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Kommando Arājs
Das Kommando Arājs war eine berüchtigte lettische Hilfseinheit des deutschen Sicherheitsdienstes während des Zweiten Weltkriegs. Diese aus Freiwilligen bestehende Truppe war durch Erschießungen und Wachdienste maßgeblich am Holocaust in Lettland beteiligt. Bei den von dem Kommando ermordeten Personen handelte es sich meist um lettische Juden und Kommunisten. Die Gesamtzahl der direkten Todesopfer wird auf mindestens 26.000 Personen beziffert.[1] Die Kopfstärke der Einheit betrug während der Judenermordungen 1941 einige hundert Personen. Durch Ausbau und Eingliederung anderer lettischer SD-Hilfseinheiten wuchs die Personalstärke 1943 auf zeitweise bis zu 1500 Mann.[2]
Entstehung
Bereits zehn Tage nach dem Beginn des Deutsch-Sowjetischen Krieges eroberten Truppen der Wehrmacht die seit 1940 von der Sowjetunion besetzte lettische Stadt Riga. Unmittelbar nach dem Ende der Kämpfe richteten sich am Nachmittag des 1. Juli Teile der zur Ermordung unerwünschter Bevölkerungsteile vorgesehenen Einsatzgruppe A mit deren Führer Walter Stahlecker in der Präfektur der Stadt ein. Hier hatte der ehemalige lettische Polizeioffizier Viktors Arājs eine Gruppe von etwa 30 ehemaligen Polizisten und Armeeangehörigen zur Verfügung der Deutschen versammelt.[3] Nach einer Unterredung bestätigte Stahlecker am nächsten Tag Ārajs als Führer eines lokalen "Sonderkommandos".
Solchen an vielen Orten im Baltikum entstehenden Sonderkommandos des SD war die Ermordung von Juden und kommunistischen Funktionären zugedacht. Durch die Beteiligung von Einheimischen sollten die Erschießungen als spontane „Selbstreinigung“ der Baltischen Völker dargestellt werden. Dementsprechend trugen die Leute in der Anfangszeit Zivilkleider. Eine grüne Armbinde mit der Aufschrift „Sicherheitsdienst“ und einer Identifikationsnummer diente zur Erkennung.[4]
Bis zum 20. Juli 1941 bestand die Einheit aus nicht mehr als 100 Leuten.[5] Ab diesem Zeitpunkt wurden lettische SD Hilfseinheiten aus anderen Städten unterstellt so das die Personalstärke langsam anwuchs. Das Kommando Ārajs wurde so mehr und mehr synonym mit der formellen Bezeichnung "lettische Hilfspolizei der Sicherheitspolizei und des SD". In der Struktur glich es sich der vorgesetzten Behörde, also der Einsatzgruppe A als mobiles Tötungskomando an.
Holocaust
Ārajs richtete sich im Haus Valdemāra-Straße 19[6] ein und veröffentlichte Freiwilligenaufrufe. Bei den ersten Freiwilligen spielten ehemalige Donnerkreuzler und Mitglieder der lettischen Studentenverbindungen eine besondere Rolle. Bereits bei den ersten Verhaftungen von reichen Juden waren Arājs-Leute involviert. Bei den pogromartig organisierten Ausschreitungen am 4. Juli war das Kommando für die Verbrennung der Synagogen in der Gogol- und Stabu-Straße verantwortlich. Jede Nacht wurden nunmehr von den Ārajs-Leuten unterschiedlich große Gefangenengruppen aus den verschiedenen Gefängnissen Rigas mit Lastwagen in den Wald von Biķernieki gebracht und dort erschossen.[7] Die Befehle dazu erfolgten meist direkt von der Leitung der Einsatzgruppe 2, insbesondere Kurt Krause, später Rudolf Lange.[8] Auch nach Einrichtung des Ghettos hörten die Massenhinrichtungen nicht auf. Das Hauptquartier des Kommandos siedelte später nach Krišjāņa Barona-Straße 99 um.
Es wird angenommen, das ein Großteil der 21 000 in lettischen Kleinstädten ermordeten Juden vom Kommando Ārajs erschossen wurde.[9] Mobile Erschießungskommandos von jeweils 40 bis 50 Mann wurden mittels lettischer Vorkriegsautobusse "Ikarus" in andere Gegenden Lettlands transportiert.[10] Gewöhnlich waren am Zielpunkt die Opfer von den örtlichen Stellen bereits gefangen gesetzt und Todes-Gruben vorbereitet worden. Die eigentlichen Exekutionen wurden dann von den Arājs-Leuten durchgeführt. Einige dieser Aktionen richteten sich auch gegen Insassen von psychiatrischen Krankenhäusern.
Beim Massaker von Rumbula am 30. November und 8. Dezember 1941 war das Ārajs Kommando aktiv an der Räumung des Ghettos beteiligt. Bei der Durchkämmung der Häuser wurden diejenigen, die ihre Häuser wegen Krankheit, Altersschwäche oder aus Angst nicht verließen erschossen. Der Massenmord war von Friedrich Jeckeln befohlen worden und die eigentlichen Hinrichtungen wurden von seinem persönlichen Stab ausgeführt. Bei der Einrichtung und Bewachung der Marschkolonnen zu den Gruben des Hinrichtungsortes waren insgesamt ungefähr 1500 Letten beteiligt, darunter auch mindestens 800 Ordnungspolizisten des Kreises Riga.
Zu Beginn des Jahres 1942 waren in Riga stationierte Leute des Kommando Ārajs in die Ermordungsaktionen von etwa 20 000 aus Westeuropa antransportierten Juden involviert. Die eigentliche Ausführung und Organisation der „Säuberungen“ wurde allerdings nunmehr vom SS- und Polizeigeneral Jeckeln und seinen Leuten durchgeführt.
Wachdienste und Partisanenkampf
Bis Oktober 1941 war die Judenvernichtung in den Kleinstädten abgeschlossen und in Riga und Daugavpils Ghettos eingerichtet, damit war die eigentliche „Hauptfunktion“ der lettischen Erschießungskommandos beendet. Die SD Führung ersann neue Aufgaben für das Ārajs-Kommando, welches bis zum Jahr 1943 auf etwa 1200 Mann anwachsen sollte.
Am 22. Oktober 1941 wurde ein Bataillon aus 470 Ārajs-Leuten zusammengestellt und zum Stab der Einsatzgruppe A bei Leningrad verlegt um nach der Eroberung der Stadt die gewohnten Todesaktionen auszuführen. Da es hierzu niemals kam, wurden zwei lettische Kompanien militärisch ausgebildet und erstmals in Uniformen der Waffen-SS mit abweichenden Rangabzeichen eingekleidet.[11] Bei einem Einsatz gegen Partisanen im rückwärtigen Bereich der Blauen Division wurde Stahlecker, der die Kampfgruppe persönlich führte, tödlich verletzt. Im Januar 1943 waren 154 Ārajs-Leute bei Leningrad eingesetzt.[12]
Eine weitere etwa 300 Mann starke Gruppe des lettischen SD war 1942 in Minsk stationiert.[13] Den deutschen Besatzungsbehörden unterstellt, hatte sie allgemeine Polizei- und Wachaufgaben, zu denen auch Ermordung von Juden und Einsätze gegen Partisanen gerechnet wurden, zu erfüllen.
Vom Dezember 1941 bis Ende 1943 stellte das Kommando die Wachen für das KZ Salaspils.[14]
Im November 1943 wurde der lettische Sicherheitsdienst in zwei Battailone aufgeteilt: eines wurde von Viktors Ārajs und das andere von Kārlis Ozols[15] angeführt. Bis zum 1. Juli 1944 waren 108 lettische SD Mitglieder an der Ostfront getötet worden, die Personalstärke betrug zu diesem Zeitpunkt noch 847 Leute. Mit der Eroberung Lettlands durch die Rote Armee wurde das Bataillon Ārajs aufgelöst und die Leute auf verschiedene Einheiten der lettischen Legion aufgeteilt. Das Battailon Ozols wurde geschlossen in das 7. Lettische Grenadierregiment überführt und kämpfte bis Kriegsende im Kurlandkessel[16] Reste des lettischen Sicherheitsdienstes wurden unter dem Befehl Jeckelns im Kurlandkessel zur Bekämpfung von lettischen Partisanen, unter anderem der Kurelis-Einheiten, verwendet.
Verbleib bekannter Angehöriger
Eine sowjetische Sonderkommission zur Untersuchung von Nazi-Verbrechen machte bis 1946 244 Mitglieder des Kommando Ārajs ausfindig und verurteilte diese. Arājs selbst lebte unter falscher Identität in Deutschland, bis 1975 ein Strafprozess gegen ihn eröffnet wurde. Herberts Cukurs wurde 1965 in Uruquay von Mossad Agenten ermordet. Konrāds Kalējs starb 2001 in Australien, und entging so einem Strafprozess. Auch gegen den bekannten australischen Schachspieler Kārlis Ozols kam kein Prozess zustande. Von einem Offizier des Kommandos, Boriss Kinstlers, ist bekannt, das er nach dem Krieg Karriere bei der Tscheka machte.[17][18]
Andere Einheiten des lettischen Sicherheitsdienstes
Viele lettische SD-Einheiten in der Provinz wurden nach und nach Arājs unterstellt. Noch vor der Eroberung Rigas bildete der Journalist und Antisemit Martins Vagulānis in Jelgava und Umgebung eine größere Organisation, die selbständig Exekutionen durchführte. In Riga selbst existierten im Juli 1941 noch mindestens zwei weitere ähnliche Sonderkommandos "Teidemans" und "Rikards", die beide später Arājs unterstellt wurden.[19] Ein lettgalisches Sonderkommando des SD von 75 Leuten wurde 1943 in das Arājs-Kommando integriert.[20]
Literatur
- Andrew Ezergailis, Historical Institute of Latvia (Hrsg.): The Holocaust in Latvia 1941-1944: The Missing Center. Riga 1996,ISBN 9984-9054-3-8.
- Igors Varpa: Latviesu Karavirs zem Kaskrusta Karoga (Lettische Soldaten unter dem Hakenkreuz), ISBN 9984-751-41-4.
- Kathrin Reichelt: Lettland unter deutscher Besatzung 1941-1944: Der lettische Anteil am Holocaust ISBN 978-3940938848.
- Historische Komission Lettlands: Holokausta pētniecības problēmas Latvijā. Rīga, 2008. ISBN 978-9984-824-05-5 online (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Aivars Stranga: Holokausts vācu okupētajā Latvijā: 1941–1945. in Historische Komission Lettlands: Holokausta pētniecības problēmas Latvijā. Rīga, 2008. ISBN 978-9984-824-05-5 Seite 26
- ↑ Kathrin Reichelt: Lettland unter deutscher Besatzung 1941-1944. Seite 399 andere Autoren nennen eine Zahl von 1200
- ↑ Igors Varpa: Latviesu Karavirs zem Kaskrusta Karoga Seite 35.
- ↑ Igors Varpa: Latviesu Karavirs zem Kaskrusta Karoga Seite 54.
- ↑ Igors Varpa: Latviesu Karavirs zem Kaskrusta Karoga Seite 53.
- ↑ Die Stadtvilla eines 1940 verhafteten jüdischen Bankiers: siehe Björn M. Felder: Lettland im Zweiten Weltkrieg: Zwischen sowjetischen und deutschen Besatzern 1940-1946. 2009 Schöningh ISBN 978-350-6765-444 Seite 218
- ↑ Kathrin Reichelt: Lettland unter deutscher Besatzung 1941-1944. Seite 104
- ↑ Kathrin Reichelt: Lettland unter deutscher Besatzung 1941-1944. Seite 129
- ↑ Igors Varpa: Latviesu Karavirs zem Kaskrusta Karoga Seite 53.
- ↑ Kathrin Reichelt: Lettland unter deutscher Besatzung 1941-1944. Seite 132
- ↑ Igors Varpa: Latviesu Karavirs zem Kaskrusta Karoga Seite 57.
- ↑ Igors Varpa: Latviesu Karavirs zem Kaskrusta Karoga Seite 57.
- ↑ Igors Varpa: Latviesu Karavirs zem Kaskrusta Karoga Seite 57.
- ↑ Strods, Heinrihs. Salaspils koncentrācijas nometne (1941. gada oktobris-1944. gada septembris). Latvijas okupācijas muzeja gadagrāmata 2000 Rīga, Latvijas 50 gadu okupācijas muzeja fonds. 2001. ISBN 9984-9332-4-5 Seite 138-142.
- ↑ Igors Varpa: Latviesu Karavirs zem Kaskrusta Karoga Seite 61 nicht identisch mit dem Schachspieler Karlis Ozols
- ↑ Igors Varpa: Latviesu Karavirs zem Kaskrusta Karoga Seite 58.
- ↑ Arturs Pormals: Pūķu laiks Itaska, USA 2010 ISBN 978-9984-39-593-7 Seite 244-250
- ↑ Newspaper "Diena", Riga, Latvia, March 11, 2000 (via http://vip.latnet.lv/LPRA/lifsics.htm)
- ↑ Kathrin Reichelt: Lettland unter deutscher Besatzung 1941-1944. Seite 128
- ↑ Igors Varpa: Latviesu Karavirs zem Kaskrusta Karoga Seite 41.
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