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Bimetallkorrosion

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Schrauben und Muttern aus rostfreiem Stahl mit korrodierten Unterlegscheiben
Häusliche Trinkwasserinstallation: Weil die Zuleitung mit einem Kupferrohr erfolgt, das in ein Verbindungsstück aus verzinktem Stahl mündet, ist letzteres korrodiert (Lochfraß links unten).

Bimetallkorrosion (auch Kontaktkorrosion, galvanische Korrosion) nach DIN EN ISO 8044 ist eine Korrosion durch elektrochemische Reaktion zweier metallischer Werkstoffe oder anderer elektronenleitender Festkörper. Voraussetzung ist eine unterschiedliche Korrosionsbeständigkeit dieser Werkstoffe, ihr unmittelbarer Kontakt und die gemeinsame Benetzung durch ein wässriges Korrosionsmedium. Dadurch entsteht ein galvanisches Korrosionselement, vergleichbar mit einer kurzgeschlossenen Batterie: Infolge des erzeugten Stroms wird der weniger edle (d. h. weniger korrosionsbeständige) Werkstoff durch Abtrag zerstört.

Im Alltag lässt sich diese Korrosionsart beobachten, wenn zum Beispiel Schrauben, Muttern oder Nieten aus weniger edlen metallischen Werkstoffen zur Verbindung von rostfreiem Stahl, Messing oder Kupfer verwendet wurden, wenn Rohrleitungen so verbunden wurden, dass die geleitete Flüssigkeit vom edleren zum unedleren Metall fließt, oder wenn Kupferdrähte mit Aluminiumdrähten zusammengeklemmt wurden, um elektrischen Strom zu leiten. Obwohl die Ursachen seit Beginn des 19. Jahrhunderts verstanden werden, hat ihre Nichtbeachtung immer wieder zu spektakulären Schäden und Unfällen geführt.

Reaktion

Bimetallkorrosion von Eisen in Kontakt mit Kupfer

Zwei unterschiedliche Metalle in elektrischem Kontakt werden in einem flüssigen Medium, das als Elektrolyt wirken kann, wie normalerweise Wasser mit darin gelösten Salzen, zu Elektroden. Aufgrund unterschiedlicher Elektrodenpotentiale baut sich eine elektrische Spannung zwischen ihnen auf, sodass Elektronen der Atome des weniger edlen Metalls in das edlere Metall wandern und von dort aus zu einer Reaktion mit dem Elektrolyten führen. Im Gegenzug reagieren die Ionen des weniger edlen Metalls mit dem Elektrolyten. Durch den Kurzschluss zwischen den Metallen und den Ionenstrom im Elektrolyten entsteht ein geschlossener Stromkreis, der das Ausmaß der Redoxreaktion bestimmt: Die Anode wird oxidiert und dadurch allmählich zerstört, die Kathode dagegen reduziert und dadurch geschützt.

Die elektrische Spannung zwischen den Werkstoffen berechnet sich aus der Differenz ihrer Standardpotentiale, die aus der elektrochemischen Spannungsreihe ersichtlich sind. Die Korrosion hängt vom tatsächlich fließenden Strom ab, auf die Flächen bezogen also von der Stromdichte. Ein Gleichstrom aus einer externen Quelle kann diesen Strom verstärken, was in der Mikroelektronik von Bedeutung ist.

Für Bimetallkorrosion müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: ein elektrischer Kontakt, eine elektrolytische Verbindung und eine Potentialdifferenz der beiden Metalle. Großflächige Anoden sind gegenüber kleinflächigen Kathoden weniger korrosionsgefährdet als umgekehrt. Eine größere Potentialdifferenz, ein zunehmendes Flächenverhältnis von edlem zu unedlem Werkstoff, höhere Temperaturen und zunehmende Aggressivität des Elektrolyten (siehe pH-Wert) vergrößern die Korrosionswirkung.[1]

Weitere Erscheinungsformen

Bimetallkorrosion kann auch zwischen den Bestandteilen einer Legierung auftreten, wenn Ausscheidungen an den Korngrenzen der Kristalle an der Oberfläche ein Lokalelement oder Mikroelement bilden. Ein Beispiel ist Graphit und Eisen in Gusseisen: Graphit wirkt gegenüber Eisen wie ein edleres Metall und kann zu Spongiose führen.[2]

Wenn Zerspanungswerkzeuge abwechselnd für edle und für unedle Werkstoffe verwendet werden, können die unedlen durch zurückgebliebene oder eingepresste Partikel, wie etwa Schleifstaub, korrodieren.

Ein „Verschleppen“ von Material liegt auch der Korrosion zugrunde, die mit der sogenannten Fließregel nach DIN 1988-7 für Rohrleitungen verhindert werden soll: Wenn Leitungen aus unterschiedlichen Werkstoffen verbunden werden und genügend Sauerstoff im Rohr vorhanden ist wie bei Trinkwasser, können sich zum Beispiel gelöste Kupferionen auf verzinktem Stahl ablagern und dadurch Bimetallkorrosion verursachen. Um dies zu verhindern, sollten die weniger edlen Metalle in der Fließrichtung gesehen vor den edleren angeordnet werden.[3]

Schutz

korrodierte Opferanode

Zur Verringerung der Bimetallkorrosion gibt es zwei entgegengesetzte Strategien: Entweder wird die Elektrolyse zu verhindern versucht, oder sie wird kontrolliert eingesetzt. Ferner unterscheidet man zwischen passivem und aktivem Korrosionsschutz.

Verhinderung

Eine Verhinderung kann durch Vermeidung einer Potentialdifferenz zwischen den verbundenen Werkstoffen geschehen, durch die Isolation elektrischer Kontakte zwischen ihnen sowie durch Schutz vor Korrosionsmedien, zum Beispiel durch eine Beschichtung oder etwa Maßnahmen, die die Luftfeuchtigkeit oder die Aggressivität des Elektrolyten verringern wie Korrosionsinhibitoren. Die Vermeidung einer Potentialdifferenz geschieht passiv durch entsprechende Wahl der Werkstoffe oder aktiv durch eine Fremdstromanode, die mit einer permanent anliegenden elektrischen Spannung die werkstoffbedingten Potentialdifferenzen ausgleicht.

Kontrollierter Einsatz

Ein kontrollierter Einsatz der Bimetallkorrosion geschieht etwa mit einer Opferanode, zum Beispiel aus Zink oder Magnesium, die als Bauteil keine andere Funktion hat, als durch ihre Korrosion die übrigen Bauteile zu schützen. Dies ist im Schiffbau, bei Pipelines und bei Flüssigkeitsbehältern üblich. Der zu schützende Werkstoff wird damit zur Kathode gemacht (kathodischer Schutz). Auch infolge einer Beschichtung mit einem weniger edlen Metall (wie dem Verzinken von Stahl) wird das beschichtete Metall erst dann angegriffen, wenn die Beschichtung vollständig korrodiert ist.

Der passive Schutz mit einer edleren Metallschicht hält dagegen nur, solange diese Schicht intakt bleibt; bei geringfügigen Beschädigungen setzt die Korrosion verstärkt ein. Dies ist zum Beispiel ein Problem beim Weißblech von Lebensmittelbehältern oder bei Vergoldungen in der Zahntechnik.[4]

Passivierung

Eine Mischung beider Strategien ist die Passivierung: Die Korrosion wird zugelassen oder gefördert, wenn sich dadurch eine schützende Oxidschicht auf dem weniger edlen Metall bildet. Der zu schützende Werkstoff wird zur Anode gemacht und ist mit seiner Oxidschicht korrosionsbeständiger als viele edlere Metalle. Zur Berechnung dieser Schutzwirkung dient das Pilling-Bedworth-Verhältnis. Chromstahl wird geschützt, indem sein Legierungsbestandteil Chrom eine Oxidschicht bildet. Passivierung kann auch gezielt erzeugt werden: Vor allem bei Leichtmetallen wie Aluminium und seinen Legierungen ist das Anodisieren ein gebräuchlicher Korrosionsschutz.[5] Wegen seiner stabileren Oxidschicht kommt bei hoher Beanspruchung Titan zum Einsatz.

Geschichte

Nutzung der Bimetallkorrosion zur Stromerzeugung: Alessandro Volta stapelte Plättchen aus Kupfer und Zink sowie eine Elektrolytschicht zur Voltaschen Säule übereinander.

Bimetallkorrosion ist so alt wie die Metallverarbeitung, konnte aber erst systematisch bekämpft werden, als man den Mechanismus ihrer Entstehung verstand. Römische Holzschiffe waren ab etwa 500 v. Chr. (siehe Schiffe der Antike) mit einer Bleihaut überzogen, die mit Kupfernägeln befestigt wurde. Dadurch entwickelte sich im stark elektrolytischen Meerwasser Bimetallkorrosion zwischen dem halbedlen Kupfer und dem unedlen Blei. Es gibt Funde von mit Blei beschichteten Kupfernägeln, die dieses Problem offenbar verringerten.[6]

Die erste Studie zur Bimetallkorrosion wurde von der Royal Navy im Jahr 1763 in Auftrag gegeben, weil Eisennägel zur Sicherung von Kupferplatten am Rumpf der Fregatte HMS Alarm ungewöhnlich schnell korrodierten.[7] Die Ursachen konnten allerdings nicht vor der Begründung der Elektrizitätslehre durch Alessandro Volta und der Elektrolyse durch Alexander von Humboldt 1795 verstanden werden. Johann Wilhelm Ritter bemerkte 1798, dass die Spannungsreihe der Metalle identisch mit der Reihe ihrer Korrosionsbeständigkeit ist. Erst der britische Chemiker Humphry Davy konnte seine Versuche auf theoretische Überlegungen stützen und entdeckte 1824, dass Kupfer am Rumpf von Kriegsschiffen durch das Anbringen von Zink- und Gusseisenplatten als Opferanoden geschützt werden konnte. Sein Schüler Michael Faraday fand 1833 eine Berechnungsgrundlage zur Verbesserung dieses Korrosionsschutzes, indem er feststellte, dass die Masse der korrodierten Materie proportional zur elektrischen Ladung ist (siehe Faradaysche Gesetze). Fremdstromanoden, die eine Elektrizitätsversorgung voraussetzen, setzten sich erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts allmählich durch.[6]

Anlässlich der Renovierung der Freiheitsstatue zum 100-Jahr-Jubiläum Mitte der 1980er Jahre wurde entdeckt, dass eine Beschichtung aus Schellack und Asbest, die das Eisengerüst elektrisch von seiner Kupferverkleidung isolieren sollte, porös geworden war und dem Elektrolyten Platz bot, sodass die Bimetallkorrosion weit fortgeschritten war.[8]

Beim NATO-Hubschrauber NH90 wurde zu wenig berücksichtigt, dass sich die graphitähnlichen Kohlenstofffasern in kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff wie edles Metall verhalten und deshalb in Kontakt mit Metallen zu Bimetallkorrosion führen.[9]

Literatur

  • DIN EN ISO 8044:2015-12 Korrosion von Metallen und Legierungen – Grundbegriffe und Definitionen.
  • Helmut Kaesche: Die Korrosion der Metalle: Physikalisch-chemische Prinzipien und aktuelle Probleme. 3. Auflage, Springer, Berlin 2011, ISBN 978-3642184284.
  • Elsbeth Wendler-Kalsch, Hubert Gräfen: Korrosionsschadenkunde. Springer, Berlin 2012, ISBN 978-3642304316.

Weblinks

 Commons: Bimetallkorrosion – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Klaus Mörbe, Wolfgang Morenz, Hans-Werner Pohlmann, Helmut Werner: Praktischer Korrosionsschutz: Korrosionsschutz wasserführender Anlagen. Springer, Berlin 2013, S. 25. ISBN 978-3709188941
  2. Herbert Beneke: Lexikon der Korrosion und des Korrosionsschutzes. 2. Auflage, Vulkan, Essen 2000, S. 251. ISBN 3-8027-2918-8
  3. Franz-Josef Heinrichs, Bernd Rickmann: Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen: Installation. Kommentar zu DIN EN 806-4. Beuth, Berlin 2012, S. 64. ISBN 978-3410224891
  4. Heinrich F. Kappert, Karl Eichner: Zahnärztliche Werkstoffe und ihre Verarbeitung. 1. Grundlagen und Verarbeitung. Thieme, Stuttgart 2005, S. 168. ISBN 978-3131271488
  5. Andreas Kalweit, Christof Paul, Sascha Peters, Reiner Wallbaum: Handbuch für technisches Produktdesign: Material und Fertigung. Springer, Berlin 2006, S. 532. ISBN 978-3540214168
  6. 6,0 6,1 Walter von Baeckmann, W. Schwenk: Handbuch des kathodischen Korrosionsschutzes: Theorie und Praxis der elektrochemischen Schutzverfahren. 4. Auflage, Wiley, Weinheim 1999, S. 2–4. ISBN 978-3527625734
  7. K. R. Trethewey, J. Chamberlain: Corrosion: for Students of Science and Engineering. Longman, Harlow 1992, S. 4–5. ISBN 978-0582450899
  8. Robert Baboian, E. Blaine Cliver, E. Lawrence Bellante: The Statue of Liberty Restoration: Proceedings of The Statue of Liberty, Today for Tomorrow Conference, October 20-22, 1986. National Association of Corrosion Engineers, New York 1990, S. 94. ISBN 978-1877914126
  9. http://augengeradeaus.net/2014/07/korrosion-beim-niederlaendischen-marine-nh90-der-bericht-zum-nachlesen/comment-page-1/ aufgerufen am 4. Juni 2016
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