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Ernst Bornemann

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Ernst Bornemann
Ernst Bornemann

Ernst Wilhelm Julius Bornemann (geb. 12. April 1915 in Berlin; Suizid vor laufender Kamera 4. Juni 1995 in Scharten, Oberösterreich), auch bekannt als Ernest Borneman, war ein deutscher Anthropologe, Psychoanalytiker, Filmemacher, Krimiautor (unter dem Pseudonym Cameron McCabe), Jazzkritiker und Sexualforscher.

Leben

Bornemann wuchs im Berliner Westend auf. Er wohnte am Kaiserdamm und besuchte zunächst das Grunewald-Gymnasium. Als Mitglied des Sozialistischen Schülerbunds wechselte er 1932, nachdem er wegen eines politisch anstößigen Aufsatzes einen Schulskandal erregt hatte, an die von Fritz Karsen geleitete „Karl-Marx-Schule“. Nebenbei war er, späteren eigenen Angaben zufolge, in der von dem marxistischen Psychoanalytiker Wilhelm Reich gegründeten und geleiteten Sexpol-Organisation, einer Unterorganisation der KPD, tätig, das heißt er beriet gleichaltrige Jugendliche in sexuellen Fragen und verschaffte ihnen Verhütungsmittel.[1]

1933 ging Bornemann, noch ohne Schulabschluss, unter einem Decknamen als Austauschschüler nach England und anglisierte seinen Namen zu Ernest Borneman. Dort begegnete er dem Ethnologen und Psychoanalytiker Géza Róheim, durch den er auch Zugang zu Problemen der Anthropologie fand. Bei Róheim machte er, nach eigenen Angaben, eine psychoanalytische Lehranalyse.[2]

Bornemann schrieb 1937 „die Detektivgeschichte, mit der alle Detektivgeschichten ein Ende haben“ (Julian Symons), einen Kriminalroman mit dem Titel The Face on the Cutting-Room Floor unter dem Pseudonym Cameron McCabe.[3] Er begann diesen Roman im Alter von 18 Jahren, als er die englische Sprache noch nicht beherrschte. Das Buch wurde dennoch von der Kritik sehr gelobt, so z. B. von dem angesehenen Kritiker Herbert Read. Es hatte acht Folgeauflagen und wurde ins Französische übersetzt. Auf deutsch erschien es 1969 unter dem Titel Stumme Zeugen lügen nicht.[4]

1940 ging Bornemann nach Kanada, wo er zwischen 1941 und 1968 sechs weitere Kriminalromane schrieb, während er als Autodidakt weiterhin anthropologische Studien trieb.

Nachdem Bornemann 1960 aus der Emigration zurückgekehrt war, arbeitete er an verschiedenen Orten und ließ sich schließlich 1970 auf Dauer in Scharten in Oberösterreich nieder. Hier schrieb er sein Hauptwerk Das Patriarchat. Ursprung und Zukunft unseres Gesellschaftssystems, eine umfangreiche Studie, die er selbst als „Das Kapital der Frauenbewegung“ bezeichnete. Mit ihr wurde er 1976 in Bremen (Prof. Gerhard Vinnai) zum Dr. phil. promoviert.

Seit den 1970er Jahren konnte Bornemann, obwohl er Marxist war und keine reguläre akademische Laufbahn aufzuweisen hatte, an der Salzburger Universität, ab 1978 als Professor, Vorlesungen halten. „Er war“, berichtet eine ehemalige Studentin, „für mich und vermutlich ebenso für eine ganze Generation von Studentinnen und Studenten … ein äußerst wichtiger Lehrer. Jeden Freitag trafen sich in der Vorlesung ‚beim Bornemann‘ psychoanalytisch interessierte und politisch engagierte Studierende.“[5]

Die Deutsche Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung (DGSS) ehrte ihn 1990 mit der Verleihung der Magnus-Hirschfeld-Medaille für Sexualwissenschaft.[6]

Bornemann war bis zu seinem Tod Ehrenvorsitzender der DGSS sowie der von ihm 1979 gegründeten Österreichischen Gesellschaft für Sexualforschung.

Bornemann starb durch Suizid. Der direkte Anlass war eine gescheiterte Liebesbeziehung zu der 42 Jahre jüngeren Ärztin Sigrid Standow, die er seit dem Tod seiner langjährigen Ehefrau Eva unterhielt. Bornemann wird zitiert, er wolle Schluss machen, weil „meine Liebste, mit der ich seit neun Jahren – wie ich dachte − relativ monogam lebe, mit einem anderen schläft. Aber nicht nur mit ihm schläft, sondern sich auch schlagen läßt.“ Er sei aber völlig von ihr abhängig. „Ich kann dieser Hörigkeit nicht entkommen, außer wenn ich meinem Leben ein Ende mache.“[7] Diese Ankündigung setzte er am 4. Juni 1995 in die Tat um. Bornemanns Urne wurde im Garten seines Hauses in Scharten beigesetzt und später auf den katholischen Friedhof der Gemeinde verschoben.

Werke

  • The Face on the Cutting Room Floor. London: Withy Grove Press 1937. (deutsch als Stumme Zeugen lügen nicht, 1969)
  • Lexikon der Liebe und Sexualität, 2 Bände, 1968.
  • Sex im Volksmund. Die sexuelle Umgangssprache des deutschen Volkes. Wörterbuch und Thesaurus, 1971.
  • Studien zur Befreiung des Kindes, 3 Bände, 1973ff. Band 1: Unsere Kinder im Spiegel ihrer Lieder, Reime, Verse und Rätsel. Walter-Verlag, Olten 1973 (Neudruck: Ullstein, Frankfurt/Main, Berlin, Wien 1980, ISBN 3-548-35027-5); Band 2: Die Umwelt des Kindes im Spiegel seiner „verbotenen“ Lieder, Reime, Verse und Rätsel. Walter-Verlag, Olten 1974 (Neudruck: Ullstein, Frankfurt/Main, Berlin, Wien 1980, ISBN 3-548-35045-3); Band 3: Die Welt der Erwachsenen in den „verbotenen“ Reimen deutschsprachiger Stadtkinder. Walter-Verlag, Olten 1976 (Neudruck: Ullstein, Frankfurt/Main, Berlin, Wien 1981, ISBN 3-548-35078-X).
  • Psychoanalyse des Geldes, 1973.
  • Sex im Volksmund. Der obszöne Wortschatz der Deutschen. 2 Bände, Rowohlt, Reinbek 1974. Band 1: Der obszöne Wortschatz der Deutschen. Wörterbuch von A – Z, ISBN 3-499-16852-9; Band 2: Der obszöne Wortschatz der Deutschen. Wörterbuch nach Sachgruppen, ISBN 3-499-16853-7. (= rororo 6852, 6853)
  • Das Patriarchat, Fischer, Frankfurt am Main 1991 (Erstauflage 1975), ISBN 3-596-23416-6.
  • Die Ur-Szene. Das tragische Kindheitserlebnis und seine Folgen, 1980.
  • Der Neanderberg. Beiträge zur Emanzipationsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, 1981.
  • Reifungsphasen der Kindheit, 1981.
  • Wir machen keinen langen Mist. 614 Kinderverse, gesammelt in Deutschland, Österreich und der Schweiz in den 2 Jahrzehnten 1960–1980, Fischer, Frankfurt/Main 1981. ISBN 3-596-23045-4.
  • Das Geschlechtsleben des Kindes, 1985.
  • Rot-weiß-rote Herzen. Das Liebes-, Ehe- und Geschlechtsleben der Alpenrepublik, 1985.
  • Ullstein Enzyklopädie der Sexualität, 1990, ISBN 3-550-06447-0.
  • Sexuelle Marktwirtschaft. Vom Waren- und Geschlechtsverkehr in der bürgerlichen Gesellschaft, 1992.
  • Die Zukunft der Liebe, 1997.

Literatur

  • Sigrid Standow (Hrsg.): Ein lüderliches Leben. Portrait eines Unangepaßten. Festschrift für Ernest Borneman zum achtzigsten Geburtstag. In: Der grüne Zweig. Band 179, Pieper's MedienXperimente, Löhrbach 1995, ISBN 3-925817-79-4.
  • Ramin Rowghani: Bornemanns Eifersuchtstheorie und 20 Jahre später: Ein spezifisch männlicher Affekt? oder: das anerzogene Produkt sexualrestriktiver Gesellschaftsordnungen. In: Menschen und Medien. Zeitschrift für Kultur- und Kommunikationspsychologie, Berlin 2003 (online).
  • Volkmar Sigusch: Geschichte der Sexualwissenschaft. Campus, Frankfurt/M., New York 2008, ISBN 978-3-593-38575-4, S. 443–448.
  • Volkmar Sigusch: Ernest Borneman (1915–1995). In: Volkmar Sigusch und Günter Grau (Hrsg.): Personenlexikon der Sexualforschung, Campus, Frankfurt/M., New York 2009, ISBN 978-3-593-39049-9, S. 73–78.

Anmerkungen

  1. Zur „Sexpol“ vgl. deren Zeitschrift für Politische Psychologie und Sexualökonomie
  2. Diese Angabe wurde, wie andere „Ungereimtheiten“ in seiner Karriere, später von Kritikern, etwa Volkmar Sigusch (Der Ratschläger. Sexologie als Phrase. In: Pro Familia Magazin 15, 12–16, 1987; erweitert in Volkmar Sigusch: Anti-Moralia. Sexualpolitische Kommentare. Campus Verlag, Frankfurt/M., New York 1990, S. 84–94 und Belege S. 208–209), in Zweifel gezogen. – Auch für Bornemanns Mitarbeit in Wilhelm Reichs „Sexpol“-Organisation gibt es keinen anderen Beleg als seine eigene Aussage.
  3. Die Identität des Autors wurde erst aufgedeckt, als der Verlag Gollancz 1974 eine Faksimile-Ausgabe der 1937er Edition veranstaltete und Nachforschungen nach Erben oder anderen Rechteinhabern einleitete.
  4. Siehe dazu: A Dossier on a vanished author and a vanished book. In: Sigrid Standow (Hrsg.): Ein lüderliches Leben. Pieper's MedienXperimente, Löhrbach 1995, S. 87–107
  5. Gerhild Trübswasser: Ernest Bornemann. In: Werkblatt. Zeitschrift für Psychoanalyse und Gesellschaftskritik, Nr. 33, 2/1994, S. 4–5; pdf
  6. Späth / Aden (Hrsg): Die missbrauchte Republik – Aufklärung über die Aufklärer. Hamburg/London 2010, S. 128.
  7. Oliver Lehmann: Der alte Mann, der Trieb und der Tod. In: Stern, 15. Juni 1995, S. 144f

Weblinks

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