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Handlung (Erzählkunst)
Handlung bezeichnet den ursächlichen Zusammenhang eines vorgestellten Ereignisverlaufs in Literatur, Theater, Film, Comic oder Computerspiel zu einem bestimmten Ende. Indem die Geschehnisse eines Verlaufs nicht isoliert, sondern in ihrer wechselseitigen Bedingtheit dargestellt werden, ist dieser kausale Bezug die Handlung oder der Plot einer Erzählung. - Eine alternative Definition liefert Jürgen Link, dem zufolge Handlung ein System von Textmerkmalen oder Zeichen ist, die auf einer Konfiguration (Erzähltheorie) beruhen und auf einer zeitlichen Achse angeordnet werden können.
Synonym, teils spezieller in Funktion oder Fachgebiet, werden Fabelführung, Plot oder Szenario (Szenarium) verwendet.
Die klassische Lehre von der Handlung nach Aristoteles
Die klassische Bestimmung von Handlung schlechthin unternimmt Aristoteles' Poetik (worin „Handlung“ abwechselnd auch „Knüpfung“, „Fabel“ oder „Mythos“ heißt – gemeint ist aber immer der Ereignisverlauf bzw. sein sachlicher Zusammenhang).
Anfang – Mitte – Ende
Hauptmerkmal der Handlung ist für Aristoteles, dass sie Anfang, Mitte und Ende hat. Ein Anfang sei, „was selbst nicht mit Notwendigkeit auf etwas anderes folgt, nach dem jedoch natürlicherweise etwas anderes eintritt oder entsteht“; Mitte sei, „was sowohl selbst auf etwas anderes folgt als auch etwas anderes nach sich zieht“; ein Ende sei, „was selbst natürlicherweise auf etwas anderes folgt, und zwar notwendigerweise oder in der Regel (also höchstwahrscheinlich), während nach ihm nichts andres mehr eintritt“. Demzufolge dürften Handlungen, wenn sie gut zusammengefügt sein sollen, „nicht an beliebiger Stelle einsetzen noch an beliebiger Stelle enden“, sondern müssten sich an die genannten Grundsätze halten.
Einfache und komplizierte Handlung
Aristoteles unterscheidet ferner zwischen „einfacher“ und „komplizierter“ Handlung. Während bei der einfachen Handlung ein vorweggenommenes Ende schließlich eintritt, überrascht einen die komplizierte Handlung mit einem anderen Ende als dem zunächst in Aussicht gestellten. Sie verläuft in einer ersten Zusammenhangskette, die jählings notwendig in eine andere, meist ein entgegengesetztes Ende implizierende, überspringt. Was eigentlich gemeint war, schlägt auf einmal (Peripetie) ins Gegenteil dessen um, wozu es ins Werk gesetzt wurde (erzielt z.B. nicht mehr Rettung, sondern Untergang) und entzieht der ursprünglichen Auffassung der vorgestellten Verhältnisse und ihrer Weiterungen den Boden. Alle gemachten Voraussetzungen müssen entsprechend der neuen Handlungsrichtung umgewertet werden: der Feind wird zum Freund, Abneigung, die man zu verspüren glaubte, zu Liebe, Kleinmut entpuppt sich als Kühnheit usw.
Glücksumschwung
Die stärkste Wirkung hat dieser Umschwung nach Aristoteles auf den Zuschauer, wenn statt eines erwarteten Glücks nun ein Unglück eintritt; auch die umgekehrte Richtung ist möglich, sogar gängiger, nur (sagt Aristoteles) weniger wirkungsvoll. Wobei die Anteilnahme des Zuschauers wächst, je ähnlicher ihm die von dem Glücksumschwung betroffene Person ist, da man Leuten, die man für schlechter als sich selber hält, das Unheil gönnt, und solche, deren Lage man für beneidenswerter als die eigene hält, nicht ungern fallen sieht; erst der Sturz der einem ähnlichen Person mache echt betroffen, da dies Schicksal auch für einen selbst nicht ausgeschlossen scheint.
Abstraktion
Aristoteles hält eine Geschichte (also eine ausgeführte Handlung) für „etwas Philosophischeres und Ernsthafteres“ als die Wiedergabe von zu irgendeinem Zeitpunkt wirklich Geschehenem, da sie „mehr das Allgemeine“ mitteilen würde, Tatsachenbeschreibungen „hingegen das Besondere“. Man soll eine Handlung, um ihre Wohlgeformtheit zu prüfen, daher „zunächst im allgemeinen skizzieren und dann erst szenisch ausarbeiten und zur vollen Länge entwickeln“, analog dem Beispiel, das Aristoteles selbst anhand der Odyssee gibt: „Jemand weilt viele Jahre in der Fremde, wird ständig von Poseidon überwacht und ist ganz allein; bei ihm zu Hause steht es so, dass Freier seinen Besitz verzehren und seinem Sohne nachstellen. Er kehrt nach schwerer Bedrängnis zurück und gibt sich einigen Personen zu erkennen; er fällt über seine Feinde her, bleibt selbst unversehrt und vernichtet die Feinde.“
Handlung vs. Stoff
Eine Handlung hat im Gegensatz zum Stoff oder Gegenstand einer Darstellung echte Dauer; ihr garantiertes Ende impliziert erzählerische Spannung, die folglich eine Eigenschaft von Handlung, nie des Themas ist.
Siehe auch die Unterscheidung und ähnliche Bedeutung von histoire – discours, fabula – sujet.
Grundformen der Handlung
Unterscheidung nach dem Inhalt oder Genre
- Romanze: Zwei Menschen sind füreinander bestimmt. Sie werden aber durch außerordentliche Hindernisse auseinander gehalten. Dass sie zueinander kommen oder ewig freudlos bleiben müssen, empfindet man von vornherein als selbstverständlich.
- Abenteuer: Ein Held nimmt sich eine Tat vor und führt sie gegen Widerstände aus.
- Ermittlung: Aufdeckung der Umstände, Gründe und Urheber einer rätselhaften Tat.
- Jagd: Jemand wird wegen etwas, das er getan hat oder getan haben soll, unaufhörlich verfolgt.
- Erkennung: Verwickelte Verhältnisse und Beziehungen werden enthüllt.
- Schauer: Raum, Zeit und Menschen kehren sich in Ungewohntes, Grauenerregendes um. Den Handlungsverlauf bildet eine Reihenfolge von starken Effekten durch Stoff und Ausstattung. Siehe dazu Schauerliteratur und Schauerromantik.
Unterscheidung nach dem Aufbau
- Die Ereignisse erfolgen in steigender Handlung bis zur Peripetie.
- Die Ereignisse erfolgen in fallender Handlung bis zur Katastrophe.[1]
- Es liegt tektonischer Handlungsaufbau vor, eine geschlossene, symmetrische Handlung mit den sog. Aristotelischen Einheiten von Ort, Zeit und Handlung sowie der Fokussierung auf einen zentralen Konflikt,[2] typisch für das Drama oder die Novelle.
- Es liegt atektonischer Handlungsaufbau bzw. offene Form vor.[3]
Unterscheidung nach der Wichtigkeit
- Haupthandlung
- Nebenhandlung[4]
Unterscheidung nach der Art
- Äußere Handlung = Alles, was in einer Erzählung getan und gesehen wird.
- Innere Handlung = Alles, was Personen in einer Situation
- denken,
- fühlen,
- sehen,
- ertasten,
- riechen,
- schmecken,
- hören und
- sagen.
Was in einer Person vorgeht, wird oft durch Mimik, Gestik und Körperhaltung nach außen sichtbar (siehe auch Nonverbale Kommunikation).
Sprachlich drückt man die innere Handlung aus durch Adjektive, Verben, bildhafte Wortwahl und Vergleiche sowie direkte und/oder indirekte Rede.
Unterscheidung nach der Präsentation bzw. Rezeptionsweise
- direkte Handlung als auf der Bühne sichtbare Handlung
- verdeckte Handlung, z. B.
- räumlich verdeckte Handlung, die nur durch Botenbericht und Mauerschau präsentiert wird, oder
- räumlich und zeitlich verdeckte Handlung, die vergangen ist, sich aber während der Handlungsdauer (etwa zwischen verschiedenen Szenen oder Akten) ereignet hat[5]
Literatur
- Heinz Ludwig Arnold und Volker Sinemus (Hgg.), Grundzüge der Literatur- und Sprachwissenschaft. Band 1: Literaturwissenschaft, München 1973, 6. Aufl. 1980, ISBN 3-423-04226-5
- Jürgen Link, Literaturwissenschaftliche Grundbegriffe. Eine programmierte Einführung auf strukturalistischer Basis, 2. Aufl., München 1979
- Gero von Wilpert, Sachwörterbuch der Literatur, 6. verb. u. erw. Aufl., Stuttgart 1979 (Kröner), ISBN 3-520-23106-9
- Kai Nonnenmacher; Christian von Tschilschke, Handeln und Verhandeln: Ein wissenschaftsgeschichtlicher Rück- und Ausblick. In: Schmelzer, Dagmar, (Hrsg.) Handeln und Verhandeln. Romanistischer Verl., Bonn 2007, S. 17-42
Einzelnachweise
Siehe auch
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Handlung (Erzählkunst) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |