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Gesangspädagogik

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Die Gesangspädagogik beschäftigt sich mit dem Aufbau einer für den musikalischen Gebrauch geeigneten Gesangstechnik. Teilbereiche der Gesangsausbildung sind Stimmbildung, Diktion und Interpretation.

Gesangsunterricht wird an Musikschulen, an Musikhochschulen sowie im Privatunterricht gegeben und läuft oft im Einzelunterricht ab.

Geschichte

Antike

Die ersten Spuren einer Gesangsschule lassen sich im antiken Griechenland festmachen. Der Bedarf für eine spezialisierte Schule wurde durch die immer virtuoseren Stücke der Theater eingefordert. Euripides, Phrygis von Mitylene und Timotheus von Milet ließen solistische Stücke entstehen, die sich u.a. durch schnelle und hohe Koloraturen auszeichneten. In Athen entstand um 500 v. Chr. der dionysische Verein, der Schauspieler, Sänger und Musiker mit einer Ausbildung versah. Er verbreitete sich rasch über ganz Griechenland und seine Kolonien bis hin nach Rom. Hadrian schloss dort einen Weltbund der dionysischen Gilden.

Mittelalter

Im Mittelalter gründete Papst Sylvester eine Gesangschule in Rom, die sich mit dem liturgischen Kirchengesang befasste. Papst Gregor ließ die Schola cantorum in zwei Gebäuden unterbringen, wovon das eine für die Lehrer, das andere für die Schüler vorgesehen war. Musikalisch begabte Waisenknaben fanden hier Ausbildung und Unterkunft.

Der kirchengesangliche Unterricht eines Schülers erstreckte sich im Regelfall auf vier Jahre. Schriftliche Dokumente wie Noten oder andere Anleitungen wurden nicht verwendet, Melodien und Gesangstechnik mündlich überliefert. Dabei wurde auf den Schönklang der Stimme besonderen Wert gelegt. Das galt insbesondere für den Vorsänger, der die Responsorien anführte. Papst Gregor erneuerte die Liturgie dahingehend, dass ein Sänger auf Improvisationen und Verzierungen verzichten sollte. Ferner förderte er den einheitlichen Chorklang mit der Bemerkung, ein Sänger dürfe nicht zu schnell oder zu langsam im Chor singen. Durch die ersten Notizen Papst Gregors entstanden die Neumen.

Fertig ausgebildete Schüler zogen von Rom in andere Städte Europas und gründeten dort eigene Sängerschulen. Bis zu hundert Knaben waren nicht unüblich in einem Gottesdienst. Mit der Erfindung der Notenschrift von Guido von Arezzo wurden die Sänger aus Rom entbehrlicher, und jedes Kloster führte ein Exemplar des Antiphons. Auch die Knaben wurden nach dem System der Guidonischen Hand und der Solmisation unterrichtet.

Musikalisch neu war die aufkommende Mehrstimmigkeit oder Polyphonie, durch welche erstmals verschiedene Stimmen und Texte gegeneinander gesetzt wurden. Hieronymus von Moravia schreibt:

Die verschiedenen Singstimmen sollen im Kirchengesang nicht vermischt werden, weder die Brust- mit der Kopfstimme noch die Kehl- mit der Kopfstimme. Meistens sind tiefe Stimmen, also Bässe, Bruststimmen, hohe Stimmen Kopfstimmen, die dazwischenliegenden Stimmen Kehlstimmen. Sie sollen im Kirchengesang nicht vermischt werden, sondern getrennt für sich bleiben.

Auf der weltlichen Seite bildeten die bisher frei umherziehenden Sänger und Troubadours eigene Sängervereinigungen, in denen die Künstler des Minnesangs untereinander Wettveranstaltungen abhielten. Vom 13. Jahrhundert an wurde der Minnesang durch bürgerliche Meistersinger weitergeführt. Zuerst als Vaganten frei umherziehend, bildeten sie bald eigene Schulen in Augsburg, Mainz, Nürnberg und weiteren deutschen Städten. Oft bildeten biblische Texte die Grundlage ihrer bevorzugten Lieder. Die Tradition der Meistersinger starb Ende des 16. Jahrhunderts aus.

Renaissance

Die gesteigerten Anforderungen des polyphonen Kirchengesangs ließen Bedarf nach einer allgemeinen Gesangsschule aufkommen. Um 1500 entstand in Neapel eine der ersten italienischen Schulen, der bald darauf weitere folgen sollten. Leonardo da Vinci stellte Überlegungen zur Tonerzeugung im Kehlkopf an. Durch seine Initiative fand man bald die Bedeutung der Stimmlippen und der Glottis heraus. 1562 veröffentlichte Camillo Maffei die erste Schrift über die Physiologie des Gesangs unter dem Titel Discorso della voce. Körperhaltung, Atemführung und Tongebung werden behandelt, Zunge und Mundöffnung erwähnt. Er empfiehlt, den Stimmklang mit Hilfe des Echos zu überprüfen und verfasst auch Koloraturübungen. Hier sind die Grundzüge der heute noch gültigen Gesangsausbildung zu finden.

Durch das Verbot der Frauenstimme in der Kirche war der Kirchengesang ausschließlich Knaben und Männern vorbehalten. Die klaren, hohen Knabenstimmen verloren naturgemäß in der Pubertät bedeutend an Höhe und Klarheit. Falsettisten konnten die volle Höhe eines Knabensoprans nicht erreichen. Ein Ersatz wurde durch die Kastraten geschaffen, die in den folgenden Jahrhunderten erstaunliche gesangliche Leistungen zu vollbringen imstande waren. Der Umfang und die Beweglichkeit der Knabenstimme blieb erhalten, dazu kam die Kraft des ausgewachsenen Körpers des Erwachsenen. Im 17. Jahrhundert sangen sie zumeist in der Kirchenmusik, bei Messen, Motetten und Madrigalen. Später sollten sie die begehrtesten Virtuosen der Oper werden.

Barock

Die italienischen Gesangsschulen des 16. Jahrhunderts wurden ähnlich der mittelalterlichen Schola cantorum zu Konservatorien für musikalische Waisen umgewandelt. Die Lehrer waren zumeist Kirchenkapellmeister, Sänger und Komponisten. Pier Francesco Tosi verfasste mit seinen Opinioni de' cantori antichi e moderni ein Werk, das erstmals die Grundsätze des italienischen Belcanto erläuterte. Giambattista Mancini schloss sich ihm mit seinen Pensieri e reflessioni sopra il canto figurato an. Die hohe Schule des altitalienischen Gesangs bescherte dem Sänger eine kaum enden wollende Atemdauer, große Agilität, gut geführtes Legato, einwandfreie Aussprache und einen gleichen Stimmklang in allen Registern. Die Bruststimme eines Kastraten hatte einen Umfang, der heute von zwei Frauenstimmen gesungen werden muss. Gute Kastraten waren die Glanzpunkte der Opernaufführungen und wurden bald zu Publikumsmagneten.

Während sich die italienische Schule des Belcanto bald in ganz Europa verbreitete und die Schriften Tosis und Caccinis übersetzt oder zur Grundlage neuerer Werke herangezogen wurden, begann das inzwischen überzüchtete Virtuosentum der Kastraten den Zuhörern nach und nach zu missfallen. Ein Zitat von Tosi belegt dies:

Die neue Mode verlangt, dass der Sänger bereit ist, bei jeder Gelegenheit in Schluchzen und Weinen auszubrechen. Weiter sagt er, dass die Sänger mit ihrem allzu vielen Coloriren die im Gesang vorgeschriebenen Limites überschreiten und denselben dermaßen verderben und verdunkeln, dass man nicht weiß, was sie singen, auch weder den Text noch die Noten verstehen kann.

Christoph Willibald Gluck setzte mit seiner Opernreform wieder die Musik in den Mittelpunkt der Oper. Er führte damit auch die orchesterbegleiteten Rezitative ein und verhalf dem Werk so zu einer neuen dramatischen Intensität.

Das 18. und 19. Jahrhundert

Das orchesterbegleitete Rezitativ verlangte von den Sopranistinnen und Tenören, welche die Stelle der Kastraten einnahmen, wieder ein Umdenken. Transpositionen in eine bequemere Lage waren nicht mehr möglich, die Partien, die ursprünglich für Kastraten geschrieben worden waren, wurden durch ungleiche biologische Gegebenheiten unsingbar. Neu war ebenfalls, dass die Stimme über das Orchester hinweg tragen können musste. Für die Tenöre bestand nun das Ziel darin, laute und hohe Töne treffen und halten zu können. Der Tenor Duprez erreichte sein hohes c mit der Bruststimme und verlieh ihm damit ungemeine Strahlkraft. Er galt fortan als Vorbild für seine Nacheiferer. In dieser Zeit finden durch die verschiedensten neuen Anforderungen und Möglichkeiten die ersten Kategorisierungen der Stimmen statt, die heute das deutsche System der international verbreiteten Stimmfächer bilden.

Zum Ende des 19. Jahrhunderts hin wurden die Anforderungen hinsichtlich der dramatischen Ausdruckskraft der Stimme vor allem in der Höhe immer größer. Auf der Grundlage von Vincenzo Bellini und Gaetano Donizetti forderte Giuseppe Verdi die größtmögliche Lautstärke von einem Sänger. George Bernard Shaw schrieb über ihn:

Das ganze Geheimnis einer gesunden Gesangliteratur liegt darin, im natürlichen Umfang der Stimme zu bleiben und den Hauptteil der Sängerleistungen in der Mittellage zu halten. Leider sind die Töne der Mittellage nicht immer die schönsten und bei ungenügend oder schlecht Ausgebildeten oft die schwächsten. Deshalb sind die Komponisten ständig versucht, fast nur für das obere Fünftel der Stimme zu schreiben, und genau das tat Verdi ohne Gewissensbisse. Er behandelte das obere Fünftel als Gesamtumfang der Stimme und legte seine Melodien in die Mitte davon, anstatt, wie es richtig wäre, in die Mitte des Gesamtumfanges. Das Ergebnis ist eine entsetzliche Überbelastung des Sängers.

Wagner und die Folgen

Richard Wagner brauchte für seinen neuen Typus des Musikdramas Sänger, die nicht unbedingt in der Höhe, dafür aber in der Ausdauer enorm strapazierfähig sein sollten. Teilweise müssen die Solisten durchgehend über eine halbe Stunde hinweg singen, eine gesamte Oper kann drei bis fünf Stunden am Stück dauern. Viele Sänger haben sich durch diese enormen Anforderungen ihre Stimme geschädigt. Nur wenige Solisten bringen die Belastbarkeit und Elastizität mit, Wagnerpartien unbeschadet über lange Jahre singen zu können.

Julius Hey erfand zu dieser Zeit seine Sprechlehre, die bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren hat.

Manuel Patricio Rodríguez García war einer der bedeutendsten Gesangspädagogen. Er setzte als erster einen Kehlkopfspiegel ein, mit dem man einen Blick in das Innere der Kehle zu werfen vermochte. Dies führte zu einem wesentlich besseren Verständnis der Funktion der Stimmlippen, aber auch zusammen mit einer eher unklaren Terminologie (die er in späteren Jahren korrigierte) zu einigen Missverständnissen. Seine Schüler Julius Stockhausen, Johannes Messchaert sowie Salvatore Marchesi und Mathilde Marchesi gaben seine Lehre weiter.

Neue Anforderungen an die Stimme im 20. Jahrhundert

Im Zeitalter der Neuen Musik wird die souveräne Beherrschung des Stimmapparates mehr denn je vorausgesetzt. Der Klang der Stimme an sich wird genauso erforscht wie der Klang der Instrumente. Zum eigentlichen Singen treten nun Geräusche und lautmalerische Äußerungen, Sprechen, Rufen, Zischen, Hauchen, Murmeln, Weinen, Schreien und Lachen. Daneben sind ungewöhnliche Intervalle genau zu treffen, was ein sehr gut ausgebildetes Tongedächtnis bzw. intonationssicheres Gehör verlangt. Darüber hinaus muss sich der Sänger ggf. mit der Notation der Werke auseinandersetzen und herausfinden, welche Intentionen den Zeichen zugrunde liegen, wo improvisatorische Freiheiten vorhanden sind, welche Rolle die Worte in einem Werk spielen, ob sie verständlich sein sollen oder als Vehikel für Klangsilben behandelt werden - jedes Werk hat seine spezifischen Anforderungen, mit denen sich der Sänger intensiv auseinandersetzen muss.

Studium

Heute bezeichnet der Begriff ein Studium an deutschen Musikhochschulen mit dem Ziel, Studenten und Studentinnen zu Musikschullehrern für meist klassischen Gesang auszubilden. Die Bezeichnungen der einzelnen Musikhochschulen für das Studium sind unterschiedlich und variieren zwischen Musiklehrer (ML), Gesangspädagogik und anderen.

Im Studium enthalten sind eigene Gesangsstunden von einer Lehrkraft der Hochschule, weiterführende Musiktheorie bzw. Tonsatz, Klavierunterricht, Gehörbildung, Pädagogik und ggf. Praktika an Musikschulen. Die einzelnen Musikhochschulen besitzen unterschiedliche Studienpläne. Die Studenten treten im Rahmen von hochschuleigenen Konzerten auf und festigen so ihre eigene Bühnenerfahrung.

Die Grundlagen der Gesangspädagogik zu beherrschen ist u.v.a. auch eine wichtige Gabe zur Chorleitung. Die weitaus meisten Menschen kommen passiv, als Objekt der Ausübung der Gesangspädagogik mit ihr in Kontakt, indem sie als Chorsänger von einem hierin ausgebildeten Menschen angeleitet werden.

Viele große klassische Sänger und Sängerinnen gaben und geben auch ohne Studium Unterricht und Meisterkurse in klassischem Gesang.

Gesangspädagogik in Jazz, Pop und Rock

Im Gegensatz zu der traditionsreichen Schule des klassischen Gesangs kann der Popgesang nicht auf einen derart großen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Da das wesentliche Element im Jazz-Rock-Pop-Bereich die Unverwechselbarkeit der Stimme ist, ist die Ausbildung von Sängern in diesem Bereich anders gestaltet und stärker auf Individualität aufbauend angelegt.

Für eine gesunde Stimmtechnik bleibt dennoch die klassische Belcanto-Stimmschulung unabdingbare Voraussetzung für eine langlebige und tragfähige Stimme. Besonders zum Tragen kommen diese Elemente im Bereich von Soul und für bestimmte Formen des Popgesangs. Whitney Houston und Christina Aguilera demonstrieren dieses Können vor allem mit reichen Koloraturen, Dame Shirley Bassey und Tina Turner mit langgezogenen Melodien. Auch Barbra Streisand, die ihre Karriere als Musicalsängerin begann, konnte von Anfang an mit einer profunden Stimmtechnik aufwarten, die ihr Jazz, Musical und Klassik gleichermaßen zugänglich machten.

Weiterhin wird in der Jazzausbildung dem Scatgesang und der Improvisation besonderes Gewicht zugesprochen, Rap dagegen weitgehend vernachlässigt.

Vor allem Anfänger aus dem Rock- und Popbereich singen ohne Ausbildung oder haben sich autodidaktisch unterrichtet und singen auf ihrem jeweiligen Niveau. Problematisch ist in diesem Bereich weiterhin, dass die Stimmtechnik zugunsten der Individualität oft in den Hintergrund gestellt wird, was mit der Zeit zu dauerhaften Stimmschäden führen kann.

Literatur

  • Ernst Haeflinger: Die Kunst des Gesangs: Geschichte, Technik, Repertoire. 4. Auflage. Schott, Mainz 2000, ISBN 3-7957-8720-3
  • Franziska Martienssen: Stimme und Gestaltung: die Grundprobleme des Liedgesanges. Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1927. Kahnt, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-920522-08-7
  • Franziska Martienssen-Lohmann: Ausbildung der Gesangsstimme. Erdmann, Wiesbaden 1957
  • Peter - Michael Fischer: Die Stimme des Sängers, Stuttgart: Metzler, 1993.
  • Josef Pilaj: "Singen lernen mit dem Computer: Über Anwendung und Nutzen neuer Feedbackmöglichkeiten in Stimmbildung und Gesang." Hrsg. Kraemer, Rudolf-Dieter. Augsburg: Wißner-Verlag, 2011, ISBN 978-3-89639-779-9.

Weblinks

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