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Findelkind
Findelkind (teilweise auch Fundkind oder Findling) ist eine Bezeichnung für ein aufgefundenes Kind, das zuvor von den Eltern (meistens der Mutter) ausgesetzt wurde. Diese Kinder im Säuglingsalter werden oft mit der Hoffnung zurückgelassen, dass sie jemand finden und aufnehmen möge. Seit dem Zeitalter der Aufklärung werden auch jene Kinder als Findelkinder bezeichnet, die von ihren Eltern in einer Anstalt abgegeben werden, deren Zweck das Aufnehmen ausgesetzter Kinder ist (Findelhaus).[1]
Geschichte
Findelhäuser für Säuglinge und Kleinkinder (später abgelöst durch Waisenhäuser) waren meist kirchliche Einrichtungen und sind in Mittel- und Westeuropa etwa seit dem 9. Jahrhundert belegt. Sie verbreiteten sich besonders in den romanischen Ländern und bestanden zum Teil bis in die neueste Zeit. Papst Innozenz III. verfügte Ende des 12. Jahrhunderts, Drehladen an den Pforten der Findelhäuser anzubringen, diese Babyklappen ermöglichen eine geheime Ablage der Findelkinder. Die Verbreitung des Familiennamens Esposito (Italienisch für Ausgesetzt) im Süden Italiens bezeugt noch heute den hohen Anteil solcher Kinder an der Bevölkerung.
Findelkinder hatten früher keinerlei Rechte und wurden oft in die Sklaverei verkauft, als Knechte auf Bauernhöfen gehalten oder in Klöster gegeben. Erst in der frühen Neuzeit entstanden ab 1700 die ersten Armen- und Waisenhäuser, in denen solche Kinder aufgenommen wurden und Unterstützung fanden. Teilweise kümmerten sich auch reiche Kaufleute und Handelsherren um die Kinder, indem sie wohltätige Stiftungen unterhielten. So entstanden die ersten Kinderheime.
Heutige Situation
Findelkinder werden heute in Kinderheime aufgenommen oder bevorzugt zu Pflegeeltern gegeben, da in Kinderheimen die ständig wechselnde Betreuung der Kinder durch verschiedene Personen problematisch ist. Dadurch kann sich das Urvertrauen der Kinder nicht richtig entwickeln oder es wird frühzeitig wieder zerstört. Solche Kinder haben kaum Hör- und Blickkontakte, weder zu anderen Kindern noch zu Erwachsenen, und lernen viel später laufen und sprechen. Bei fortgesetzter seelischer Vernachlässigung kann es zu psychischem Hospitalismus (Deprivation) kommen.
Rechtliches (Deutschland)
Findelkinder sind vom Finder spätestens am folgenden Tag der Gemeindebehörde (in der Regel über das Jugendamt) anzuzeigen (§ 24 Personenstandsgesetz (PStG)). Dort wird dann der Eintrag ins Standesregister, die Bestimmung des Geburtstages und des Namens verfügt.
Aus rechtlicher Sicht ist ein Findelkind ein Kind, dessen Familienstand nicht zu ermitteln ist und das daher einen Vormund benötigt (§ 1773 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Die Vormundschaft regelt sich nach §§ 1773 ff BGB, ähnlich den Bestimmungen für Waisenkinder. Der Vormund, in der Praxis meist das Jugendamt als Amtsvormund (§ 1791b BGB), hat das Recht, dem Kinde einen Namen zu geben und unter anderem die Pflicht, die Eltern zu ermitteln.
Bei erfolgloser Suche erfolgt in der Regel schnell eine Adoption des Kindes. Selbst wenn Elternteile gefunden werden, ist eine Adoption wegen der Aussetzung des Kindes (siehe § 221 Strafgesetzbuch (StGB) sowie Verletzung der Erziehungs- und Fürsorgepflicht gem. § 171 StGB) auch gegen den Willen der Eltern möglich (Ersetzung der elterlichen Einwilligung durch das Vormundschaftsgericht gem. § 1748 BGB).
Ein in Deutschland aufgefundenes Findelkind gilt bis zum Beweis des Gegenteils als Kind eines Deutschen (§ 4 Abs. 2 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG)) und erhält somit die deutsche Staatsangehörigkeit.
Bekannte Findelkinder
- Jean-Baptiste le Rond d’Alembert (1717–1783), Mathematiker und Enzyklopädist
- Johannes Seluner (1828–1898), Schweizer Wolfskind
- Kaspar Hauser, umstritten, weil nicht „gefunden“ (um 1812–1833)
- Jacqueline Cochran (1906–1980), amerikanische Fliegerin
- Hans-Jürgen Hufeisen (* 1954), Musiker
- Philipp Rösler (* 1973), Politiker
Literatur
- Johann Gottfried Gruber: Findelhäuser. In: Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste in alphabetischer Folge.. Section 1 Theil 44, F. A. Brockhaus, Leipzig 1846, S. 233–244 (GDZ).
- Johann Gottfried Gruber: Findelkind. In: Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste in alphabetischer Folge.. Section 1 Theil 44, F. A. Brockhaus, Leipzig 1846, S. 244–245 (GDZ).
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Verena Pawlowsky: Das „Aussetzen überlästiger und nachtheiliger Kinder“. Die Wiener Findelanstalt 1784–1910. In: Die Kinder des Staates/Children of the State. Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften. 25/2014/1+2, StudienVerlag Ges.m.b.H., Innsbruck 2014, ISBN 978-3-7065-5334-6, ISSN 1016-765X, S. 18–19 (online (PDF)). online (Memento vom 9. März 2017 im Internet Archive)
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Findelkind aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |