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Mahnmal am Bahnhof Fischerhof
Das Mahnmal am Bahnhof Fischerhof in Hannover ist ein vom Niedersächsischen Verband Deutscher Sinti e.V. gestiftetes Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus.[1] Anders als etwa das Mahnmal für die ermordeten Juden Hannovers am zentralen Opernplatz[2] ist der vergleichsweise bescheidene Gedenkstein „Für alle Verfolgten des Nationalsozialismus“ errichtet worden.[1] Standort des etwas abgelegenen Mahnmals im Stadtteil Linden-Süd ist der Abzweig der Elise-Meyer-Allee kurz vor dem Eingang des ehemaligen Bahnhofs Fischerhof.[3]
Geschichte
Deportationen von Juden 1941 – 1944
Über den von dichter Wohnbebauung etwas abgelegenen Bahnhof Fischerhof wurden im Dritten Reich die meisten Transporte von Opfern der rassistischen Verfolgung aus dem südlichen Niedersachsen durch das NS-Regime organisiert. Von hier aus wickelte die Gestapo-Leitstelle Hannover insgesamt 7 Transporte von jüdischen Bürgerinnen und Bürgern ab in die Ghettos und Vernichtungslager im Osten. Zwischen dem 15. Dezember 1941 und dem 11. Januar 1944 wurden insgesamt 2.174 jüdische Opfer, die zuvor in der Israelitischen Gartenbauschule in Ahlem zusammengezogen worden waren, deportiert in das Ghetto Riga und das Warschauer Ghetto, in das Konzentrationslager Auschwitz und das KZ Theresienstadt.[4]
Vor allem beim zweiten „Abtransport“, der am Abend des 31. März 1942 nach Warschau gehen sollte, kam es zu schlimmen Szenen: 491 Menschen mußten erst fünf Stunden lang - in strömendem Regen frierend - auf den verspäteten Zug warten, und wurden dann von der Gestapo wahllos in die schon überfüllten Waggons gepreßt.[4]
Deportationen von Sinti 1943
Anfang März 1943 organisierte die Kriminalpolizeistelle Hannover am Bahnhof Fischerhof „den großen Auschwitz-Transport“: Etwa 100 Sinti aus Hannover und mindestens 25 Sinti aus der Umgebung der Stadt wurden in das „Familiensammellager“ in Auschwitz-Birkenau deportiert.[4]
Zwangsarbeiter
Der Bahnhof Fischerhof war aber auch Ankunftsstelle für Zwangsarbeiter. Hier trafen in Güterzügen Häftlinge aus den Konzentrationslagern Ravensbrück, Mauthausen und KZ Auschwitz ein, die dann zur Zwangsarbeit vor allem auf die mehr als 500 Lager der verschiedenen Rüstungsbetriebe[5] verteilt wurden.[4] Wenige Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges, kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner in Hannover, ermordeten Angehörige der Gestapo-Leitstelle Hannover noch hunderte von Zwangsarbeitern und verscharrten sie auf dem Seelhorster Friedhof, um ihr Unrecht und ihre Grausamkeiten zu vertuschen. Daran erinnert seit 1945 der Ehrenfriedhof am Maschsee-Nordufer.[6]
Mahnmal 1996
Das Mahnmal wurde vom Niedersächsischen Verband Deutscher Sinti e.V. gestiftet und am 1. März 1996 eingeweiht. Mit seiner Form erinnert der Gedenkstein an die traditionelle Form der zwei Tafeln Dekalogs. Über der Inschrift „Für alle Verfolgten des Nationalsozialismus“ zeigt der Gedenkstein zwei für Sinit-Grabsteine traditionelle Symbole:[4]
- ein „Z“, das Sinti und Roma als weithin sichtbares Kennzeichen für „Zigeuner“ tragen mußten in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern;[4]
- den Davidstern als Symbol für das jüdische Volk.[4]
Ganz bewußt hatte der Niedersächsische Verband Deutscher Sinti dieses Mahnmal allen Opfern des Nationalsozialmus gewidmet. Der Verband wollte damit ein Zeichen setzen, da bei zahlreichen Gedenkstätten an den Holocaust die Sinti und Roma in der Regel „vergessen“ wurden.[4]
Siehe auch
- Johann Wilhelm Trollmann (auch: „Rukeli“) (1907–1943), sinti-deutscher Meister im Halbschwergewicht 1933, ums Leben gekommen in Auschwitz-Birkenau[7]
- Felix Linnemann (1925-1945), Sportfunktionär und ab Herbst 1939 als Leiter der Kriminalpolizeileitstelle Hannover an der Erfassung von Sinti und Roma beteiligt[8]
Literatur
- Reinhold Baaske: Aus Niedersachsen nach Auschwitz. Die Verfolgung der Sinti und Roma in der NS-Zeit, Katalog zur Ausstellung des Niedersächsischen Verbandes Deutscher Sinti e.V. (107 Seiten, mit Illustrationen), unter Mitarbeit von Dirk Götting sowie den Studierenden Dora Alapi u.a., Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2004, ISBN 3-89534-557-1
- Ursula Krause-Schmitt, Heinz Koch (Redaktion): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945, Bd. 3.: Niedersachsen. - 2. Regierungsbezirke Hannover und Weser-Ems, mit einem Vorwort von Rolf Wernstedt, in Zusammenarbeit mit Barbara Bromberger, Werner Müller und dem Landesverband Niedersachsen des VVN - Bund der Antifaschisten, hrsg. vom Studienkreis zur Erforschung und Vermittlung der Geschichte des Deutschen Widerstandes 1933 - 1945, 1986, ISBN 3-7609-0983-3
- Ulrike Dursthoff, Michael Pechel (Redaktion): Gedenkstein am Bahnhof Fischerhof / Hannover-Linden, in: Orte der Erinnerung. Wegweiser zu Stätten der Verfolgung und des Widerstands wöhrend der NS-Herrschaft in der Region Hannover, hrsg. vom Netzwerk Erinnerung und Zukunft in der Region Hannover, Eigenverlag, ohne Jahr [2007], S. 75f.
- Netzwerk Erinnerung und Zukunft Region Hannover: Orte der Erinnerung: Gedenkstein am Bahnhof Fischerhof, online
- Wolfgang Günther: Die preußische Zigeunerpolitik seit 1871 im Widerspruch zwischen zentraler Planung und lokaler Durchführung. Eine Untersuchung am Beispiel des Landkreises Neustadt am Rübenberge und der Hauptstadt Hannover, in: Hannoversche Geschichtsblätter, Neue Folge 38 (1984), S. 127–175
- H. Firzlaff: knock-out. Die Tragödie eines Sinti-Boxers, 1997
- Rüdiger Fleiter: Stadtverwaltung im Dritten Reich. Verfolgungspolitik auf kommunaler Ebenen am Beispiel Hannovers, zugleich Dissertation an der Universität Hannover 2005 unter dem Titel: Fleiter, Rüdiger: Die Mitwirkung der hannoverschen Stadtverwaltung an der NS-Verfolgungspolitik , Band 10 in der Reihe Hannoversche Studien. Schriftenreihe des Stadtarchivs Hannover, Hannover: Hahn, 2006, ISBN 3-7752-4960-5, S. 277ff.
- Cornelia Maria Hein, Heike Krokowski: "Es war unmenschenmöglich". Sinti aus Niedersachsen erzählen - Verfolgung und Vernichtung im Nationalsozialismus und Diskriminierung bis heute, hrsg. vom Niedersächsischen Verband Deutscher Sinti e.V., Hannover: Niedersächsischer Verband deutscher Sinti, 1995, ISBN 3-00-000005-4
- Roger Repplinger: „Leg Dich Zigeuner“. Die Geschichte von Johann Trollmann und Tull Harder, ungekürzte Taschenbuchausgabe, München; Zürich: Piper, 2012, ISBN 978-3-492-30054-4,
- Klaus Mlynek: Sinti, in: Stadtlexikon Hannover, S. 568
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 siehe dieses Foto
- ↑ Netzwerk Erinnerung und Zukunft Region Hannover: Orte der Erinnerung: Mahnmal für die ermordeten Juden Hannovers, online
- ↑ siehe die Geokoordinaten oben rechts über diesem Artikel (dort anklicken)
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 4,7 Ulrike Dursthoff, Michael Pechel(Redaktion): Gedenkstein am Bahnhof Fischerhof ... (siehe Literatur)
- ↑ Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge: Erinnerungstafel Hannover. Der Ehrenfriedhof am Nordufer des Maschsees, als PDF-Dokument online, mit Fotos und einzelnen Namen, in deutscher und russischer Sprache
- ↑ Waldemar R. Röhrbein: Ehrenfriedhof am Maschsee-Nordufer, „Russenfriedhof“, in: Stadtlexikon Hannover, S. 147f.
- ↑ Klaus Mlynek: Sinti, (siehe Literatur)
- ↑ Biographie Linnemanns online auf der Seite des DFB
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