbeschluss hat gem. Art. 758 OR zur Folge, dass diejenigen Aktionäre und Aktionärinnen, die der Entlastung zustimmten, für das betreffende Geschäftsjahr ihr gerichtliches Klagerecht gegenüber dem VR verlieren. Die nicht zustimmenden oder sich enthaltenden verlieren ihr Klagerecht erst sechs Monate nach einem solchen Beschluss.
Literatur
- Urban Bacher, Katja Rade: Entlastung von Organmitgliedern – Praxisbeispiele und Folgen einer Nichtentlastung für Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte, in: WiSt 1/2013, S. 41–43.
Einzelnachweise
- ↑ BGH, Urteil vom 25. November 2002, Az: II ZR 133/01
- ↑ BGH, Urteil vom 16. Februar 2009, Az: II ZR 185/07: Leo Kirch gegen Deutsche Bank AG
- ↑ BGH, Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. September 2009, Az: II ZR 174/08
- ↑ Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. (2006), C. F. Müller, S. 285.
- ↑ BGHZ 79, 291.
- ↑ Juris, zuRechnungsabschluss, Jahresrechnung und Entlastung
- ↑ BGH WM 1988, 531, 534 - für den Verein
- ↑ Niedenführ/Kümmen/Vandenhouten, WEG 9. Aufl. § 28 II Rn. 210 m.w.N.
- ↑ BGH Beschluss vom 17.Juli 2003 - V ZB 11/03
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