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George Bernard Shaw
George Bernard Shaw (geb. 26. Juli 1856 in Dublin, Irland; gest. 2. November 1950 in Ayot Saint Lawrence, England) war ein irisch-britischer Dramatiker, Politiker, Satiriker, Musikkritiker und Pazifist, der 1925 den Nobelpreis für Literatur und 1939 den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch erhielt.
Leben
Shaw wuchs in Dublin in problematischen Familienverhältnissen auf. Als er sechzehn Jahre alt war, verließ seine Mutter die Familie und folgte ihrem Gesangslehrer nach London. Shaw blieb zunächst bei seinem Vater. Er arbeitete zuerst als kaufmännischer Angestellter, zog aber bald nach London, um als Musik- und Theaterkritiker Fuß zu fassen. Um seine Prosa zu entwickeln[1], schrieb er zwischen 1879 und 1883 fünf Romane, die von verschiedenen Verlagen zurückgewiesen wurden. Schließlich feierte er seine ersten Erfolge als Musikkritiker bei der Zeitung Star, für die er meisterhaft ironische Kommentare schrieb. Die Kompositionen von Ethel Smyth beispielsweise besprach er unter dem Pseudonym „Corno di Basseto“ (Bassetthorn). Shaw war einer der ersten Musikkritiker, die sich weigerten, dem Geschlecht des Komponisten irgendeine Bedeutung in der Beurteilung des Werkes beizumessen. 1923 fragte er die inzwischen geadelte Ethel Smyth in einem Brief, wie männlich das Werk von Händel und wie feminin die Arbeiten von Mendelssohn und Arthur Sullivan eigentlich seien.
Eine führende Rolle spielte Shaw in der intellektuell-sozialistischen Fabian Society (Gesellschaft der Fabianer), die gesellschaftliche Veränderungen nicht revolutionär, sondern auf evolutionärem Weg anstrebte. Dort konnte er seine politischen Ideen als Vortragsredner verbreiten. Im Umkreis der Fabian Society lernte Shaw auch seine spätere Ehefrau Charlotte Payne-Townshend kennen, die er 1898 heiratete. Shaw gilt auch als Mitbegründer der London School of Economics and Political Science (LSE), in der auch heute noch die Shaw-Library an ihn erinnert.
1895 wurde Shaw Theaterkritiker bei der Saturday Review. Dieser Schritt leitete seinen künftigen Weg als Dramatiker ein. 1898 erschien sein erstes erfolgreiches Stück, Candida. Mehrere Komödien schlossen sich an, wie Der Teufelsschüler (1897), Arms and the Man (Helden) (1898), Frau Warrens Gewerbe (1898), Captain Brassbound’s Bekehrung (1900), Man and Superman (Mensch und Übermensch) (1902), Cäsar and Cleopatra (1901), Major Barbara (1905) und Androkolus und der Löwe (1912). Das 1913 erschienene Pygmalion wurde später die Grundlage zum Musical und Film My Fair Lady. Für Shaw repräsentierte der Erste Weltkrieg die letzten verzweifelten Atemzüge der Reichen des 19. Jahrhunderts.[1] Nach dem Ersten Weltkrieg schrieb er ernstere Dramen wie Haus Herzenstod (1919) und Die Heilige Johanna (1923). Shaw war bis ins hohe Alter von 90 Jahren als Autor tätig. In der letzten Schaffensperiode (1930–1949) schenkte er politischen Problemen immer mehr Aufmerksamkeit und ließ dabei phantastische und satirische Elemente verschmelzen.
Als Vertreter des intellektuellen Theaters schuf Shaw einen neuen Dramentypus – das Diskussionsdrama, dessen Helden als Träger bestimmter Ideologien aufeinandertreffen. Das Hauptinteresse Shaws gilt nicht der Handlung, sondern dem Kampf der Meinungen, den Diskussionen über philosophische, moralische, politische Probleme, die seine Helden führen. Shaw greift oft zu satirischer Überspitzung und Groteske, seine Helden sind nicht selten exzentrisch. 1925 erhielt Shaw den Nobelpreis „für sein sowohl von Idealismus als auch von Humanität getragenes Schaffen, in dem sich frische Satire oft mit einer eigenartigen poetischen Schönheit vereint“. Eine Besonderheit von Shaws Publikationen sind die langen Vorworte. In diesen stellt er die in den Theaterstücken behandelten Themen und Probleme ausführlich dar, sodass die Vorworte mitunter länger sind als die Stücke selbst. Daraufhin kursierten in der Fangemeinde Gerüchte, wonach Shaw erklärt haben soll: „I write my forewords for the intellectuals and my plays for the dummies.“ („Ich schreibe meine Vorworte für die Intellektuellen und meine Dramen für die Dummen.“)
Shaws Briefwechsel mit Stella Patrick Campbell wurde ebenfalls als Drama von Jerome Kilty unter dem Titel DEAR LIAR: A Comedy of Letters auf die Bühne gebracht. Seine Briefe an die berühmte Schauspielerin Ellen Terry sind ebenfalls veröffentlicht und als Theaterstück adaptiert worden. Auch seine Briefe an H.G. Wells[2] und an Gene Tunney sind veröffentlicht.
Noch vor seinem Tod war Shaws Name weit über die britischen Inseln hinaus bekannt. Aufgrund seines Ärgers über die englische Orthografie spendete er einen Teil seines Vermögens für die Schaffung eines neuen englischen phonetischen Alphabets, das im Zuge eines Wettbewerbs von Ronald Kingsley Read entworfen wurde und nach dessen Initiator Shavian alphabet (engl.: „Shaw-Alphabet“) genannt wird. Zu Lebzeiten gönnte sich Shaw als einzigen Ausdruck seines beträchtlichen Vermögens einen Rolls-Royce.
Shaw ist der erste und neben Al Gore der einzige Nobelpreisträger, der auch einen Oscar erhielt. Er erhielt den Oscar 1939 für das beste Drehbuch für die Verfilmung von Pygmalion unter dem Titel Pygmalion: Der Roman eines Blumenmädchens.
Politik
Shaw nahm sein Leben lang aktiv am politischen Geschehen teil. Ab 1897 war er jahrelang Ratsmitglied im Bezirk St. Pancras in London. Er gehört zu den Urhebern des Gründungsprogrammes der britischen Labourpartei von 1900. Am Beginn des Ersten Weltkriegs veröffentlichte er 1914 einen großen Artikel, in dem er England und Deutschland zu Verhandlungen aufrief und blinden Patriotismus kritisierte. Er blieb während und nach dem Ersten Weltkrieg ein entschiedener Kriegsgegner.
1931 traf er in London mit Mahatma Gandhi zusammen, der sich zu Verhandlungen mit der britischen Regierung dort aufhielt. Im März 1933 reiste er nach Japan und äußerte sich dort in einem Gespräch mit dem japanischen Heeresminster Sadao Araki sehr kritisch über die japanische Hegemoniepolitik in China (→Zweiter Chinesisch-Japanischer Krieg)[3]:
“The European war was imperialistic, yet it led to the disappearance of three empires. Have you in Japan ever thought that in your imperialistic aims you may end as a republic, and that is not at all what your rulers want? […] If you had been born in Russia, you would have become a politician greater than Stalin […] I would like to stay here talking to you until the Chinese land on the Japanese mainland.”
„Der Europäische Krieg war imperialistisch, doch führte er zum Verschwinden dreier Kaiserreiche. Haben Sie in Japan jemals daran gedacht, dass Sie durch ihre imperialistischen Ziele vielleicht als Republik enden könnten, was nicht unbedingt das ist, was Ihre Herrscher bezwecken? […] Wenn Sie in Russland geboren wären, wären Sie ein größerer Politiker als Stalin geworden. […] Ich würde mit Ihnen gerne noch weiter hier plaudern, bis die Chinesen auf dem japanischen Kernland landen.“
In den 1930er-Jahren reiste Shaw auch in die Sowjetunion. Seine Werke wurden dort mit Hilfe Artemi Chalatows verlegt. Er verteidigte in dem Vorwort zu dem Stück On the Rocks (1933) die Zwangskollektivierung in der Sowjetunion. Auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1931 rief er in einer US-amerikanischen Radiosendung jeden fähigen Arbeiter dazu auf, in die UdSSR zu reisen.
Shaw war ein Anhänger der Eugenik und befürwortete staatliche und erzieherische Maßnahmen bei der Reproduktion,[4] um die Erbanlagen zu verbessern.[5]
Werke
Theaterstücke
- Die Häuser des Herrn Sartorius oder Die Häuser meines Vaters (Original: Widowers’ Houses) (Komödie, 1892)
- Der Liebhaber (Original: The Philanderer) (Komödie, 1893)
- Helden (Original: Arms and the Man) (Komödie, 1894)
- Frau Warrens Gewerbe (Original: Mrs Warren’s Profession) (Drama, 1894)
- Candida (Mysterium, 1895)
- Der Mann des Schicksals (Original: The Man of destiny) (Komödie, 1896)
- Der Teufelsschüler (Original: The Devil’s Disciple) (Melodram, 1897)
- Man kann nie wissen (Original: You never can tell) (Komödie, 1898)
- Cäsar und Cleopatra (Komödie, 1898)
- Kapitän Brassbounds Bekehrung (Original: Captain Brassbound’s Conversion) (Komödie, 1900)
- Der Boxkampf (Original: The Admirable Bashville)(Komödie, 1901)
- Mensch und Übermensch (Original: Man and Superman) (Komödie, 1902)
- John Bulls andere Insel (Original: John Bull’s other island) (Komödie, 1904)
- Wie er ihren Mann belog (Original: How He Lied to Her Husband) (Drama, 1904)
- Major Barbara (Komödie, 1905)
- Der Arzt am Scheideweg oder Des Doktors Dilemma (Original: The doctor’s Dilemma) (Komödie, 1906)
- Heiraten (Original: Getting married) (Komödie, 1908)
- Blanco Posnets Erweckung (Original: The Shewing-Up of Blanco Posnet(Drama, 1909)
- Mesallianz oder Falsch verbunden (Original: Misalliance) (Komödie, 1910)
- Fannys erstes Stück (Original: Fanny’s first Play) (Komödie, 1911)
- Androklus und der Löwe (Original: Androcles and the Lion) (Komödie, 1912)
- Pygmalion (Komödie, 1913)
- Haus Herzenstod (Original: Heartbreak House) (Komödie, 1919)
- Zurück zu Methusalem (Original: Back to Methuselah) (Parabel, 1921)
- Die heilige Johanna (Original: Saint Joan) (Dramatische Chronik, 1923)
- Der Kaiser von Amerika (Original: The Apple Cart) (Komödie, 1929)
- Zu wahr um schön zu sein (Original: Too true to be good) (Komödie, 1931)
- Ländliche Werbung (Original: Village Wooing) (Komödie, 1933)
- Festgefahren (Original: On the Rocks) (Komödie, 1933)
- Die Insel der Überraschungen (Original: The Simpleton of the unexpected isles) (Spiel, 1934)
- Die Millionärin (Original: The Millionairess) (Komödie, 1935)
- Zu viel Geld (Original: Buoyant Billions) (Komödie, 1936, 1946–48)
- Genf (Original: Geneva) (Drama, 1938)
- Die goldenen Tage des guten König Karl (Original: In Good King Charles’ Golden Days) (Drama, 1939)
Drehbücher
- Caesar und Cleopatra (Original: Caesar and Cleopatra) (Filmkomödie 1945)
Romane
- Cashel Byrons Beruf (Original: Cashel Byron’s Profession) (Roman, 1882)
- Der Amateursozialist (Original: An unsocial Socialist) (Roman, 1883)
- Künstlerliebe (Original: Love among the artists) (Roman)
- Die törichte Heirat (Original: The irrational Knot) (Roman)
- Unreif oder Junger Wein gärt (Original: Immaturity) (Roman)
- Der Puritaner und die Klosterfrau oder Briefe an eine Nonne; Freiheit jenseits des Gitters – Die Äbtissin Laurentia und Bernard Shaw (Roman, 1958)
Weiteres
- Der gesunde Menschenverstand im Krieg (Original: Common Sense About the War) (1914), in: What I really wrote about the war (1930)
- Die Illusionen des Sozialismus (Original: The Illusions of Socialism) (1897), dt. in: Essays (1908)
- Wegweiser für die intelligente Frau zum Sozialismus und Kapitalismus (Original: The Intelligent Woman’s Guide to Socialism and Capitalism), dt. von Siegfried Trebisch und Ernst W. Freissler, 550 S., Fischer, Berlin 1928.
- Ein Wagnerbrevier (Original: The perfect Wagnerite) (1896)
- Handbuch des Revolutionärs (Original: The revolutionist’s handbook) (1902)
- Die Abenteuer des schwarzen Mädchens auf der Suche nach Gott (Original: The Adventures of the black girl in her search for God) (Legende, 1932)
- Die Aussichten des Christentums (Original: On the prospects of Christianity) (1912)
- Der letzte Frühling des alten Löwen (Original: The Last Spring of the old lion)
- Musik in London (Original: Music in London)
- Shaw on Music, hrsg. Eric Bentley. New York: Applause Books 1995, ISBN 1-55783-149-1 (Sammlung von Shaws Konzertrezensionen, 1962, posthum)
- Politik für jedermann (Original: Everybody’s political What is what?) (Essay, 1944)
- Der Sozialismus und die Natur des Menschen (Original: The Road to Equality) Frankfurt a. M.: suhrkamp 1973
- Sozialismus für Millionäre. 3 Essays, 1. Auflage. Bibliothek Suhrkamp, Band 63, Frankfurt am Main 1979, 1982, ISBN 3-518-01631-8.
Sigmund Freud über G. B. Shaw
Berühmt geworden ist das erstaunlich negative Urteil Sigmund Freuds über den Autor. In einem Brief an Arnold Zweig vom 12. Mai 1934 schreibt er in Zusammenhang mit dem Problem der dichterischen Freiheit: „B. Shaw, der seinen Cäsar eine steinerne Sphinx anschwärmen lässt, als wäre er ein Cook’scher Tourist, und ihn beim Abschied von Ägypten vergessen lässt, von Kleopatra Abschied zu nehmen, zeigt damit, dass er ein Hanswurst ist, dem der Spaß über alles geht.“[6]
Literatur über G. B. Shaw
- G. K. Chesterton: George Bernard Shaw, Phaidon, Wien 1925.
- Herbert Eulenberg: Gegen Shaw – Eine Streitschrift, Reissner, Dresden 1925.
- Michael Holroyd: Bernard Shaw, Magier der Vernunft. Eine Biographie. (Originaltitel: Bernard Shaw. Übersetzt von Wolfgang Held], Suhrkamp, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-518-40722-8.
- Thomas Kluge: Bernard Shaw für Boshafte, Insel-Taschenbuch 3205, Frankfurt am Main / Leipzig 2006, ISBN 978-3-458-34905-1.
- Hesketh Pearson: George Bernard Shaw. Geist und Ironie (Originaltitel: Bernard Shaw. His Life and Personality, übersetzt von Otto Schütte unter Mitarbeit von Hartmut Georgi und Isabel Hamer). In: Heyne-Biographien. Band 79, Heyne Taschenbuch, München 1981, ISBN 3-453-55080-3.
- Hermann Stresau: G. B. Shaw mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt (=Rowohlts Monographien, Band 59). rororo, Reinbek bei Hamburg, 12. Auflage, Mai 2001, ISBN 3-499-50059-0.
- Albrecht Grözinger: Shaw, George Bernard. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 9, Herzberg 1995, ISBN 3-88309-058-1, Sp. 1596–1598.
Weblinks
- Literatur von und über George Bernard Shaw im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- George Bernard Shaw in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
- Werke von George Bernard Shaw als Online-Texte. In: Project Gutenberg.
- Informationen der Nobelstiftung zur Preisverleihung 1925 an George Bernard Shaw (englisch)
- George Bernard Shaw – Quotes and Biography (englisch)
- Informationen zu George Bernard Shaw speziell für Schulen auf dem Bildungsserver SwissEduc (englisch)
- Hintergründe zu Shaws Nobelpreis im Jahre 1925 auf literatur-nobelpreis.de
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Cary M. Mazer: Bernard Shaw: a Brief Biography. Universität von Pennsylvania, abgerufen am 3. August 2009 (englisch).
- ↑ J. Percy Smith (Editor): Bernard Shaw and H. G. Wells. University of Toronto Press, 1995, ISBN 0-8020-3001-7, S. 242.
- ↑ David Bergamini: Japan’s Imperial Conspiracy, Heinemann London 1971, S. 545–546
- ↑ Paul Gray: Cursed by Eugenics. Time Magazine World auf Time.com, 11. Januar 1999, abgerufen am 5. September 2012 (english).
- ↑ Geoffrey Russell Searle: Eugenics and politics in Britain, 1900-1914. Groningen, Netherlands: Noordhoff International 1976, ISBN 978-90-286-0236-6
- ↑ Sigmund Freud / Arnold Zweig: Briefwechsel. Frankfurt 1968, S. 88
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Personendaten | |
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NAME | Shaw, George Bernard |
KURZBESCHREIBUNG | irischer Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 26. Juli 1856 |
GEBURTSORT | Dublin, Irland |
STERBEDATUM | 2. November 1950 |
STERBEORT | Ayot Saint Lawrence, England |
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