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Enzyklopädie des Holocaust
Die Enzyklopädie des Holocaust enthält mehr als eintausend Einträge zu Stichworten über Maßnahmen der Unterdrückung, Ghettoisierung, Deportierung und Vernichtung der Juden in der Zeit des Nationalsozialismus sowie zum Widerstand aus Sicht der Opfer. Die Erstfassung mit namentlich gekennzeichneten Beiträgen von mehr als einhundert internationalen Autoren wurde durch ein Herausgebergremium unter Leitung von Israel Gutman zusammengestellt und erschien als dreibändiges Werk 1989 in Jerusalem, danach 1990 als Übersetzung in New York.
Unter dem Titel Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden folgte im Argon Verlag (Berlin) 1993 eine dreibändige deutschsprachige Ausgabe. 1995 erschien in Lizenz eine vierbändige Taschenbuchausgabe bei Piper, eine zweiten Auflage dort 1998. Die deutsche Ausgabe unter der Ko-Herausgeberschaft von Eberhard Jäckel, Julius H. Schoeps und Peter Longerich war grundlegend neu bearbeitet, um „Aktualisierungen einzuarbeiten, einige Irrtümer zu bereinigen sowie Kürzungen und Ergänzungen vorzunehmen, um dem Wissensstand und dem Interesse des deutschen Publikums […] gerecht zu werden.“[1]
In der deutschen Ausgabe sind die teils überarbeiteten Artikel nicht mehr namentlich gekennzeichnet. Die Verfasser sind jedoch aus einem gesonderten Anhang aufgeführt.[2]
Kritik
Auch die deutsche „stark, aber immer noch unzureichend“ überarbeitete Fassung war nach Urteil von Nicolas Berg schon beim Erscheinen veraltet.[3]
Wolfgang Scheffler unterzog die deutsche Ausgabe einer ausführlichen Kritik.[4] Eines der Probleme bestehe in der unterschiedlichen Qualität der Beiträge und Fachkenntnisse der Autoren in der zugrunde liegenden Originalausgabe. Zum anderen habe sich das verfügbare Wissen erheblich erweitert – beispielsweise durch die zugänglichen Archivbestände des früheren Ostblocks. Nicht berücksichtigt worden sei das wertvolle Material aus zahlreichen Gerichtsverhandlungen zu nationalsozialistischen Verbrechen.
Scheffler beanstandet, dass die Herausgeber und Mitarbeiter der deutschen Ausgabe das Manuskript trotz knapper Zeit nicht einer sorgfältigeren Durchsicht unterzogen hätten. Fehler, Irrtümer und widersprüchliche Darstellungen dürften Revisionisten und Holocaustleugnern keinen Ansatzpunkt liefern. Etliche Lemmata wie Antisemitismus oder Endlösung seien vorzüglich dargestellt und spiegelten den aktuellen Forschungsstand von 1993 wider. In vielen Artikeln über einzelne Ereignisse, Ortschaften, Ghettos, Lager, Personen oder Institutionen fänden sich jedoch auch in der deutschen Fassung Fehler, die hätten vermieden werden können. Offenbar wussten viele Verfasser nicht, dass in deutschen NS-Gerichtsprozessen umfangreiche Ermittlungsergebnisse zu finden und auszuwerten waren. Scheffler bemängelt als ein „substantielles Versäumnis“, dass ein der Forschung entsprechender thematischer und zahlenmäßiger Überblick zu den Ermittlungen der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen und ein Hinweis auf die „Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen“[5] fehlen.
In den beigefügten Karten vermisst Scheffler zum Verständnis wichtige Distriktsgrenzen, zeigt exemplarisch Fehler auf und urteilt: „Mit der einer 'Enzyklopädie' entsprechenden wisssenschaftlichen Genauigkeit hat das […] Kartenmaterial […] nichts zu tun.“[6] Scheffler zeigt in den folgenden fünf Druckseiten weitere Mängel in Artikeln zu Deportation, Danzig, Kowno, Theresienstadt, Zyklon B, Reichsvereinigung, Sicherheitsdienst und Krematorien von Birkenau auf. Die im Anhang abgedruckte „Chronologie“ wird als willkürliche Zusammenstellung kritisiert, bei der wichtige Ereignisse fehlen.
Die Enzyklopädie enthält laut Scheffler eine Fülle an Irrtümern oder Fehlern, Weglassungen entscheidender Fakten, Widersprüchen und schlechten oder missverständlichen Formulierungen, die in dieser Menge nicht vorkommen dürften.[7] Auch wenn die deutschsprachige Neubearbeitung besser sei als die mit Fehlen gespickte englischen Ausgabe, müsse dringend eine Neubearbeitung gefordert werden.[8]
Einzelnachweise
- ↑ Vorwort zur deutschen Ausgabe, S. XVI – Israel Gutmann, Eberhard Jäckel, Peter Longerich, Julius H. Schoeps (Hrsg.): Enzyklopädie des Holocaust - die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. Piper, 2. Aufl. München und Zürich 1998, ISBN 3-492-22700-7.
- ↑ Israel Gutmann, Eberhard Jäckel, Peter Longerich, Julius H. Schoeps (Hrsg.): Enzyklopädie des Holocaust - die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. Piper, 2. Aufl. München und Zürich 1998, ISBN 3-492-22700-7Bd, 4, S. 1742-1758.
- ↑ Nicolas Berg: Der Holocaust und die westdeutschen Historiker - Erforschung und Erinnerung Göttingen 2003, ISBN 978-3-89244-610-1, S. 644.
- ↑ Wolfgang Scheffler: Holocaustforschung am Wendepunkt – Kritische Anmerkungen zur deutschen Ausgabe der 'Enzyklopädie des Holocaust'. In: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 3(1994), S. 341-353
- ↑ Justiz und NS-Verbrechen: Dick W. de Mildt, Christiaan F. Ruter (Herausgeber), Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945-1966, Verlag: Amsterdam University Press (2013) ISBN 90-8964-491-1.
- ↑ Wolfgang Scheffler: Holocaustforschung am Wendepunkt – Kritische Anmerkungen zur deutschen Ausgabe der 'Enzyklopädie des Holocaust'. In: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 3(1994), S. 345.
- ↑ Wolfgang Scheffler: Holocaustforschung am Wendepunkt – Kritische Anmerkungen zur deutschen Ausgabe der 'Enzyklopädie des Holocaust'. In: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 3(1994), S. 346.
- ↑ Wolfgang Scheffler: Holocaustforschung am Wendepunkt – Kritische Anmerkungen zur deutschen Ausgabe der 'Enzyklopädie des Holocaust'. In: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 3(1994), S. 352.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Enzyklopädie des Holocaust aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |