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Entrückung
Mit dem Begriff Entrückung bezeichnet man in einem mythologischen oder biblischen Zusammenhang das Phänomen, dass eine Person leibhaftig aus der irdisch-konkreten Erscheinungswelt in eine himmlische Sphäre versetzt wird. Im Alten und im Neuen Testament werden mehrere dieser Ereignisse beschrieben. Im übertragenen Sinn wird der Begriff auch für einen Zustand „geistiger Ferne“, wie etwa im Rausch oder dem Traum, der Meditation oder der Trance verwendet.
Griechische Mythologie
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Die Griechischen Sagen berichten vom Elysion, einer „Insel der Seligen“, auf die jene Helden entrückt wurden, die von den Göttern geliebt wurden und denen sie Unsterblichkeit schenken wollten. Auch Entrückungen in Flüsse wurden berichtet[1].
Germanische Mythologie
Die Entrückung, besonders die Bergentrückung ist nach Bächthold-Stäubli [2] auch im germanischen Glauben belegt.
Altes Testament
Im Alten Testament wird eine Entrückung von Henoch (1 Mos 5,24 EU; Heb 11,5 EU) und von Elija (2 Kön 2,11 EU) berichtet. Beide wurden demnach wegen ihres Glaubens durch Gott hinweg- und in den Himmel aufgenommen. Dabei stellte man sich den Aufenthalt in dauernder Nähe Gottes vor (vgl. Paradies), bei dem die Entrückten dem Tode entzogen waren.
Christentum
Im Neuen Testament wird in Offb 12,5 EU von der Entrückung eines Kindes gesprochen. Dieses Kind wird vor allem von der katholischen Kirche mit Jesus Christus gleichgesetzt. Entsprechend wird die dort beschriebene Frau als Gottesmutter Maria (vgl. Mondsichelmadonna) gedeutet.
Evangelische Christen lehnen diese Auslegung teilweise mit der Begründung ab, dass die Offenbarung, die im Jahr 70 nach Christus geschrieben wurde, zukünftige Ereignisse behandele und keine Nacherzählung der Geburt Christi enthalte. Darüber hinaus passe der Zusammenhang, in dem diese Geburt beschrieben wird, nicht zur historischen Situation der Zeit Jesu.
Rom und Byzanz
Von Kaiser Nero wurde angenommen, dass er entrückt worden sei und als Antichrist wiederkehren werde[3]. Auch die spätantike Siebenschläfer-Legende stellt ein Beispiel einer Entrückung dar, hier in einer Höhle[4].
Frühere Entrückungs-Lehren
In der byzantinischen apokalyptischen Tradition vertrat Pseudo-Ephraem im 4. Jahrhundert ein Konzept, das zwischen der Entrückung der christlichen Gemeinde und der Wiederkunft Christi (Parusie) 3½ Jahre ansetzte. Er meinte, die Trübsalszeit würde so lange dauern.[5] Fra Dolcino († 1307) lehrte die Entrückung und die zeitlich davon abgesetzte Wiederkunft Christi auf die Erde. Dolcino war der Ansicht, dass nur seine Gruppe der Apostelbrüder entrückt werde.[6]
Der Baptist Morgan Edwards publizierte 1788 in Philadelphia ein Buch, in dem er wie Pseudo-Ephraem die Ansicht von den 3½ Jahren zwischen Entrückung und Wiederkunft Christi lehrte.[7]
Entrückung im dispensationalistischen Lehrsystem
Im 19. Jahrhundert wurde die Lehre von der Entrückung im Zuge des Dispensationalismus formuliert. Dieser lehrt eine prämillenaristische Eschatologie, in der eine 1000-jährige Herrschaft Jesu Christi über die Erde erwartet wird. Dieser Herrschaft gehe eine Große Trübsalszeit voraus, in der der Antichrist über die Erde herrsche. Die Christen würden vor, während oder nach der Trübsalszeit von der Erde entrückt. Eine Veranschaulichung im Alten Testament sei das Bild von Henoch, der vor dem großen Gericht (Sintflut) entrückt wurde. Als biblische Belegstellen werden 1 Kor 15,23.51.52 EU, Lk 17,34–36 EU und vor allem in 1 Thess 4,16f. EU herangezogen. Laut der dispensationalistischen Auslegung dieser Stellen werden von einem Moment auf den anderen sämtliche gläubigen Christen in einer Art Himmelfahrt von der Erde verschwinden. Das zugrundeliegende griechische Verb harpazo, das mit entrücken übersetzt wurde, bedeutet an sich reißen, rauben.
Bis ins 19. Jahrhundert spielte die Entrückung für die christliche Lehre nur eine marginale Rolle und wurde meist als detaillierte Beschreibung der zweiten Wiederkunft Christi gesehen. Populär wurde sie vor allem durch John Nelson Darby, der in den 1830er Jahren die Lehre von einer zukünftigen Trübsalszeit mit Verweis auf Mt 24 und Mk 13 verbreitete. Diese sogenannte Große Trübsal wurde von den Kirchenvätern und Reformatoren wie Martin Luther oder Johannes Calvin als Ereignis der Vergangenheit gesehen, das mit der Tempelzerstörung im Jahr 70 n. Chr. und der darauffolgenden Judenverfolgung im Zusammenhang stehe. Ein Teil der neocalvinistischen Bewegung ist immer noch dieser Meinung. Seit Darby hat sich in großen Teilen der evangelikalen Bewegung die Deutung verbreitet, dass die Entrückung am Ende der Weltgeschichte liege. Es folgte eine Diskussion, ob die Entrückung – die nun losgelöst vom zweiten Kommen Christi gesehen wurde – vor, während oder nach der Großen Trübsal eintreten werde, wobei die Vorentrückungslehre am weitesten verbreitet ist.
Der anglikanische Bischof und Neutestamentler Nicholas Thomas Wright, dessen Bücher auf Deutsch in evangelikal geprägten Verlagen erscheinen, kritisiert das dispensationalistische System und die Auslegung von 1 Thess 4,16f. EU scharf.[8] Der Dispensationalismus verbreite eine einseitig pessimistisch-weltabgewandte Form der Eschatologie, die die christliche Hoffnung auf die transformative Erneuerung der Schöpfung durch Gottes Heilshandeln, das durch weltzugewandtes und soziales Engagement schon jetzt bruchstückhaft vorweggenommen werden solle, karikiere. 1 Thess 4,16f. EU versteht er als Anklang an die antike Praxis der Besuche eines Herrschers (Parusie), bei denen man dem Herrscher entgegeneilte, um mit ihm zusammen in die Stadt einzuziehen. So bezeichne die Stelle nicht eine Entrückung von der Erde in den Himmel, sondern den feierlichen Einzug Christi auf die Erde, bei dem Himmel und Erde vereint und neugeschaffen würden.[9]
In der evangelikalen Bewegung ist die Ansicht verbreitet, dass Jesus Christus zusammen mit seiner zuvor entrückten Gemeinde am Ende der Trübsalszeit und vor dem Millennium auf die Erde zurückkommen werde.
Zeitpunkt der Entrückung
Basierend auf Apg 1,7 EU gehört es zur gängigen theologischen Lehrmeinung, dass der exakte Zeitpunkt der Entrückung weder berechnet werden kann noch darf. Viele Autoren legen sich jedoch auf eine bestimmte chronologische Reihenfolge der in der Bibel angekündigten Ereignisse fest. So hat Mark Hitchcock in der christlichen Fachliteratur vier verschiedene Hauptmodelle entdeckt: Die Entrückung vor der Großen Trübsal, nach 3½ Jahren der auf sieben Jahre veranschlagten Trübsalszeit, nach der Trübsalszeit oder nach 5½ Jahren innerhalb der Trübsalszeit. Das letztere Denkmodell ist in der Literatur weniger verbreitet; es geht davon aus, dass die Entrückung vor der Öffnung des siebten Siegels Offb 8,1 EU stattfinden wird.[10]
„Christen mögen uneins sein über den Zeitpunkt oder über die Ereignisse, die sich um sein Kommen herum abspielen werden, und manche erkennen die verschiedenen Stadien seines Kommens nicht an. Aber alle stimmen darin überein, dass er wiederkommen wird, um die Toten aufzuerwecken und zu richten, ehe er sie in die Ewigkeit führt.“
Volkskunde
Die Volkskunde unterscheidet zwischen Entführung und Entrückung. Entrückung bedeutet hier die dauerhafte Translozierung eines lebenden Menschen ins Jenseits, Entführung dagegen eine wunderbare Versetzung eines Menschen von einem Ort zum anderen, die zeitlich beschränkt ist.[12] Nicht ganz folgerichtig werden sagenhafte Herrscher, die in einem Berg warten und wiederkehren, wenn das Vaterland in Gefahr ist, als bergentrückt bezeichnet[13]. Der sterbende britische König Artus wird bei Malory von seiner Halbschwester Morgan le Fay auf die mythische Insel Avalon gebracht, von der er einst als "zukünftiger König" (rex futurus) wiederkehren wird.
Siehe auch
Literatur
- Fritz Rienecker; Maier, Gerhard (Hrsg.): Lexikon zur Bibel, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal 1998.
- Gerhard Maier: Er wird kommen. Was die Bibel über die Wiederkunft Jesu sagt, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal 2001.
- Lothar Coenen (Hrsg.): Theologisches Begriffslexikon zum NT, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal 1993.
Weblinks
- Die Entrückung der Gemeinde EFG Berlin Hohenstaufenstraße
- Die Entrückung – vor oder nach der Trübsal? (PDF) EFG Berlin Hohenstaufenstraße (27 kB)
Einzelnachweise
- ↑ Hanns Bächthold-Stäubli (Hrsg.) 1987, Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens, Berlin de Gruyter, Bd. 2, 851 (unveränderter Nachdruck der Auflage von 1930)
- ↑ Hanns Bächthold-Stäubli (Hrsg.) 1987, Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens, Berlin de Gruyter, Bd. 2, 851 (unveränderter Nachdruck der Auflage von 1930)
- ↑ Hanns Bächthold-Stäubli (Hrsg.) 1987, Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens, Berlin de Gruyter, Bd. 2, 851 (unveränderter Nachdruck der Auflage von 1930)
- ↑ Hanns Bächthold-Stäubli (Hrsg.) 1987, Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens, Berlin de Gruyter, Bd. 2, 851 (unveränderter Nachdruck der Auflage von 1930)
- ↑ Mark Hitchcock: Könnte die Entrückung heute stattfinden? Christlicher Mediendienst, Hünfeld 2008, ISBN 978-3-939833-13-0, S. 116.
- ↑ Mark Hitchcock: Könnte die Entrückung heute stattfinden? Christlicher Mediendienst, Hünfeld 2008, ISBN 978-3-939833-13-0, S. 118f.
- ↑ Mark Hitchcock: Könnte die Entrückung heute stattfinden? Christlicher Mediendienst, Hünfeld 2008, ISBN 978-3-939833-13-0, S. 120.
- ↑ N.T. Wright: Surprised by Hope. Rethinking Heaven, the Resurrection, and the Mission of the Church, New York 2008, S. 118.
- ↑ N.T. Wright: Surprised by Hope. Rethinking Heaven, the Resurrection, and the Mission of the Church, New York 2008, S. 130–136.
- ↑ Mark Hitchcock: Könnte die Entrückung heute stattfinden? Christlicher Mediendienst, Hünfeld 2008, ISBN 978-3-939833-13-0, S. 58f.
- ↑ Tim LaHaye: Die Entrückung. Wer muss durch die Trübsal? Christliche Verlagsgesellschaft, Dillenburg 2005, ISBN 3-89436-459-9, S. 102.
- ↑ Hanns Bächthold-Stäubli (Hrsg.) 1987, Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens, Berlin de Gruyter, Bd. 2, 851 (unveränderter Nachdruck der Auflage von 1930)
- ↑ Hanns Bächthold-Stäubli (Hrsg.) 1987, Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens, Berlin de Gruyter (unveränderter Nachdruck der Auflage von 1930)
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