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Leo Kerz

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Leo Kerz (geboren 1. November 1912 in Berlin; gestorben 4. November 1976 in New York) war ein deutschamerikanischer Bühnenbildner und Theaterproduzent. Er überlebte als einziger der jüdischen Familie Kerz den Holocaust.

Leben

Familie und Ausbildung

Leo Kerz war der Sohn von Nathan und Nechuma Kerz, die 1910 aus Polen nach Berlin gekommen waren und dort ein Geschäft für Damenschneiderei führten, das sie zum Modegeschäft mit regelmäßigen Modeschauen und etwa 20 Beschäftigten ausbauten. Leo Kerz hatte noch eine jüngere Schwester Charlotte. Er lernte Bühnenbildner bei Traugott Müller, der Bühnenentwürfe für das Staatstheater gestaltete. Arbeiten von Kerz wurden schon während dessen Lehrzeit in Ausstellungen gezeigt, etwa 1931 in der Galerie von Alfred Flechtheim.[1]

Emigration 1933 und Schicksal der Familie

Als politisch links stehender Künstler emigrierte Kerz nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 nach Prag. Er sah nun keine Möglichkeit mehr, durch einen Generalstreik die Arbeiterschaft zu mobilisieren und warf Gewerkschaften und Sozialdemokratie Versagen vor, das nicht schon vor der Machtergreifung versucht zu haben. Dieser habe eigentlich schon bei der Ernennung Franz von Papens zum Reichskanzler durch Reichspräsident Paul von Hindenburg im Juni 1932 erfolgen müssen.[2] Der Verleger Helmut Kindler schildert in seinen Erinnerungen eine Begegnung mit Kerz kurz bevor dieser Berlin verließ. Danach sagte ihm Kerz: „Wenn Deutsche so mit Deutschen umgehen, möchte ich mich über das, was mit uns Juden geschieht, nicht beklagen. […] Helmut, ich bleibe nicht in diesem Land. Morgen bin ich in Prag.“[3] Die Eltern emigrierten zusammen mit ihrer 1914 geborenen Tochter Charlotte im November 1933 nach Den Haag. Leo Kerz folgte ihnen im Februar 1934, erhielt aber keine Arbeitserlaubnis und ging zunächst nach London, dann Johannesburg. Dort wurde er Mitbegründer des Pioneer-Theaters, das als erstes Avantgarde-Theater Südafrikas gilt und produzierte u.a. die Dreigroschenoper von Bertolt Brecht.[4] Bemühungen seiner Eltern, zu Verwandten in die USA auszureisen, scheiterten nach dem Beginn der Zweiten Weltkriegs 1939. Nachdem der Vater Nathan im Januar 1943 in Den Haag gestorben war, wurden die Mutter Nachuma und Schwester Charlotte im Mai 1943 von Den Haag ins Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet.[5]

Einreise in die USA 1941 und Theatermacher am Broadway

Leo Kerz hingegen konnte 1941 von Südafrika aus in die USA nach New York einreisen. Dort lebten nun Theatermacher, die er aus Berlin kannte, so Erwin Piscator, Bert Brecht, Kurt Weil und Ernst Josef Aufricht. Kerz arbeitete wieder als Bühnenbildner und war auch gelegentlich als Theaterproduzent am Broadway tätig.[6] Als erste größere Arbeit übernahm Kerz 1947 die Ausstattung des Shakespeare-Stücks Antonius und Cleopatra am New Yorker Martin-Beck Theater. Danach war er Bühnenbildner und technischer Leiter der Metropolitan Opera in New York und der San Francisco Opera und fungierte zudem als Art Direktor des Columbia Broadcasting Systems.[7]

Seinen größten Erfolg erreichte Kerz 1960 mit der Produktion von Eugène Ionescos Stück Rhinoceros im Langacre Theater New York. Er war zugleich Produzent und Bühnenbildner dieser ersten Aufführung Absurden Theaters am Broadway. Das „Anti-Nazi-Stück“, das als „Attacke auf kollektive Hysterie und Konformität“ verstanden werden kann, wurde 250 mal aufgeführt und Kerz erhielt dafür den „Outer Circle Award für the most Creative Overall Production and the most impressive Contribution to the Broadway Season“.[8]

Berlin 1962: Hochhuths Stellvertreter und Entschädigung

1962 lebte Kerz für ein knappes Jahr in Berlin und erarbeitete das Bühnenbild für die Uraufführung von Rolf Hochhuths Stück Der Stellvertreter, das Papst Pius XII. anklagte, nicht gegen die Vernichtung der Juden eingetreten zu sein. Hier arbeitete er mit Erwin Piscator zusammen.[9] Dieser hatte ihn eigens aus New York verpflichtet. Bei seiner Gestaltung des Bühnenbildes setzte Kerz nicht auf technische Neuerungen, sondern richtete eine herkömmliche Guckkastenbühne ein, die den Bühnenraum zu drei Seiten begrenzte, so dass die Zuschauer durch die vierte imaginäre Wand in das Geschehen auf der Bühne blickten. Die Oberwand zur Decke wurde aufgebrochen. Über den Bruchstücken der Decke blickte eine überdimensionale Skulptur des gekreuzigten Jesus herab. Die Gestaltung der Requisiten und Kostüme waren naturalistisch auf jeweilige Figur und Ort der Handlung bezogen. Dies galt für päpstliche Soutane ebenso wie SS-Uniform, sei es für die nach einem Bombenangriff zerstörten Wohnung Kurt Gersteins oder auch die Berliner Nuntiatur.[10]

Kerz nutzte diesen Aufenthalt auch, um Entschädigungsansprüche aufgrund der Verfolgung seiner Familie in der NS-Zeit durchzusetzen. So wegen des Schadens der Verzögerung seines beruflichen Fortkommens, wofür er 30.000 DM erhielt und den Verlust des Konfektionsgeschäftes seiner Eltern, das diese sich gezwungen sahen, im Zuge der Verfolgung weit unter Wert zu „verschleudern“. Hier betrug der Entschädigungsbetrag 5.000 DM.[11]

Lebenswerk und Tod 1976

Kerz lebte bis zu seinem Tod 1976 in New York, reiste aber auch nach Europa und hielt Vorträge an den Universitäten Krakau und Warschau. Er veröffentlichte Aufsätze zu Bauten und Design von Theaterstücken, Opern und Filmen.

Anlässlich seines Todes 1976 charakterisierte ihn die New York Times als Vertreter des Goldenen Zeitalters des Deutschen Theaters, der zusammen mit anderen Exilkünstlern einen wichtigen Beitrag für das Erscheinungsbild des amerikanischen Theaters geleistet habe.[12]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Petra T. Fritsche: Stolpersteine – Das Gedächtnis einer Straße. wvb, Berlin 2014, S. 347f.
  2. Helmut Kindler: Zum Abschied ein Fest. Kindler, München 1992, S. 167.
  3. Helmut Kindler: Zum Abschied ein Fest. Kindler, München 1992, S. 169.
  4. Petra T. Fritsche: Stolpersteine – Das Gedächtnis einer Straße. wvb, Berlin 2014, S. 354.
  5. Petra T. Fritsche: Stolpersteine – Das Gedächtnis einer Straße. wvb, Berlin 2014, S. 348f.
  6. Petra T. Fritsche: Stolpersteine – Das Gedächtnis einer Straße. wvb, Berlin 2014, S. 349f.
  7. Petra T. Fritsche: Stolpersteine – Das Gedächtnis einer Straße. wvb, Berlin 2014, S. 354.
  8. Petra T. Fritsche: Stolpersteine – Das Gedächtnis einer Straße. wvb, Berlin 2014, S. 350.
  9. Petra T. Fritsche: Stolpersteine – Das Gedächtnis einer Straße. wvb, Berlin 2014, S. 351f.
  10. Nadine Wickert: „Der Stellvertreter“ und seine Umsetzung in Theater und Film. Das Politische in Rolf Hochhuths Drama, Erwin Piscators Bühneninszenierung und Constantin Costa-Gavras’ Film. Diplomica, Hamburg 2014, ISBN 978-3-8428-9886-8, S. 62.
  11. Petra T. Fritsche: Stolpersteine – Das Gedächtnis einer Straße. wvb, Berlin 2014, S. 352f.
  12. Petra T. Fritsche: Stolpersteine – Das Gedächtnis einer Straße. wvb, Berlin 2014, S. 354.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Leo Kerz aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.