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Kasus
Der Kasus [ˈkaːzʊs] (Pl.: Kasus mit langem u [ˈkaːzuːs]) (auch: der Fall) ist eine grammatische Kategorie der nominalen Wortarten.
Etymologie
Die Bezeichnung Kasus geht etymologisch auf das lateinische Wort 'casus' („Fall“) zurück. Dieses Wort ist ein Lehnwort vom griechischen Wort ptosis (πτῶσις) ('Fall'). Der griechische Grammatiker Dionysios Thrax hatte die Nomina als vom Verb 'abfallend' ('abhängig') aufgefasst (etwa wie noch heute in der Dependenzgrammatik) und dies als 'ptosis' bezeichnet.
Begriff
Der Ausdruck „Kasus“ ist mehrdeutig.
Morphologischer Kasus
In einem engeren Sinn ist mit „Kasus“ der morphologische Kasus gemeint, d. h. die „Kasusmarkierung durch grammatische Morpheme“[1]. In der Morphologie ist der Kasus eine morphologische Kategorie, die durch ein System einander gegenüberstehender Formenreihen gekennzeichnet ist, wobei diese Formen die Beziehung eines Gegenstandes zu anderen Gegenständen in einer bestimmten Situation wiedergeben. Dies entspricht der herrschenden Definition des Kasus als
- grammatische Kategorie deklinierbarer Wörter, insbesondere zum Ausdruck syntaktischer Funktionen im Satz.
Dieser morphologische Kasusbegriff bietet sich für die deutsche Sprachwissenschaft an, da das Deutsche noch ein ausgeprägtes Flexionssystem der nominalen Wortarten kennt. Im Deutschen werden in der Deklination mit dem Kasus auch zugleich das Genus und der Numerus morphologisch gekennzeichnet.
Für den morphologischen Kasus gelten (im Deutschen) in der Regel Kongruenz und Rektion.
In der traditionellen Duden-Grammatik wird für das Deutsche zwischen einem reinen Flexionskasus (Beispiel: „Müllers Auto“) und einem Präpositionalkasus (Beispiel: „das Auto von Müller“) unterschieden[2].
Aus dem Griechischen stammt die Einteilung in Casus Rectus (Nominativ, Vokativ) und Casus Obliquus (vom Verb abhängiger Kasus, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Ablativ).
Weitere Einteilungen sind die in lexikalischen und strukturellen Kasus (so in der generativen Syntax) und in syntaktischen und semantischen Kasus[3].
Typischerweise trägt ein Wort nur eine einzige Kasusmarkierung, in einigen Sprachen gibt es jedoch auch Wörter mit zwei und mehr Kasusmarkierungen (Suffixaufnahme).
Abstrakter Kasus
Unabhängig von einer morphologischen Realisierung kann man den Kasus abstrakt definieren als „grammatische Kategorie der nominalen Wortarten …, die der grammatischen Organisation des Satzes dient, indem die syntaktische Rolle von Substantivgruppen gekennzeichnet wird.“[4].
Dieser Kasusbegriff bietet sich „für nicht flektierende Sprachen wie dem Englischen und Französischen (an), in denen syntaktische Funktionen hauptsächlich durch Wortstellung bzw. Satzstruktur kodiert werden“[5]. Ein abstrakter Kasusbegriff wird in der Sprachvergleichung verwendet.
Als Spielart des abstrakten Kasus kann auch der Kasusbegriff der Kasusgrammatik angesehen werden.
Tiefenkasus im Sinne der Kasusgrammatik
Die Kasusgrammatik bezeichnet mit „Kasus“ (Tiefenkasus) die „semantisch/thematischen Relationen/Rollen“[6] bzw. die „abstrakte logisch-semantische Relation zwischen Nominalphrase und Verb“[7].
Das System der Kasus in der deutschen Sprache
Das Kasussystem im Standarddeutschen
Die deutsche Sprache kennt vier Fälle (Kasus):
- den Nominativ, 1. Fall, „Wer-/Was-Fall“
- den Genitiv, 2. Fall, „Wes(sen)-Fall“
- den Dativ, 3. Fall, „Wem-Fall“
- den Akkusativ, 4. Fall, „Wen-/Was-Fall“.
Beispielsweise ist in dem Satz:
- Die Frau gibt ihrem Bruder den Hut ihres Mannes.
Die Frau das Subjekt (= Ergänzung im Nominativ), ihrem Bruder das Dativobjekt (= Ergänzung im Dativ), den Hut das Akkusativobjekt (= Ergänzung im Akkusativ) und ihres Mannes das Genitivattribut.
Bei Feminina, Neutra, und bei stark deklinierenden Maskulina findet sich höchstens noch im Genitiv Singular und im Dativ Plural eine Kasus-Beugung, d. h. eine Veränderung der Wortform durch das Anhängen einer Endung an den Wortstamm bzw. den Pluralstamm. Der Dativ Singular der starken Maskulina und Neutra wurde im 20. Jahrhundert oft noch flektiert: dem Manne. In vielen Redewendungen ist dieser Stand erhalten: Im echten Manne ist ein Kind versteckt: Das will spielen. (Friedrich Nietzsche). Schwache Maskulina sowie alle substantivierten Adjektive und Partizipien haben auch in anderen Kasus Flexionsendungen (dem Menschen, den Boten, mit der Schönsten, für den Gebildeten). Der Verlust der Endungen ist wiederum Ursache für den Zusammenfall von gleichlautenden Kasus, wie im Englischen und Niederdeutschen (siehe unten). Das Deutsche scheint auf dem Wege zu sein, auch den Genitiv als Objektkasus („ich schäme mich seiner“) zu verlieren (Sprachdrift). Bei den nicht mehr durch Endungen gekennzeichneten Fällen zeigen die Artikel den Kasus des entsprechenden Wortes an.
Kasus in den deutschen Dialekten
Allgemeines
In vielen deutschen Mundarten ist das Kasussystem einfacher als im Hochdeutschen. So kommt der Genitiv in den deutschen Mundarten oft nur noch in festen Redewendungen vor. Er wird in der Regel durch eine Kombination von Präposition und Substantiv ersetzt. Beispiel: das Haus meiner Eltern wird ersetzt durch das Haus von meinen Eltern oder durch meinen Eltern ihr Haus.
In einigen Dialekträumen fallen Nominativ und Akkusativ zusammen, in anderen Dativ und Akkusativ (dieser Gemeinschaftskasus heißt dann Akkudativ oder Objektfall). In manchen Gegenden bleibt die Unterscheidung zwischen allen drei Kasus erhalten, in anderen verschwindet die Unterscheidung zwischen allen drei Kasus vollständig, sodass dort ein Einheitskasus aus Nominativ, Dativ und Akkusativ entsteht.
Bei den Kasus in den deutschen Mundarten muss man zwischen den einzelnen Wortarten (Artikel, Adjektiv, Substantiv und Personalpronomen) und zwischen den drei grammatischen Geschlechtern (Genera) unterscheiden. Zum Beispiel verhält sich beim bestimmten Artikel die männliche Form (hochdeutsch der) anders als die weibliche und die sächliche Form (die bzw. das).
Das Kasussystem im Alemannischen
Das Alemannische ist ein Dialektverbund der oberdeutschen Sprache, die sehr wenig Fälle kennt. Hier werden die Fälle anhand eines Luzerner Dialekts demonstriert. Es gibt keine einheitliche Angabe der Fälle im Alemannischen, da sie in den verschiedenen Dialekten teilweise sehr unterschiedlich sein können. Tatsächlich ist in konservativen alemannischen Dialekten das Kasussystem mitunter noch sehr viel besser erhalten, etwa im Walliserdeutschen.
Substantive
Kasus | maskulin | feminin | neutrum |
---|---|---|---|
Nominativ/Akkusativ | de Maa (der Mann/den Mann) | d'Frau (die Frau) | s'Chind (das Kind) |
Dativ | am Maa (dem Mann) | de Frau (der Frau) | am Chind (dem Kind) |
Die Formen des Nominativs und des Akkusativs sind in allen Genera identisch. Im Dativ wird als Artikel „im/i de“ verwendet. Das Wort selbst verändert sich nicht.
Der Genitiv muss gesondert aufgeführt werden. Eigentlich existiert ein Genitiv gar nicht. Deshalb entfallen die wenigen Verben, die im Standarddeutschen noch ein Genitivobjekt fordern, im Alemannischen oder werden mit entsprechenden Präpositionen aufgeführt.
Beispiel:
- Ursprungssatz: Ich schäme mich seiner.
- Alemannisch: Ich schäme mich wäg ihm.
- Einheitliche Übersetzung: Ich schäme mich seinetwegen.
Wird der Genitiv in einem Genitivattribut gefordert, wird er wie folgt angegeben:
Genus des Bezugswortes | maskulin | feminin | neutrum |
---|---|---|---|
maskulin | am Maa si(n) | de Frau ires | am Chind si(n) |
feminin | am Maa sini | de Frau iri | am Chind sini |
neutrum | am Maa sis | de Frau ires | am Chind sis |
Plural (m.,f. o. n.) | am Maa sini | a de Frau iri | am Chind sini |
Er setzt sich also zusammen aus dem Dativ, auf den ein Possessivpronomen folgt. In der Spalte ganz rechts ist angegeben, welches Genus das nachfolgende Wort hat. Je nachdem ändert sich auch das Possessivpronomen. Im Plural gibt es nur ein Possessivpronomen, weshalb die Geni Plural nicht mehr einzeln aufgeführt sind. Diese Form eines Genitivs, der ja eigentlich gar keiner ist, kann nur auf Genitivattribute angewendet werden. Als Genitivobjekt ist sie nicht zu gebrauchen. Sie existiert auch im Standarddeutschen, wird aber heute nur noch sehr selten verwendet. So ist sie zu übersetzen (das Genus des Bezugswort ist jeweils in Klammern angegeben):
- Im Maa sis Buech (n.) liit am Bode.
- Dem Mann sein Buch liegt auf dem Boden.
- I de Frou ires Chind (n.) esch 3-jährig.
- Der Frau ihr Kind ist 3-jährig.
- Im Chind sini Mueter (f.) chouft i.
- Dem Kind seine Mutter kauft ein.
Außerdem existiert im Alemannischen eine zweite Form. Auch diese Form ist im Standarddeutsch vorhanden und wird auch heute öfter gebraucht.
maskulin | feminin | neutrum |
---|---|---|
vom Maa | vo de Frou | vom Chind |
Diese Form eines rekonstruierten Genitivs setzt sich aus der Präposition „von“, dem Artikel (bei maskulinen und netrum Substantiven miteinander verschmolzen) und dem eigentlichen attributiven Substantiv zusammen. Das Bezugswort steht vor dem „Genitiv“. Das Genus und der Numerus des Bezugswort spielen in diesem Fall keine Rolle. Diese Form ist so zu übersetzen:
- D'Schwöschtere vom Maa heissed Erika ond Jasmin.
- Die Schwestern vom (= von dem) Mann heißen Erika und Jasmin.
Das Kasussystem im indogermanischen Sprachraum
Das Urindogermanische kannte acht oder neun Fälle:
- Nominativ
- Genitiv oder Genetiv
- Dativ
- Akkusativ
- Ablativ
- Instrumental
- Allativ oder Direktiv (unsicher)
- Vokativ
- Lokativ.
Entwicklung des Kasussystems in den Tochtersprachen
Die daraus entstandenen Sprachen (baltische, slawische Sprachen, sowie Latein oder Altgriechisch) haben diese vollständig oder nur zum Teil erhalten (teilweise unter anderen Namen). Auch das Deutsche besaß bis vor etwa eintausend Jahren noch einen Instrumental-Kasus.
Man dazu vergleiche die Entwicklung des Kasusformen von der rekonstruierten Ursprache bis heute in folgender Tabelle anhand des Beispielnomens ‘Wolf’:
Urindogermanisch | Sanskrit | Altgriechisch | Latein | Urgermanisch | Litauisch | |
---|---|---|---|---|---|---|
Nominativ | *wlkʷ=o-s | vṛk=a-ḥ | lýk-os | lup-us | *wulf-az | vil̃k-as |
Akkusativ | *wlkʷ=o-m | vṛk=a-n | lýk-on | lup-um | *wulf-ą | vil̃k-ą |
Genitiv | *wlkʷ=o-s(-yo?) | vṛk=a-s-ya | lýk-ou | (lup-ī) | *wulf-as, -is | vil̃k-o |
Dativ | *wlkʷ=o-ey | vṛk=ā-ya | lýk-ō(i) | lup-ō | *wulf-ai | vil̃k-ui |
Ablativ | *wlkʷ=o-at | vṛk=ā-t | † | lup-ō | † | † |
Instrumental | *wlkʷ=o-h₁ | (vṛk-eṇa) | † | † | *wulf-ō | vilk-ù |
Lokativ | *wlkʷ=o-y | vṛk-e | † | † | † | vilk-è |
Vokativ | *wlkʷ-e! | vṛk-a! | lýk-e! | lup-e! | *wulf! | vil̃k-e! |
Der Themavokal =o verschmilzt in den indogermanischen Tochtersprachen mit den Kasusendungen häufig zu einem neuen Suffix.
Die Kasussysteme indogermanischer Sprachen im Einzelnen
Die Kasus im (Alt-)Griechischen
Von den acht Kasus des Indogermanischen haben sich im Altgriechischen fünf erhalten: Nominativ, Akkusativ, Genitiv, Dativ und Vokativ (Anredeform). Nach ihrer Verwendungsweise werden zahlreiche verschiedene Kasusfunktionen unterschieden. Das altgriechische Kasussystem ähnelt in seinen Grundzügen dem deutschen. Zu Einzelheiten siehe Altgriechische Sprache.
Die Kasus im Lateinischen und in den romanischen Sprachen
Latein
Das Lateinische kennt fünf ausgeprägte Kasus: Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ und Ablativ. Hinzu kommt der Vokativ, der jedoch nur bei einer einzigen Substantivklasse im Singular Maskulinum eine eigene Form hat, sonst ist er stets gleich dem jeweiligen Nominativ. Bei Städtenamen der a/o-Klasse erscheinen überdies Reste des Lokativs. Einzelheiten unter Lateinische Grammatik.
Romanische Sprachen
„Der Verlust der morphologisch markierten Kasus gehört zu den wichtigsten typologischen Merkmalen, die die romanischen Sprachen vom Lateinischen unterscheiden.“[8]
An die Stelle eines Flexionskasus tritt ein Präpositionalkasus[9]. Im Altfranzösischen gab es noch ein Zweikasussystem.
- Beispiel: Statt (lateinisch) „homo homini lupus“ (spanisch) „El hombre (es) un lobo para el hombre.“[8]
Reste eines morphologischen Kasus finden sich bei den romanischen Sprachen noch bei den Personalpronomina. Lediglich im Rumänischen gibt es noch „ein rudimentäres Kasussystem“[8].
Die Kasus in den germanischen Sprachen
Von den indogermanischen acht Kasus werden nur sechs im Urgermanischen fortgeführt; von diesen Formen wiederum gehen in den Nachfolgesprache allmählich immer mehr verloren:
Urgermanisch | Gotisch | Altnordisch | Altenglisch | Altsächsisch | Althochdeutsch | |
---|---|---|---|---|---|---|
Nominativ | *wulf-az | wulf-s | úlf-r | wulf | wulf | wolf |
Akkusativ | *wulf-ą | wulf | úlf | wulf | wulf | wolf |
Genitiv | *wulf-as, -is | wulf-is | úlf-s | wulf-es | wulf-es, -as | wolf-es |
Dativ | *wulf-ai | wulf-a | úlf-i | wulf-e | wulf-e, -a | wolf-e |
Instrumental | *wulf-ō | † | † | *wulf-u | † | |
Vokativ | *wulf! | *wulf! | (→ Nom. úlf-r!) | wulf! | wulf! | wolf! |
Niederländisch
Im Niederländischen ist das Kasussystem weitestgehend verschwunden. Bei den Substantiven und Adjektiven gibt es keine Unterscheidung zwischen den Kasus mehr. Bei den Personalpronomina gibt es noch die Unterscheidung zwischen Subjektfall und Objektfall, z.B. ik („ich“, Subjektfall) — mij, me („mir“ oder „mich“, Objektfall). Dabei ist me die unbetonte Form von mij.
Gelegentlich kommen noch Reste weiterer Kasusunterscheidungen vor. In der Schriftsprache gibt es beim Personalpronomen der dritten Person Plural die Unterscheidung zwischen hen und hun. Dieser Unterschied wird in der Schriftsprache aber selten gemacht und kommt in der gesprochenen Sprache nicht vor. Weitere Kasusunterscheidungen kommen in feststehenden Ausdrücken und in Archaismen vor.
Beispiele:
- Van de koele meren des doods — „Von den kühlen Seen des Todes“, Genitiv in einem Buchtitel von Frederik van Eeden
- Woordenboek der Nederlandsche Taal — „Wörterbuch der niederländischen Sprache“, Genitiv
- ter dood veroordeeld — „zum Tode verurteilt“, Dativ
- mijns inziens — „meines Wissens“, Genitiv
- ontferm u onzer — „erbarme dich unser“, Genitiv
Niederdeutsch
Der weibliche und der sächliche bestimmte Artikel haben im niederdeutschen Sprachraum einen Einheitskasus. Eine Ausnahme bilden bei den sächlichen Artikeln feste Formen wie to'n Bispill (zum Beispiel), in denen noch ein Dativrelikt aus früheren Sprachstufen zu finden ist. Der männliche bestimmte Artikel hat nur in einem kleinen Teil des Sprachraums (nämlich in Südschleswig) den Einheitskasus Nominativ-Dativ-Akkusativ.
Ein niederdeutsches Beispiel für die vorhandene Opposition Nominativ-Objektfall (Akkudativ) beim männlichen Nomen ist folgendes:
- De Fru kickt den Mann an (Das Wort Mann steht im Objektfall; im Standarddeutschen würde es im Akkusativ stehen)
- 'Die Frau schaut den Mann an.'
- De Fru gifft den Mann Koken. (Das Wort Mann steht im Objektfall; im Standarddeutschen würde es im Dativ stehen)
- 'Die Frau gibt dem Mann Kuchen.'
Weitere Kasusrelikte finden sich beim Genitiv. Im westlichen Sprachgebiet gibt es, wohl durch das Niederländische beeinflusst, Formen wie s'Avends (des Abends).
Die Kasus in den slawischen Sprachen
Die slawischen Sprachen lassen sich nach der Anzahl der Kasus in zwei Gruppen unterteilen.
- Im Bulgarischen[10] und Mazedonischen[11] gibt es 3 Kasus bei Pronomina, während bei den Substantiven keine Fälle mehr existieren bis auf einen mehr (Makedonisch) oder weniger (Bulgarisch) verwendeten Vokativ.
- Alle weiteren slawischen Sprachen haben 6 oder 7 Kasus.
Die Kasus in den baltischen Sprachen
Die beiden baltischen Sprachen unterscheiden sich in der Anzahl der Fälle.
- Litauisch[22] [23] hat 7 Fälle. Die Anzahl der Fälle stimmt zwar mit dem benachbarten Polnischen überein,[18] aber Polnisch und Litauisch sind nicht sonderlich eng miteinander verwandt. (Polnisch war in Litauen allerdings jahrhundertelang die wichtigste Kultursprache.) Im Altlitauischen gab es allerdings zusätzliche (möglicherweise unter finno-ugrischem Einfluss neugebildete) Fälle, sogenannte sekundäre Lokalkasus, die sich in Dialekten teilweise bis heute erhalten haben.
- Lettisch[24] [25] [23] hat dagegen nur 6 Fälle, obwohl in einigen Quellen der Instrumental als 7. Kasus erwähnt wird. Er ist aber im Singular mit dem Akkusativ und im Plural mit dem Dativ identisch und wird daher in neueren Büchern nicht mehr aufgeführt.
Kasus in den Sprachen der Welt
Nicht-indogermanische Sprachen (z.B. finno-ugrische) kennen zum Teil deutlich mehr Fälle als die indogermanischen Sprachen. Im Estnischen sind es beispielsweise 14, im Finnischen 15, im Wepsischen 24, und im Ungarischen je nach Zählung zwischen 0 und 31.
Jedoch ist es recht schwierig, dem Begriff eine allgemeingültige Definition zu geben. Manche Fachleute bezweifeln, dass er auf alle Sprachen (z. B. Englisch oder Ungarisch) anwendbar ist.
Die folgende Liste ist zum einen nicht vollständig und satzlogische Funktionen mehrerer Kasus können sich zum anderen überlappen. Eine Satzrolle (Aktant), die in einer Sprache durch einen der aufgeführten Kasus ausgefüllt wird, mag in einer anderen durch einen anderen ausgefüllt werden – meist kennt sie dann nur den einen der beiden.
Kasus | Bedeutung | Beispiel | Sprachen (Beispiele) |
---|---|---|---|
Abessiv | Abwesenheit von etwas | ohne den Lehrer | Estnisch, Finnisch |
Ablativ (1) | indirekter Fall | den Lehrer betreffend | Latein, Sanskrit |
Ablativ (2) | Wegbewegung | vom Lehrer weg | Estnisch, Finnisch, Latein, Tibetisch, Türkisch, Ungarisch |
Absolutiv | Subjekte intransitiver Verben; Objekte transitiver Verben | der bzw. den Lehrer | Ergativsprachen, wie z.B. Sumerisch oder Tibetisch |
Adessiv | nahe bei | beim Lehrer | Estnisch, Finnisch, Litauisch (früher), Ungarisch, Zazaki |
Akkudativ | |||
Akkusativ/Wenfall | direktes Objekt | den Lehrer | viele indogermanische Sprachen, Altgriechisch, Arabisch, Esperanto, Lettisch, Obersorbisch, Türkisch, Ukrainisch, Ungarisch |
Allativ/Adlativ/Direktiv | Hinbewegung | zum Lehrer | Baskisch, Estnisch, Finnisch, Litauisch (früher), Sumerisch, Tibetisch, Ungarisch, Zazaki |
Approximativ | |||
Äquativ | Vergleich | wie ein Lehrer | Sumerisch |
Benefaktiv/Destinativ | Begünstigter | dem Lehrer zunütze | |
Dativ/Wemfall | Richtung oder Empfänger; indirektes Objekt | dem Lehrer | viele Indogermanische Sprachen, Altgriechisch, Georgisch, Lettisch, Obersorbisch, Sumerisch, Türkisch, Ukrainisch, Ungarisch, Zazaki |
Dedativ/Respektiv | |||
Delativ | Wegbewegung von etwas herab | vom Schiff herab | Ungarisch |
Delimitativ/lokaler Genitiv | örtliche Zugehörigkeit | des Lehrers, zum Lehrer gehörig | Baskisch, Russisch |
Derivativ | Herkunft | der Hamburger Lehrer | |
Elativ | Herausbewegung | aus dem Haus heraus | Estnisch, Finnisch, Tibetisch, Ungarisch |
Ergativ | Subjekt, das ein transitives Verb ausführt | der Lehrer (baut ein Haus …) | Baskisch, Georgisch, Inuktitut, Samoanisch, Sumerisch, Tibetisch |
Essiv/Adverbialis | Kennzeichnung eines Zustandes | als Lehrer | Estnisch, Finnisch, Georgisch, Samisch, Ungarisch (2, formal und modal) |
Genitiv/Genetiv/Wesfall | Besitz, Beziehung | des Lehrers | viele Indogermanische Sprachen, Altgriechisch, Arabisch, Lettisch, Obersorbisch, Sumerisch, Tibetisch, Türkisch, Ukrainisch, Zazaki |
Illativ | Hineinbewegung | ins Haus | Estnisch, Finnisch, Litauisch, Samisch, Ungarisch, Zazaki |
Inessiv | Innen | im Haus | Baskisch, Estnisch, Finnisch, Litauisch, Ungarisch |
Instruktiv (1) | Art und Weise | mittels Lehrer | Finnisch |
Instrumental/Instruktiv (2) | Werkzeug, Mittel | mit dem Lehrer | Baskisch, Georgisch, Finnisch, Latein, Lettisch, Litauisch, Obersorbisch, Sanskrit, Slawische Sprachen, Tibetisch, Ungarisch |
Komitativ/Assoziativ | Zusammen mit | mit dem Lehrer | Baskisch, Estnisch, Finnisch, Samisch, Sumerisch, Tibetisch, Ungarisch, Zazaki |
Lokativ | Ort | am Haus | Lettisch, Litauisch, Obersorbisch, Samisch, Sanskrit, Slawische Sprachen, Sumerisch, Tibetisch, Türkisch |
Motivativ | Beweggrund | um ihrer schönen blauen Augen willen | |
Nominativ/Rectus/Werfall | Subjekt | der Lehrer | sämtliche Indogermanische Sprachen, Arabisch, Estnisch, Finnisch, Georgisch, Samisch, Türkisch, Ungarisch |
Obliquus (Oblik) | Alle Rollen außer Subjekt umfassend | dem Lehrer, den Lehrer, … | Altfranzösisch, Englisch, Kurmandschi, Zazaki, Akkadisch |
Partitiv | Teil einer Menge | an Lehrern (fehlt es nicht) | Baskisch, Estnisch, Finnisch |
Perlativ | Bewegung durch etwas | durch das Haus hindurch | Tocharisch |
Possessiv | Besitz | dem Lehrer gehörend | Baskisch |
Präpositiv | Kasus nach Präpositionen | Präposition + Lehrer | Russisch |
Prolativ (1) | Bewegung auf Oberfläche | durch das Haus | Estnisch |
Prolativ (2) | für oder an Stelle von | für den Lehrer | Baskisch |
Separativ/Lokativ-Genitiv | Zazaki | ||
Sublativ (1) | Bewegung auf etwas | auf das Schiff | Ungarisch, Zazaki |
Sublativ (2) | Zazaki | ||
Superessiv | Position auf | auf dem Schiff | Ungarisch |
Tendenzial | Richtung einer Bewegung | in Richtung auf den Lehrer hin | Baskisch |
Terminativ | Ende einer Bewegung oder Zeit | bis zum Lehrer | Baskisch, Estnisch, Sumerisch, Tibetisch, Ungarisch |
Translativ | Zustandswechsel | zum Lehrer (werden) | Estnisch, Finnisch, Georgisch, Ungarisch |
Vokativ | Anrede | (Herr) Lehrer! | Georgisch, Urindogermanisch, Sanskrit, Hindi und Urdu, Singhalesisch, Altgriechisch,Neugriechisch, Latein, Rumänisch, Urkeltisch und seine Nachfolgesprachen Irisch und Kymrisch, Litauisch, Lettisch, viele slawische Sprachen (wie Bulgarisch, Slavomakedonisch, Obersorbisch, Polnisch, Štokavisch, Tschechisch und Ukrainisch), Kurdisch, Zazaki |
Kasus und Adpositionen in der Sprachtypologie
In den Sprachen der Welt zeigt sich, dass ein Teil der Sprachen Kasusmarkierungen verwendet, wo ein anderer Teil Adpositionen (Prä- bzw. Postpositionen) benutzt, d. h., der Unterschied zwischen beiden Strategien äußert sich häufig nur in der Morphologie, nicht jedoch in der Funktion (Semantik). Von einigen zeitgenössischen Sprachtypologen wird daher der engl. Begriff flag bzw. flagging („Flagge“ bzw. „Beflaggung“)[26] verwendet, um beide Phänomene im Hinblick auf ihre Semantik unter einem Oberbegriff zusammenzufassen.
Siehe auch
- Kasus-Numerus-Genus-Kongruenz
- Kasusgrammatik (nach Fillmore)
- Kasustheorie (in der Rektions- u. Bindungstheorie)
Einzelnachweise
- ↑ Wendung nach Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft, 3. Aufl. (2002), ISBN 3-520-45203-0/Kasus
- ↑ Duden, Die Grammatik, 4. Aufl., Rn. 372
- ↑ Im Einzelnen vergleiche Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft, 3. Aufl. (2002), ISBN 3-520-45203-0/Kasus
- ↑ Nach Gadler, Praktische Linguistik, 3. Aufl. (1998), S. 179 (dort wird aber nicht explizit vom abstrakten Kasus gesprochen)
- ↑ Formulierung von Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft, 3. Aufl. (2002), ISBN 3-520-45203-0/Kasus, dort jedoch ohne ausdrückliche Unterscheidung zwischen einem morphologischen und abstrakten Kasusbegriff
- ↑ Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft, 3. Aufl. (2002), ISBN 3-520-45203-0/Kasusgrammatik
- ↑ Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 5. Aufl. (2002)/Kasus
- ↑ 8,0 8,1 8,2 Gabriel/Meisenberg, Romanische Sprachwissenschaft (2007), S. 140
- ↑ Terminologie nach Duden, Die Grammatik, 4. Aufl., Rn. 372 (Unterscheidung für die deutsche Sprache)
- ↑ Kauderwelsch Band 51, Bulgarisch Wort für Wort, ISBN 3-89416-240-6, 4. Auflage 2003, Seiten 31 (Pronomina), 50 (Verhältniswörter mit Hinweis auf fehlende Deklination)
- ↑ Kauderwelsch Band 131, Mazedonisch/Makedonisch Wort für Wort, ISBN 3-89416-494-8, 2. Auflage 2002, Seiten 43 (Pronomina), 74 (Verhältniswörter)
- ↑ Kauderwelsch Band 69, Slowenisch Wort für Wort, ISBN 3-89416-259-7, 5. Auflage 2003, Seite 29
- ↑ Grammatik der russischen Sprache, ISBN 3-06-502230-3, Seite 137
- ↑ 14,0 14,1 Kauderwelsch Band 211, Sorbisch Wort für Wort, ISBN 978-3-89416-381-5, 1. Auflage 2007, Seiten 26-30
- ↑ Kauderwelsch Band 93, Kroatisch Wort für Wort, ISBN 978-3-89416-886-5, 9. Auflage 2007, Seite 57
- ↑ stand alone bcs, keine ISBN,weil nicht als Buch veröffentlicht
- ↑ Kauderwelsch Band 93, Serbisch Wort für Wort, ISBN 978-3-89416-537-6, 5. Auflage 2008, Seite 52
- ↑ 18,0 18,1 Kauderwelsch Band 35, Polnisch Wort für Wort, ISBN 3-89416-527-8, 7. Auflage 2002, Seiten 70-76
- ↑ Kauderwelsch Band 32, Tschechisch Wort für Wort, ISBN 3-89416-058-6, 7. Auflage 2004, Seite 27
- ↑ Kauderwelsch Band 81, Slowakisch Wort für Wort, ISBN 3-89416-272-4, 4. Auflage 2002, Seiten 50-53
- ↑ Kauderwelsch Band 79, Ukrainisch für Globetrotter, ISBN 3-89416-270-8, 1. Auflage 1993, Seite 47
- ↑ Kauderwelsch Band 54, Litauisch Wort für Wort, ISBN 978-3-89416-244-3, 5. Auflage, Seiten 44-51
- ↑ 23,0 23,1 Die baltischen Sprachen, ISBN 3-324-00605-8, Seiten 113 (Litauisch), 283 (Lettisch)
- ↑ Kauderwelsch Band 82, Lettisch Wort für Wort, ISBN 3-89416-273-2, 3. Auflage 2002, Seite 65
- ↑ Jan Henrik Holst: Lettische Grammatik, ISBN 3-87548-289-1, Seite 106-121
- ↑ Martin Haspelmath: Argument marking in ditransitive alignment types. In: Linguistic Discovery. Bd. 3, Heft 1, 2005, S. 1–21.
Literatur
- Olga Monte: Slowakisch für alle Fälle. Modernes Lehrbuch für Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Lokativ und Instrumental omninum, Bad Vöslau 2014, ISBN 978-3-99031-006-9
- Barry J. Blake: Case. 2. Auflage. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 2001, ISBN 0-521-80761-1.
- Ivan G. Iliev: On the Nature of Grammatical Case ... (Case and Vocativeness) On the Nature of Grammatical Case ...
- Thomas Stolz: Lokalkasussysteme. Aspekte einer strukturellen Dynamik (= Pro lingua. Bd. 13). Egert, Wilhelmsfeld 1992, ISBN 3-926972-23-8.
Weblinks
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